Du hast ein spannendes Unternehmen oder eine interessante Position gefunden? Oder planst gerade die Rückkehr nach einer Eltern- oder Auszeit auf deine Führungsposition in Teilzeit? Wunderbar, dann geht’s jetzt an die Umsetzung. Aber wie? Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten, weil sie von vielen verschiedenen Faktoren abhängt und nicht allein in deiner Entscheidungsfreiheit liegt. Mindestens dein (potenzieller) Arbeitgeber hat hier ein Wörtchen mitzureden. Aber auch deine Persönlichkeit, die gewünschten Arbeitsstunden und die Kultur deines Unternehmens spielen eine große Rolle dafür, welches Teilzeitmodell in den Kontext passt. Um von deiner Vision einen großen und wichtigen Schritt in Richtung Umsetzung gehen zu können, brauchst du ein klares Bild darüber, was für dich möglich ist und wie du selbst gern arbeiten möchtest. Auf diese Weise schaffst du eine solide Basis, die du dann mit (d)einem Arbeitgeber und eventuell auch deinem oder deiner Partner:in einem Realitätscheck unterziehen kannst.
Dazu zeichnest du im ersten Schritt ein Bild deiner Rahmenbedingungen und deines Wunscharbeitsmodells, deines persönlichen Operating Models. Denn wenn du ohne ein klares Zielbild in die Gespräche mit (d)einem Arbeitgeber startest, besteht immer die Gefahr, dass du an für dich wichtigen Stellen »über den Tisch« gezogen wirst. Das passiert in der Regel gar nicht in böser Absicht – aber woher soll dein Arbeitgeber wissen, was dir wichtig ist, wenn du es selbst nicht weißt?
Du siehst also: Die Wahl des persönlichen Arbeitsmodells hängt zum einen von dir ab, hat aber auch starke Abhängigkeiten zum Kontext deines Unternehmens. Was in der einen Organisation gut funktioniert, muss nicht unbedingt für eine andere passend sein. Dein Arbeitsmodell – oder Operating Model – sollte die Antwort auf die Frage liefern, wie Führung in Teilzeit für dich auf einer bestimmten Position funktionieren kann. Es umfasst die Grundpfeiler deiner Teilzeitführungsrolle, beschreibt die Dauer und Lage deiner Arbeitszeiten und gibt Antwort auf die Frage, wer außerhalb dieser Zeiten ansprechbar ist. Es beinhaltet wichtige Kommunikationswege und -regeln und zeigt, welche Aufgaben du wahrnimmst und welche Teile der Führungsrolle gegebenenfalls von anderen Personen übernommen werden. Kurz: Dein Operating Model beantwortet die Frage, wie du deine Arbeitszeitreduzierung in der Praxis umsetzen willst. Die Beantwortung dieser Fragen ist aus meiner Erfahrung essenziell für deinen Erfolg als Teilzeitführungskraft – egal, ob du die Führungsrolle allein oder gemeinsam mit anderen wahrnimmst.
Um deinen Kolleg:innen oder wichtigen Stakeholdern im Unternehmen das Verständnis deines Arbeitsmodells zu erleichtern, macht es Sinn, eine Übersichtsgrafik zu erstellen, aus der die Grundzüge des Konstrukts hervorgehen. Denn dass dein/euer Arbeitsmodell schnell verstanden wird, ist wichtig. Passiert das nicht, bleibt viel Raum für Missverständnisse und Spekulationen – oft nicht zu deinen Gunsten. Auf den folgenden Seiten findest du unterschiedliche Beispiele für Operating Models. Abhängig vom Arbeitsmodell sehen auch diese Modelle sehr unterschiedlich aus.
Dein Operating Model macht deine Ideen transparent und hilft dir, dein Arbeitsmodell nach außen zu erklären. Im Rahmen von Bewerbungsunterlagen kann es eine erste Antwort auf die Frage »Wie kann Führung in Teilzeit funktionieren?« sein, neuen Mitarbeitenden in deinem Team beim Onboarding Orientierung geben und dich dabei unterstützen, dein Arbeitsmodell deinem Chef oder deiner Chefin zu erklären. Aber auch bei der Kommunikation in Richtung interner Kund:innen oder Gremien wie dem Betriebsrat kann dir ein klares Operating Model gute Dienste leisten.
Dieses Beispiel zeigt das Operating Model von Patrick und Yvonne, über die du im folgenden Interview gleich auch noch etwas mehr erfahren wirst. Beide arbeiten mit einem Anteil von 60 Prozent auf der Position in einem klassischen Wechselmodell mit Mittwoch als gemeinsamem Arbeitstag. In der Kommunikation werden beide über ihre eigenen E-Mail-Adressen angesprochen und setzen sich außerdem stets gegenseitig in Kopie. Sie verantworten Themen gemeinsam und sind somit auch gleichermaßen auskunftsfähig. Tandemintern haben sie Schwerpunktthemen festgelegt, die federführend jeweils von einer Person bearbeitet werden – nach außen wird diese Aufteilung aber nicht thematisiert. Über eine (schriftliche) Übergabe am Mittwoch und Freitag sowie ein gemeinsames digitales Notizbuch sorgen sie für Synchronität.
Neben dem Tandem könnte dein Operation Modell als Führungskraft im Effizienzmodell beispielsweise auch so aussehen wie bei Johanna:
Johanna arbeitet in einem Wechselmodell mit drei langen und zwei kurzen Tagen und ist auch außerhalb dieser Zeiten im Notfall mobil erreichbar. Was genau ein Notfall ist, darüber gibt diese verkürzte Darstellung keine Auskunft; dies wird individuell in der »Langfassung« vereinbart und festgehalten. Für Krankheit und Urlaub gibt es einen festen Vertreter. Beschrieben sind auch Maßnahmen, die die Effizienz der Führungskraft sicherstellen und im Endeffekt die Umsetzbarkeit des Modells gewährleisten sollen. Dazu gehören beispielsweise eine gute Meetinghygiene, Fokuszeiten für die Bearbeitung von eigenen Aufgaben sowie ein bewusster Umgang mit E-Mails. Außerdem werden Themen wie die Organisation komplexer Meetings und die Budgetkontrolle sowie die Erstellung von Protokollen an eine Person im Team delegiert.
Dieses Beispiel zeigt das Operating Modell von Swantje, einer Führungskraft, die Elemente des Effizienzmodells mit dem Vertretermodell kombiniert. In diesem Beispiel wird die Führungskraft am Freitag von einem Mitarbeiter vertreten. Außerdem geht aus dem Modell hervor, dass die Entlastung der Teilzeitführungskraft durch eine Mischung aus Effizienzvorteilen und der dauerhaften Delegation von Aufgaben ins Team realisiert wird. Auch wird deutlich, dass E-Mail als Kommunikationsmedium im Team möglichst vermieden und eine direkte Kommunikation bevorzugt wird. Eine gute Meetinghygiene und Fokuszeiten sind weitere Elemente, die die Effizienz der Führungskraft sicherstellen sollen.
Du siehst, eine verkürzte Übersicht des Operating Models bedarf der Erklärung und Ergänzung. Gleichzeitig reduziert sie Komplexität und macht dein Modell für andere greifbar. Sie veranschaulicht aber gut die grundsätzlichen Ideen und kann zur Kommunikation des Modells genutzt werden. Details sollten in einer internen Wissensdatenbank, einer FAQ-Liste oder einem anderen für alle Teammitglieder zugänglichen Dokument detaillierter beschrieben werden. Im Fall des Tandems wären das beispielsweise die konkrete Arbeitsaufteilung für den Splitting-Anteil; für das Vertretermodell sollte geklärt sein, wann und wie der oder die Vertreter:in in die Kommunikation einbezogen wird.
Einmal erstellt, darf und soll sich dein Operating Model weiterentwickeln. Ein erster Entwurf im Rahmen einer Bewerbung muss bei Antritt der Position gemeinsam mit den Beteiligten ausgearbeitet werden. Gleichzeitig kannst du dieses Tool auch für dich nutzen, wenn du schon länger in Teilzeit führst. Es schafft Klarheit über eventuelle Schwachstellen deines aktuellen Arbeitsmodells und kann dir dabei helfen, Lösungen für deine Herausforderungen zu entwickeln. Denn in der Regel spiegeln sich wiederkehrende Probleme in deiner Teilzeitrolle im Operation Model wieder. Fehlt beispielsweise eine Vertretungsreglung oder ist deinem Team nicht klar, ob und in welchen Fällen es dich außerhalb deiner Arbeitszeiten erreichen kann, wird das im laufenden Betrieb immer wieder zu Problemen führen.