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GRANT COUNTY – MITTWOCH
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Jeffrey saß mit Kayleigh Pierce in dem Wohnheim, wo auch Rebecca Caterino ihr Zimmer hatte. Er hatte keine Zeit, sich dafür zu ohrfeigen, dass er nicht auf seinen Instinkt gehört hatte. Der Fall Caterino war binnen vierundzwanzig Stunden von einer tot aufgefundenen Person über einen Unfall zu einem versuchten Mord mit Vergewaltigung geworden. Was er jetzt brauchte, waren Fakten. Bislang hatten sie die Sache als Routinefall behandelt. Jetzt kannte er die harte Wahrheit.
Caterinos Angreifer hatte sie gezielt ins Visier genommen. Man lief nicht einfach mit einem Hammer durch die Gegend, wenn man nicht vorhatte, ihn zu benutzen. Caterino war schon vom Campus oder in den Wald hinein von jemandem verfolgt worden, der die Absicht hatte, eine Gewalttat zu begehen.
Und jetzt war Leslie Truong, die Zeugin, die sein eigenes verdammtes Team einfach hatte davonspazieren lassen, verschwunden und möglicherweise entführt worden.
Der einzige Weg, der Jeffrey offenstand, bestand darin, ganz von vorn anzufangen.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll?« Kayleigh hatte die Angewohnheit, am Ende eines jeden Satzes die Stimme zu heben, als würde sie eine Frage stellen, statt sie zu beantworten.
»Ich weiß, Sie haben bereits mit einem meiner Beamten gesprochen«, sagte Jeffrey. »Schildern Sie mir einfach die Ereignisse von gestern Morgen. Alles, woran Sie sich erinnern, kann hilfreich sein.«
Sie zupfte an einem Stück loser Haut an ihrer Fußsohle. Das Mädchen trug einen blauen Seidenpyjama. Auf die Innenseite ihrer Handgelenke waren chinesische Schriftzeichen tätowiert. Ihr kurzes blondes Haar hatte sich beim Schlafen aufgestellt.
»Wie gesagt, ich habe geschlafen?«
Jeffrey schaute in sein Notizbuch. Er focht noch mit sich, ob er Kayleigh erzählen sollte, dass man ihre Freundin überfallen hatte. Er folgte seinem Bauchgefühl, das ihm sagte, sie wäre in dem Moment, in dem sie davon erfuhr, als Zeugin so gut wie wertlos. Das Mädchen neigte dazu, alles, was geschah, auf sich selbst zu beziehen. Was nicht überraschend schien. Sie war noch in dem Alter, in dem man die Welt nur durch die eigene Linse betrachten konnte.
»Weiter«, sagte er.
»Becks war echt wütend auf uns? Auf uns alle? Sie fing zu schreien an wie eine Verrückte, warf Zeug um, schmiss Sachen durch die Gegend?«
Die Küche war ein einziges Durcheinander, aber Jeffrey sah, dass jemand den Abfalleimer umgetreten hatte. Das Plastik war verbeult, und der Abfall hatte auf dem Boden eine Schleimspur hinterlassen. Der einzige Gegenstand, der offenbar verschont geblieben war, war ein brauner Lederrucksack neben dem Kühlschrank.
»Warum war Beckey wütend?«, fragte er.
»Wer weiß?« Kayleigh zuckte mit den Achseln, aber Jeffrey ahnte, dass sie nicht nur wusste, warum ihre Freundin wütend gewesen war, sondern auch, auf wen. »Sie trat meine Tür auf? Und sie schrie: ›Ihr Miststücke‹, als würde sie uns hassen? Ich bin ihr zu ihrem Zimmer gefolgt, um zu sehen, was los war? Aber sie wollte es mir nicht verraten?«
»Beckeys Zimmer ist das am Ende des Flurs?«
»Ja.« Endlich brachte sie es fertig, eine richtige Antwort zu formulieren. »Als wir hier ankamen, haben alle gesehen, dass das Zimmer das kleinste war, und wir haben uns auf eine Auseinandersetzung oder so was gefasst gemacht, aber Becks sagte einfach: ›Ich nehme das kleine‹, und schon waren wir die besten Freundinnen.«
»War sie mit jemandem zusammen?«
»Sie hat im Sommer mit ihrer Freundin Schluss gemacht? Aber seitdem gab es niemanden. Nicht einmal ein Date. Es gibt eine Menge Arschlöcher auf dem Campus.«
»War jemand fixiert auf sie?«
»Niemals. Becks ging in keine Kneipen, hatte keinen Spaß, gar nichts?« Sie schüttelte den Kopf so kräftig, dass ihr Haar wippte. »Wenn jemand fixiert auf sie gewesen wäre oder so, ich wäre sofort zur Polizei gegangen. Zur richtigen, nicht zu den Kaufhaus-Cops auf dem Campus.«
Jeffrey freute sich, weil sie wusste, dass es da einen Unterschied gab. »Hat Beckey Ihnen einmal erzählt, dass sie sich unsicher fühlte? Oder als würde sie jemand ausspähen?«
»O mein Gott, hat jemand sie beobachtet?« Sie blickte zur Küche, zur Tür, zum Flur. »Muss ich mir Sorgen machen? Bin ich in Gefahr oder so?«
»Das sind Routinefragen. Ich würde die auch bei jeder anderen Vernehmung stellen.« Jeffrey beobachtete das Wechselspiel von Angst und Erleichterung auf ihren Zügen. Binnen einer Stunde würden sich wahrscheinlich alle Frauen auf dem Campus fragen, ob sie sich ängstigen sollten. »Konzentrieren wir uns auf gestern Morgen, Kayleigh. Hat Beckey etwas zu Ihnen gesagt, als Sie ihr zu ihrem Zimmer gefolgt sind?«
»Sie hat ihre Laufsachen angezogen? Was … okay, sie läuft gern, aber es war super früh. Dann sagte Vanessa: Geh nicht jetzt raus, wenn sich die Vergewaltiger herumtreiben, was zu der Zeit ein Witz war, nur dass wir jetzt alle so besorgt sind, weil sie im Krankenhaus ist? Und ihr Dad, Gerald, hat heute Morgen angerufen, und er hat geweint, was echt hart ist, weil ich meinen eigenen Dad noch nie weinen gehört habe, deshalb hat es mich echt traurig gemacht?« Kayleigh rieb sich die Augen, aber da waren keine Tränen. »Ich musste meinen Professoren sagen, dass ich für den Rest der Woche nicht in die Vorlesungen kommen kann. Es ist einfach so … willkürlich? Becks geht laufen, dann stößt sie sich den Kopf an, und ihr Leben ist … ich weiß nicht, was ihr Leben jetzt ist? Aber es ist so traurig. Ich komme kaum mehr aus dem Bett, denn was, wenn ich es gewesen wäre? Ich laufe auch gern.«
Jeffrey blätterte in seinem Notizbuch zurück. »Deneshia hat mir erzählt, dass Beckey zuvor die ganze Nacht in der Bibliothek war.«
»Das tat sie oft. Sie hatte Angst, ihr Stipendium zu verlieren und so?« Kayleigh zog eine Handvoll Papiertücher aus der Schachtel auf dem Tisch. »Ich meine, sie hat viel über Geld gesprochen? Richtig viel? So wie man eigentlich nicht über Geld spricht?«
Jeffrey war mit dem Muster vertraut. Er war in Sylacauga aufgewachsen und hatte immer gewusst, dass er arm war, aber bis zu seinem ersten Tag in Auburn war ihm nicht klar gewesen, wie das Gegenteil von arm tatsächlich aussah.
»Ist das ihr Rucksack?« fragte er.
Kayleigh sah zum Kühlschrank. »Ja?«
Jeffrey steckte sein Notizbuch wieder ein und ging in die Küche. Er musste über leere Joghurtkartons und Popcorntüten steigen. Der Rucksack war aus gutem Leder und trug die Initialen BC auf der Klappe. Er nahm an, es war ein Geschenk zum Highschool-Abschluss, denn es sah nicht aus wie ein Accessoire, für das eine arme Studentin Geld ausgeben würde.
Jeffrey legte den Inhalt vorsichtig auf einer freien Fläche der Anrichte aus. Kugelschreiber, Bleistifte, Papiere. Ausdrucke. Arbeitsaufträge. Das Klapphandy war ein älteres Modell. Er öffnete es – der Akku war fast leer. Es gab keine verpassten Anrufe, und die jüngsten Anrufe waren geklärt. Er sah in den Kontakten nach: Dad. Daryl. Deneshia.
Er fragte Kayleigh. »Wer ist Daryl?«
»Er wohnt außerhalb des Campus?« Sie zuckte mit den Achseln. »Alle kennen ihn? Er war früher hier, aber er ist vor zwei Jahren ausgestiegen, weil er Skateboard-Profi werden will?«
»Hat er einen Nachnamen?«
»Davon gehe ich schwer aus, aber ich weiß ihn nicht?«
Jeffrey vermerkte Daryls Nummer in seinem Notizbuch. Das Telefon musste als Beweismittel eingelagert werden, was Lena gestern versäumt hatte, als sie mit Rebecca Caterinos Mitbewohnerinnen sprach.
Er griff noch einmal in den Rucksack und fand ein Lehrbuch über Organische Chemie, ein weiteres über Textilien, ein drittes über Ethik in der Wissenschaft. Der Laptop war, seinem Gewicht nach zu urteilen, ein neueres Modell. Er öffnete ihn. Das Dokument auf dem Bildschirm trug den Namen RCATERINO-CHEM-FINAL.doc
Er scrollte durch die Arbeit, die genauso weitschweifig und pedantisch war wie die Arbeiten, die auch er im Studium geschrieben hatte.
Er blickte auf. Kayleigh zupfte noch immer an ihrem Fuß herum.
»Können Sie mal herkommen und mir sagen, ob etwas fehlt?«, fragte er.
Sie hievte sich von der Couch und tänzelte zu ihm. Sie sah die Lehrbücher und Papiere durch und sagte: »Ich glaube nicht. Aber ihre Spange war natürlich immer neben dem Bett.«
»Ihre Spange?«
»Eine Zopfklammer? Für die Haare?«
Jeffreys Instinkt meldete sich lautstark. Leslie Truong hatte ein Stirnband vermisst. Jetzt fehlte bei Beckey Caterino eine Haarklammer.
Er wollte Kayleigh nicht beeinflussen. »Liegt sie noch neben dem Bett?«
»Nein, darum geht es doch?« Sie klang verwundert. »Beckey konnte sie nicht finden? Und dann haben wir alle danach gesucht, und wir haben sie auch nicht gefunden? Hab ich der Polizistin alles gesagt?«
Es gab nur eine Polizistin in seiner Dienststelle. »Officer Adams?«
»Ja, ich habe ihr erzählt, dass Beckeys Haarklammer, die sie von ihrer Mutter hatte, nicht auf dem Nachttisch lag, wo sie sie immer aufbewahrt, und erst war Beckey böse auf mich, aber dann wurde ihr klar, dass ich sie nicht genommen habe, weil ich nie etwas nehmen würde, was eine besondere Bedeutung für jemanden hat, denn sie hat mir die Geschichte ja erzählt, dass es quasi das Letzte war, was sie von ihrer Mutter bekommen hat, und eigentlich wollte ihre Mutter ihr die Klammer nur borgen, aber dann starb sie, und die Klammer ist für immer bei Becks geblieben.«
Jeffrey versuchte, den Endlossatz aufzudröseln. »Sie haben Officer Adams erklärt, dass Beckey ihre Haarklammer vermisst hat?«
»Richtig.«
Jetzt kam Jeffrey irgendwie nicht mehr aus dem nervigen Frageton heraus. »Die Klammer gehörte ihrer Mutter?«
»Richtig.«
»Und Beckey bewahrte sie immer auf ihrem Nachttisch auf?«
»Richtig.«
»Aber als sie an dem Morgen danach gesucht hat, war die Klammer nicht da?«
»Ja.«
»Zeigen Sie es mir?«
Sie führte ihn den Gang hinunter. Er ignorierte den beißenden Geruch nach Gras, Schweiß und Sex, der die Räume durchdrang. Kein einziges Bett war gemacht. Kleidung lag verstreut auf dem Boden. Er sah Haschischpfeifen und Unterhosen und gebrauchte Kondome neben Abfalleimern liegen.
»Hier.« Kayleigh war vor dem Zimmer am Ende des Flurs stehen geblieben. »Wir haben schon gesucht, ja? Um ihr die Klammer ins Krankenhaus zu bringen? Aber wir konnten sie nicht finden?«
Jeffrey nahm das Zimmer in Augenschein. Beckey war nicht gerade ordentlich, aber sie war nicht so katastrophal schlampig wie ihre Mitbewohnerinnen. Er sah zum Nachttisch: Wasserglas, Lampe, ein aufgeschlagener Gedichtband, so grob umgebogen, dass der Rücken gebrochen war. Jeffrey widerstand der Versuchung, das Buch zuzuklappen. Er ging auf Hände und Knie. Unter dem Nachttisch war nichts. Er schaute unter das Bett. Eine Socke. Ein BH. Staubflusen und ein bisschen Müll.
Er fragte Kayleigh: »Kennt Beckey eigentlich Leslie Truong?«
»Das verschwundene Mädchen?« Sie runzelte die Stirn. »Ich glaube nicht? Weil sie älter ist? Kurz vor dem Abschluss steht?«
»Könnten sie sich in der Bibliothek über den Weg gelaufen sein?«
»Möglich? Aber es ist eine ziemlich große Bibliothek?«
Jeffreys Handy läutete, und er unterdrückte einen Fluch, als er die Nummer sah. Seine Mutter hatte schon dreimal angerufen. Sie war wahrscheinlich bei ihrem vierten Drink des Tages und beklagte den Umstand, dass ihr einziger Sohn ein liebloser Vollidiot war.
Er stellte das Gerät stumm.
»Chief?« Lena war im Flur. »Ich habe noch einmal im Wohnheim herumgefragt. Niemandem ist etwas Neues eingefallen.«
Jeffrey stand vom Boden auf. Flusen übersäten die untere Hälfte seiner Hose. Er versuchte, sie abzuschütteln. »Wir müssen zur Polizeistation zurück.«
Lena trat beiseite, damit er vorbeikonnte. Jeffrey hatte Kayleigh bereits seine Visitenkarte gegeben. Er hoffte darauf, dass das Mädchen von der Nummer Gebrauch machen würde, wenn sie erfuhr, dass ihre Mitbewohnerin nicht nur einem Unfall zum Opfer gefallen war. Es war anzunehmen, dass es sich jetzt bereits auf dem Campus herumsprach. Sibyl Adams hatte recht damit, dass Klatsch in einem College geradezu gedieh. Vielleicht würde jemand das Falsche zur richtigen Person sagen, denn so, wie es im Moment aussah, würde er andernfalls keinen der beiden Fälle knacken.
Jeffrey suchte im Hauptkorridor nach Brad, der die Aufgabe hatte, ein zweites Mal im Wohnheim herumzufragen. Er erwischte ihn, als er gerade aus einem der Zimmer kam. »Caterinos Rucksack ist in der Küche. Tragen Sie alles ins Beweismittelverzeichnis ein.«
»Ja, Chief.«
Jeffrey nahm sein Notizbuch wieder zur Hand. Er wählte die Nummer von Daryl. Es läutete einmal, dann verkündete eine Tonbandstimme, dass die Nummer derzeit nicht vergeben war.
Er starrte das Telefon an, als könnte es ihm eine Erklärung liefern. Er überprüfte die Nummer. Er versuchte es noch einmal. Dieselbe Mitteilung. Der Anschluss bestand nicht mehr.
»Was gibt es, Chief?«, fragte Lena.
Jeffrey lief am Aufzug vorbei und nahm die Treppe. Es konnte eine Menge Gründe geben, warum Daryls Nummer nicht mehr gültig war. Die meisten Studenten kamen gerade so über die Runden. Prepaidhandys waren nicht ungewöhnlich. Und dass kein Geld für ein neues Guthaben da war, war ebenfalls nicht ungewöhnlich.
Aber der Zeitpunkt störte ihn.
Draußen musste Lena doppelt so viele Schritte machen, um mit seinem Tempo mitzuhalten, als sie den Innenhof durchquerten. »Steht Ihr Wagen nicht in der anderen Richtung?«
»Doch.« Jeffrey machte weiter lange Schritte, damit sie sich anstrengen musste. »Haben Sie Beckey Caterinos Büchertasche durchsucht?«
»Ich …« Lenas Gesicht verriet alles. »Sie hatte einen Unfall, zumindest dachten wir das, deshalb …«
»Vor vierundzwanzig Stunden stand ich auf dieser Wiese und habe zu Ihnen gesagt, dass Sie Unfälle immer wie einen potenziellen Mord zu behandeln haben. Oder habe ich es nicht gesagt?« Jeffrey war nicht in der Stimmung für eine ihrer Ausreden. »Was ist mit der Haarklammer?«
»Die …«
»Ihnen ist nicht in den Sinn gekommen, dass Sie mir vielleicht etwas von der Haarklammer sagen sollten?«
»Ich …«
»Sie kommt in Ihrem offiziellen Bericht nicht vor, Lena. Steht etwas über sie in Ihrem Notizbuch?«
Lena knöpfte rasch ihre Hemdtasche auf.
»Schreiben Sie es nicht nachträglich hinein. Das sieht verdächtig aus.«
»Verdächtig für …«
»Wegen dieser Geschichte droht uns ein Prozess, der sich gewaschen hat. Ist Ihnen das eigentlich klar?« Er senkte die Stimme, da sie an einer Gruppe Studenten vorbeikamen. »Rebecca Caterino lag eine halbe Stunde dort im Wald vor uns, während wir alle herumstanden und in der Nase gebohrt haben. Können Sie vor einem Richter Ihre Hand auf die Bibel legen und schwören, dass Sie von dem Moment an, in dem Sie das Mädchen gefunden haben, alles getan haben, was Sie konnten?«
Lena war intelligent genug, erst gar keine Antwort zu versuchen.
»Das dachte ich mir.«
Jeffrey riss die Tür zum Büro des Campus-Sicherheitsdienstes auf.
Chuck Gaines hatte seine Riesenfüße auf dem Schreibtisch abgelegt. Er aß einen Apfel und sah sich eine Folge von Das Büro an. Jeffrey hatte den Mann während der Arbeitszeit noch nie seinen Schreibtisch verlassen sehen, außer um auf die Toilette oder in die Kaffeeküche zu gehen. Er besaß nicht einmal die Höflichkeit, aufzustehen, als Jeffrey eintrat.
»Daryl.« Jeffrey nannte ihm nur den Namen aus Rebeccas Handy. »Früher Student hier. Ich brauche seinen Nachnamen.«
Chuck schob einen Bissen Apfel in seine Wange. »Dafür werde ich mehr Informationen brauchen, Chief.«
»Skateboarder, Mitte zwanzig, ist vor zwei Jahren ausgestiegen.«
»Wissen Sie, wie viele …«
Jeffrey stieß die Beine des Mannes vom Schreibtisch und schlug ihm den Apfel aus der Hand. Dann trat er seinen Stuhl rückwärts gegen die Wand und beugte sich über ihn. »Beantworten Sie verdammt noch mal meine Frage.«
»Großer Gott.« Chuck hob abwehrend die Hände. »Daryl?«
Jeffrey trat einen Schritt zurück. »Skateboarder. Hat vor zwei Jahren das Studium abgebrochen. Angeblich kennt ihn jeder auf dem Campus.«
»Ich kenne keinen Daryl, aber …« Chuck rollte seinen Sessel wieder zum Schreibtisch und holte einen Stapel Karteikarten aus einer Schublade. »Vielleicht ist hier was drin.«
Jeffrey hatte eine ähnliche Sammlung von Vernehmungskarten in seinem Büro. Jeder Cop hatte sie, eine inoffizielle Erfassung von Namen und verschiedenen Details zu verdächtigen Personen, die sich noch keine offizielle polizeiliche Akte verdient hatten.
»Okay, dann wollen wir mal sehen.« Chuck entfernte das Gummiband um den Kartenstapel. Keine war in seiner Handschrift angelegt. Diese Arbeit überließ er den Wachleuten unter sich, die tatsächlich auf dem Campus patrouillierten. Er blätterte die Karten durch, bis er gefunden hatte, was er suchte. »Hier. Es gibt ein Arschloch, das immer in der Nähe der Bibliothek mit dem Skateboard zugange ist. Zerkratzt die Metallgeländer an den Treppen. Älterer Typ, vielleicht Ende zwanzig. Braune Mähne. Zieht alle Mädchen mit den Augen aus, je jünger, desto lieber, wer will es ihm verübeln? Es gibt keinen Namen. Laut dieser Karte nennen ihn alle Little Bit. Er ist ein kleiner Haschischdealer, keiner von der harten Sorte.«
Rebecca Caterino war Studentin. Jeffrey war nicht überrascht gewesen, Haschisch in ihrem Wohnheim zu riechen. Wenn sie das Zeug von diesem Daryl bekam, war klar, warum die Nummer des Prepaidhandys nicht mehr in Betrieb war. Dealer wechselten ständig ihre Nummern.
Jeffrey nahm sich die Karte. Little Bit. Skateboarder. Ende zwanzig. Haschdealer.
Chuck rollte seinen Sessel durch den Raum, um seinen Apfel in der Ecke aufzuheben. Er nahm ihn zwischen die Zähne, damit er sich zum Schreibtisch zurückrudern konnte. »Brauchen Sie sonst noch was, Chief?«
Jeffrey versucht es mit einem weiteren Namen. »Thomasina Humphrey.«
Chucks Miene verriet ein Erkennen. »Ach, die.«
»Ja, die. Was wissen Sie?«
Chuck sah Lena zum ersten Mal an. Dann schaute er weg. »Hauptsächlich Gerüchte. Sie ist verschwunden. Die Kids haben das übliche verrückte Zeug erzählt. Dass sie sich einer Sekte angeschlossen hat. Dass sie versucht hat, sich umzubringen. Wer weiß, was wirklich passiert ist.«
Jeffrey hätte gewettet, dass Chuck es wusste, aber er hatte den Mann heute schon einmal gedemütigt. Es würde weitere Fälle geben, in denen sie zusammenarbeiten mussten. Er durfte Chuck nicht zu hart rannehmen. »Haben Sie Zugang zu den Kontaktdaten für Humphrey?«
»Vielleicht.« Chuck tippte ein paar Tasten auf seinem Computer an. Er griff zu einer frischen Karteikarte und schrieb eine Adresse und eine Telefonnummer darauf. »Dorthin wurden ihre letzten Unterlagen geschickt. Ich weiß nicht, ob sie noch dort ist.«
Jeffrey sah, dass die Adresse in Avondale war, was mit dem übereinstimmte, was ihm Sara erzählt hatte. Tommi war eine ihrer Patientinnen in der Klinik gewesen. Deshalb hatte Sibyl Adams sie zu Hilfe gerufen.
Chuck hatte den Apfel wieder im Mund. »Sagen Sie nächstes Mal einfach Bitte.«
Jeffrey steckte die Adresse in seine Jackentasche, als er zur Tür hinausging.
Er spürte Lena in seinem Rücken wie einen Welpen, der Orientierung suchte.
»Chief?« Ein zaghafter Versuch.
Er blieb so abrupt stehen, dass sie ihm in den Rücken rannte. »Sind Sie diese ungeklärten Vergewaltigungsfälle durchgegangen, wie ich es angeordnet habe?«
»Ich habe entsprechende Anfragen an die anderen Countys geschickt. Sie müssten mir im Lauf des Nachmittags gemailt werden. In Grant County gibt es nur zwölf Anzeigen.«
»Nur?«, wiederholte er. »Das sind zwölf Frauen, Lena. Zwölf Leben, die unwiderruflich nicht mehr so sind wie zuvor. Ich will nie wieder hören, dass sie dazu ›nur‹ sagen.«
»Ja, Sir.«
»Wir leben in einer gottverdammten Universitätsstadt. Tausende junge Frauen bewegen sich jedes Jahr auf dem Campus. Glauben Sie im Ernst, das sind alles Lügnerinnen? Dass sie irgendeinen Kerl gevögelt haben und es bereuen, sodass für Sie als Polizeibeamtin keine Notwendigkeit besteht, ihnen zu helfen?«
»Chief, ich …«
»Gehen Sie diesem Gesuch um Einsicht in Rebecca Caterinos Krankenakte nach, das ich gestellt habe. Wir müssen den Fall offiziell machen. Und geben Sie mir unverzüglich Bescheid, wenn Leslie Truong auf der Polizeistation eintrifft. Ich möchte so schnell wie möglich mit ihr sprechen. Sie darf von niemandem außer mir erfahren, was mit Rebecca Caterino passiert ist!«
»Ja, Chief, aber …« Lena überdachte das Aber. »Wann werden wir bekannt geben, dass es kein Unfall war?«
»Sobald ich verdammt noch mal so weit bin. Holen Sie Ihr Notizbuch heraus. Machen Sie eine Liste.«
Sie fummelte in ihrer Tasche herum.
Er wartete nicht auf sie. »Gehen Sie noch mal zu Caterinos Mitbewohnerinnen und fragen Sie nach, ob es Fotos gibt, auf denen sie die Haarklammer trägt. Machen Sie das Gleiche bei Leslie Truong. Sie hat ein Stirnband vermisst. Vielleicht gibt es auch davon ein Foto. Als Nächstes machen Sie diesen Daryl Little Bit ausfindig, oder wie zum Teufel der Kerl heißt. Wir haben einen hinreichenden Tatverdacht wegen des Haschischs, also durchsuchen Sie ihn. Wenn Sie Stoff finden, verhaften Sie ihn. Wenn nicht, bringen Sie ihn zur Vernehmung in die Dienststelle. Und Sie gehen heute Abend nicht nach Hause, ehe Sie eine Zusammenfassung über sämtliche Vergewaltigungsvorfälle in den drei Countys geschrieben haben. Ich will sie morgen früh auf meinem Schreibtisch sehen. Verstanden?«
»Ja, Chief.«
Jeffrey ging zu seinem Wagen auf dem Personalparkplatz. Sein Telefon begann wieder zu läuten. Seine Mutter. Sie würde inzwischen eine halbe Flasche geleert haben. Jeffrey stellte das Handy wieder stumm. Er stieg in den Wagen, legte den Gang ein und fuhr aus der Parklücke.
Auf der Fahrt nach Avondale überlegte er seine nächsten Schritte. Er würde offiziell verkünden müssen, dass Rebecca Caterino überfallen wurde. Das würde eine Schockwelle im College auslösen. Und das sollte es auch. Irgendein Verrückter hatte eine wehrlose Frau mit einem Hammer attackiert.
»Großer Gott«, flüsterte er. Wenn er sich konzentrierte, konnte er immer noch den Horror nachempfinden, als Sara und er Beckey Caterinos Brustbein gebrochen hatten. Jeffrey konnte sich nicht vorstellen, was es brauchte, damit man einem anderen Menschen einen Hammer in den Schädel schlug.
Er schüttelte die Hände aus, um das Gefühl wieder loszuwerden.
In einigen Stunden würde Leslie Truongs Mutter in der Polizeistation eintreffen. Sie würde Fragen haben, und Jeffrey würde versuchen, sie ehrlich zu beantworten. Um diesen Little Bit, diese Skateboard-Niete, würde er sich ebenfalls kümmern müssen. Wenn der Typ auf dem Campus mit Haschisch dealte und mit dem Daryl in Rebeccas Telefonkontakten identisch war, dann war sie wahrscheinlich eine Kundin von ihm. Ihn als Verdächtigen für den Überfall auszuschließen oder zu bestätigen hatte hohe Priorität.
Zuletzt war da noch Lena Adams. Jeffrey würde jede einzelne Information, die sie gesammelt hatte, nachprüfen müssen. Was ihn betraf, waren ihre Stützräder endgültig abmontiert. Wenn Lena ihm nicht bald bewies, dass sie es schaffte, auf dem rechten Weg zu bleiben, würde er sie entlassen.
Sein Telefon begann wieder zu läuten. Und es war wieder seine Mutter. Sie war eindeutig auf Sauftour, und er konnte es ihr nicht mal verübeln. Er war ein beschissener Sohn. Himmel, er war ein beschissener Polizeichef gewesen, ein beschissener Mentor, ein beschissener Ehemann.
Jeffrey brütete über seinen Fehltritten, bis er an dem Schild vorbeikam, das ihn in Avondale willkommen hieß, viertausenddreihundertacht Einwohner. Jeffrey gab die Adresse ein, die ihm Chuck aufgeschrieben hatte. Er hätte sich auf der Polizeistation vergewissern sollen, ob die Humphreys noch unter dieser Adresse wohnten, aber seine Sorge war unbegründet. Er erkannte an dem Wagen, der vor dem Haus stand, dass das Mädchen noch da sein musste.
Saras silberner Z4 stand vor dem Briefkasten. Das Verdeck war wegen des schönen Wetters offen.
»Verdammte Scheiße.« Jeffrey parkte hinter dem Achtzigtausend-Dollar-Sportwagen und gab sich ein paar Sekunden Zeit, seinen Frust zu schlucken. Wenn Sara unbedingt wie die traurige Version eines aufgetakelten Hillbilly-Nerds mit offenem Dach herumfahren und lautstark Dolly Parton dabei hören wollte, dann viel Glück.
Er schlug seinen Notizblock auf und schrieb sich die zu erledigenden Dinge auf, die ihm während der Fahrt eingefallen waren. Er machte sich nicht so sorgfältig Notizen, wie er es hätte tun sollen. Er quälte Lena und Brad immer damit, dass sie sich unbedingt absichern mussten. Jeffrey selbst betrachtete es ungern so, aber wenn Gerald Caterino tatsächlich die Polizei verklagte, dann musste er sicherstellen, dass sein Arsch ebenfalls abgesichert war.
Er schloss das Notizbuch wieder, steckte seinen Kugelschreiber ein und stieg aus dem Wagen. In Avondale hatten früher viele Arbeiter des Eisenbahnausbesserungswerks gewohnt. Der Job hatte für solide Mittelklasse gereicht, und die Architektur der Häuser spiegelte es wider. Ziegelbauweise, Fenster mit Alurahmen, betonierte Einfahrten. All die Annehmlichkeiten, die 1975 der letzte Schrei waren.
Die Humphreys hatten äußerlich nichts an dem Haus verändert. Der weiße Fassadenanstrich war vergilbt, aber er blätterte nicht ab. Der Wagen in der Einfahrt war ein älterer Minivan. Die Eingangstür war hochglanzschwarz lackiert.
Jeffrey klopfte einmal, aber die Tür ging bereits auf.
Die Frau, die öffnete, sah verhärmt aus. Sie war nur wenig älter als Jeffrey, aber ihr Haar war vollkommen ergraut. Die Locken waren straff an den Kopf frisiert. Unter ihren Augen lagen dunkle Ringe. Sie trug ein Hauskleid mit Reißverschluss vorn. Der Blick, den sie auf Jeffrey richtete, bewirkte, dass er sich schuldig fühlte, überhaupt hier zu sein. Vermutlich ging es ihm noch schlechter, wenn er Sara sah.
»Mrs. Humphrey?«
Sie blickte zur Einfahrt, dann zur Straße. »Haben Sie einen blauen Ford Pick-up gesehen?«
»Nein, Ma’am.«
»Wenn mein Mann kommt, müssen Sie gehen. Er will nicht, dass Tommi damit belästigt wird. Haben Sie verstanden?«
»Ja, Ma’am.«
Sie öffnete die Tür gerade so weit, dass er durchpasste. »Sie sind hinten im Garten. Bitte machen Sie schnell.«
Das Haus, das Jeffrey betrat, war so, wie er es erwartet hatte: ein in kleine Räume zerhacktes Rechteck mit einem Bowlingbahn-artigen Flur mittendurch. Er betrachtete die Fotos an den Wänden. Tommi Humphrey war vermutlich ein Einzelkind. Die Bilder zeigten eine fröhliche junge Frau, meist umgeben von einer Gruppe von Freunden. Sie hatte Flöte in der Marschkapelle gespielt, hatte an mehreren naturwissenschaftlichen Wettbewerben teilgenommen, hatte eine Reihe von Hunden gehabt, dann eine Katze, dann einen Freund, der sie zum Abschlussball der Highschool ausgeführt hatte. Auf dem letzten Bild hielt Tommi vor einem Wohnheimzimmer der Grant Tech einen Umzugskarton in den Händen.
Danach gab es keine Bilder mehr.
Jeffrey zog eine gläserne Schiebetür auf. Er sah Sara mit einer schmerzhaft dünnen jungen Frau an einem Tisch sitzen. Sie hatte fast durchscheinend blasse Haut, ihr Haar war jetzt kurz und schwarz. Tommi Humphrey musste Anfang zwanzig sein, aber sie sah irgendwie älter und jünger zugleich aus. Sie rauchte eine Zigarette. Selbst aus mehreren Metern Entfernung erkannte er, dass ihre Hand zitterte.
Sara wirkte nicht überrascht, ihn zu sehen. »Das ist Jeffrey«, sagte sie zu dem Mädchen.
Tommi wandte leicht den Kopf, sah ihn jedoch nicht an.
Jeffrey bekam sein Stichwort von Sara: Sie zeigte auf die andere Seite des Tisches.
Er setzte sich auf die Bank und behielt die Hände im Schoß. In seiner Laufbahn als Polizist hatte er viele Vergewaltigungsopfer befragt, und das Erste, was er gelernt hatte, war, dass sie nicht alle auf die gleiche Weise reagierten. Manche waren wütend. Manche waren wie in Trance. Einige wollten Rache. Die meisten wollten am liebsten wieder gehen. Ein paar hatten sogar gelacht, als sie ihre Geschichte erzählten. Er kannte ähnliche, nicht vorhersehbare Gemütsregungen bei Männern, die aus dem Krieg heimkehrten. Trauma war Trauma. Jeder Mensch reagierte anders.
Sara sprach zu Jeffrey, aber sie sah Tommi an. »Was du mir gerade erzählt hast, Liebes, ist sehr wichtig. Kannst du es auch Jeffrey sagen?«
Jeffrey hielt die Hände unter dem Tisch umklammert. Er konnte nur still sitzen und den Mund halten.
»Wenn es leichter für dich ist, kann ich es ihm erzählen«, sagte Sara. »Du hast es mir ja schon erlaubt. Wir machen es so, wie es für dich am leichtesten ist.«
Tommi klopfte ihre Zigarette an einem übervollen Aschenbecher ab. Ihr Atem ging mit dem Rasseln einer Kettenraucherin. Jeffrey dachte an die Fotos im Flur. Zu Recht verglich Sara das, was der jungen Frau zugestoßen war, mit einer Atomexplosion. Vor dem Überfall war Tommi ausgelassen, beliebt, glücklich gewesen. Jetzt war sie ein dunkler Schatten der früheren Tommi.
»Wir können auf der Stelle gehen, wenn du das willst«, sagte Sara. »Aber es wäre hilfreich, wenn Jeffrey es in deinen eigenen Worten hören könnte. Ich verspreche dir, dass nichts passieren wird. Das hier ist vertraulich. Du machst keine Aussage. Niemand wird auch nur von diesem Gespräch erfahren. Richtig?«
Sie hatte die Frage an Jeffrey gerichtet. Er kämpfte mit der Antwort. Nicht, weil er nicht zugestimmt hätte, sondern weil er spürte, dass diese arme Frau vielleicht wieder zusammenbrach, wenn er jetzt das Falsche sagte.
Alles, was er riskieren konnte, war: »Richtig.«
Tommis Brust hob sich, als sie einen tiefen Zug von der Zigarette nahm. Sie hielt den Rauch sekundenlang in ihren Lungen. Schließlich blickte sie auf, sah Jeffrey aber noch immer nicht an. Ihr Blick landete irgendwo hinter ihm. Eine Rauchwolke quoll aus ihrem Mund. »Ich war im ersten Studienjahr.«
Ihr Tonfall war einsilbig. Etwas Endgültiges lag in der Art, wie sie von sich selbst in der Vergangenheitsform sprach.
»Ich ging vom Fitnessstudio auf dem Campus nach Hause. Keine Ahnung, wie spät es war. Es war dunkel.« Sie führte die Zigarette zum Mund. Jeffrey sah die Nikotinflecken an ihren Fingern. »Ich hörte, dass jemand hinter mir war. Er schwang etwas an meinen Kopf. Ich habe nicht gesehen, was es war. Es war hart. Ich war benommen. Er packte mich. Er zerrte mich in seinen Transporter. Er versuchte, mir etwas zu trinken einzuflößen.«
Jeffrey beugte sich unwillkürlich vor, um genau zu lauschen.
»Ich musste würgen und habe es rausgehustet.« Sie legte die Hand an den Hals. »Es war in einer Flasche. Eine Flüssigkeit.«
Jeffrey sah die Tränen über ihre Wangen laufen. Er wollte nach einem Taschentuch greifen, aber Sara zog ein Papiertaschentuch aus ihrem Ärmel.
Tommi wischte sich nicht über die Augen, sie hielt das Tuch nur umklammert.
»Es war Gatorade«, sagte sie. »Oder ein anderes Fitnessgetränk. Eine blaue Sorte. Es klebte in meinem Hals.«
Jeffrey sah das Zittern ihrer Finger, als sie ihren Hals berührte, um ihm zu zeigen, wo.
»Er war wütend, weil ich es ausgespuckt hatte. Er schlug mir auf den Hinterkopf. Er sagte, dass ich mich nicht wehren soll. Ich hab mich nicht gewehrt.«
Sie schüttelte eine Zigarette aus der Packung und versuchte, sich die neue an der alten anzuzünden. Ihre Hände zitterten so stark, dass sie es nur mit Mühe fertigbrachte.
Sie steckte die Zigarette zwischen die Lippen.
»Dann waren wir im Wald. Ich bin im Wald aufgewacht. Vermutlich habe ich doch etwas von dem Gatorade geschluckt. Ich bin bewusstlos davon geworden. Dann kam ich zu mir. Er saß da. Wartete. Dann hat er gesehen, dass ich wach bin. Er hat mir den Mund zugehalten, aber ich hab nicht geschrien.«
Sie inhalierte wieder, ließ den Rauch in den Lungen und stieß ihn mit jedem Wort aus. »Er sagte, ich soll mich nicht bewegen. Dass ich mich nicht bewegen darf, sondern so tun soll, als wäre ich gelähmt.«
Jeffreys Lippen teilten sich unwillkürlich. Er schmeckte das Nikotin in der Luft.
»Er hatte dieses Ding. Wie eine Stricknadel. Hinten in meinem Nacken. Er sagte, er würde mich für immer lähmen, wenn ich nicht gehorchte.«
Jeffreys Blick fand Saras. Er konnte ihren Gesichtsausdruck nicht deuten. Es war, als versuchte sie, sich selbst verschwinden zu lassen.
»Ich hab mich nicht bewegt. Ich ließ meine Arme an die Seite fallen. Ich zwang meine Beine, gerade liegen zu bleiben. Er wollte, dass ich die Augen offen lasse. Ich ließ die Augen offen. Er wollte nicht, dass ich ihn ansehe. Ich sah ihn nicht an. Es war dunkel. Ich konnte nichts sehen. Ich konnte nur fühlen … ein Ziehen. Reißen.«
Die Zigarette hing zwischen ihren Lippen. Qualm stieg ihr ins Gesicht.
»Dann war er fertig. Er hat mich da unten gesäubert. Es brannte. Ich war verletzt. Ich hab geblutet. Er wischte mein Gesicht ab, meine Hände. Ich sagte nichts. Ich bewegte mich nicht. Ich tat weiter wie gelähmt. Er zog mich an. Knöpfte mir die Bluse zu. Er zog mir die Unterhose hoch. Machte den Reißverschluss meiner Jeans zu. Er sagte, wenn ich es irgendwem erzähle, tut er es jemand anderem an. Wenn ich schweige, dann nicht.«
Sara ließ den Kopf hängen. Ihre Augen waren geschlossen.
»Ich hab versucht, ihn nicht anzusehen«, sagte Tommi. »Ich dachte, wenn ich ihn nicht identifizieren kann, lässt er mich laufen. Und das tat er auch. Er ließ mich im Wald liegen. Auf dem Rücken. Ich blieb liegen. Er sagte, ich soll gelähmt spielen. Ich war noch gelähmt. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich weiß nicht, ob ich geatmet habe. Ich dachte, ich wäre tot. Ich wollte tot sein. Das war’s. Das ist passiert.«
Jeffrey sah immer noch Sara an. Er hatte Fragen, aber er wusste nicht, wie er sie stellen sollte.
Sara atmete durch und öffnete die Augen. Sie fragte: »Tommi, weißt du noch, welche Farbe der Transporter hatte? Oder weißt du irgendetwas über ihn?«
»Nein«, sagte sie. Dann: »Er war dunkel. Der Transporter war dunkel.«
»Wie sieht es mit dem ungefähren Ort aus, wo du im Wald zurückgelassen wurdest?«
»Nichts.« Sie klopfte Asche von der Zigarette. »Ich weiß nicht mehr, dass ich aufgestanden bin. Ich erinnere mich nicht daran, dass ich zum Campus zurückgelaufen bin. Ich muss geduscht haben. Ich muss mich umgezogen haben. Meine einzige Erinnerung von der Zeit danach ist, dass ich dachte, ich hätte meine Periode bekommen. Und dass ich froh war, weil …«
Sie musste nicht erklären, warum sie froh über ihre Periode gewesen war.
Sara machte einen flachen Atemzug. »Weißt du noch, womit er dich gesäubert hat?«
»Mit einem Waschlappen. Er roch nach Bleiche. Mein Haar war …« Sie schaute auf die Zigarette hinunter. »Da unten war mein Haar gebleicht.«
»Hat er den Waschlappen mitgenommen?«
»Er hat alles mitgenommen.«
Sara sah Jeffrey an. Wenn er sonst noch etwas wissen wollte, konnte er es nur jetzt erfahren. »Tommi, Jeffrey hat noch ein paar Fragen, okay? Nur ein paar.«
Jeffrey hörte den Befehl laut und deutlich. Er bemühte sich um einen sanften Tonfall. »Hatten Sie das Gefühl, beobachtet zu werden, bevor das alles passiert ist?«
Sie rollte die Zigarette am Rand des Aschenbechers. »Es ist schwierig, an mein anderes Ich zu denken. An das Davor zu denken. Ich … ich kenne diese Person nicht mehr. Ich weiß nicht mehr, wer sie war.«
»Ich verstehe.« Jeffrey blickte zur Rückseite des Hauses. Er konnte Tommis Mutter in der Küche an der Spüle stehen sehen. Sie beobachtete sie aufmerksam, jeder Muskel in ihrem Gesicht war angespannt. »Erinnern Sie sich, ob Ihnen etwas gefehlt hat? Ein persönlicher Gegenstand oder …«
Erschrocken sah sie ihn an.
»Können Sie …«
Die Hintertür flog krachend auf. Ein großer, kräftiger Mann in Arbeitskleidung füllte den Türrahmen aus. Er hatte einen Schraubenschlüssel in der Hand.
Jeffrey stand schon und hatte die Hand an der Waffe, ehe der Mann ein Wort herausbrachte.
»Was zum Teufel tun Sie da?«, wollte der Mann wissen. »Gehen Sie verdammt noch mal von meiner Tochter weg.«
»Mr. Humphrey …«, versuchte es Jeffrey.
Sara nahm Jeffreys Hand. Der Kontakt genügte, um ihn verstummen zu lassen.
»Wer sind Sie?« Humphrey kam die Stufen herunter. »Warum belästigen Sie sie?«
»Ich bin Polizeibeamter«, sagte Jeffrey.
»Wir brauchen keine beschissenen Cops.« Humphrey schwang den Schraubenschlüssel, als er den Garten durchquerte. »Das ist eine private Angelegenheit. Sie können sie nicht zwingen, mit Ihnen zu reden.«
Jeffrey warf einen Blick zu Tommi. Sie versuchte, sich eine weitere Zigarette anzuzünden, und tat, als würde um sie herum nichts passieren.
»Verschwinde hier, Arschloch.« Humphrey kam näher.
Jeffrey wünschte sich sehnlich, dass er mit dem Schraubenschlüssel ausholte. Dieser Mann hatte eindeutig seine Familie terrorisiert. Seine Frau fürchtete sich vor ihm. Seine Tochter war bereits gebrochen.
»Jeff.« Saras Hand schloss sich fester um seine. »Lass uns gehen.«
Er ließ sich widerstrebend von ihr um das Haus führen. Als sie den Vorgarten erreicht hatten, überlegte Jeffrey bereits wieder, wie er zurückgehen könnte.
»Stopp.« Sie zog mit einem Ruck an seiner Hand, als würde sie einen Hund an einer Leine zum Gehorchen bringen. »Du machst nichts besser. Du machst es nur schlimmer.«
»Dieser Mann …«
»… ist verzweifelt. Er versucht, seine Tochter zu schützen. Er tut es auf die falsche Art, aber er weiß es nicht besser.«
Jeffrey sah, wie Tommis Mutter die Vorhänge zuzog. Die Frau weinte.
»Lass es.« Sara ließ seine Hand los. »Den Vater dieses Mädchens zu verprügeln hilft dir, aber es trägt absolut nichts dazu bei, ihr zu helfen.«
Jeffrey stützte sich am Wagendach ab. Er kam sich so verdammt nutzlos vor. Er wollte das Ungeheuer finden, das dieses Mädchen zerstört hatte, und es wie einen Stock über dem Knie brechen.
Sara verschränkte die Arme. Sie wartete ab.
»Wusstest du das?«, fragte er. »Dass der Vergewaltiger eine Art Stricknadel in ihren Nacken gehalten hat?«
»Nicht damals, als es passiert ist. Sie hat es mir erst erzählt, kurz bevor du gekommen bist.«
»Du hast sie nie nach Einzelheiten gefragt, als du sie behandelt hast? Als ich etwas hätte unternehmen können?«
»Nein«, sagte Sara. »Sie wollte nicht darüber sprechen.«
»Das war vor fünf Monaten, oder? Nachdem unsere Scheidung durch war. Wolltest du mich bestrafen? Geht es bei der ganzen Sache darum?«
»Steig in den Wagen. Ich werde dieses Gespräch nicht auf der Straße führen.«
Jeffrey stieg ein. Sara schlug die Tür so heftig zu, dass der ganze Wagen wackelte.
»Glaubst du ehrlich, ich würde dir so etwas verschweigen, um dir eins auszuwischen?«
Jeffrey sah zum Haus zurück. »Du hättest sie dazu bringen müssen, Anzeige zu erstatten, Sara.«
»Ich wollte eine Frau, die gerade brutal vergewaltigt worden war, nicht zwingen, etwas zu tun, wovor sie Angst hatte.« Sara beugte sich vor und versperrte ihm die Sicht auf das Haus. »Von Arztterminen abgesehen ist Tommi nicht mehr weiter als zehn Schritte in den Garten gegangen, seit es passiert ist. Sie kann nachts nicht schlafen. Sie weint, wenn ihr Vater sich nach der Arbeit verspätet. Geräusche und Gerüche lösen Panikattacken bei ihr aus, alles vom Anblick des Postboten bis zum Nachbarn, den sie seit zwanzig Jahren kennt. Was ihr im Wald widerfahren ist, ist Tommis Geschichte. Sie hat das Recht, nicht darüber zu sprechen.«
»Und das funktioniert ja auch prächtig für sie. Sie ist praktisch katatonisch.«
»Das ist ihre Entscheidung. Willst du ihr diese Möglichkeit nehmen?«, sagte Sara. »Und welcher Cop in deiner Polizeistation fällt dir ein, der in der Lage wäre, ihre Anzeige angemessen zu behandeln?«
»Scheiß drauf.« Er drehte den Zündschlüssel um, aber er wollte noch nicht fahren. »Warum bist du überhaupt hier? Du hast gesagt, ich soll mich von ihr fernhalten.«
»Ich wusste, dass du es nicht tun würdest, und ich wollte sie darauf vorbereiten.« Dann fügte sie an: »Gern geschehen übrigens. Das war das Schlimmste, was ich je einer anderen Frau antun musste.«
»Bist du jetzt die Schutzpatronin der Vergewaltigungsopfer?«
»Ich bin ihre Ärztin. Sie ist meine Patientin.« Sara stieß den Zeigefinger an ihre Brust. »Meine Patientin. Nicht deine Zeugin.«
»Deine Patientin hätte mir sagen können, dass es auf dem Campus einen Sadisten gibt, der Frauen vergewaltigt. Sie hätte verhindern können, dass Beckey Caterino überfallen wird.«
»So wie du verhindert hast, dass Leslie Truong verschwunden ist?«
»Das ist unter der Gürtellinie.«
»Alles ist unter der Gürtellinie«, sagte Sara. »Alles ist schrecklich. Das ist das Leben, Jeffrey. Man kann nur tun, was man kann. Du kannst nicht erwarten, dass Tommi das Gewicht der Verantwortung für alles Schlimme trägt, was passiert ist. Sie kann sich nicht mal um sich selbst kümmern. Und du wirst das Problem nicht lösen, indem du ihren Vater quasi stellvertretend für den Mann verprügelst, der ihr wirklich wehgetan hat.«
»Ich wollte nicht …« Er hielt sich gerade noch davon ab, auf das Lenkrad einzuhämmern. »Ich hätte ihn nicht geschlagen.«
Sara ließ ihn in seiner Verblendung schmoren.
So ärgerlich ihr Schweigen auch sein konnte, manchmal setzte sie es wohlüberlegt ein. Jeffrey spürte, wie die Spannung aus seinem Körper wich. Sein Verstand wurde wieder klar. Das war Saras weiße Magie. Sie vermittelte ihm das Gefühl, nicht vom Leben aufgerieben zu werden. Er würde alles dafür tun, dass es diese Augenblicke weiterhin gab.
Er sah zum Haus zurück und hoffte bei Gott, dass Tommi Humphrey eines Tages in der Lage sein würde, den gleichen Frieden zu finden.
Sara räusperte sich. »Tommi sagte, der Angreifer habe etwas gegen ihren Kopf geschwungen. Sie weiß nicht, was es war, aber der Schlag hat sie außer Gefecht gesetzt.«
Jeffrey dachte an die halbmondförmige Vertiefung auf dem Röntgenbild von Rebecca Caterinos Schädel.
»Ein Hammer«, sagte er.
»Tommi übertreibt nicht, was das Bleichen ihrer Schamhaare angeht. Ich habe es am nächsten Morgen noch an ihr gerochen, selbst nachdem sie geduscht hatte.«
Jeffrey bedeutete ihr mit einem Nicken, sie solle fortfahren, denn er musste unbedingt über die Sache sprechen.
»Ich denke, dass der Angreifer sie beobachtet hat. Er hat seine Chance gesehen, als sie das Fitnessstudio verließ. Er hatte den Hammer bei sich. Er hatte den mit Bleiche getränkten Lappen, um keine DNA zu hinterlassen. Das heißt, er hat alles lange vorher geplant und dann auf den richtigen Augenblick gewartet.«
Jeffrey war bei Caterino zum gleichen Szenario gelangt. »Ich glaube, dass er Beckey ebenfalls beobachtet hat. Sie hat die Bibliothek um fünf Uhr morgens verlassen. Sie hätte um sieben eine Besprechung mit Sibyl Adams gehabt. Wenn der Angreifer Beckeys Stundenplan kannte, hat er vielleicht vor dem Wohnheim gewartet, um ihr zu folgen. Dann sieht er, dass sie laufen geht, und beschließt zu handeln.«
»Wir können also annehmen, dass der Angreifer älter ist, geduldiger. Er fällt nicht auf in der Stadt. Er will alles unter Kontrolle haben. Er geht methodisch vor, ist vorbereitet.«
Jeffrey wünschte, dass sie sich irrte, denn dieser Tätertyp war am schwersten zu finden.
»Hast du Bleichmittel an Beckey gerochen?«, fragte er.
»Nein.« Sara hielt inne und überlegte. »Was heißt das für dich: dass der Angreifer vor fünf Monaten bei Tommi einen Hammer und den Lappen mit Bleiche dabeihatte, aber gestern bei Beckey hat er einen Hammer benutzt und sie wahrscheinlich mit etwas abgewischt, das keinen Geruch hinterließ.«
»Er verändert seine Vorgehensweise, er lernt und wird besser.« Jeffrey durfte nicht über die Folgen für die Stadt nachdenken. »Was ist mit dem Gatorade?«
»Es ist blau«, sagte Sara. »Das nicht verdaute Essen, das in Beckeys Kehle steckte, hatte eine blaue Färbung wie Gatorade.«
»Genau wie ihr Erbrochenes.« Jeffrey hatte sein Hemd und die Hose weggeworfen. Er musste sie aus dem Müll holen, falls sie als Beweismittel gebraucht wurden. »In dem Getränk muss eine Droge gewesen sein.«
»Rohypnol? GHB?«, riet Sara. »Er wollte, dass sie bewegungsunfähig ist. Beide Drogen verursachen einen Verlust des Muskeltonus, Schläfrigkeit, Gedächtnisverlust, Euphorie.«
»Vergewaltigungsdrogen«, sagte er, denn er arbeitete in einer Universitätsstadt und war vertraut mit den einschlägigen Substanzen. »Der Angreifer befahl ihr, die Augen offen zu lassen. Sie sollte wissen, was er tat, aber er wollte nicht, dass sie es verhinderte.«
»Die Drogen hatten ihr das Bewusstsein geraubt. Tommi sagte, er habe im Wald darauf gewartet, dass sie aufwachte. Ich bin überzeugt, sie hat immer wieder das Bewusstsein verloren. Was sie dir über die physischen Einzelheiten der Vergewaltigung erzählt hat – da war sicher noch mehr.«
Jeffrey schüttelte den Kopf. Er war im Moment nicht bereit für das Mehr. »Was ist mit der Stricknadel, mit der er Tommi bedroht hat? Kann sie das Werkzeug gewesen sein, mit dem er Beckey gelähmt hat?«
»Nein«, erklärte Sara. »Die Punktion, die wir auf Beckeys MRT gesehen haben, war dem Umfang nach zu klein für eine Stricknadel. Er hat etwas anderes benutzt.«
»Er hat gelernt, etwas anderes zu benutzen«, sagte Jeffrey. »Denkst du, er verfügt über medizinische Kenntnisse?«
»Ich denke, er verfügt über das Internet«, sagte sie. »Aber du hast recht mit der Annahme, dass er dazulernt. Man gewinnt den Eindruck, die Gewaltausübung bei Beckey ist eine Art Herumexperimentieren. Zu Tommi sagte er, sie solle so tun, als wäre sie gelähmt. Beckey ließ er diese Wahl nicht mehr. Er will, dass sie sich der Vergewaltigung bewusst sind, aber sie sollen sich nicht wehren können. Das ist seine Perversion. Er hatte fünf Monate Zeit, sie zu perfektionieren.«
Jeffrey blickte auf die leere Straße vor sich. Leslie Truong wurde noch immer vermisst. Sie hatten in der Nacht den Wald durchkämmt, aber es war ein sehr großes Gebiet, wenn es dunkel war. Sie konnte in einem halb lebendigen, halb toten Zustand irgendwo da draußen liegen.
»Gibt es weitere Mädchen, frühere Patientinnen, von denen du mir nichts erzählst?«, fragte er.
»Nein.«
Jeffrey hatte keine Zeit für Erleichterung. »Es muss eine bestimmte Fantasie dahinter geben. Er entwirft eine Strategie, bevor er handelt. Er jagt sie. Er folgt ihnen. Dieser Mann ist ein Raubtier.«
»Was meintest du, als du Tommi gefragt hast, ob sie etwas vermisst?«
»Caterino hatte eine Haarklammer, die ihr wichtig war. Offenbar war sie nicht dort, wo sie sein sollte. Leslie Truong hat ein Stirnband vermisst, aber das fühlt sich für mich anders an. Ihr fehlte auch Kleidung. Sie dachte, ihre Mitbewohnerinnen würden sie beklauen.«
Sein Telefon läutete. Jeffrey traute sich kaum, auf den Bildschirm zu sehen, aber es war diesmal nicht seine Mutter, sondern die Polizeistation. Er meldete sich. »Was gibt es?«
»Leslie Truong«, sagte Frank. »Eine Studentin hat ihre Leiche im Wald gefunden.«
Jeffrey war zumute, als würde man ihm etwas Scharfes in die Brust bohren. »Wie schlimm ist es?«
»Schlimm«, sagte Frank. »Sie müssen Sara mitbringen.«