Als ich meine erste Position als Teilzeitführungskraft antrat, habe ich keinen Moment über die Bezahlung nachgedacht. Ich war einfach nur dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, Kind und Karriere zu vereinbaren. Dass ich dafür weniger verdient habe, war erst mal kein Thema für mich. Wenn ich das heute für mich reflektiere und mit anderen über ähnliche Erfahrungen spreche, dann empfinde ich meine Einstellung damals als ein bisschen naiv. Wofür genau war ich eigentlich so dankbar? Dafür, dass ich dieselbe Arbeit in weniger Zeit machen durfte? Dafür, dass ich mich immer mehr anstrengen musste als andere, die mehr Zeit zur Verfügung hatten? Damit hier keine Missverständnisse entstehen: Ich bin bis heute sehr froh darüber, dass mein damaliger Chef mich in der Schwangerschaft befördert und mein Arbeitgeber dieses Modell unterstützt hat. Ich bin dankbar für die Erfahrungen und Learnings, die ich in dieser Zeit machen durfte, und ohne die es meine Karriere als Führungskraft im IT-Bereich und auch dieses Buch nie gegeben hätte. Gleichzeitig blicke ich heute aus einer anderen Perspektive auf die Sache. Denn worum es mir geht und wofür ich mich einsetze, ist Chancengerechtigkeit. Eine Chance hatte ich, und ich habe diese auch für mich genutzt. Gerecht war mein Modell eher weniger.
Ich habe weiter vorn schon erzählt, dass ich meine Arbeitszeitreduktion auf 30 Wochenstunden damals zu einem guten Teil über Effizienzvorteile realisiert habe. Gleichzeitig habe ich einen Teil der Führungsverantwortung ins Team abgegeben. Mit meinem Wissen heute würde ich mein Arbeitsmodell als eine Mischung als Effizienzmodell und Shared Leadership beschreiben. Ist es also fair, dass mein Gehalt auf die 30 Stunden reduziert wurde? Aus heutiger Perspektive würde ich sagen: »Jein.« Denn wie oben beschrieben, hätte ein gewisser Vergütungsanteil eigentlich den Personen im Team zugestanden, die die von mir delegierte Verantwortung übernommen haben. Der Anteil jedoch, den ich durch weniger Pausen und ein höheres Arbeitstempo realisiert habe, hätte eigentlich mir zustehen müssen. Praktisch sind die eingesparten Gehaltsanteile aber bei meinem Arbeitgeber verblieben.
An diesem Beispiel merkst du schon: Das Thema faire Vergütung für Teilzeitführungskräfte ist komplex und berührt grundlegende Fragen, die sich für Unternehmen auch außerhalb der Teilzeitdebatte stellen. Die Gretchenfrage lautet: Was ist ein faires Gehalt? In unserem Wirtschaftssystem hat sich eine Bezahlung nach Arbeitsstunden durchgesetzt, ein einfaches und gut messbares Prinzip. Das Problem dahinter: Nicht alle Menschen leisten in derselben Zeit gleich viel. Das Modell motiviert Menschen also eigentlich eher dazu, ihre Arbeitsleistung zu drosseln – denn es gibt immer jemanden, der weniger in der selben Zeit leistet als man selbst. Subjektives Ungerechtigkeitsempfinden wird von Einzelnen kompensiert.
Um diesem Missstand entgegenzuwirken und Mitarbeitende zu mehr Leistung zu »motivieren«, nutzen viele Unternehmen Bonussysteme. Wer mehr leistet, bekommt eben noch eine Schippe obendrauf. Auch diese Idee ist erst mal gut gemeint – aber auch hier steckt der Teufel im Detail, denn Bonussysteme sind in der Regel an starre Parameter geknüpft. Die Folge ist, dass Mitarbeitende nicht mehr für das Wohl des Unternehmens arbeiten, sondern nur noch ihre individuelle Bonusoptimierung im Blick haben.88 Den Mitarbeitenden selbst ist dabei erst mal gar kein Vorwurf zu machen, denn sie passen sich an das vom Unternehmen vorgegebene System an. Geld – das wissen wir heute – ist bestenfalls ein Hygiene-, kein Motivationsfaktor.89 Eine hohe Vergütung kann also nicht dauerhaft zu Mehrleistung motivieren. Gleichzeitig kann ein konstant als zu niedrig empfundenes Gehalt Menschen demotivieren. Und genau an dieser Stelle bewegen wir uns in Bezug auf Teilzeitführung.
Die Motivation von Mitarbeiter:innen, die in vollzeitnahen Arbeitsmodellen dieselbe Leistung bringen wie Vollzeitkräfte (Effizienzmodell), kann mittelfristig unter dieser Situation leiden. In manchen Fällen führt das dazu, dass diese Menschen ihre Arbeitszeit möglichst schnell wieder aufstocken, um das volle Gehalt zu bekommen, auch wenn die private Situation das eigentlich nicht wirklich zulässt. Die Folge sind oft Dauerstress zu Hause und ein schlechtes Gewissen, weil die Führungskraft die benötige Stundenzahl nur mit Ach und Krach liefern kann. Andere sind vielleicht grundlegend unzufrieden und wechseln irgendwann den Arbeitgeber, wenn sie das Gefühl haben, dort ein besseres Gehalt verhandeln zu können. Für den Arbeitgeber ergeben sich in keinem der Fälle nachhaltige Vorteile aus einer Unterbezahlung seiner Angestellten – er hat entweder eine dauergestresste Führungskraft in Vollzeit, einen unzufriedenen und demotivierten Mitarbeitenden oder verliert die Teilzeitführungskraft sogar an einen Konkurrenten. Eigentlich viele Gründe aus Arbeitgebersicht, beim Thema Honorierung von Teilzeitkräften genauer hinzuschauen.
Wenn wir uns die Fragen stellen, wie ein faires Gehalt für eine Teilzeitführungskraft aussieht, müssen wir immer das entsprechende Teilzeitmodell mit in den Blick nehmen. Denn da gibt es deutliche Unterschiede. Wenn du im Vertretermodell arbeitest, ist eine prozentuale Vergütung entsprechend deinem Arbeitszeitanteil durchaus fair. Denn du sorgst mit deinem Arbeitsmodell ja auch dafür, dass ein Teil der Führungsaufgaben von einer anderen Person wahrgenommen wird. Aus deiner eigenen Perspektive ist das also erst mal fein. Noch besser wird es, wenn du im Blick behältst, dass das bei deiner Stelle eingesparte Gehalt deinem Team zugutekommt. Vielleicht möchte ja ein:e Teilzeitmitarbeitende:r gern aufstocken, oder ihr habt die Möglichkeit, Unterstützung durch eine:n Werkstudent:in zu bekommen.
Im Effizienzmodell sieht die Sache anders aus. Wie beschrieben ist die Falle »gleiche Arbeit für weniger Geld« quasi schon mit eingebaut. Natürlich kann es gute Gründe geben, warum du dich trotzdem dafür entscheidest. Entweder es mangelt an Jobalternativen, oder du nimmst diesen Nachteil bewusst in Kauf, um mehr Flexibilität zu erhalten oder den nächsten Karriereschritt vorzubereiten. Gleichzeitig möchte ich dich dazu motivieren, auch in dieser Situation mit deinem Arbeitgeber ins Gespräch zu gehen. Denn wenn er verstanden hat, dass du Effizienzvorteile realisierst, die neben dir dem gesamten Team zugutekommen, sind die Sachargumente schon mal auf deiner Seite.
Bei einer Beschäftigung im Tandem ist die faire Vergütung in der Regel kein so großes Thema. Da zwei Personen in »echter« Teilzeit arbeiten, ist eine anteilige Vergütung zunächst stimmig. Das Modell fügt sich daher meist gut in bestehende Gehaltsstrukturen ein. Zu Diskussionen können hier eher Boni oder andere variable Vergütungsbestandteile führen, vor allem wenn die beiden Tandem-Partner:innen unterschiedliche Arbeitszeitanteile haben. Gleichzeitig stellt sich aus Arbeitgebersicht oft die umgekehrte Frage – denn Tandems überschreiten gemeinsam oft den Arbeitszeitanteil von 100 Prozent und sind somit erst mal teurer als eine Vollzeitführungskraft.
Schauen wir uns zuletzt das Shared Leadership an, in Bezug auf die Vergütung sicherlich das komplexeste Modell. Denn Shared Leadership bedeutet immer auch eine Verteilung von Führungsaufgaben im Team, was logischerweise auch eine andere Verteilung von Gehältern bedeuten müsste. Gleichzeitig kannst du davon ausgehen, dass Shared Leadership in der Regel ein Prozess ist – die Frage nach der Vergütung wird dabei meist nicht von Beginn an diskutiert, sondern entwickelt sich im Laufe der Zeit. Gerade hier ist Geduld gefragt, oft verändern sich Verantwortungsstrukturen, lange bevor auch die Gehaltsstrukturen nachziehen.
In der Betrachtung dessen, wie Unternehmen eine angepasste und faire Honorierung von Teilzeitführungskräften umsetzen können, müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden. Es macht zum Beispiel einen Unterschied, ob dein Unternehmen tarifgebunden ist oder nicht. In tarifgebundenen Organisationen ist es in der Regel selbstverständlich, dass eine Teilzeitkraft auch prozentual weniger Gehalt erhält. In nicht tarifgebundenen Kontexten ist das Gehalt hingegen erst mal Verhandlungssache. Aber auch die Unternehmens- und Leistungskultur spielt eine entscheidende Rolle. Denn beim Thema Gehalt ist oft wichtiger, was denkbar ist und im System »verkauft« werden kann, als was rein praktisch möglich ist.
Deshalb sehen auch mögliche Lösungsansätze sehr unterschiedlich aus. Eine Variante, die in den meisten Organisationen funktionieren kann, ist es, Bonuszahlungen, variable Gehaltsbestandteile und vermögenswirksame Leistungen als Verhandlungsmasse zu nutzen. Denn diese Bestandteile sind oft nicht direkt von der Arbeitsstundenzahl abhängig. Und wenn doch, kannst du versuchen, das zu ändern. Ein toller Tipp ist auch, flexible und fixe Arbeitsstunden zu vereinbaren. Bezahlt wirst du für die Gesamtsumme aus beidem, die flexiblen Arbeitsstunden finden sich aber erst mal nicht in deinem Wochenplan wieder. Sie werden auf Vertrauensbasis beispielsweise dazu genutzt, Arbeitsaufwand außerhalb deiner geplanten Arbeitszeiten oder längere Arbeitstage aufgrund von Dienstreisen zu kompensieren.
Auch die Unternehmensperspektive ist an dieser Stelle wichtig: Ich höre immer mal wieder das Argument, dass Teilzeitführungskräfte günstiger als Vollzeitkräfte seien und »Mütter in derselben Zeit viel mehr schaffen als andere Mitarbeitende.« Diese Argumentation ist aus meiner Sicht eine »Red Flag« für Teilzeitführungskräfte. Denn hier hat man das Problem weder verstanden noch eine adäquate Antwort darauf entwickelt – im Gegenteil: Die Situation der Teilzeitkräfte wird ausgenutzt und zum eigenen Vorteil verwendet. Teilzeitfreundliche Arbeitnehmer:innen denken anders. Für sie stellt sich die Frage, wie faire Arbeitsbedingungen für Teilzeitführungskräfte und ihre Teams entstehen können und welche Rolle das Gehalt dabei spielt. Diese Haltung kann – wie im Interview beschrieben – beispielsweise durch eine volle Bonuszahlung für Teilzeitführungskräfte oder durch die Umschichtung von eingesparten Ressourcen ins Team der Teilzeitführungskraft umgesetzt werden. Wird Führung in Teilzeit in einem Vertretermodell realisiert, bekommt vielleicht der oder die Vertreter:in eine Bonuszahlung. Bei einem Shared-Leadership-Modell sollten alle Mitarbeitenden mit Führungsrollen berücksichtigt werden.
Vergütungsmodelle, die sich an den Arbeitsstunden eines Mitarbeitenden orientieren, kommen beim Thema Teilzeitführung an ihre Grenzen. Einen möglichen Ausweg aus diesem Dilemma liefern die Ansätze der New-Pay-Bewegung. New Pay versucht Vergütungssysteme für eine Arbeitswelt zu entwickeln, die zunehmend auf Kollaboration und Kooperation ausgelegt ist und in der Leistung nicht mehr nur in Stunden gemessen werden kann.
Dass New Pay keine individuelle Lösung sein kann, sondern tief in die Grundstrukturen des Unternehmens eingreift, wird schnell klar. Warum sollten alternative Honorierungsprinzipien nur für Teilzeitführungskräfte gelten? Ich bin davon überzeugt, dass Unternehmen mittelfristig um diese großen Fragen nicht herumkommen werden, um mit der Veränderung der Arbeitswelt Schritt zu halten.
Du siehst also, das Thema »Vergütung für Teilzeitführungskräfte« ist extrem vielfältig und steckt an vielen Stellen noch in den Kinderschuhen – deshalb ist es mit an dir, hier kreativ vorzugehen und deinem Arbeitgeber die Vorteile deiner Lösung zu präsentieren. Denn auch er profitiert davon, wenn du das Gefühl hast, fair behandelt zu werden. Gleichzeitig sind Gehaltsverhandlungen oft schwierig – manchmal kann es auch der richtige Weg sein, zunächst mit einem suboptimalen Gehaltskonstrukt zu starten und das Thema später noch einmal anzugehen.