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H. J. Schneider et al.Hormone – ihr Einfluss auf mein Lebenhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-58978-6_48

48. Ich bin dauernd müde

Harald J. Schneider1  , Nicola Jacobi2   und Joscha Thyen1  
(1)
München, Deutschland
(2)
Passau, Deutschland
 
 
Harald J. Schneider (Korrespondenzautor)
 
Nicola Jacobi
 
Joscha Thyen

Müdigkeit , Abgeschlagenheit, das Gefühl, ständig erschöpft und schlapp zu sein – Gründe dafür gibt es viele: Krankheit, Stress , Überlastung oder der Hormonhaushalt. Manchmal auch einfach nur zu wenig Schlaf .

Müdigkeit wegen Schlafmangels

Müdigkeit ist ein sehr unspezifisches Symptom. Um herauszufinden, was die Ursache dafür ist, muss nach möglichen weiteren Symptomen gesucht und müssen die Lebensumstände genauer unter die Lupe genommen werden.

Wenn jemand jede Nacht mehrfach aufwacht, nicht ein- und nicht durchschlafen kann, liegt der Grund für die Müdigkeit auf der Hand: Schlafmangel . Aber woher kommen diese Schlafprobleme? Die Gründe sind vielfältig. Sei es, dass ein kleines Baby nachts immer wieder schreit, sei es Stress, der einen in der Nacht nicht zur Ruhe kommen lässt, weil Sorgen und Ängste in einem weiterarbeiten und man aus dem Gedankenwirbel nicht herauskommt, seien es eine organische Ursache oder eine Depression, die zu Schlafstörungen führt.

Schlafapnoe-Syndrom

Ein immer wieder unterbrochener Schlaf kann auch auf ein sogenanntes Schlafapnoe-Syndrom zurückzuführen sein. Dabei entspannt sich während des Schlafens vor allem in Rückenlage der weiche Gaumen, fällt nach hinten und blockiert kurzfristig die Atemwege, man bekommt keine Luft und wacht auf. Da dies immer bei tieferen Schlafphasen auftritt, wird der Tiefschlaf stets unterbrochen und ein erholsamer Schlaf findet nicht statt. Lautes Schnarchen und plötzliches Aufschrecken sind typisch für ein solches Schlafapnoe-Syndrom. Oft ist es der Partner, der diese Anzeichen bemerkt.

Eine der Hauptursachen des Schlafapnoe-Syndrom ist Übergewicht . Da die Häufigkeit des Übergewichts weltweit zunimmt, leiden immer mehr Menschen unter diesem Syndrom.

Weitere Faktoren, die einem Schlafapnoe-Syndrom zu Grunde liegen können, sind ein kurzer Unterkiefer und in selteneren Fällen eine Akromegalie , eine Störung der Wachstumshormone . Durch den fehlenden, erholsamen Tiefschlaf leiden die Betroffenen deutlich häufiger an Tagesmüdigkeit. Sie neigen dazu, auch tagsüber einzuschlafen. Insbesondere im Straßenverkehr birgt das ein enormes Risiko. Darüber hinaus erhöht das Schlaf-Apnoe Syndrom die Gefahr von Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Die Diagnose eines Schlafapnoe-Syndrom ist relativ einfach: Mithilfe eines mobilen Schlafmonitors wird abgeklärt, ob es sich um ein solches Syndrom handelt. Eine Schlaflaboruntersuchung kann das Ergebnis im Zweifelsfall bestätigen. Zur Behandlung wird dem Patienten eine Schlafbeatmungsmaske angepasst, die für einen dauernden positiven Druck in den Atemwegen sorgt und so die Atemwege immer offen hält.

Müdigkeit ohne Schlafmangel

Dass jemand, der zu wenig schläft, dauernd müde ist, liegt nahe. Es gibt aber auch Patienten, die ständig müde und schlapp sind, ohne dass ihr Schlaf beeinträchtigt ist. Mehrere Ursachen können dafür verantwortlich sein.

Eine Schilddrüsenunterfunktion

Bei einer Schilddrüsenunterfunktion fehlen dem Körper Schilddrüsenhormone. Die aber sind wichtig für einen geregelten Stoffwechselablauf. Funktioniert der Stoffwechsel nicht richtig, ist Müdigkeit die Folge. Die Betroffenen fühlen sich oft erschöpft, kraftlos, schlapp und träge. Symptome, die zusätzlich auf eine fehlerhafte Funktion der Schilddrüse hinweisen können, sind Haarausfall, brüchige Fingernägel, das Ausbleiben der Periode und Gewichtszunahme. Wie die Schilddrüse genau funktioniert und wie der Körper reagiert, wenn sie nicht richtig arbeitet, lesen Sie im ► Kap. 5.

Ein Testosteronmangel beim Mann

Auch ein Mangel an männlichen Geschlechtshormon en führt zu Abgeschlagenheit und Müdigkeit. Männer fühlen sich dann energielos und schlapp. Schlapp auch im sexuellen Sinne. Denn typischerweise verringert sich bei ihnen dann auch die Libido, also das sexuelle Verlangen. Auch ihre Erektionsfähigkeit ist oft eingeschränkt. Wie schon bei einer Schilddrüsenunterfunktion kann auch ein Testosteronmangel dazu führen, dass die Betroffenen an Gewicht zulegen. Das Körperfett nimmt zu, die körperliche Leistungsfähigkeit und die Muskelmasse nehmen ab.

Ein Cortisolmangel

Ein seltener Grund für extreme Müdigkeit und Erschöpfung ist zu wenig Cortisol . Der Mangel an diesem Leistungs- und Stresshormon, das an vielen Stoffwechselvorgängen in unserem Körper beteiligt ist, entsteht durch eine Schwäche der Nebenniere. Anzeichen dafür sind oft Gewichtsabnahme, diffuse Bauchschmerzen und schwere Erschöpfungszustände.

Weitere Ursachen

Neben hormonellen Veränderungen können natürlich auch viele andere internistische Erkrankungen dazu führen, was wir uns unnatürlich müde fühlen. Häufigste Ursache ist die Anämie (Blutarmut ). Das heißt: Der Körper hat zu wenig rote Blutkörperchen, die den Sauerstoff transportieren und damit Energie für die Zellen bereitstellen. Meist beruht die Anämie auf einem Mangel an Eisen. Wenn dann auch noch weitere Nährstoffe fehlen, etwa Vitamin B, Folsäure oder Vitamin D, kann das das Gefühl von Müdigkeit und Abgeschlagenheit noch verstärken.

Auch alle chronischen Erkrankungen, etwa der Leber, der Nieren, des Herzens oder verschiedene Formen rheumatischer Erkrankungen können mit Müdigkeit einhergehen.

Um genau herauszufinden, woher das ständige Schlafbedürfnis kommt, ist die Ärztin oder den Arzt gefragt.

Gesund schlafen

Wie viel Schlaf ist normal?

Die Menge an Schlaf, die jemand braucht, um sich fit und gut zu fühlen, kann individuell sehr variieren. Dem einen reichen fünf Stunden Schlaf, während der andere mindestens neun Stunden braucht. Dass es auch kulturelle und Länder spezifische Unterschiede gibt, haben große Studien gezeigt. In einer Studie, bei der mittels einer App Daten über Schlafzeiten in über 20 Ländern gesammelt wurden, zeigte sich beispielsweise, dass Asiaten am kürzesten schlafen. So schlafen die Menschen in Japan durchschnittlich 7,5 Stunden, in Belgien oder Australien über acht Stunden. Deutschland liegt mit 7,8 Stunden im Mittelfeld. Schlafen ist auch alters- und geschlechtsabhängig. So schlafen Frauen in der Regel etwas länger als Männer. Mit zunehmendem Alter nimmt die Schlafdauer bei beiden Geschlechtern ab.

Wie viel Schlaf ist gesund?

Internationale Fachgesellschaften empfehlen eine optimale Schlafdauer von sieben bis acht Stunden pro Tag. Es herrscht Einigkeit darüber, dass bei einer Schlafdauer unter sechs Stunden die Gesundheitsrisiken steigen. Neuere Studien zeigen auch, dass auch zu viel Schlaf von neun Stunden und mehr mit schlechterer geistiger Leistungsfähigkeit und höherer Sterblichkeit einhergehen können.

Zu wenig Schlaf macht dick

Eingeschränkter Schlaf hat viele negative Folgen: die Leistungsfähigkeit ist reduziert, das Risiko für Herz-Kreislauf-Probleme und Depressionen erhöht, das Immunsystem eingeschränkt, die Mortalität (Sterberisiko) erhöht.

Schlafmangel kann auch Übergewicht fördern, weil die Balance zwischen dem Hungerhormon Ghrelin und dem Sättigungshormon Leptin gestört ist. Die ungünstige Folge: Hunger und mehr Appetit – besonders auf fettes und süßes Essen. Das wiederum treibt die Kalorienaufnahme in die Höhe und steigert das Adipositasrisiko.

Fazit

Ein ausreichender Schlaf ist wichtig für die hormonelle Balance. Ein Großteil unseres Wachstumshormons, das nicht nur für das Wachstum, sondern auch für viele andere Körperfunktionen entscheidend und notwendig ist, wird zum Beispiel in den Tiefschlafphasen ausgeschüttet. Müdigkeit kommt entweder schlicht und einfach von zu wenig Schlaf. Aber auch bei Krankheiten oder wenn dem Körper Hormone oder Nährstoffe nicht in der richtigen Menge zur Verfügung stehen, ist er schlapp und kraftlos.