Vorbei. Donnerstag gegen 13.30 Uhr
Als Bella wieder zu sich kam, wusste sie im ersten Moment nicht, was geschehen war. Ihr war kalt. Sie lag auf den Fliesen des Badezimmers, hob langsam den Kopf und schaute sich um. Das Blut, das an den weißen Fliesen herunterlief, der brennende Schmerz in ihr ließen die Erinnerung zurückkommen. Es war vorbei, sie würde es verlieren, oh, Gott, sie würde es verlieren. Sie griff sich an den schmerzenden Kopf, und als sie ihre Hand betrachtete, war auch diese voller Blut. Ihr Blick fiel auf ihre Armbanduhr; seit Jojos Überfall war knapp eine Stunde vergangen.
„Er ist schuld“, flüsterte sie gefährlich ruhig, „er ist schuld. Ich hasse ihn und ich werde ihn töten. Wenn ich es nicht tue, tötet er mich auf seine herrische und brutale Art, so, wie er auch Mutter getötet hat. Ich habe keine andere Wahl. Dann ist Jojo auch wieder so wie früher, so wie ich ihn kennengelernt habe.“ Sie kroch auf allen Vieren zur Tür und zog sich unter Schmerzen am Türrahmen hoch.
„Jojo“, rief sie zaghaft Richtung Wohnzimmer. „Jojo, komm bitte, ich kann nicht ...“
Aber Jojo meldete sich nicht. Natürlich, fiel ihr wieder ein, er war ja gegangen. Was hatte er nur vor? Sie griff vorsichtig nach dem Smartphone auf dem kleinen Flurtisch neben der Badezimmertür, drückte mit zittrigen Fingern eine Taste. Nach kurzem Klingeln meldete sich die Mailbox. „Jojo, wo bist du?“, murmelte sie halb ohnmächtig. „Komm ... bitte … gleich…“ Sie brach im Türrahmen wieder zusammen.
Eine gefühlte Ewigkeit später hörte sie, wie sich ein Schlüssel im Schloss ihrer Wohnungstür drehte. „Jojo“, rief sie, „Jojo, bitte hilf mir, ich muss ins Krankenhaus, sonst verliere ich unser Baby.“ Als Bella den Kopf hob, sah sie, dass in der Tür nicht Jojo, sondern ein großer, wuchtiger Mann stand, und sie erschrak. Sie nahm instinktiv die Arme vor den Körper und schaute ihn überrascht und gleichzeitig angstvoll an.
„Henry, du? Was willst du hier? Wieso hast du einen Schlüssel?“
Ohne auf ihre Frage einzugehen, stieß er wütend hervor: „Nun zu dir. Pack ein paar Sachen zusammen, du wirst verreisen.“ Er zerrte sie auf die Füße.
„Wie bitte? Was soll das? Ich werde nicht verreisen!“
„Das entscheidest nicht du. Zieh dich an und packe. Ansonsten nehme ich dich so mit.“
„Was soll das? Was willst du?“, rief Bella angstvoll. Sie deutete auf seine Hand. „Hast du Jojos Schlüssel? Was ist mit ihm? Warum hast du gesagt ‚nun zu dir‘? Ich habe es genau gehört! Was hast du getan? Halte dich endlich aus meinem Leben raus!“, schrie sie, und ihre Stimme überschlug sich.
„Was passiert, wenn ich mich raushalte, sehe ich.“ Er deutete mit der Hand ins Badezimmer. „Der große Zampano hat mich geschickt. Er bezahlt und sein Wort gilt. Tut mir leid für dich und deinen Stecher, selbst schuld …“
„Nein, er ist schuld, dieser böse alte Scheißkerl ist schuld und sonst niemand. Und du bist sein blöder Laufbursche. Mein Gott, ist das erbärmlich. Lasst mich endlich in Ruhe!“ Sie hob die Hand und wollte nach ihm schlagen. „Du Schwein …!“ Zu mehr reichte ihre Kraft nicht. Sie brach zusammen und blieb auf dem kühlen Boden liegen.
Henry zuckte mit den Schultern. „Dann eben nicht.“ Er sah sich in der großen Wohnung um und begann, ein paar Kleidungsstücke aus dem Schrank im Schlafzimmer zusammenzupacken. Wenn sie ihn nicht hätten … Er war wieder mal der Aufräumer für die feinen Herrschaften, dachte er. Er warf einen Blick auf Bella, die noch immer ohnmächtig auf dem Boden lag. „Auch gut, dann sabbelst du mir wenigstens nicht die Ohren voll“, brummte er und beseitigte die Spuren in der Wohnung. Zwei daumennagelgroße Knöpfe aus Wohn- und Schlafzimmer nahm er auch mit. Der Alte hatte es befohlen.