VOR ZWEI JAHREN UND VIER MONATEN

Z eig mir, wie es geht«, sagte er.

Wir schalteten das Licht in meiner Werkstatt ein. Wir waren nach unserem Nicht-Date gerade aus dem Theater gekommen, und Owen fragte, ob er mich dorthin zurückbegleiten dürfe. Ohne Hintergedanken , wie er sagte. Er wolle sehen, wie man eine Drechselbank benutzt und wie meine Arbeit in der Praxis funktioniert.

Er sah sich um und rieb sich die Hände. »Also … wie fängt man an?«

»Erst muss man ein Stück Holz aussuchen«, sagte ich. »Mit der Auswahl des geeigneten Stückes fängt es an. Wenn das Holz nicht passt, kommt nichts Vernünftiges heraus.«

»Wie entscheidet ihr Drechsler euch denn für ein bestimmtes Stück?«

»Wir gehen da ganz verschieden vor. Mein Großvater hat überwiegend mit Ahorn gearbeitet. Er liebte die Farbtöne und die Art, wie die Maserung hervortritt. Aber ich arbeite mit verschiedenen Hölzern. Eiche, Kiefer, Ahorn.«

»Und was ist deine Lieblingssorte?«

»Ich habe keinen Favoriten«, sagte ich.

»Oh, gut zu wissen.«

Ich schüttelte den Kopf und verkniff mir ein Lächeln. »Wenn du dich über mich lustig machen willst …«

Kapitulierend hob er die Hände. »Ich mache mich nicht über dich lustig«, beteuerte er. »Ich bin fasziniert.«

»Okay, vielleicht klingt es abgedroschen, aber ich glaube, dass man Hölzer aus unterschiedlichen Gründen ansprechend findet.«

Er ging an meinen Arbeitsplatz und beugte sich hinunter, um sich die größte Drechselbank aus der Nähe anschauen zu können.

»Ist das meine erste Lektion?«

»Nein, die erste Lektion besteht darin, ein interessantes Stück zum Bearbeiten zu finden. Du musst wissen, dass jedes gute Stück Holz eine hervorstechende individuelle Eigenschaft aufweist. Das hat mein Großvater immer gesagt, und ich glaube, er hatte völlig recht.«

Er strich mit der Hand über das Stück Kiefer, an dem ich gerade arbeitete. Es war ein künstlich gealtertes Stück – in einem für Kiefer relativ dunklen, satten Ton.

»Was ist hier das Individuelle?«

Ich legte meine Hand auf eine helle, ausgebleichte Stelle in der Mitte.

»Dieser Teil hier wird bestimmt interessant.«

Er legte seine Hand daneben, ohne mich zu berühren oder es auch nur zu versuchen. Er wollte nur begreifen, was ich ihm erklärte.

»Das ist schön, ich meine, diese Philosophie gefällt mir …«, sagte er. »Ich denke, über Menschen könnte man dasselbe sagen. Unter dem Strich läuft es auf den einen Wesenszug hinaus, der sie ausmacht.«

»Was macht dich aus?«, fragte ich.

»Was macht dich aus?«, konterte er.

»Ich hab zuerst gefragt«, sagte ich lächelnd.

Er erwiderte mein Lächeln, auf seine ganz spezielle Art.

»Okay, na gut«, sagte er. Dann erklärte er ohne jedes Zögern: »Für meine Tochter würde ich alles tun, wirklich alles.«