24
Sara fühlte sich klapprig, als sie durch die Zentrale des GBI ging. Der Schlafmangel begann, ihr zuzusetzen. Die anderthalbstündige Rückfahrt von Grant County hatte sich wegen eines Unfalls und der Rushhour auf drei Stunden ausgedehnt. Die Monotonie hatte sie beinahe wegdämmern lassen. Ihre Kleidung stank nach dem Formaldehyd von Brocks Arbeitsstelle und dem feucht-muffigen Lagerabteil. Sie wünschte sich sehnlichst einen Kaffee, aber sie war ohnehin bereits zu spät dran. Sara riss die Tür zum Treppenhaus auf. In ihrem Kopf schien das Hirn gegen den Schädel zu hämmern, als sie nach oben stieg.
»Dr. Linton.« Amanda wartete am ersten Treppenabsatz und sah von ihrem Telefon auf. »Caroline hat die Van Dornes ins Besprechungszimmer gesetzt. Will und Faith sind in der Innenstadt und befragen ein mögliches Opfer.«
Sara dachte sofort an Tommi Humphrey. »Welches Opfer?«
»Callie Zanger. Steueranwältin. Wir erfahren Genaueres, wenn sie zurückkommen.« Amanda setzte sich die Treppe hinauf in Bewegung. »Ich habe das Bestattungsunternehmen angerufen, das sich um Shay Van Dornes Leiche gekümmert hat. Sie haben bestätigt, dass sie in einem Behältnis aus Verbundwerkstoff beigesetzt wurde. Luftdicht, wie sie sagten. Die Eltern sind Aimee und Larry. Sie wurden kurz nach Shays Tod geschieden. Caroline hat ihnen nur erzählt, dass wir in Erwägung ziehen, den Fall noch einmal aufzurollen, aber sie ist nicht näher darauf eingegangen, wieso.«
»Sie haben nicht selbst mit ihnen gesprochen?« Sara blieb stehen. »Sie haben es Caroline tun lassen?«
»Ja, Dr. Linton. Es ist leichter, zu behaupten, dass man nichts Genaueres weiß, wenn man tatsächlich nichts Genaueres weiß.« Amanda stieg weiter nach oben. »Caroline sagt, zwischen den beiden herrscht eindeutig Spannung. Wir beide können sie zusammen bearbeiten.«
Sara brachte ihre Abscheu über das Wort »bearbeiten« nicht zum Ausdruck. Die Van Dornes waren trauernde Eltern, ihr Kind war vor drei Jahren unerwartet gestorben. Ihre Ehe war kurz danach in die Brüche gegangen. Sara war nicht hier, um sie zu beeinflussen. Sie war hier, um sie entscheiden zu lassen.
»Ich würde gern allein mit ihnen sprechen«, sagte sie.
»Weil?«
Sara hatte es so satt, ständig auf Widerstand zu stoßen. »Weil ich es will.«
»Ihre Entscheidung, Dr. Linton.« Amanda hatte die Nase bereits wieder über ihrem Handy, als sie die Treppe weiter nach oben lief.
Sara rieb sich die Augen und spürte, wie ihr Mascara verschmierte. Auf dem Weg zum Besprechungsraum stürzte sie rasch in die Toilette, um sich zu vergewissern, dass sie vorzeigbar aussah. Der Spiegel verriet ihr, dass sie den Test zwar nur knapp bestand, aber zumindest hatte die Wimperntusche sie nicht in einen Waschbären verwandelt. Sara spritzte sich Wasser ins Gesicht. Gegen den Geruch in ihrer Kleidung konnte sie nichts tun. Sie konnte bei alldem nichts weiter tun, als sich durchzuboxen. Sie versuchte, auf alles gefasst zu sein, als sie zum Besprechungszimmer ging.
Die Van Dornes standen beide auf, als Sara die Tür öffnete.
Sie hatten einander gegenüber an dem langen Konferenztisch Platz genommen. Shays Eltern sahen nicht so aus, wie es Sara erwartet hatte. Sie hatte aus irgendeinem Grund das Bild einer älteren Frau in einem Hemdblusenkleid vor Augen gehabt und einen Mann im Anzug und mit Bürstenschnitt.
Aimee Van Dorne trug eine schwarze Seidenbluse und einen schwarzen Bleistiftrock zu hochhackigen Schuhen. Ihr Haar mit den blondierten Spitzen und dem flotten Fransenschnitt war gut gestylt. Larry trug ausgebeulte Jeans und ein Flanellhemd. Sein Haar hatte die Farbe von Fusseln in einem Wäschetrockner, es war länger als Saras und hing als Zopf bis auf seinen Rücken. Das geschiedene Paar war die Verkörperung von Stadt- gegen Landmensch.
»Ich bin Dr. Linton«, sagte sie. »Bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie habe warten lassen.«
Die beiden schüttelten ihr die Hand, und alle übergingen geflissentlich die angespannte Atmosphäre. Sara musste sich an die Stirnseite des Tisches setzen, um sie beide gleichzeitig ansprechen zu können. Das Einzige, was sie tun konnte, um diese Sache etwas weniger schmerzlich zu machen, war, umgehend zur Sache zu kommen.
»Ich arbeite als Rechtsmedizinerin für den Staat Georgia«, sagte sie. »Ich weiß, Caroline hat Ihnen erzählt, dass wir erwägen, den Fall Ihrer Tochter neu aufzurollen. Der Grund dafür ist, dass ich im Zuge der Überprüfung des Berichts, den der amtliche Leichenbeschauer zum Unfall Ihrer Tochter erstellt hat, auf einige Ungereimtheiten gestoßen bin, die …«
»Ich wusste es, Larry!« Aimee deutete mit dem Zeigefinger zu ihrem Mann. »Ich habe gleich gesagt, dass an diesem Unfall etwas nicht stimmt. Ich habe es dir gesagt!«
Larry war beim Klang von Aimees Stimme zusammengezuckt.
Sara ließ ihm einen Moment Zeit, sich zu erholen, ehe sie die Frau fragte: »Gab es einen bestimmten Grund, warum Sie mit dem Befund des Coroners nicht einverstanden waren?«
»Mehrere.« Aimee stürzte sich sofort hinein. »Shay ging nie in den Wald. Nie! Und sie war für die Schule angezogen. Warum sollte sie draußen wandern gehen, wenn sie eine Klasse zu unterrichten hatte? Und warum waren ihre Handtasche und ihr Smartphone im Kofferraum ihres Wagens? Und dann war da dieses unheimliche Gefühl, das sie erwähnt hat. Sie hat zwar so getan, als wäre es nichts Wichtiges, aber eine Mutter weiß, wenn etwas mit ihrer Tochter nicht stimmt.«
Sara sah Larry nach Bestätigung suchend an.
Er räusperte sich. »Shay war deprimiert.«
Aimee verschränkte die Arme. »Sie war nicht deprimiert. Sie war in einer Übergangsphase. Jede Frau macht mit Mitte dreißig eine Zeit durch, in der sie eine Zwischenbilanz zieht. Ich habe es getan, meine Mutter hat es getan.«
Sara hörte ihnen an, dass es ein altes Streitthema war. Sie fragte Larry: »Worüber war Shay deprimiert?«
»Das Leben?«, riet er. »Shay wurde älter. Ihre Arbeit wurde zum Selbstzweck. Mit Tyler hat es nicht funktioniert.«
»Ihr Ex«, erklärte Aimee. »Sie waren seit der Highschool zusammen gewesen, aber Shay wollte keine Kinder, und Tyler wollte welche, also haben sie sich darauf geeinigt, sich zu trennen. Es war nicht einfach, aber es war eine Entscheidung, die sie gemeinsam getroffen haben.«
»Dem Polizeibericht habe ich entnommen, dass Shay mit jemand Neuem zusammen war«, sagte Sara.
»Nichts von Bedeutung«, sagte Aimee. »Er war nur ein Zeitvertreib.«
»Sie haben aber ganz schön viele Nächte miteinander verbracht«, entgegnete Larry.
»Wie man es eben macht, wenn man seinen Spaß hat.« Aimee sprach Sara an: »Shay war immer noch in Tyler verliebt. Ich dachte, sie würde ihre Meinung zum Thema Kinder ändern, aber sie war stur.«
»Woher sie das wohl hat?«, meinte Larry.
Die Bemerkung hätte einen Streit auslösen können, aber sie hatte erstaunlicherweise die gegenteilige Wirkung. Aimee musste lächeln, Larry musste lächeln. Sara merkte den beiden an, dass sie immer noch etwas verband. Und dieses Etwas war vermutlich ihr Kind.
Sara sagte: »Es fällt mir nicht leicht, Ihnen diese Frage zu stellen, aber ich würde Shays Leichnam gern noch einmal untersuchen.«
Keiner von beiden reagierte sofort. Sie sahen einander an. Langsam wandten sie sich wieder Sara zu. Larry sprach als Erster. »Wie? Gibt es da einen Apparat?«
»Larry«, sagte Aimee. »Die Frau spricht nicht von Sonar. Sie will Shay aus der Erde holen.«
Schockiert öffnete er den Mund.
»Es heißt offiziell Exhumierung«, sagte Sara. »Aber es stimmt. Ich frage Sie, ob wir den Leichnam Ihrer Tochter aus dem Grab holen dürfen.«
Larry blickte auf seine Hände. Sie waren knotig von Arthritis. Sara konnte eine Schwiele an dem Gewebe zwischen Daumen und Zeigefinger sehen. Er war daran gewöhnt, Werkzeug zu halten, Dinge zu reparieren oder herzustellen. Aimee war eindeutig eine Geschäftsfrau, diejenige, die sich um die kleinen Dinge des Alltags kümmerte. Bei Saras eigenen Eltern gab es die gleiche Dynamik.
»Ich würde gern mit Ihnen durchgehen, welche Schritte eine Exhumierung umfasst«, sagte Sara. »Sie können so viele Fragen stellen, wie Sie möchten, und ich werde sie so ehrlich beantworten, wie ich kann. Dann lasse ich Sie allein, oder Sie beide gehen hinaus, um sich zu besprechen, damit Sie eine fundierte Entscheidung treffen können.«
»Sie brauchen unsere Erlaubnis?«, fragte Larry.
Amanda würde wohl einen Weg finden, sie zu umgehen, aber dabei würde Sara sie nicht unterstützen. »Ja. Ich brauche Ihr schriftliches Einverständnis, bevor ich die Leiche exhumieren werde.«
»Könnte Shay …« Er suchte nach Worten. »Wenn sie sich selbst etwas angetan hat, würden Sie das sehen? Könnten Sie es uns sagen?«
»Ich kann keine Garantien abgeben, aber wenn es Anzeichen dafür gibt, dass sie sich selbst getötet hat, dann werde ich sie möglicherweise feststellen können.«
»Sie wissen im Grunde also nicht, wonach Sie suchen, und Sie wissen nicht, was Sie finden werden«, erwiderte er.
Sara hatte nicht die Absicht, ihnen die brutalen Details mitzuteilen. »Ich kann Ihnen nur versprechen, dass ich mit den sterblichen Überresten Ihrer Tochter so respektvoll und sorgsam wie möglich umgehen werde.«
»Aber«, sagte Aimee, »Sie vermuten etwas. Sie finden irgendetwas verdächtig, sonst würden Sie das alles nicht tun, richtig?«
»Richtig.«
»Wir …« Er verbesserte sich. »Ich habe nicht viel Geld.«
»Sie müssten weder für die Exhumierung noch für die anschließende Wiederbestattung bezahlen.«
»Okay, gut.« Ihm gingen die Gründe aus, Nein zu sagen – außer dass es ihm das Herz brach. »Wann brauchen Sie eine Antwort?«
»Ich will Sie nicht hetzen.« Sara sah Aimee wieder an, damit sie sich eingeschlossen fühlte. »Es ist eine wichtige Entscheidung, aber wenn Sie mich nach einem Zeitpunkt fragen, würde ich sagen: je früher, desto besser.«
Er nickte bedächtig. »Und dann? Schreiben wir einen Brief?«
»Es gibt Formulare, die …«
»Ich brauche keine Formulare und keine Schritte oder Zeit«, sagte Aimee. »Sie graben sie aus. Sie untersuchen sie. Sie erzählen uns, was passiert ist. Ich bin dafür, machen Sie es sofort. Larry?«
Larry hatte die Hand aufs Herz gepresst. Er war noch nicht bereit. »Es ist drei Jahre her. Wird sie nicht …«
Sara erklärte es. »Sie haben bei den Vorbereitungen zum Begräbnis darum gebeten, dass sie in einem geschlossenen Behälter beigesetzt wird. Wenn er luftdicht geblieben ist, und ich habe keinen Grund, etwas anderes anzunehmen, dann wird der Leichnam noch in einem guten Zustand sein.«
Larry schloss die Augen, Tränen quollen heraus. Sein ganzer Körper war angespannt, alles in ihm sträubte sich gegen Saras Ansinnen.
Aimee war nicht blind für die Qualen ihres Ex-Manns. Ihre Stimme war sanfter, als sie dann zu Sara sagte: »Vielleicht muss ich die Schritte doch kennen. Wie wird das Ganze denn ablaufen?«
»Wir werden die Exhumierung am frühen Morgen ansetzen. Das ist am besten, denn dann gibt es keine Zuschauer.« Sie sah Larry zusammenzucken. »Sie könnten dabei sein, wenn Sie es möchten. Oder Sie nehmen nicht teil. Es ist Ihre Entscheidung. Alles an der ganzen Angelegenheit ist Ihre Entscheidung.«
»Werden wir …« Larry hielt inne. »Werden wir sie sehen?«
»Davon würde ich strikt abraten.«
Aimee hatte ein Tuch aus ihrer Handtasche geholt. Sie tupfte ihre Tränen ab und bemühte sich, den Eyeliner nicht zu verwischen. »Sie werden die Obduktion hier vornehmen?«
»Ja, Ma’am«, sagte Sara. »Sie wird in dieses Gebäude gebracht. Ich werde Röntgenaufnahmen machen, um nach gebrochenen Knochen oder Fremdkörpern zu suchen, die eventuell zuvor übersehen wurden. Ich werde eine Obduktion vornehmen und die Organe und das Gewebe untersuchen. Die Einbalsamierung verfälscht toxikologische Studien, aber Haare und Nägel könnten noch Antworten liefern.«
»Ist es so offensichtlich?«, fragte Aimee. »Können Sie einfach feststellen, ob etwas nicht stimmt?«
Wieder behielt Sara die Einzelheiten für sich. »Mein Ziel ist es, Ihnen beiden definitiv sagen zu können, ob Shays Tod ein Unfall war oder andere Ursachen hat.«
»Sie meinen Mord?«, fragte Aimee direkt.
»Mord?« Larry hatte Mühe mit dem Wort. »Was soll das heißen – Mord? Wer sollte unserem …«
»Larry«, sagte Aimee mit sanfter Stimme. »Entweder Shay ist bei einem Unfall allein im Wald gestorben, oder sie hat sich das Leben genommen, oder jemand hat sie ermordet. Mehr Möglichkeiten gibt es nicht.«
Larry sah Sara flehend an.
Sara nickte.
»Was, wenn …« Larry versagte die Stimme. »Werden Sie auch andere Dinge feststellen können?«
»Welche anderen Dinge?«, fragte Aimee.
Sara wusste, was seine größte Furcht war. »Mr. Van Dorne, wenn Ihre Tochter ermordet wurde, dann ist es möglich, dass sie auch vergewaltigt wurde.«
Er mied Saras Blick. »Sie könnten es feststellen?«
»Wie?«, fragte Aimee. »Durch Sperma? Könnten sie seine DNA erhalten?«
»Nein, Ma’am. Genetisches Material wäre inzwischen absorbiert worden.« Sie wählte ihre Worte vorsichtig. »Wenn es Prellungen oder innere Risse gab, wäre der Schaden noch zu sehen.«
»Risse?«, fragte Larry.
»Ja.«
Wortlos starrte er Sara an. Seine Augen waren hellgrün, wie ihre eigenen.
Wie die ihres Vaters.
Eddie hatte nie gefragt, und Sara hatte ihm die Einzelheiten ihrer Vergewaltigung nie erzählt, auch wenn das Gewicht dieses Schweigens ihre Beziehung auf subtile Weise verändert hatte. Cathy hatte es damit verglichen, wie Adam vom Baum der Erkenntnis gegessen hatte. Sie waren beide aus dem Paradies vertrieben worden.
»Larry.« Aimee hatte die Arme wieder verschränkt. Es fiel ihr sichtlich schwer, ihre Gefühle zu beherrschen. »Du kennst meinen Standpunkt. Aber das ist nicht nur meine Entscheidung. Shay ist ebenso dein Kind wie meines.«
Larry sah auf seine verschränkten Hände. »Zwei Ja, ein Nein.«
Sara kannte den Ausdruck aus ihrer Arbeit in der Kinderklinik. Viele Eltern einigten sich auf den Grundsatz, dass bei wichtigen Entscheidungen zweimal ein Ja nötig war. Wenn ein Elternteil mit Nein stimmte, egal aus welchem Grund, war die Diskussion beendet.
Larry beugte sich vor und fischte ein Taschentuch aus der Gesäßtasche. Er schnäuzte sich die Nase.
Sara wollte anbieten, den Raum zu verlassen, aber der Vater hielt sie zurück.
»Ja«, sagte er. »Graben Sie sie aus. Ich will es wissen.«
Sara breitete die Unterlagen über Leslie Truong über mehrere Schreibtische aus, um herauszufinden, was sie irritierte. Es gab keinen Geistesblitz. Ihre Konzentration war im Eimer. Sie konnte nicht mehr logisch denken. Sie war wieder im Besprechungsraum, dort, wo sie alle heute Morgen gesessen hatten, aber zu ihrer schlaflosen Nacht waren weitere zwölf anstrengende Stunden hinzugekommen.
Es war der zeitliche Ablauf. Etwas störte sie am zeitlichen Ablauf.
Ein ausgiebiges Gähnen unterbrach ihren Gedankengang. Keiner der beiden Becher Kaffee, die sie hinuntergeschüttet hatte, hatte die gewünschte Wirkung erzielt. Sie wünschte sich nichts anderes, als ihren Kopf auf einen dieser Tische zu betten und fünf Minuten zu schlafen. Sie blickte auf die Uhr an der Wand. Zwei Minuten nach sieben. Hinter den raumhohen Fenstern war es unheilvoll schwarz. Sie rieb sich die Augen. Noch immer hingen Klümpchen von Mascara in ihren Wimpern. Sie hatte sich in der Dusche auf der Rückseite der Leichenhalle gewaschen. Ihr Arztkittel roch nach den Chemikalien, mit denen Gary die Tische schrubbte, aber das war ihr immer noch tausendmal lieber als der Formaldehydgestank von Brocks Balsamierungsraum und der Moder des Lagerabteils.
Wieder schaute sie auf die Uhr, weil sie überhaupt kein Zeitgefühl mehr hatte. So war das eben, wenn man die ganze Nacht in der Gegend herumkurvte, weil einem lauter Scheiße das Hirn verstopfte. Wenigstens hatte Tessa etwas zu lachen gehabt.
Sie musste ein drittes Mal auf die Uhr schauen.
Drei nach sieben.
Saras einzige Hoffnung war, dass sie wieder etwas Auftrieb bekam, wenn das Briefing anfing. Anschließend würde sie nach Hause fahren und ins Bett fallen.
Ob Will dann bei ihr war oder nicht, lag nicht in ihrer Hand.
»Doc.« Nick stellte seine Cowboy-Aktentasche auf einen Stuhl. »Amanda hat mir erzählt, Sie waren heute in Grant County.«
»Zwei Sekunden lang. Brock hat mir Zugang zu seinem Mietlager gewährt.«
»Irgendwelche präparierten Leichen gefunden, die wie seine Mutter angezogen waren?«
Sara verabscheute diese Art Scherze. »Ich habe die Akten gefunden, die wir brauchen, um diesen Fall zu untersuchen, und ich bin dankbar, dass Brock bereit war, uns zu helfen.«
Nick zog die Augenbrauen hoch, aber er entschuldigte sich nicht. Er griff nach seiner Lesebrille, die am Kragen seines Shirts klemmte, und schaute auf die Papiere auf den Schreibtischen. »Ist das alles?«
»Ja.«
Er fuhr mit den Fingern über einige Absätze. »Es fällt mir schwer, zu akzeptieren, dass sich Jeffrey in dieser Sache geirrt hat.«
»Sie meinen der Chief
Nick nahm den Blick nicht von den Unterlagen, aber Sara bemerkte ein durchtriebenes Grinsen um seinen Mund. Er hatte Jeffrey nie »Chief« genannt.
»Nick, was Sie da mit Will machen«, sagte Sara. »Ich weiß, Jeffrey hätte es gefallen, aber mir nicht.«
Er sah sie über seine Brille hinweg an und nickte knapp. »Ist angekommen.«
»Dr. Linton.« Amandas Scheitel war das Erste, was zur Tür hereinkam. Wie üblich tippte sie in ihr Handy. »Ich habe die Unterlagen zu Van Dorne nach Villa Rica geschickt. Sie haben die Exhumierung für morgen früh um fünf angesetzt. Die Information ist auf dem Server.«
»Na großartig«, sagte Sara, denn im Morgengrauen auf einem kalten, stockdunklen Friedhof zu stehen war natürlich viel besser, als zu Hause in ihrem warmen Bett zu schlafen.
»Wie lief es mit Zanger?«, wollte Nick von Amanda wissen. »Ist sie ein Opfer, oder hat euch diese Miranda nur erzählt, was ihr hören wolltet?«
»Ich habe noch kein Update bekommen.« Sie wandte sich an Sara. »Tommi Humphrey?«
Saras Verstand brauchte einen Moment, um die Frage zu verarbeiten. Es sah Faith und Will nicht ähnlich, sich nicht zu melden. »Ich konnte Tommi im Internet nicht finden. Nicht in unserer Datenbank, nicht über soziale Medien. Ich habe meine Mutter gebeten, ein wenig nachzuforschen.«
»Mit Humphrey zu sprechen hat Priorität.«
Sara verkniff sich die Entgegnung, dass nicht alles Priorität haben konnte. »Ich rufe sie noch mal an.«
»Tun Sie das.«
Sara gestattete sich ein Augenrollen, als sie in den Flur hinaustrat. Sie lehnte sich an die Wand und schloss die Augen. Sie vibrierte förmlich vor Erschöpfung. Es gelang ihr nicht, die Medizinstudentin in sich zu wecken, die bei zwei aufeinanderfolgenden Schichten aufgeblüht war.
Ihr Handy summte mit einer neuen Meldung. Sara musste mehrmals blinzeln, um die Augen scharf zu stellen. Sie wischte durch ihre Nachrichten. Agents, die nach Berichten fragten. Gary, der sich freinehmen wollte, um seine Katze zum Tierarzt zu bringen. Der Generalstaatsanwalt von Georgia wünschte einen Vorbereitungstermin für einen Fall, der in Kürze vor Gericht gehen würde. Brock fragte nach, ob Sara im U-Store alles gefunden hatte, was sie brauchte. Die Vorstellung, irgendetwas davon zu beantworten, überforderte sie. Aus reinem Schuldgefühl schrieb sie wenigstens kurz an Brock zurück.
Habe alles. Wirklich hilfreich. Gebe Schlüssel bald zurück. Danke.
Sara dachte, sie könnte auch gleich noch ihre Mutter erledigen. Ein Anruf fühlte sich zu belastend an. Sie schrieb in dem formellen Stil, den Cathy sich erbat:
Hallo, Mama. Hat Tessie dich gebeten, nach Tommi Humphreys Telefonnummer oder Aufenthaltsort für mich zu suchen? Ein Kontakt zu ihrer Mutter würde auch gehen. Es ist für einen sehr wichtigen Fall. Wir müssen wirklich möglichst bald mit ihr sprechen. Ich hab dich lieb. S.
Sara ließ das Telefon in ihre Tasche gleiten. Sie erwartete keine schnelle Reaktion von ihrer Mutter. Cathys Telefon lag wie üblich wahrscheinlich auf der Küchentheke und wurde aufgeladen.
Wie von selbst fuhr Saras Hand wieder in die Hosentasche. Das Telefon war draußen. Ihr Daumen wischte. Sie war wie eine Süchtige. Seit ihrem letzten Versuch waren Stunden vergangen. Sie konnte der Versuchung nicht widerstehen.
Sie öffnete die Find My Phone -App.
Die Karte zeigte tatsächlich einen Pin statt Lenas Adresse.
Will war wieder sichtbar für sie. Er war hier im Gebäude. Sara weinte fast vor Erleichterung. Sie presste das Telefon an die Brust und schalt sich dafür, dass sie so verzweifelt gewesen war.
Genau in diesem Moment flog die Tür zum Treppenhaus krachend auf, und Will trat zur Seite, um Faith über den Flur vorausstapfen zu lassen. Saras erster Gedanke war, dass Faith noch schlimmer aussah, als ihr selbst zumute war. Ihre Schultern waren gebeugt. Sie presste ihre Handtasche wie einen Football an die Brust. Ihre übliche Aura fröhlicher Verstimmung war durch erdrückende Qual ersetzt worden.
Sie bog links ins Besprechungszimmer ab und sagte zu Sara: »Was für ein Scheißjob.«
Will sah genauso mitgenommen aus wie Faith. Aber anstatt mit Sara zu sprechen, schüttelte er nur den Kopf.
Sie folgte ihm in den Raum.
»Nun?«, fragte Amanda.
»Nun das .« Faith schmiss ihre Handtasche auf einen Schreibtisch, und der Inhalt ergoss sich auf den Boden. Sie machte einige Schritte auf das Fenster zu und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Alle außer Will waren perplex. Faith rastete nie aus. Sara hatte sie immer für unerschütterlich gehalten.
Sie schaute zu Will, aber er war in die Knie gegangen, um Faiths Sachen wieder in die Handtasche zu räumen.
»Reden Sie«, forderte Amanda von ihm.
Will stellte die Handtasche aufrecht auf den Tisch und sagte: »Wir haben Callie Zanger vor ihrem Bürogebäude vom Wagen aus angerufen.«
Er berichtete vorsichtig von Faiths Telefongespräch mit der Anwältin. Will hatte sich nie wohl dabei gefühlt, Briefings zu leiten. Jetzt klang sein Vortrag monoton, fast wie auswendig gelernt. Sara setzte sich in die erste Reihe. Will sprach in Faiths Richtung, obwohl sie natürlich schon alles wusste. Aber Sara begriff, dass er seine Partnerin beobachtete, um einzugreifen, falls sie ihn brauchte.
»Faith saß mit Zanger an der Bar«, fuhr er fort. »Ich war an einem Tisch rund vier Meter entfernt.«
Sara hörte den rauen Ton in seiner Stimme. Zangers Geschichte hatte ihm offenbar ebenso zugesetzt wie Faith. Er breitete sie in allen schmerzhaften Details aus. Die Entführung. Die vermeintliche Gewissheit der Frau, dass ihr Ex-Mann derjenige gewesen war, der sie verletzt hatte, der sie vergewaltigt und scheinbar tot hatte liegen lassen.
Während Will sprach, bearbeitete er wieder seinen verletzten Knöchel mit dem Daumen. Frisches Blut lief an seinen Fingern hinab. Als er schließlich zu Ende berichtet hatte, was Callie Zanger für die Wahrheit über ihre Entführung hielt, waren Blutflecke auf dem Teppich unter seiner Hand.
»Zanger ist überzeugt, dass es ihr Mann war«, sagte Will. »Wir haben es nicht berichtigt.«
Er sagte wir , aber aus seiner Geschichte ging klar hervor, dass er kein Wort mit der Frau gesprochen hatte.
»Der Barkeeper hat mir versichert, er würde Zanger nicht selbst nach Hause fahren lassen«, sagte Will noch. »Dann sind wir gegangen. Das war’s.«
»Ich konnte es ihr nicht sagen.« Faith war auf einen Stuhl gesunken. Der Tag schien wie ein Albtraum auf ihr zu lasten. »Callie glaubt, sie hat gewonnen. Das hat sie gesagt: ›Ich habe gewonnen.‹«
Unmittelbar danach sprach niemand.
Nick zupfte an einer Naht in der Ecke seiner Aktentasche.
Will lehnte sich an die Wand.
Amanda ließ sehr langsam die Atemluft entweichen. Sie war abgebrühter als alle anderen, aber sie war auch eng mit der Familie Mitchell verbunden. Zu Beginn ihrer Laufbahn waren sie und Faiths Mutter Evelyn Partnerinnen gewesen. Sie hatte eine Beziehung mit Faiths Onkel geführt. Jeremy und Emma nannten sie Tante Mandy.
»Nick«, sagte Amanda. »In der untersten Schublade meines Schreibtischs ist eine Flasche Bourbon.«
Nick spurtete los.
»Ich will keinen Drink«, sagte Faith.
»Aber ich.« Amanda blieb immer auf den Beinen, aber jetzt setzte sie sich neben Faith an den Schreibtisch. Sie wandte sich an Will. »Rod Zanger?«
»Wir haben ihn in Cheyenne ausfindig gemacht«, sagte Will. »Er sitzt seit drei Monaten in Laramie im Gefängnis. Er schlägt seine neue Frau ebenfalls.«
Faith stützte den Kopf in die Hände. »Ich konnte es ihr nicht sagen. Es fehlt nicht viel, und sie bricht zusammen. Es fehlt nicht viel, und ich breche zusammen.«
»Der Sender an ihrem Wagen?«, fragte Amanda.
Will sagte: »Wir konnten sie nicht danach fragen, ohne ihr zu verraten, wieso.«
»Ich wollte ihr das nicht antun«, sagte Faith. »Ich konnte ihr das nicht nehmen.«
Amanda bedeutete Will mit einem Nicken, fortzufahren.
»Rod war in den letzten zehn Jahren ausgiebig in den sozialen Medien präsent. In der Woche mit den Überfällen in Grant County war er mit Callie Zanger bei einer Art Steuerrechtskonferenz in Antwerpen. Es gibt Fotos von ihnen auf einer orangefarbenen Rolltreppe aus Holz, die in der Stadt sehr bekannt ist.«
»Nach meiner Erinnerung hat er kein Alibi für die Zeit, in der seine Frau entführt wurde«, sagte Amanda.
»Ja«, sagte Will. »Er hat es immer abgestritten.«
»Er war es nicht!«, rief Faith fassungslos. »Herrgott noch mal, kannst du vielleicht mit diesem Quatsch aufhören? Es passt alles zusammen. Das Haarband. Der Hammer. Monat und Tageszeit. Der Wald. Das verdammte blaue Gatorade. Alles, was Callie gesagt hat, passt zusammen, genau wie heute Morgen, als wir alle auch schon hier saßen und du uns weisgemacht hast, uns getadelt und ermahnt hast, dass wir diesen Kerl nicht als Serienmörder bezeichnen dürfen, obwohl jede einzelne Spur verdammt noch mal auf einen Serientäter hinweist.«
Amanda ging nicht auf die Anschuldigung ein, sondern sagte zu Will: »Ich möchte mit dem Detective reden, der Zangers Verschwinden bearbeitet hat. Rufen Sie den Verwalter ihres Gebäudes an. Vielleicht liegen die Festplatten von vor zwei Jahren noch irgendwo in seinem Büro. Wenn wir …«
Faith stand auf. Sie betrachtete die Fotos von Leslie Truongs Obduktion. »Da sind neunzehn Frauen, Amanda. Neunzehn Frauen, die überfallen wurden. Fünfzehn sind tot, und da ist Tommi Humphrey noch nicht einmal dabei. Du weißt, was er ihr angetan hat. Du weißt es!«
Amanda nahm die Beschimpfung offen an. »Ich weiß es.«
»Warum zum Teufel tun wir dann so, als würde nicht alles zusammenhängen, obwohl …« Sie hielt eines der Fotos hoch. »Sieh dir das an! Das tut er. Das wäre Callie Zanger widerfahren, wenn sie es nicht irgendwie geschafft hätte, nachzudenken, zu handeln und allein aus diesem Wald herauszulaufen.«
Amanda ließ zu, dass sie sich Luft machte.
»Wie viele Frauen sind noch da draußen? Er könnte in diesem Moment einer weiteren Frau etwas antun, Amanda. Genau jetzt, denn er ist ein Serientäter, der Frauen ermordet. Genau das ist er: ein gottverdammter Serienmörder.«
Amanda nickte ein Mal. »Ja, wir haben es mit einem Serienmörder zu tun.«
Das Eingeständnis nahm Faith den Wind aus den Segeln.
»Geht es dir jetzt besser, weil er einen Namen hat?«, fragte Amanda.
»Nein«, sagte Faith. »Weil du nicht mir zugehört hast, sondern Miranda Newberrys blöder Scheißtabelle.«
»Die Quelle der Daten ist unerheblich«, sagte Amanda. »Das Glück begünstigt den, der vorbereitet ist.«
»Unglaublich.« Faith ließ sich wieder auf ihren Platz sinken.
Amanda wandte sich an Will. »Wenn wir Grant County und Alexandra McAllister ausnehmen, haben wir dreizehn verschiedene zuständige Gerichtsbezirke, in denen Leichen gefunden wurden. Fürs Erste lassen wir die drei Fälle aus, in denen es den Frauen gelungen ist, zu entkommen. Ich will, dass Sie und Faith sich die Countys morgen früh mit Nick aufteilen. Wir müssen die Telefone zum Glühen bringen, Termine und Befragungen vereinbaren. Schlagen Sie einen beiläufigen Ton an. Verraten Sie nicht zu viel.«
Will war offenbar noch immer um Faith besorgt, aber er schlug vor: »Wir könnten sagen, wir überprüfen im ganzen Staat stichprobenartig Vermisstenfälle.«
»Ja, das ist gut«, sagte Amanda. »Sagen Sie ihnen, wir untersuchen, wie wir den Meldevorgang standardisieren können. Konzentrieren Sie sich auf die Namen von unserer Liste. Ich brauche alle Zeugenaussagen, Berichte der Leichenbeschauer, Fotos, Aufzeichnungen, forensischen Ergebnisse, Karten, Skizzen der Tatorte, Ermittlungstagebücher und die Namen von jedem, der vor Ort war. Und es ist mir ernst damit, dass Sie behutsam vorgehen müssen, Wilbur. Meine Anrufe heute Morgen haben bereits für ein wenig Unruhe gesorgt. Unser Mörder könnte untertauchen, wenn er Wind davon bekommt, dass wir das Fundament für eine Task Force gießen.«
»Du hast heute Morgen Telefonate geführt, um eine Task Force ins Leben zu rufen?«, sagte Faith. »Dann war es also nicht allein die Tabelle? Du arbeitest seit dem Briefing darauf hin, aber aus irgendeinem Grund hast du diese Information nicht nur für dich behalten, sondern darauf bestanden, dass wir ignorieren, was offensichtlich ist?«
»Ich arbeite seit dem Morgen geräuschlos darauf hin; das ist die Betonung, die du anscheinend übersiehst.« Amanda nahm es sehr genau. »Das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können, ist irgendein voreiliger Idioten-Deputy, der gegenüber der Presse davon tönt, dass wir den nächsten Jack the Ripper im Revier haben. Und so verhindern wir, dass das passiert. Kleine Schritte, wie ein Baby.«
Faith seufzte verdrossen.
Amanda schien fortfahren zu wollen, aber sie setzte noch einmal neu an und sagte zu Faith: »Ja, ich hätte es dir früher sagen können.«
»Aber?«, fragte Faith.
»Kein Aber«, sagte Amanda. »Ich hätte es dir früher sagen können.«
Sara hatte nie erlebt, dass Amanda dem Eingeständnis eines Fehlers näher gekommen wäre.
Doch Faith war offenbar noch nicht besänftigt. »Ich kann es ihr nicht sagen, Mandy. Wenn es so weit ist, kann ich nicht diejenige sein, die Callie Zanger mitteilt, dass es nicht ihr Mann war.«
Amanda strich ihr mit einer Hand über den Rücken. »Diese Hürde nehmen wir, wenn wir dort angekommen sind.«
Nick kam mit dem Bourbon zurück und hatte eine Keramiktasse aus der Küche mitgebracht. Er goss ein gesundes Maß ein und hielt sie dann Faith hin.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich muss noch fahren.«
»Ich fahr dich«, sagte Amanda. »Emma ist noch bei ihrem Vater. Wir fahren zu Evelyn.«
Faith nahm die Tasse, setzte sie an den Mund. Sara konnte sie quer durch den Raum schlucken hören.
»Dr. Linton«, sagte Amanda. »Lassen Sie uns darüber sprechen, dass der Mörder zu den Opfern zurückkehrt. Die Zanger-Geschichte bestätigt ein Muster.«
Sara fühlte sich überrumpelt. Ihr Kopf war zu schwammig für den schnellen Themenwechsel.
»Dr. Linton?«
Sara mühte sich ab, eine Arbeitshypothese zu formulieren.
Will rettete sie. »Das Muster ist, dass der Täter seine Opfer irgendwie außer Gefecht setzt, wahrscheinlich mit einem Hammer. Dann bringt er sie in den Wald. Er setzt sie unter Drogen. Wenn die Drogen nicht mehr wirken, durchsticht er ihr Rückenmark. Sein Ziel ist es, sie zu lähmen, vollständige Macht über sie zu haben. Er kehrt so lange zu den Frauen zurück, bis sie gefunden werden.«
Sara sagte: »Die durchtrennten Nerven in Alexandra McAllisters Achselhöhle weisen auf eine Fortentwicklung hin.«
»Sie meinen, zu Tommi Humphrey?«, vergewisserte sich Amanda.
»Ich meine, zu allen drei Opfern aus Grant County.« Sara gewann endlich etwas neuen Schwung. »Ich dachte immer, dass die drei Opfer – Humphrey, Caterino, Truong – eine Studie in Eskalation waren. Der Mörder hat versucht, die richtige Technik zu finden, die richtige Dosierung in dem Gatorade, das beste Werkzeug, um sie zu lähmen, und den besten Zeitpunkt dafür.«
»Warum das Gatorade?«, fragte Amanda. »Warum lähmt er sie nicht gleich?«
Sara konnte nur raten. »Das Rohypnol dürfte einen abnehmenden Ertrag erbracht haben. Es ist heikel, damit zu experimentieren, falls er nicht gerade Pharmakologe ist. Tod ist ein ernsthafter Nebeneffekt. Die Atemtätigkeit erreicht den Punkt der Hypoxie, und dann tritt der Hirntod binnen Minuten ein.«
Will sagte: »Wenn er nicht die ganze Zeit bei ihnen blieb, muss es zwischen der Betäubung durch Drogen und der körperlichen Lähmung einen Punkt gegeben haben, an dem sie eine Chance hatten, zu entkommen.«
»Er hatte eine Menge Frauen, mit denen er experimentieren konnte«, sagte Sara. »Er lernt mit jedem neuen Opfer.«
»Wenn wir zu dem FBI-Profil zurückkehren«, sagte Nick, »dann ist er ein Kerl, der das Risiko sucht. Kann sein, dass er ihnen zu Beginn eine Chance gibt, zu kämpfen.«
»Wofür es auch gut sein mag – Humphrey und Caterino sind entkommen«, sagte Will. »Zanger ist entkommen.«
Faith räusperte sich. Sie war immer noch schwer mitgenommen, aber sie sagte: »Callie hat mir erzählt, dass sie die blaue Flüssigkeit erbrochen hat. Nicht einfach nur ausgespien, sie hat praktisch ihren Magen heraufgewürgt. Das hat ihr so viel Klarheit verschafft, dass sie sich zwingen konnte, aufzustehen und Hilfe zu suchen.«
Will fügte an: »Miranda Newberry hat zwei weitere Frauen gefunden, die sie für überlebende Opfer hält. Sie sind beide aus dem Wald entkommen, aber sie haben katastrophale Verletzungen erlitten.«
Sara war endlich in der Lage, zu artikulieren, was sie am Obduktionsbericht von Truong störte. »Leslie Truong sieht für mich wie ein Sonderfall aus. Ihr Körper wies alle Signaturen des Täters auf – die Verstümmelung, das durchstoßene Rückenmark, die blaue Flüssigkeit –, aber sie wurde innerhalb von einer halben Stunde ermordet und verstümmelt. Es gab keine Steigerung, er hat alles sofort getan.«
»Im Hauruckverfahren sozusagen«, fasste Amanda zusammen.
»Er war in Panik«, erklärte Nick. »Sie war eine mögliche Zeugin.«
Sara war nicht ganz einverstanden mit dieser Auslegung. »Mich stört, dass es keine Spuren von Rohypnol in ihrem Blut oder Urin gab. Die Droge wird zwar schnell abgebaut, aber der Tod beendet diese Funktion. Es hätten sich noch Spuren in ihrem Mageninhalt finden müssen. Sie hatte einen blauen Fleck auf den Lippen, aber ich glaube, der wurde absichtlich angebracht. Was mir im Nachhinein am deutlichsten von dem Tatort in Erinnerung ist, war der Eindruck einer Inszenierung, aber von derselben Person inszeniert, die Beckey Caterino überfallen hat. Was nicht viel Sinn ergibt, das ist mir klar, aber es wirkte … anders.«
Nick sagte: »Jeffrey glaubte, dass der Täter bei Truong schlampig wurde, weil er wusste, dass wir ihm auf der Spur waren. Auf dem Campus hat es gewimmelt vor Polizei. Die ganze Stadt war in Alarmstimmung.«
Sara konnte noch immer nicht genau festmachen, was sie störte. »Ich behaupte nicht, dass ein anderer Mann Leslie überfallen hat, aber es ist möglich, dass die Motivation eine andere war. Er ist kräftig genug auf den Hammer getreten, um ihn abzubrechen. Das klingt für mich nach Wut. Nichts, was wir bisher an Erkenntnissen über den Mörder haben, deutet auf unkontrollierte Wut hin. Er wirkt im Gegenteil vollkommen beherrscht.«
»Leslie Truongs Stirnband war verschwunden«, sagte Amanda. »Das ist der einzige Punkt, der mich annehmen lässt, dass sie nicht einfach nur angegriffen wurde, weil sie den Täter identifizieren konnte.«
»Caterino gab sich in diesem Punkt zurückhaltend, wisst ihr noch?«, sagte Faith. »Sie lebte als Studentin mit anderen Studentinnen zusammen, die sie wahrscheinlich erst zu Beginn des Semesters kennengelernt hatte. Die Kids klauen sich die ganze Zeit Sachen. Es macht mich wahnsinnig.«
»Nehmen wir das Stirnband aus der Gleichung«, sagte Amanda. »Sara?«
»Der Mörder hat immer sehr sorgfältig seine Spuren verwischt. Schon bei Tommi Humphrey hat er einen Waschlappen zum Tatort mitgebracht, um seine DNA abzuwischen. Die nachfolgenden Opfer waren glaubhaft so inszeniert, dass es nach einem Unfall aussah.« Ihr Verstand war endlich hellwach. »Überlegt mal: Bei Leslie hat er ein ins Auge stechendes Beweismittel zurückgelassen.«
»Den Hammerstiel mit der Fabrikatsnummer.«
»Ist das üblich?«, wollte Amanda von Will wissen.
»Nein«, sagte er. »Normalerweise ist sie ins Metall gestanzt.«
Faith hatte ihr Notizbuch hervorgeholt, sie war wieder mit im Spiel. »Also A plus B gleich C, richtig? Wer Tommi überfallen hat, hat Beckey überfallen und auch Leslie.«
»Die Sache ist nur die«, sagte Nick, »dass Daryl Nesbitt ein verdammt solider Verdächtiger war. Es gab echte Beweise gegen ihn.«
»Also gut«, sagte Amanda. »Sehen wir es uns an. Daryl war ein guter Verdächtiger, weil …?«
»Hauptsächlich wegen Leslie Truong.« Sara ging die belastenden Punkte durch, die Jeffrey in seinen Notizen umrissen hatte. »Der Hammer in Leslie war von einer sehr speziellen Art. Daryl war im Besitz von Axle Abbotts Werkzeugen, während dieser im Gefängnis saß. Daryl kannte sich im Wald aus. Er fuhr mit Felix auf dem Campus Skateboard. Auf Aufnahmen der Überwachungskameras sieht man beide zusammen vor der Bibliothek performen. Daryl hat in der Nähe der Forststraße gearbeitet, die zum Tatort führt. In seinem Haus wurde später ein Prepaidhandy gefunden, das zu der Nummer in Caterinos und Truongs Handykontakten gehörte.«
»Dann will ich mal den Advocatus Diaboli spielen. Daryl Nesbitt sitzt nicht ohne Grund wegen Kinderpornografie und nicht wegen Vergewaltigung und Mord im Gefängnis. Das sind alles nur Indizienbeweise, oder es ist leicht erklärbar.«
Im Nachhinein konnte ihr Sara nicht widersprechen. Vor acht Jahren war sie ebenso überzeugt gewesen wie Jeffrey.
»Was ist mit dem Video aus Truongs Fallakte?«, fragte Amanda.
»Ich hab es mir noch nicht angesehen.« Sara hatte gehofft, es erst einmal für sich allein ansehen zu können, damit sie vorbereitet war, aber diese Gelegenheit war nun passé.
Sie ging zu dem riesigen Röhrenfernseher hinüber. Will betrachtete den altmodischen Videorekorder oft geringschätzig, aber jetzt machte sich der Apparat endlich bezahlt. Sara schob die Kassette ins Laufwerk, schloss die Klappe, nahm die Fernbedienung zur Hand. Sie spulte das dünne Band zurück, während sie wieder zu ihrem Platz ging. Dann drückte sie auf Play.
Das Bild auf dem Schirm zuckte, dann fing es an zu laufen.
Will übernahm das Kommando und stellte die Regler ein, und plötzlich sah Sara sich selbst vor acht Jahren.
Ihr erster Gedanke war, wie jung sie doch aussah. Ihr Haar glänzte stärker, ihre Haut war glatter, ihre Lippen voller.
Sie trug ein weißes T-Shirt, eine graue Kapuzenjacke und Jeans. Ihre Hände steckten in Untersuchungshandschuhen, das Haar war nach hinten gebunden. Die jüngere Sara blickte in die Kamera und gab Datum, Uhrzeit und Ort bekannt. »Ich bin Dr. Sara Linton. Ich bin hier mit Dan Brock, dem Coroner von Grant County, und Jeffrey Tolliver, dem Polizeichef.«
Sara biss sich auf die Unterlippe, als die Kamera auf die Gesichter beider Personen schwenkte, die ihr jüngeres Ich gerade genannt hatte.
Jeffrey trug einen anthrazitfarbenen Anzug. Eine Stoffmaske bedeckte Mund und Nase. Er sah besorgt aus. Sie alle sahen so aus.
Sie sah die jüngere Sara die vorläufige Untersuchung beginnen, sah sie mit einer Stablampe nach Petechien Ausschau halten, den Kopf zur Seite drehen, damit sie das runde, rote Mal an Truongs Schläfe besser sehen konnte.
»Das könnte der erste Schlag gewesen sein«, sagte die jüngere Sara.
Die gegenwärtige Sara, die atmende Sara, hätte gern Will angesehen, sein Gesicht studiert, um zu erkennen, was er dachte.
Aber sie durfte es nicht.
Auf dem Schirm war die Kamera zur Seite gekippt, das Bild wurde unscharf. Sie konnte das verschwommene Weiß von Jeffreys Mundschutz sehen. Sara erinnerte sich immer noch an den Gestank nach Fäkalien und Zersetzung, den die Leiche verströmt hatte. Der Geruch hatte ihre Augen zum Tränen gebracht. Jetzt studierte sie die blaue Färbung auf Truongs Oberlippe. Sie hatte erwartet, eine Spur zu finden, die dabei entstand, wenn man eine Flüssigkeit trank. Im Nachhinein sah es so aus, als wäre sie auf die Lippen getropft worden.
»Blockaden?« Brocks Stimme war laut. Er hatte die Kamera gehalten.
Sara lauschte, wie ihr jüngeres Ich die Funde erklärte. Sie klang so verdammt selbstsicher. Acht Jahre später sprach Sara nur noch selten mit solcher Gewissheit. Das Leben hatte sie in den nachfolgenden Jahren gelehrt, dass sich nur sehr wenige Situationen mit absoluter Sicherheit betrachten ließen.
»Wir glauben, dass der Mörder versucht hat, seine Opfer zu lähmen«, sagte Jeffrey.
Ein Kloß bildete sich in Saras Kehle. Sie hatte nicht so weit vorausgedacht, hatte nicht realisiert, dass sie Jeffreys Stimme noch einmal hören würde. Sie war so tief und volltönend wie in ihrer Erinnerung. Ihr Herz setzte bei dem Klang einen kurzen Schlag aus.
Ihr jüngeres Ich hob Leslie Truongs Shirt an und fand eine verschobene Rippe.
Sara ließ ihren Blick am Bildschirm nach unten wandern, auf die blinkende Uhr des Rekorders.
»Geh hier näher ran«, sagte die jüngere Sara zu Brock.
Saras Lippen teilten sich. Sie holte tief Luft. Sie spürte Wills Blick auf sich, konnte seine Selbstzweifel beinahe hören. Er war geringfügig größer als Jeffrey. Aber nicht so klassisch gut aussehend. Will war fitter. Jeffrey selbstbewusster. Will hatte Sara. Hatte Jeffrey sie ebenfalls noch?
Auf dem Video sagte Brock: »Fertig.«
Sara blickte in die Kamera. Brock half ihr, Leslie Truong zur Seite zu drehen. Jeffrey war nun hinter der Kamera. Er hatte auf einen weiteren Winkel gezoomt, um die Leiche in ganzer Länge zu erfassen. Erde und Zweige klebten am nackten Gesäß der Frau. Die jüngere Sara stellte die Theorie auf, dass das Mädchen sich die Hose hochgezogen hatte oder der Täter es getan hatte.
»Warte.« Faith stand auf. »Halt mal an und geh zurück.«
Sara suchte nach den richtigen Knöpfen, aber Faith nahm ihr die Fernbedienung ab.
»Hier.« Sie drückte auf Zeitlupe. »Bei den Bäumen.«
Sara kniff die Augen zusammen. In einigem Abstand, vielleicht fünfzehn Meter entfernt, standen Leute hinter einem gelben Absperrband. Sie konnte Brad Stephens’ Gesicht nicht erkennen, aber sie erkannte seine frisch gestärkte Uniform und seinen linkischen Gang, als er die Zuschauer zurückzudrängen versuchte.
»Dieser Typ …« Faith fror das Bild ein. Sie zeigte auf einen der Studenten. »Er trägt eine schwarze Strickmütze.«
Sara konnte die Mütze sehen, aber das Gesicht war nur ein verschwommener Klecks.
Faith sagte: »Laut Lenas Notizen hat Truong von drei Frauen und einem Mann gesprochen, die sie im Wald gesehen hat. Sie konnte den Mann nicht beschreiben, nur dass er ein Student war und eine schwarze Beanie-Strickmütze trug.«
Sara trat vor den Apparat, um das Bild aus der Nähe zu betrachten. Das Videoband war alt, die technische Ausrüstung noch älter. Das Gesicht des Mannes war ein formloser Fleck. »Ich erkenne Brad, weil ich weiß, dass es Brad ist, aber das war’s auch schon.«
Faith sah Amanda flehend an.
Amanda schürzte die Lippen. Die Chance, dass sich das Bild irgendwie optimieren ließ, war gering. Aber Faith zuliebe sagte sie: »Wir lassen die IT-Leute einen Blick darauf werfen.«
Faith hielt das Video an und warf die Kassette aus. »Ich kann es sofort nach unten bringen.«
»Dann geh.« Amanda blickte auf ihre Armbanduhr. »Wir treffen uns in der Eingangshalle.«
Faith griff nach ihrer Handtasche, und Sara hörte sie über den Flur rennen. Sie hoffte, wie sie alle, verzweifelt auf einen Durchbruch.
»Will«, sagte Amanda. »Ich möchte Faith morgen an ihrem Schreibtisch sehen. Es gibt jede Menge Anrufe zu machen. Wir müssen uns mit dreizehn verschiedenen Gerichtsbarkeiten herumschlagen. Wir treffen uns um sieben Uhr morgens in meinem Büro und legen den Rahmen fest. Okay?«
»Ja, Ma’am.«
»Nick«, sagte sie. »Lassen Sie sich von Will erklären, was Sie verpasst haben. Meine letzte Anordnung gilt für Sie alle: Fahren Sie nach Hause. Schlafen Sie. Heute war ein harter Tag. Morgen wird noch härter.«
Will und Nick antworteten unisono mit »Ja, Ma’am«.
Sara begann, ihre Unterlagen zu Leslie Truongs Obduktion einzusammeln. Sie hörte mit halbem Ohr zu, wie Will Nick von der Bildung einer Task Force erzählte. Ihr Telefon vibrierte in der Tasche. Sara betete, dass es nicht ihre Mutter war, denn sie wusste, sie konnte es nicht länger aufschieben, Tommi Humphrey zu suchen.
Die Nachricht war von Brock. Ein Fragezeichen, dann:
Glaube, das war für Cathy? Ich kann mich umhören, wenn du willst.
Sara hatte Brock versehentlich die Nachricht geschickt, die für ihre Mutter gedacht war. Sie tippte eine rasche Entschuldigung, dann kopierte sie die Nachricht und schickte sie an Cathy.
Zu Saras Überraschung schrieb ihre Mutter schon Augenblicke später zurück:
Schätzchen, ich habe bereits eine Nachricht für Pastor Nelson hinterlassen. Wie du weißt, ist es für die meisten Menschen schon zu spät für einen Rückruf. Marla glaubt jedoch, dass Delilah nach Adams Tod noch einmal geheiratet hat und in einen anderen Staat gezogen ist. Daddy schickt liebe Grüße, genau wie ich – Mama. PS: Warum streitest du mit deiner Schwester?
Sara starrte auf das Postskriptum. Wenn Tessa ihrer Mutter von ihrem Streit erzählt hatte, war die Lage ernster, als sich Sara eingestehen wollte.
»Stimmt etwas nicht?«, fragte Will.
Sara blickte auf. Nick war gegangen. Sie waren allein im Raum. »Meine Mutter versucht, Tommi für mich zu finden.«
Will nickte.
Und dann stand er da und wartete.
Sara sagte: »Es tut mir leid wegen Callie Zanger. Das muss …«
»Du bist heute nach Hause gefahren.« Er nahm den leeren Aktenkarton und stellte ihn auf den Schreibtisch. »Hattest du Zeit, jemanden zu besuchen?«
»Nein. Ich musste schnellstens zurückfahren, um die Van Dornes zu treffen, dann steckte ich im Verkehr fest, was eine Ewigkeit gedauert hat.« Sara fühlte sich plötzlich schuldig, als würde sie etwas vor ihm verbergen. Sie beschloss, es ans Licht zu bringen. »Die Storage-Einrichtung ist gegenüber vom Friedhof.«
Er stapelte die Akten und warf sie in den Karton.
»Ich bin nicht hinübergegangen.« Sara hatte die regelmäßigen Friedhofsbesuche vor Jahren im Interesse ihrer seelischen Gesundheit aufgegeben. »Ich lege einmal im Jahr Blumen auf sein Grab. Das weißt du.«
»Es war sonderbar, dich auf dem Video zu sehen«, sagte er. »Du hast so anders ausgesehen.«
»Ich war acht Jahre jünger.«
»Das meine ich nicht.« Will schloss den Karton. Es schien, als wollte er noch mehr sagen, aber er beließ es bei: »Ich hab genug für heute.«
Sara wusste nicht, ob er die Arbeit meinte oder ob er auf die Weise genug hatte wie am Abend zuvor, als er sie einfach stehen ließ.
»Will …« sagte sie.
»Ich will nicht mehr reden.«
Sara biss sich auf die Unterlippe, damit sie nicht zitterte.
»Ich möchte nach Hause fahren, eine Pizza bestellen und fernsehen, bis ich einschlafe.«
Sie versuchte, den Kloß in ihrem Hals zu schlucken.
Er sah sie an. »Wollen wir das zusammen machen?«
»Ja, bitte.«