Kapitel 22
Die verstörenden Bilder und die Ankündigung des Todes der beiden Gefangenen ließen die vier Kommissare sprachlos zurück. Katis Blick traf Lennys, als sie sich erschöpft auf einen der Stühle sinken ließ.
Sie wusste, er fühlte sich genauso schlecht wie sie selbst. Sie stützte ihre Unterarme auf die Oberschenkel und legte ihr Gesicht in die Hände.
Sarah fand als erste ihre Sprache wieder. »Also, verstehe ich das richtig, Lydia und diese Liliana wurden damals am Nikolausabend von einem Jungen vergewaltigt? Liliana erstickte während seines Sexspiels und wurde von dem Jungen, Marie und Tanja in einem Wald verscharrt?«
»Sieht so aus«, brummte Timo und sah Kati an, die sich aus ihrer Kauerstellung aufgerichtet hatte. »Lydia dachte danach, sie könnte niemanden davon erzählen, weil sie und ihr Bruder dann getötet werden würden. Sie fraß alles in sich hinein, wurde depressiv, hielt es dann vor zwei Jahren nicht mehr aus und legte sich vor einen Zug.«
»Und der Entführer will sie jetzt rächen«, sagte Lenny. »Er hat Tanja vor einem Jahr getötet, sie enthauptet und ihr beide Hände abgeschlagen, und Marie …«
»Stopp!«, fuhr Kati dazwischen.
Lennys Augen wurden schmal.
»Entschuldige bitte«, sagte Kati und stand auf. »Es tut mir leid. Ich … uns ist das doch klar, was passiert ist. Wir sollten lieber darüber nachdenken, wer der Entführer sein könnte und ob Lessing derjenige war, der Marie in dem Film vergewaltigen musste. Ich fand, die beiden gingen trotz der heiklen Situation sehr vertraut miteinander um.«
»Leider war die Qualität so schlecht und die Haare des Mannes waren abrasiert. Es war viel zu dunkel, um ihn erkennen zu können, aber von der Statur her könnte es schon Lessing gewesen sein«, sagte Lenny.
»Okay, dann machen wir es so. Timo und Sarah, ihr fahrt zu Lessing und seht, ob er zu Hause ist, ob es Spuren eines Überfalls oder einer Entführung gibt. Wenn ihr ihn antrefft, können wir ihn ausschließen.«
»Und ich rufe jetzt bei dem Leiter der Selbsthilfegruppe an, in die Lydia gegangen ist«, sagte Kati. »Vielleicht hat sie sich während der Gruppensitzungen geöffnet oder jemand anderem aus der Gruppe.«
Lenny nickte. »Guter Plan, ich werde bei Staatsanwältin Brunner nachfragen, ob sie schon den richterlichen Beschluss für die Krankenakte des Psychiaters hat.«
Drei Minuten später wählte Kati die Nummer, die sie von dem Therapeuten bekommen hatte. Da nach mehrmaligem Klingeln niemand heranging, beschloss sie, die Wohnadresse zu dem Namen herauszusuchen und mit dem Mann persönlich zu sprechen.
Sie sagte Lenny Bescheid und machte sich auf den Weg. Eine halbe Stunde später kam sie bei der Adresse an. Es war ein Mehrfamilienhaus mit sechs Parteien, ähnlich dem, in dem sie mit Florian bei Tante Martha gewohnt hatte.
Sie klingelte, doch niemand öffnete. Als sie ein Stück zurücktrat und zu der Wohnung sah, bei der sie vermutete, es wäre die von Michael Lange, sah sie nur Fenster, die im Dunkeln lagen. Es schien wirklich niemand da zu sein.
»Mist!«, entfuhr es Kati. Sie nahm ihr Handy, um zu versuchen, ihn darüber zu erreichen, als es plötzlich klingelte. Es war Sarah.
»Kati hier. Was gibt's?«
»Schlechte Neuigkeiten. Lessing macht nicht auf, aber sein Auto steht vor der Tür. Total eingeschneit.«
»Hm. Ein Beschluss vom Richter dauert wieder ewig.«
»Deshalb rufe ich an. Meinst du, ich soll meine Kreditkarte benutzen? Du weißt schon – unbefugt sozusagen. Vielleicht ist Gefahr im Verzug und er liegt mit aufgeschnittenen Pulsadern in der Badewanne, weil seine Geliebte verschwunden ist.«
»Da solltest du lieber unseren Chef fragen«, schlug Kati vor.
»Wenn du meinst«, antwortete Sarah und klang enttäuscht.
»Ich habe hier auch nichts erreicht«, erklärte Kati, als ein Auto neben ihr anhielt, ein Mann ausstieg und zur Haustür ging.
»Du, ich muss auflegen«, sagte Kati zu Sarah und lief schnell hinter dem Mann her.
»Entschuldigen Sie. Sind Sie Herr Lange?«
Der Mann drehte sich um und sah sie mit überraschten Augen an. »Der bin ich.« Er runzelte die Stirn. »Und Sie sind …?«
Kati zog ihren Ausweis aus der Manteltasche. »Kati Lindberg, Kriminalkommissarin beim LKA.«
Lange öffnete die Tür, trat in den Flur und putzte sich die Schuhe auf dem Abstreifer ab. »LKA?« Er blieb in der geöffneten Tür stehen. »Und wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Es geht um Lydia Warnecke und ihren Tod vor drei Jahren.«
Lange nickte traurig. »Ja, das war eine schlimme Geschichte.« Er machte eine einladende Handbewegung. »Kommen Sie doch rein, ich habe allerdings nicht viel Zeit.«
Kati folgte ihm in die Wohnung im zweiten Stock und schon im Flur vor der Haustür roch sie abgestandenen, kalten Zigarettenrauch.
In der Wohnung legte sie ihren Mantel ab und nahm das Angebot, einen Kaffee zu trinken, gerne an. Ein wenig Koffein konnte nicht schaden.
»Zucker?«, fragte Lange, als der Kaffee fertig war und stellte ein kleines Töpfchen auf den Tisch.
Kati lächelte ihn an. »Nein, danke.«
Der braunhaarige Mann mit dem Vokuhila, der Kati an die Achtziger erinnerte, setzte sich in einen Sessel und sah sie an. Seine Augen waren schwarz und auf seiner rechten Wange prangte ein Zweieurostück großes Feuermal. Zu einer schwarzen Jeans trug er ein dunkles, kariertes Baumwollhemd.
»Dann erzählen Sie mal. Warum ermittelt das LKA in Lydias Fall? Ihr Freitod ist ja nun schon eine Weile her.«
Kati kuckte ihn über den Rand ihrer Tasse hinweg an, nahm einen Schluck und stellte sie ab. »Es geht nicht direkt um Lydias Fall«, sagte sie. »Ich kann Ihnen aufgrund der laufenden Ermittlungen nicht viel sagen, doch ich muss wissen, ob sich Lydia damals in Ihrer Gruppe geöffnet hat.« Kati setzte sich auf dem Sofa ein Stück zurück. »Hat Sie Ihnen erzählt, was ihr in ihrer Jugend passiert ist, was der Auslöser für ihre Depression war, die sie jahrzehntelange gepeinigt hat?«
Lange presste die Lippen zusammen, lehnte sich vor und zog eine Zigarette aus der Packung, die vor ihm auf dem Tisch lag.
Er stand auf, ging zu einem der Fenster und öffnete es, bevor er die Zigarette anzündete und einen tiefen Zug nahm. »Ja, sie hat sich bei uns geöffnet. Damals war die Gruppenkonstellation glücklicherweise so, dass alle recht offen mit ihrer Geschichte umgegangen sind und das Gefühl hatten, frei reden zu können. Und das hat Lydia dann nach einigen Gruppensitzungen auch getan.«
Kati hob die Augenbrauen und rutschte auf dem Sofa wieder ein Stück nach vorn. »Können Sie mir in groben Zügen erzählen, was sie damals gesagt hat?« Sie wollte wissen, ob er dieselben Informationen wie sie hatte und vor allen Dingen, ob der Entführer keinen Mist von sich gegeben hatte.
Lange zog an seiner Zigarette und Kati sah, wie die Glut vor dem dunklen Hintergrund orangerot leuchtete.
»Sie wurde von einem Jugendlichen ihrer CVJM-Gruppe vergewaltigt.« Er lachte bitter auf und sah zu Kati. »Wie nennt man das? Christliche Nächstenliebe?«
Kati sagte nichts und wartete, dass Lange weitersprach.
»Soweit ich mich erinnere, ging das über mehrere Stunden und eine Freundin von ihr kam dabei zu Tode. Dieser Junge und, ich glaube, zwei Freundinnen ließen das Mädchen verschwinden. Lydia hatte mitgekriegt, dass sie es irgendwo im Wald verscharren wollten.«
Kati schluckte. Der Maskenmann hatte also die Wahrheit gesagt! Es entstand eine kleine Pause. Lange zog noch einmal an seiner Zigarette, drückte sie aus und legte den Stummel in einen Aschenbecher, der draußen auf der Fensterbank stand. Er schloss das Fenster, zog die Gardine zu und setzte sich wieder in den Sessel.
»Haben Sie damals nicht erwogen, das zur Anzeige zu bringen?«, fragte Kati.
Ihr Gegenüber verneinte. »Ich hatte das in dem Gruppengespräch in Erwägung gezogen, doch Lydia ist komplett ausgerastet, und hat es mir untersagt. Sie meinte, wenn mir etwas an ihr liegt, solle ich die Sache ruhen lassen. Ich würde nur alles noch schlimmer machen.« Lange zuckte mit den Schultern. »Mir war sehr unwohl bei der Sache, andererseits war das alles ja schon Jahrzehnte her.«
Kati verzog den Mund. »Haben Sie noch die Teilnehmerliste von der damaligen Gruppe?«
»Vielleicht. Wofür brauchen Sie die?«
»Das hängt mit dem aktuellen Fall zusammen. Wie gesagt, ich kann Ihnen nichts darüber erzählen, aber es hilft mir sehr, wenn Sie mir die Liste geben.«
Lange atmete tief aus und sah sie an. »Okay, ich sehe in meinem Ordner nach.« Er stand auf und verließ den Raum. Zwei Minuten später kam er zurück und hatte einen Zettel in der Hand. »Das hier ist die Liste, aber bevor ich Sie Ihnen gebe, müssen Sie mir versprechen, dass Sie sehr sensibel mit diesen Daten umgehen.«
Kati nickte und nahm ihm den Zettel aus der Hand. »Natürlich.« Sie sah sich die Namen auf der Liste an. Es waren elf. Sie gab Lange den Zettel zurück. »Bitte lesen Sie sich die Namen durch. Können Sie sich noch an diese Leute erinnern? Sind sie noch in der Gruppe aktiv? Hatte jemand von diesen Leuten näheren Kontakt zu Lydia Warnecke? Vielleicht auch außerhalb der Gruppe.«
Langes Blick glitt von Kati auf den Zettel.
»Sechs von denen kommen immer noch«, sagte er. »Der Rest hat aufgehört. Zweien ging es besser und die anderen beiden leben leider nicht mehr.«
Kati schluckte.
Lange nickte nachdenklich, während er die Namen durchging, dann hielt er den Zettel über den Tisch und zeigte auf eine der Zeilen. »Dieser hier. Niklas Pauli. Ich glaube, der hatte auch außerhalb der Gruppe Kontakt mit Lydia.«
Katis Herz begann schneller zu schlagen.
»Ich habe sie öfter dabei beobachtet, wie sie gemeinsam weggegangen sind. Manchmal sind sie auch zusammen gekommen und haben dabei Händchen gehalten.«
»Sie liefen Hand in Hand, wie ein Pärchen?«
Lange nickte.
Kati nahm den Zettel und las den Namen laut vor. »Niklas Pauli. Niklas Pauli. Irgendwoher kenne ich den Namen.«
»Können Sie mir etwas über diesen Pauli erzählen?«
Lange verzog den Mund. »Ich weiß nicht, ich hätte Ihnen diese Liste eigentlich gar nicht geben dürfen.«
Kati rieb sich mit der rechten Hand über die Stirn. »Ich weiß, aber es ist wirklich unheimlich wichtig für unsere Ermittlungen.« Sie sah auf ihre Armbanduhr. Es war kurz vor acht. Sie hatten nur noch etwas über zwei Stunden Zeit, um herauszufinden, wer Lydias Rächer war. Das, was sie bisher erfahren hatte, klang sehr vielversprechend.
»Bitte, Herr Lange, ich übernehme die volle Verantwortung.«
Er schnaufte laut, griff zu seiner Zigarettenpackung und zog eine heraus. Kati sah, dass ein paar Finger der rechten Hand gelblich verfärbt waren.
Dieses Mal ging er nicht zum Fenster, sondern zündete sie sich an Ort und Stelle an. Er nahm den ersten Zug und pustete den Rauch nach dem Inhalieren von ihnen weg. »Pauli ist einer von denen, die nicht mehr kommen.«
Kati blieb beinahe das Herz stehen. Was hatte er da gesagt? »Ist er … tot?«, fragte sie und zog die Augenbrauen zusammen.
Lange schüttelte den Kopf. »Nein, er ist einer von denen, der gesagt hat, er bräuchte keine Hilfe mehr.«
Kati nickte und ihr fiel ein Stein vom Herzen. »Okay. Erzählen Sie weiter.«
»Pauli ist gebürtiger Pole und in jungen Jahren mit seinen Eltern und einem kleineren Bruder nach Stuttgart gekommen. Die Eltern haben sich eine Weile durchgeschlagen, doch dann haben sie die Gelegenheit bekommen, ein Bestattungsunternehmen zu übernehmen. Der Vater hatte in Polen selbst eins geführt.«
»Stimmt«, sagte Kati, »daher kenne ich den Namen.«
Bestattungsunternehmen Pauli. Das Institut hatte im Februar die Beerdigung von Tante Martha übernommen, und sie war sehr zufrieden mit dem Service gewesen.
Katis Augen verengten sich. Da hatte doch dieser Leichenwagen vor Edith Müllers Haus gestanden! War das der Entführer gewesen? Hatte er sie beobachtet?
Lange sah sie an, unsicher, ob er weiterreden sollte.
»Und was hatte Niklas Pauli für Probleme? Warum war er damals in der Gruppe?«
»Sein Bruder Janosch war bei einer Messerstecherei ums Leben gekommen. Da war er fünfundzwanzig. Niklas hat das nie verwunden, zumal die Schuldigen nie gefasst wurden. Er hat einen sehr ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und ist nach dem gewaltsamen Tod seines Bruders oft in Situationen geraten, in denen er Leute verteidigte, die selbst zu schwach waren, um sich zu wehren.«
Kati nickte. Diese Schilderung passte sehr gut zu dem Mann aus dem Video. Wenn er sich damals wirklich in Lydia verliebt und ein Verhältnis mit ihr hatte, war es durchaus möglich, dass er in ihrem Namen Rache an dem Peiniger und seinen Helferinnen genommen hatte.
Seine polnische Abstammung hatte vielleicht dazu beigetragen, den Tod von Liliana ebenfalls rächen zu wollen.
Diese Informationen reichten ihr. Kati stand auf, nahm ihren Mantel vom Sofa. Sie hielt Lange ihre Hand hin. »Vielen Dank, Sie haben mir sehr geholfen.« Er legte die Zigarette in den Aschenbecher, erhob sich aus seinem Sessel und schüttelte die Hand seines Gegenübers. »Nichts zu danken, das ist schön zu hören. Ich freue mich immer, wenn ich helfen kann.« Er zeigte auf ihren Mantel. »Darf ich …?« Er nahm ihn ihr ab und sie schlüpfte hinein.
»Danke«, sagte Kati lächelnd und gab ihm nochmals die Hand. »Auf Wiedersehen.«
Lange öffnete die Tür. »Auf Wiedersehen und viel Erfolg!«
Auf dem Weg nach unten zog Kati ihr Handy hervor und rief Lenny an.
»Gut, dass du anrufst«, sagte Lenny ohne Begrüßung. »Das mit dem Beschluss für den Therapeuten verzögert sich noch ein wenig.«
»Das ist egal«, unterbrach Kati ihn. »Ich glaube, ich weiß, wer der Rächer sein könnte.« Sie erzählte ihrem Chef, was sie vor wenigen Minuten von dem Leiter der Selbsthilfegruppe erfahren hatte.
»Ein Bestatter?«, fragte Lenny.
»Ja, und zwar der, der sich auch um die Bestattung von Tante Martha gekümmert hat.«
»Man hat in dem Video gar keinen polnischen Dialekt herausgehört«, gab Lenny zu denken.
»Das hat nichts zu sagen, den kann er sich in all den Jahren komplett abtrainiert haben. Er ist ja schon seit seiner Jugendzeit hier.« Kati öffnete die Haustür und trat hinaus in die Kälte. Es schneite jetzt stärker und auf dem Gehweg lag eine dickere Schneedecke als vorher.
Kati ging mit dem Handy am Ohr zu ihrem Wagen. »Ich muss gerade noch mal an das Video denken. Sarah hatte doch im Hintergrund die graue Wand mit diesen regelmäßigen Schattierungen gesehen, weißt du noch?«
»Ja.«
»Ich glaube, ich weiß jetzt, was das war. Das sind die Kühlkammern, in denen die Toten lagern, bis sie unter die Erde kommen oder verbrannt werden. Die Türgriffe der Kammern bildeten die dunklen Schatten. Genau wie in der Pathologie. Du weißt schon.«
»Hm«, brummte Lenny. »Ja, könnte sein.«
»Was machen wir jetzt?«, fragte Kati. »SEK-Einsatz bei Paulis Bestattungsinstitut?«
»Ich glaube, wir haben genug Indizien dafür«, sagte Lenny. »Ich halte mit Staatsanwältin Brunner Rücksprache.«
»Fahr du auf jeden Fall schon mal dorthin und informiere Timo und Sarah.«
»Okay«, sagte Kati und startete den Motor. Sie legte auf, wählte Sarahs Nummer. Während sie sich in den Verkehr einfädelte, erzählte sie ihr die neusten Erkenntnisse und gab ihr die Adresse durch, bei der sie sich treffen würden.
Sarah war begeistert. »Mensch Kati, das ist ja total verrückt. Wir sind kurz davor, dieses Arschloch zu kriegen!«
»Ich hoffe es«, sagte Kati und schaltete den Scheibenwischer auf eine höhere Stufe. Der Schnee fiel jetzt dichter und in größeren Flocken vom Himmel. Auf den Straßen lag grauschwarzer Schneematsch, der ständig von den Autos hochgespritzt wurde.
»Lessing war übrigens nicht in seiner Wohnung, weder tot noch lebendig. Es gab weder Hinweise auf einen Kampf noch auf eine Entführung.«
»Das ist seltsam«, brummte Kati unzufrieden. »Das bringt uns kein bisschen Klarheit darüber, ob er der Vergewaltiger in dem Film gewesen ist oder nicht. Aber das ist jetzt auch nicht so wichtig. Konzentrieren wir uns auf Niklas Pauli.«
Kati sah auf ihre Armbanduhr. Mittlerweile war es neun Uhr. Ihnen blieb nicht mehr als etwas über eine Stunde, bis der Entführer seine Opfer töten wollte.
Kati verabschiedete sich und legte auf. Sie musste sich auf den Verkehr konzentrieren. Ich kann jetzt keinen Unfall riskieren. Unfall, dachte sie. Von Beestens Unfall. Er war genau vor einem Jahr am Nikolaustag ums Leben gekommen … Das kann kein Zufall gewesen sein, dachte Kati. Es muss Mord gewesen sein oder … Ein Gedankenfetzen schlich sich in ihr Hirn, war für eine Sekunde da, dann fuhr sie fast auf dem vor ihr fahrenden Wagen auf, als er plötzlich bremste. »Scheiße«, rief sie und schlug vor lauter Wut auf das Lenkrad.
So kam sie nicht voran. Sie griff nach hinten, steckte das Kabel des Blaulichts an und stellte es aufs Autodach. Na bitte, dachte sie und lächelte zufrieden, als sie an der Autokolonne vorbeifuhr. Das hätte ich sofort machen sollen.