Kapitel 3
Kati zupfte Georg am Ärmel seines Pullovers. »Kommst du kurz mit und hilfst mir mit dem schweren Bowlengefäß?«
Georg nickte ihr zu und entschuldigte sich bei den Gästen. »Ich bin gleich zurück.« Er folgte ihr in die Küche und sah sie fragend an. »Du willst die jetzt schon hinstellen?« Er blickte auf seine Armbanduhr. »Es ist erst acht. Die haben alle gleich einen sitzen, wenn sie die eingelegten Früchte wegmümmeln.«
Kati lächelte. »Erstens heißt es Umtrunk, weil etwas getrunken wird, und zweitens sind die alle noch ein bisschen steif da draußen. Ein Einweihungsumtrunk habe ich mir etwas ausgelassener und lustiger vorgestellt.«
Der Rechtsmediziner mit dem kleinen Bauchansatz und der Glatze und Kati waren vor einem Monat in das kleine frei stehende Haus in der Banatstraße im Stadtteil Bad Cannstatt eingezogen. Es lag direkt am Kurpark, und der Neckar war in weniger als zehn Minuten Fußmarsch zu erreichen.
Kati war im Sommer aus allen Wolken gefallen, als der Notar ihr bei der Testamentseröffnung von Tante Marthas Nachlass mitgeteilt hatte, die alte Dame hätte ihr ein Haus und eine nicht unbeträchtliche Menge Bargeld vererbt.
Martha, die im Februar auf der Außentreppe des Hauses, in dem sie wohnte, unglücklich auf den Kopf gestürzt und dann erfroren war, war Katis und Florians erste Anlaufstelle gewesen, als sie von Hannover nach Stuttgart umgezogen waren. Sie hatte ihnen in ihrer kleinen Wohnung für ein ganzes Jahr Obdach gewährt und sie verhätschelt.
Doch nach einer gewissen Zeit merkten alle, dass es Zeit für eine Veränderung war, und atmeten auf, als Kati eine Wohnung nahe des Präsidiums gefunden hatte. Dass Martha ein eigenes Haus besaß, hatte niemand geahnt. Sie hatte niemals ein Wort über ihre Vermögensverhältnisse verloren und hatte bescheiden gelebt.
Nachdem Kati, Georg, Florian und Sandra, seine Freundin, von der USA-Reise, die Kati ihrem Sohn zum bestandenen Abitur geschenkt hatte, wieder zu Hause angekommen waren, hatten sie einen Termin mit den Mietern des Hauses gemacht. Dabei hatte sie erfahren, dass diese ohnehin vorhatten, im Herbst auszuziehen, weil sie selbst dabei waren, ein Haus zu bauen.
Kati und Georg, die bis dahin getrennt gewohnt hatten, hatten sich mit glänzenden Augen angesehen und es war entschieden: Das hier würde ihr gemeinsames Nest werden.
Georg trat von hinten an Kati heran, die dabei war, eine Scheibe von einer Orange zu schneiden, die sie als Deko an den Rand des Bowlengefäßes setzen wollt. Er umfasste ihre Taille, küsste sie zärtlich auf den Nacken und atmete tief ein.
Kati lächelte. Sie wusste, er liebte ihren Duft.
»Die werden von dem Zeug bald alle nackt auf den Tischen tanzen.«
Kati drehte sich lächelnd zu Georg um, küsste ihn auf die Nasenspitze und drückte ihm das bauchige Gefäß in die Hand. »Das könnte dir so passen, du Lüstling.«
Georg tat entsetzt und trat einen Schritt zurück. »Lüstling? Ich weiß nicht, wie du darauf kommst. Ich …«
»Kati?«, rief plötzlich eine sonore Männerstimme gedehnt und störte die beiden Turteltauben. Zwei Sekunden später trat Lenny Verbeek in die Küche, der große Mann mit der schwarzen Hautfarbe und Rastazöpfen. Er trug zu Katis Überraschung seine dicke, khaki-grüne Winterjacke.
»Was ist? Wollt ihr schon wieder los?«, fragte sie erstaunt und riss die Augen auf.
»Wollen nicht, wir müssen. Du auch.«
»Wir haben einen Fall?«
Lenny nickte. »Sieht leider so aus. Die anderen Teams haben selbst einen Arsch voll Arbeit und die Sache duldet keinen Aufschub. Tut mir echt leid.«
Kati schluckte und lehnte sich völlig baff und enttäuscht gegen die Küchenzeile, während Georg die Bowle auf den Küchentisch stellte. Seine Mundwinkel zeigten nach unten.
»Was ist denn passiert?«, fragte Kati.
Lenny drehte sich der Tür zu. »Das erzähle ich dir unterwegs.« Er nickte Georg zu. »Danke dir für den schönen Abend …«
Georg presste den Mund zusammen und lächelte matt. »Na ja, wenigstens die Hausführung und einen Sekt zum Anstoßen haben wir hinbekommen. Was will man mehr?«
»Sorry, Mann«, sagte Lenny und schlug Georg freundschaftlich auf die Schulter. »Ich hoffe, du kannst noch ein wenig mit deinen Freunden und Kollegen aus dem Krankenhaus weiterfeiern …«
»Du meinst, bis die Leiche bei uns eingeliefert wird?«
»So weit ist es noch nicht«, antwortete Lenny. »Glaub ich …«