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H. J. Schneider et al.Hormone – ihr Einfluss auf mein Lebenhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-58978-6_16

16. Die Pille – und andere hormonelle Verhütungsmethoden

Harald J. Schneider1  , Nicola Jacobi2   und Joscha Thyen1  
(1)
München, Deutschland
(2)
Passau, Deutschland
 
 
Harald J. Schneider (Korrespondenzautor)
 
Nicola Jacobi
 
Joscha Thyen

Fluch und Segen zugleich, einfaches Verhütungsmittel, aber mit Nebenwirkungen. Die Antibabypille ist auf der einen Seite eine sehr effektive Methode, um eine Schwangerschaft zu verhindern. Sie lindert außerdem Beschwerden wie Akne, Mehrbehaarung oder ein Prämenstruelles Syndrom Auf der anderen Seite aber hat sie Nebenwirkungen, dazu gehören vor allem: Stimmungsschwankungen, Gewichtsveränderungen, Übelkeit oder sogar Depressionen. Eine besonders gefürchtete Nebenwirkung ist das erhöhte Thrombose-Risiko.

Wie die Pille wirkt

Die Pille setzt sich aus künstlichen, weiblichen Geschlechtshormonen (Östrogenen) und dem Gelbkörperhormon Gestagen zusammen. Nimmt eine Frau die Pille, bleibt ihr Hormonspiegel konstant. Die Steuerungshormone aus der Hirnanhangsdrüse, insbesondere LH, steigen demnach nicht an, der Eisprung bleibt aus. Deswegen wird die Gruppe der Pillenpräparate auch Antiovulantien genannt, also gegen den Eisprung wirkende Medikamente (Ovulation bedeutet Eisprung). Im Prinzip wird dem Körper durch die Einnahme der Pille vorgegaukelt, es bestünde eine Schwangerschaft. Der Eisprung fällt dann aus. Außerdem bewirken die Gelbkörperhormone, dass der Gebärmutterschleim undurchlässiger für Spermien wird und das erschwert die Befruchtung. Die Wirkung der Hormone verhindert auch, dass sich die Gebärmutterschleimhaut aufbaut, sodass auch ein eventuell doch befruchtetes Ei kaum eine Chance hat sich einzunisten.

Künstliche Hormone: die Inhaltsstoffe der Pille

Die meisten Pillen enthalten eine Kombination aus Östrogenen und Gestagenen. Daneben gibt es auch rein gestagenhaltige Pillen, Minipillen genannt. Da diese Minipillen weniger stark wirken, muss bei der Einnahme sehr viel strenger auf das Zeitfenster geachtet werden als bei den Kombinationspräparaten.

Durch die künstlichen Hormone, die dem Körper durch die Pille zugeführt werden, sinkt die Ausschüttung der körpereigenen Hormone. Die künstlichen Östrogene und Gestagene hemmen die Produktion der körpereigenen weiblichen Geschlechtshormone. Zusätzlich reduziert sich aber auch die Ausschüttung körpereigener männlicher Hormone – jede Frau hat auch männliche Hormone, wenn auch in geringerem Maß als Männer. Diese Wirkung der Pille ist besonders für Frauen interessant, die zu viele männliche Hormone bilden und bei denen zum Beispiel Pickel und Haare verstärkt wachsen. Viele Pillen unterdrücken daher die Entstehung von Akne und Mehrbehaarung, manche mehr, manche weniger. Informieren Sie sich am besten bei Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt.

Nebenwirkungen

Die Pille kann vieles im Leben vereinfachen, aber – und das sollte man immer mitbedenken – sie hat Nebenwirkungen. Manchmal sind sie nur störend, manchmal können sie aber auch gefährlich werden.

Erhöhtes Thromboserisiko

Die am meisten gefürchtete Nebenwirkung ist das Thromboserisiko, das durch die Pille verstärkt werden kann. Wie stark dieses Risiko zunimmt, hängt von jeder einzelnen Frau und auch von der Zusammensetzung der Wirkstoffe des einzelnen Pillenpräparates ab. Von den neueren Produkten, die die Gestagene Desogestrel, Drospirinon, Destrogel oder Dienogest enthalten, ist diese Nebenwirkung bekannt. In Zahlen: Bei acht bis zwölf von 10.000 Frauen, die eine solche Pille nehmen, tritt pro Anwendungsjahr je eine Thrombose auf. Präparate mit den Gestagenen Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat, die schon länger auf dem Markt sind, erhöhen zwar auch das Thromboserisiko, es liegt jedoch nur bei fünf bis sieben Fällen pro 10.000 Frauen pro Jahr. Zum Vergleich: Von den Frauen, die keine hormonellen Verhütungsmittel einnehmen, erkranken jährlich nur zwei von 10.000.

Da eine Thrombose, wenn sie nicht rechtzeitig erkannt wird, zu einer lebensgefährlichen Lungenembolie (einer Verstopfung eines Blutgefäßes in der Lunge, meistens verursacht durch ein Blutgerinnsel) führen kann, sollte immer sorgfältig abgewogen werden, wie das individuelle Thromboserisiko der Patientin aussieht, bevor sie die Pille nimmt. Auch Rauchen, höheres Alter und Übergewicht sind Faktoren, die das Risiko für Thrombosen und Lungenembolien erhöhen.

Die Pille und die Stimmung

Genervt, bedrückt, gereizt – viele Frauen wissen aus eigener Erfahrung, dass die Einnahme der Pille zu Stimmungsschwankungen führen kann. Größeren Studien zufolge berichten bis zu zehn Prozent der Frauen, die eine Pille einnehmen, sogar von Depressionen. Eine neue Studie, bei der fast eine halbe Million Frauen untersucht wurden, hat gezeigt, dass die Zahl der Selbstmorde und Selbstmordversuche bei Frauen, die die Pille schlucken, fast doppelt so hoch war wie bei Frauen, die noch nie eine hormonelle Verhütung eingenommen haben. Diese Ergebnisse zeigen sehr deutlich, dass die Nebenwirkung der Pille auf die Psyche nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf.

Die Pille und das Gewicht

Eine andere Nebenwirkung dagegen ist physisch. Einige Frauen nehmen zu, wenn sie die Pille nehmen. Natürlich bringt nicht jede Frau mehr auf die Waage, manche nehmen sogar ab. Die Forschung kommt bei der der Frage, wie sich die Einnahme der Pille auf das Körpergewicht auswirkt, zu einem uneinheitlichen Ergebnis. In einer großen Analyse von 49 Studien konnte kein eindeutiger Effekt von Kombinationspillen (Pillen, die als Wirkstoffe eine Kombination aus Östrogenen und Gestagenen enthalten) auf das Körpergewicht gefunden werden. In einer anderen Analyse, in der nur Gestagen-Präparate (Minipillen) untersucht wurden, zeigte sich eine geringe Gewichtszunahme. Es scheint also sehr variabel zu sein, wie viel und ob eine Frau zunimmt, wenn sie die Pille schluckt. Und wie so oft, kommt es auf die einzelne Person an. Ist das Mehr an Kilos tatsächlich störend, sollten ein anderes Präparat oder Alternativen zur Pille erwogen werden.

Andere Nebenwirkungen

Übelkeit, Kopfschmerzen, Zwischenblutungen – auch dafür kann die Pille verantwortlich sein. Dass Frauen wegen der Pille außerdem teilweise weniger Lust auf Sex haben, liegt auch daran, dass auch die männlichen Hormone sinken. Die nämlich sind für die Libido der Frau wichtig.

Dennoch: Die Nebenwirkungen der Pille müssen nicht immer negativ sein. Es gibt auch viele Frauen, die zum Beispiel berichten, dass sie durch die Einnahme der Pille ausgeglichener sind oder bei denen sich die Beschwerden eines Prämenstruellen Syndroms gebessert haben.

Alternative Verhütungsmittel

Neben der Pille sind weitere hormonelle Verhütungsmöglichkeiten auf dem Markt, die im Grunde auf einem ähnlichen Wirkprinzip basieren: der Freisetzung von künstlichen Geschlechtshormonen.

Verhütungsring

Ein hormoneller Ring wird einen Zyklus lang vaginal (in die Scheide) eingelegt und setzt Geschlechtshormone frei, die einen Eisprung verhindern. Ähnlich wie bei der Pille folgt nach einer bestimmten Zeit eine Pause von fünf Tagen, bis ein neuer Ring eingesetzt wird.

Hormonstäbchen

Sie werden unter die Haut appliziert und geben ebenfalls Geschlechtshormone in den Körper ab.

Hormonspirale

Sie wird von einer Ärztin oder einem Arzt in die Gebärmutter eingelegt und gibt dort Hormone frei. Anders als der Verhütungsring müssen Stäbchen und Spiralen nicht nach jedem Zyklus, sondern erst nach mehreren Jahren gewechselt werden.

Drei-Monats-Spritze

Sie ist ein Depotpräparat, das alle drei Monate gespritzt wird und wie die oben genannten Methoden ebenfalls auf hormoneller Basis zur Verhütung dient.

Alle diese hormonellen Verhütungsmittel können ähnliche Nebenwirkungen und Risiken wie die Pille aufweisen. Hormonfreie Alternativen sind zum Beispiel Kondome, Pessare oder Kupferspiralen.

Die Pille als Therapie

Neben den Frauen, die die Pille zur Verhütung einnehmen, gibt es Patientinnen, denen die Pille aus medizinischen Gründen dauerhaft verschrieben wird, etwa bei Endometriose (einer häufigen Unterleibs-Erkrankungen bei Frauen, bei der Gebärmutterschleimhaut auch außerhalb der Gebärmutter gebildet wird) oder bei Prämenstruellem Syndrom. Dauerhaft meint, dass nicht wie üblich nach 21 oder 24 Tagen eine Pillenpause gemacht wird. Der eigentliche Sinn der Pille, die Verhütung, bleibt aber dennoch erhalten.

Warum also überhaupt pausieren? Viele Frauen fänden es womöglich angenehmer, nicht alle 24 Tage die Pille zu pausieren und eine Abbruchblutung zu haben. Tatsache ist allerdings, dass in allen Studien zur Zulassung einer Pille auf diese Variante der Dauereinnahme nicht getestet wurde, sondern nur für den vorgeschriebenen Einnahmezyklus von 21–24 Tagen und darauffolgender Pause von vier bis sieben Tagen. Tests, ob Langzeitschäden bei einer anderen Einnahmeform entstehen könnten, wurden also nicht durchgeführt.

Große Anwendungsbeobachtungen zeigten aber, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Langzeitschäden entstehen. Trotzdem handelt es sich um einen sogenannten Off-Label-Use. Davon spricht man, wenn ein Präparat nicht entsprechend der Vorgabe des Herstellers eingenommen wird.

In Großbritannien allerdings hat die Fachgesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe Anfang 2019 eine neue Leitlinie zur Pille herausgegeben. In der steht, dass durch die Pillenpause keinen Gesundheitsvorteil entsteht und somit die Pille auch durchgehend genommen werden kann. Wie immer gilt: Diese Möglichkeit und andere alternative Verhütungsmethoden mit dem Arzt besprechen.

Kurz zusammengefasst

Die Antibabypille ist ein sehr zuverlässiges Mittel der Verhütung. Sie verändert den natürlichen Zyklus und verhindert so einen Eisprung. Bei Frauen, die zu viele körpereigene männliche Hormone bilden, ist die Pille gleichzeitig auch Therapie. Allerdings hat sie auch Nebenwirkungen, die nicht unterschätzt werden sollten.