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Berlin-Steglitz,
Charité – Campus Benjamin Franklin, Rettungsstelle, Behandlungsraum 5,
Dienstag, 5. August, 13:44 Uhr
D
ie junge Assistenzärztin in der Rettungsstelle hatte Lisa bei der Versorgung ihrer Kopfplatzwunde ein gutes Gefühl gegeben. Trotzdem hatte sie Angst und war beunruhigt. Sie musste unbedingt wissen, wie es ihrem ungeborenen Kind ging.
Die Assistenzärztin hatte, nachdem Lisa ihr mitgeteilt hatte, dass sie schwanger sei, dennoch zunächst auf der Versorgung der Platzwunde bestanden. Dann würde man weitersehen und sich um die Schwangerschaft kümmern. Mit einem Einwegrasierer hatte die Ärztin die Kopfhaare über Lisas linker Schläfe in einem drei Zentimeter breiten Areal vorsichtig entfernt und dann die Wundränder der nur leicht klaffenden Wunde mit einem Lokalanästhetikum unterspritzt. Sie hatte Lisa im Vorfeld beruhigt, dass diese lokale Betäubung keine Gefahr für ihr ungeborenes Kind darstellte. Ohne Lokalanästhesie würde es zu schmerzhaft werden, hatte sie noch hinzugefügt. Dann hatte die junge Ärztin die Wunde gereinigt und schließlich mit mehreren Stichen genäht, die Lisa nur als ein dumpfes, jedoch nicht schmerzhaftes Ziehen an ihrem Kopf wahrgenommen hatte. Auf das Röntgen ihres Schädels könne man guten Gewissens verzichten, hatte die Ärztin Lisa versichert, da sie nach der Untersuchung von Lisas Halswirbelsäule und Überprüfung ihrer Pupillenreaktion die Wahrscheinlichkeit eines scherwiegenden Schädel-Hirn-Traumas
ausschließen konnte.
Jetzt wartete Lisa auf den Gynäkologen, der sich bereit erklärt hatte, in die Rettungsstelle zu kommen und sie hier per Ultraschall zu untersuchen.
Während Lisa bangend und hoffend auf der Untersuchungsliege lag, klopfte es kurz an der Tür zum Behandlungszimmer, die im selben Moment geöffnet wurde.
»Mein Name ist Wolfgang Henrich. Frau Suttner?«, stellte sich der hochgewachsene, gut aussehende Mann in dem weißen Kittel, unter dem er ein hellblaues Hemd und eine dunkelblaue Krawatte trug, vor.
Lisa nickte stumm.
»Ich habe von der Kollegin gehört, was passiert ist. Ich bin mir sicher, dass mit Ihrem Kind alles in Ordnung ist. Der Bauch einer werdenden Mutter ist wie ein Airbag für das Ungeborene, glauben Sie mir. Ende dritter Monat, sagte die Kollegin, ist das korrekt?«
Lisa nickte erneut, ohne ein Wort zu sagen. Ihr Mund war völlig trocken, ihre spröden Lippen klebten aufeinander.
»Hatten Sie, nachdem Sie gestürzt sind beziehungsweise sich die Kopfverletzung zugezogen haben, vaginale Blutungen?«
Lisa schüttelte den Kopf. »Nicht dass ich es bemerkt hätte«, stieß sie heiser hervor, während sich der Professor auf einen kleinen Rollhocker neben ihre Liege setzte, das dort stehende Ultraschallgerät einschaltete und sie beruhigend anlächelte.
»Eigentlich mache ich das lieber bei uns drüben in der Gynäkologie mit vaginalem Ultraschall, aber in Ihrem Fall werde ich vermutlich alles, was relevant sein könnte, auch durch Ihre Bauchdecke feststellen können. Wenn dann noch Fragen offen sind, lasse ich Sie in unsere gynäkologische Ambulanz verlegen. Bitte machen Sie jetzt Ihren Bauch frei, Hochschieben der Kleidung reicht. Jetzt wird es kurz kalt.«
Im nächsten Moment spürte Lisa schon etwas Kühles auf ihrer
Bauchdecke. Der Gynäkologe trug vorsichtig das glibberige Kontaktgel auf.
Lisa zuckte zusammen, als er gleich darauf mit der Sonde des Ultraschallgerätes über ihren Bauch fuhr.
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