Neununddreissigstes Kapitel
Pixi und Arndt
Pixi flog aufgeregt in Minas Küche umher. »Hast du Margot gesehen? Ich kann sie nicht finden, und sie soll doch hier nicht im Haus rumschnüffeln.«
Empört stemmte sie die Hände in die Hüften.
Arndt lächelte sie versonnen an, bevor er begriff, dass sie eine Antwort erwartete.
»Sie ist nicht mehr hier. Edmund hat sie abgeholt. Sie wohnt jetzt vorübergehend bei ihm.«
Die kleine Fee schlug sich die feinen Hände vor den Mund. »Hast du das nicht verhindern können?«
Er schüttelte den Kopf. »Es war mehr oder weniger mein Vorschlag«, gab er zu.
»Was hast du dir nur dabei gedacht?«, tobte sie. »Du hast sie einfach gehen lassen, obwohl du dir nicht sicher sein kannst, was Edmund mit ihr vor hat.« Sie flatterte auf und ab und erzeugte dabei ungewollt jede Menge Licht, so dass die gesamte Küche leuchtete.
»Sie war dir doch auch nicht geheuer«, erklärte er kleinlaut.
»Ja, aber deshalb wollte ich sie nicht loswerden.«
»Ein Problem weniger«, versuchte er zu beschwichtigen. »Mina kommt bald aus dem Krankenhaus, und wir müssen noch die Sache mit Alexa klären.«
Pixi nickte. »Edmund!«, zeterte sie. »Ausgerechnet Edmund.«
»Wo hätte sie denn sonst hingesollt?! Es gibt fünf Familien. Ich bin hier, also schließt das schon einmal die Solas- und Scathan-Familie aus. Zu sich nach Hause kann sie nicht. Was mit der Ardis-Familie ist, weiß ich nicht, außer dass Hedda tot ist. Wer weiß, wer von der Ardis-Familie nun den Spiegel bewacht. Da bleibt nur noch die Taranee-Familie.«
Pixi verschränkte die Arme vor der Brust und starrte ihn beleidigt an.
»Sie hätte hierbleiben können.«
»Hier? Mit Mina? Nach dem Zwischenfall im Krankenhaus? Bestimmt nicht.«
Pixi murrte etwas Unverständliches vor sich hin.
»Ich erinnere mich gar nicht daran, dass sie damals Streit in Eldrid hatten«, fuhr Arndt nachdenklich fort.
Sie lachte auf. »Die hatten doch ständig Streit miteinander. Die Scathan-Schwestern mit Margot und Hedda.«
Er hob nur die Schultern. »Das hat mich nicht interessiert, und wahrscheinlich habe ich dann nicht immer zugehört. Ich konnte dieses Gezeter nie leiden.« Er seufzte. »Das ist alles lange her. Margot ist zunächst bei Edmund untergebracht, und wir können uns um die wichtige Aufgabe kümmern, Alexa zu überzeugen.« Der alte Solas fing an, im Kreis zu gehen. »Sicherlich wird sie bald eine weitere Unterredung haben wollen. Dann müssen wir vorbereitet sein. Was können wir ihr nur sagen, damit sie uns glaubt?«
»Wir sollten sie nach Eldrid reisen lassen. Das wird ihr gefallen und sie beeindrucken«, piepste Pixi aufgeregt.
Arndt schüttelte den Kopf. »Ihr fehlt es an Fantasie. Das hast du doch bemerkt. Wie soll man jemanden, der nie gerne geträumt hat, von etwas überzeugen, das so fantastisch ist wie Eldrid?«
»Wie kann ein Mensch nicht von Eldrid begeistert sein?«, entrüstete sich die Fee. »Jeder Mensch ist von Eldrid fasziniert. Das war schon immer so. Eine andere Reaktion kann ich mir nicht vorstellen. Denk doch nur mal an den Wald Teja, an den Wasserfall vor Uris Höhle oder an Fluar, die Stadt, in der Bodans Höhle liegt. Das ist alles so wunderbar.« Sie stockte. »War es zumindest.« Sie warf ihm einen traurigen Blick zu.
»Gibt es etwas, das du mir verheimlichst?«
Pixi fuhr zusammen und flatterte plötzlich nervös umher. »Es hat sich bisher nicht die Gelegenheit ergeben, aber es gibt da tatsächlich etwas, das du wissen solltest«, begann sie mit einer dünnen hohen Stimme, die für sie untypisch war. »Am besten wäre es, wenn du dich setzt.«
Arndt ließ sich am Küchentisch nieder und blickte sie erwartungsvoll an. »Noch mehr Hiobsbotschaften?«, fragte er leise. »Geht es um Desmond?«
Sie winkte ab. »Nein, nein«, lachte sie erleichtert. »Der wird zwar in Eldrid vermisst, aber darum geht es nicht.«
Arndt riss die Augen auf. »Was heißt vermisst? Er war also die ganze Zeit in Eldrid?«
Sie blickte ihn traurig an. »Ja, war er, mit Ada. Soviel ich weiß, hatte er auch noch seinen Schatten, als Ada ihn das letzte Mal sah, aber jetzt jagt er einer Legende nach und keiner weiß, wo er ist oder ob er seinen Schatten verloren hat.« Sie stockte. »Hier geht es nicht um Desmond, Arndt, sondern um Bodan. Er, er …« Tränen stiegen in ihr hoch, und sie fing an zu schluchzen.
Der alte Mann sprang auf seine wackeligen Füße. »Was ist mit Bodan?«, rief er.
»Bodan hat seinen Schatten verloren«, wisperte Pixi kaum hörbar.
Arndt konnte sich nicht rühren. »Er hat was?«, flüsterte er. »Bodan?«
Die Fee nickte.
Arndts Augen füllten sich mit Tränen. »Das darf doch alles nicht wahr sein.«
Sie setzte sich vorsichtig auf seinen Arm und summte ein ihm altbekanntes Lied.
»Es wird alles wieder gut«, murmelte sie nach einer Weile. »Ludmilla wird Eldrid retten. Davon bin ich überzeugt. Und dann wird alles wieder gut. Es muss alles wieder gut werden.«
Der alte Solas schwieg.