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Er drückt sich dichter an die Mauer des Weinbergs, als der Kerl aus der Stadt kurz in seine Richtung blickt.

Es war purer Zufall, dass er ihn auf dem Pfad neben den Weinbergen gesehen hatte. Er war erst durch die Weinberge und dann wahllos im Ort umhergelaufen, um seine Gedanken zu sortieren. Jetzt, wo er diese angenehme Kälte in seinem Inneren spürt, fällt es ihm leichter, seine nächsten Schritte zu planen.

Er betrachtet den zweiten Kerl und glaubt, ihn zu kennen, weiß allerdings nicht, woher. Vielleicht täuscht er sich auch. Es ist egal.

Der Stadtmensch hat etwas in der Hand, das er intensiv betrachtet. Wahrscheinlich ein Handy.

Warum treffen die beiden sich dort oben? Wissen sie etwas, das sie nicht wissen sollen?

Er richtet den Blick über die Köpfe der Männer hinweg auf die Burgruine, auf die dunkle Öffnung in der Außenmauer des rechten Gebäudes. Dort haben sie sich früher oft getroffen. Als noch alles in Ordnung war. Seine Gedanken schweifen ab in die Vergangenheit, er zwingt sie jedoch zurück in die Gegenwart und wendet sich nach einem letzten Blick auf die beiden Männer ab.

Unterwegs schaut er nach links und betrachtet die Weinstöcke, die akkurat aufgereiht sind wie Soldaten zum Morgenappell. Seine Gedanken wandern ein paar Stunden zurück. Er denkt daran, wie einfach es war. Wie wenig sie sich gewehrt hat. Aber es hätte ihr auch nichts genutzt, sie hätte sowieso keine Chance gegen ihn gehabt. Er hat sie nicht gefragt, ob sie etwas verraten hat. Sie hätte ihn sowieso belogen. Nun lügt sie nicht mehr.

»Strafe muss sein«, murmelt er leise. »Strafe reinigt die Seele. Schmerz reinigt die Seele. Wer Unrecht getan hat, findet im Schmerz Läuterung und Vergebung.«

Er wendet sich ab und läuft in Richtung Kirche. Was soll er noch hier?

Unterwegs weicht er den wenigen Menschen aus, die ihm begegnen. Als er sein Ziel erreicht hat, betritt er das Gebäude durch einen schmalen Eingang. Er kommt in den dunklen Flur, bleibt kurz vor der Tür stehen, hinter der die Treppe nach unten führt, und geht dann weiter in den Raum, der früher ein Wohnzimmer war. Außer einem einzelnen Stuhl in der Mitte ist er leer. Er geht auf ihn zu und setzt sich. Dann schließt er die Augen und atmet tief die abgestandene, von Staubpartikeln durchsetzte Luft ein. Seine Gedanken wandern erneut zurück in die Vergangenheit. Viele Jahre. In eine Zeit, als dieser Raum noch mit Leben gefüllt war.

Und wieder formen seine Lippen die Worte.

»Ich hasse dich.«