Zweitausend Jahre Schwaben in Berlin

Vorbemerkung zum besseren Verständnis:

In der seit Urzeiten am Tropf des Länderfinanzausgleichs hängenden Bundeshauptstadt Berlin – nach Aussagen der dortigen Stadtspitze »arm, aber sexy« – kommt es immer wieder zu rassistisch bedingten und in ökonomischem Neid begründeten, teilweise geradezu kriminellen Feindseligkeiten gegenüber Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit schwäbischem Migrationshintergrund. Ein durch altwirtembergische Nationaltugenden wie Fleiß, Sparsamkeit, Kehrwoche, Präzision, Perfektion und ein dank einer bereits Mitte des 16. Jahrhunderts vom angestammten Fürstenhaus verfügten progressiv-demokratischen Schulpolitik hervorgerufener intellektueller Vorsprung hat schon kurz nach dem überfälligen Abgang des auf Bespitzel-, Faulenzer- und Tranfunzelei begründeten Honeckerschen Wirtschaftssystems einen bescheidenen, aber verdienten Wohlstand entstehen lassen, der in den dort schon seit längerer Zeit beheimateten bildungsfernen und schaffereientwöhnten Schichten und damit traditionell und generationenlang auf »Stütze« angewiesenen und »Hartz IV« als Berufsziel und Lebensperspektive aussuchenden Kreisen unverständlicherweise natürlich einen gewissen Unmut hervorgerufen hat.

Statt sich nun in dieser Auseinandersetzung schützend auf die Seite der ihn finanzierenden, mit Ausnahme ihrer herkömmlichen Sprachmelodie voll assimilierten und beispielhaft integrierten braven schwäbischen Zuwanderer und Exilanten zu schlagen, hat sich der ultraprenzlaumontane Herr Bundestagspräsident a. D. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse um die Jahreswende 2012/13 mit schon mehr als saublöd zu bezeichnenden Äußerungen in der »Berliner Morgenpost« ein geistiges Armutszeugnis ausgestellt. Unter anderem mit Sätzen wie diesen: »Ich wünsche mir, dass die Schwaben begreifen, dass sie jetzt in Berlin sind und nicht mehr in ihrer Kleinstadt mit Kehrwoche« und »Ich ärgere mich, wenn ich beim Bäcker erfahre, dass es keine Schrippen gibt, sondern Wecken.« In Berlin sage man Schrippen – »daran könnten sich selbst Schwaben gewöhnen«

Nachfolgend nun meine unfreiwillige (so ebbes sott mr ja net amol ignoriere), von der zahlenden Leserschaft der »Stuttgarter Zeitung« aber demokratisch erzwungene reziplikativ progressive Reaktion auf Thierses Lettengeschwätz:

Eigentlich hätte der Verfasser die bundesweit bekannt gewordenen, von einer gewissen Cerebralinsuffizienz zeugenden Aussagen eines vom viel zu gutartigen deutschen Steuerzahler ausgehaltenen Herrn Bundestagsvizepräsidenten namens W. Th. (Name der Red. und ihrer Kundschaft bekannt) schon aus lebenszeitökonomischen Gründen unkommentiert gelassen. Aber nachdem ihn gefühlte zweitausend Landsleute und Leser/innen tagelang am Telefon und selbst im Öffentlichen Personennahverkehr zu einer gutachterlichen Stellungnahme aufgefordert haben und zudem am vergangenen Freitag der langjährige Vorsitzende des 1869 gegründeten »Vereins der Württemberger in Berlin«, der blitzgescheite und überaus liebenswürdige Professor Dr. Dr. Bert Schlatterer aus Kleinmachnow in seiner und Hermann Hesses Calwer Heimat zu Grabe getragen wurde, sieht er sich moralisch gezwungen, doch noch seinen Senf abzuliefern.

Gleich vorweg, er teilt die von seinem Landsmann und Bestsellerautorenkollegen Ulrich Kienzle in einem persönlichen Schreiben an den Herrn Bundestagsvizepräsidenten wörtlich wiedergegebene Einschätzung, selbiger sei kein »Halbdackel« sondern ein »Grasdackel« vollinhaltlich. Denn auch ein, verglichen mit einem Sparkassendirektor in Bottrop, seine Brötchen (Schrippen, Weckle) viel schwerer verdienender Politiker in Berlin sollte das Hirn einschalten, ehe er seine Gosch aufmacht.

Und dennoch hat der so wild aussehende und so riegelsdomm rausschwätzende Mann mildernde Umstände und unser tief empfundenes Mitleid verdient. Denn kann man von einem aus Breslau stammenden, der Gnade der schwäbischen Geburt nicht teilhaftig gewordenen und nicht im »Land der hellen Köpfe und der geschickten Hände« geschulten, sondern unter der stiefmütterlichen Fürsorge einer lilahaarigen Ministerin für Volksbildung namens Margot Honecker, geborene Feist aus Halle an der Saale, herangewachsenen Abiturienten erwarten, dass er weiß:

Erstens, dass der einst aus der ostseeischen Urheimat, vom »Mare Suebicum« – dem verglichen mit dem bescheidenen Bodensee eigentlichen »Schwäbischen Meer« – losgezogene, etwa seit Christi Geburt rechtmäßig an Havel, Spree und Elbe ansässige hochintelligente Stamm der Schwaben jenen für den Anbau von Trollingerrebstöcken so gänzlich ungeeigneten Landstrich einst freiwillig und entschädigungslos geräumt hat, um sich dann seit anno 259/60 unter Überwindung des vom römischen Kaiser Hadrian und seinen Nachfolgern errichteten antischwabistischen Schutzwalls namens Limes im Rahmen der allgemeinen Völkerwanderung hier an Nesenbach, Neckar, Rems, Reuß, Rhein und Donau niederzulassen.

Zweitens, dass das anno 1237 erstmals urkundlich erwähnte, anno 1307 dann mit dem erst anno 1244 in einer Urkunde auftauchenden Berlin zwangsvereinigte Städtchen Cölln an der Spree den lateinischen Namen »Colonia ad Suevum« (Kolonie zu den Schwaben) trägt.

Drittens, dass die Wiederbesiedlung der in der Völkerwanderung unserer so voreilig dem »schlawenischen Volck« überlassenen Ostgebiete hauptsächlich unter dem »edelsten Geschlecht, das je die deutsche Krone getragen« – unter unseren schwäbischen Hohenstaufen erfolgte: Unter Kaiser Friedrich I. Barbarossa »lobesam« war anno 1157 bereits das slawische »Brennabor« (Brandenburg) erobert, unter seinem als »erster Europäer« gerühmten Enkel Friedrich II. (»der größte unter den Fürsten der Erde und das Staunen der Welt«) war anno 1226 der mit nachgeborenen schwäbischen Ritterskindern aufgefüllte »Deutsche Orden« nach Preußen gerufen worden. Und man darf diesen uns besonnenen Schwaben rein rhetorisch so überlegenen Berliner Schnauzen und Schnellschwätzern ruhig mal sagen, dass es das urschwäbische Haus Hohenzollern war, das, anno 1415 auf dem Konstanzer Konzil mit der Markgrafschaft Brandenburg belehnt, seit 1451 von ihrem zu Cölln an der Spree errichteten Kurfürstlichen Schloss aus das hinterkiefernwäldlerische, provinzielle Preußen anno 1701 zum Königreich und schließlich anno 1871 zum Kaiserreich aufsteigen ließ – nachdem zuvor preußische Soldateska allhier die Achtundvierziger Revolution brutal niedergeschossen hatte und anno 1866 der aggressive Herr von Bismarck mitten im jahrzehntelangen Frieden in nicht eben freundschaftlicher Weise bei uns einmarschiert war und das Großherzogtum Baden samt dem Königreich Württemberg in eine »Colonia ad Prussorum« verwandeln konnte.

Solchem unfriedlichem und unterdessen völlig unschwäbischem hochnäsigem Gehabe vereint mit dumpfer Kasernenhofmentalität war es dann auch zuzuschreiben, dass es anno 1918 mit der Hohenzollernherrlichkeit vorüber war und anno 33 ein in seiner Heimat mit Recht erfolgloser Österreicher Anstreicher mit seiner grauslichen Gosch im großgoschigen Berlin Kanzler werden konnte und das Reich so total in den Abgrund führte, dass am traurigen Ende der »Uncle Joe« (der mit einem schwäbischen Mädle verheiratete Genosse Stalin) und der »Uncle Sam« (der aus dem Unterland stammende »Ike« Eisenhower) und der »John Bull« (mit dem mütterlicherseits dem Hause Württemberg-Teck entsprossenen König George VI.) und die »Marianne« (dank Charles de Gaulle, dem Général mit württembergischer Ahnentafel) das zerstörte Land im vormals ganz, jetzt gottlob wenigstens wieder teilweise schwäbisch besiedelten Potsdam unter sich aufteilen konnten.

Möglicherweise aber ist die pathologische Suevophobie des Herrn Th. ja auch mit den Albträume hervorrufenden Erinnerungen an aus Schwaben zugereiste Ostzonenobere wie den Cannstatter Pfarrersohn Edwin Hoernle (Zwangskollektivierer), den Feuerbächer Bauernsohn Heinrich Rau (Wirtschaftsminister), den Bietigheimer Arbeitersohn Kurtle Hager (Stuttgarter Wilhelmsoberschüler, Chefideologe und bis zuletzt stalinistischer Betonkopf) und den Hechinger Doktorsbuben Markus Wolf (Stasihäuptling und Spionagechef) zu erklären.

So sei Ihnen, Herr Bundestagsvizepräsident, Ihr saublödes Gschwätz und vorgestriges Gelaber gütigst und gnädigst verziehen, auch in tiefer, aber neidvoller Bewunderung Ihrer außergewöhnlichen Fähigkeiten, mit minimalem hirnarmem Gefasel tagelang die bundesdeutsche Medienlandschaft zu beherrschen, während der Verfasser mit seinem von Vicco von Bülow illustrierten Buch »Mehr Hirn!« und seiner »frechen, aber segensreichen Gosch« errafften, vom (allerdings vorbestraften) Schatzmeister Otto Graf Lambsdorff auf »über 1,25 Millionen DM« bezifferten Beitrag zur Rettung des Hohen Doms in Loriots Geburtsstadt Brandenburg an der Havel im Südpreußischen Rundfunk mit keiner Sendesekunde und in den hiesigen Gazetten mit keiner Zeile bedacht wurde. Vielleicht sollte er mal mit dem Elektrorasierer auf Sie losgehen?

Nachtrag:

Eigentlich gehörte ja das total tranfunzelige Thema Thierse längst in die grüne Tonne. Aber in all den Jahren hat kaum ein anderer Beitrag des Verf. wie dieser zu den schwäbischen Wurzeln Berlins eine solch positiefe Resonanz gefunden und die geneigte Leserschaft derart elektrifiziert und durchweg erfreut, dass wir selbiges doch nochmals, aber wirklich letztmals, ausdappen müssen.

Aus vieler Damen und Herren Länder, ja selbst aus Castros Cuba und Ratzingers Rom, aus allen noch zeitungslesenkönnenden Schichten der Bevölkerung, von der heimischen Bäckerzunft bis zum Feuerwerkshersteller i. R., von Ostpreußens und Sueviens Adel bis hinauf zur Filderbauernschaft, kamen derart liebe Reaktionen auf »diese so feinsinnig verpackten Frechheiten«, dass wir uns gesellschaftlich gerne gezwungen sehen, auf diesem Wege pauschal und herzlich »Dankschee!« zu sagen.

Und auch dem Wunsch eines prominenten Mitbürgers nachzukommen und dessen bedenkenswerten Vorschlag einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen, nämlich Herrn Bundesratspräsidenten Kretschmann zu bitten, dem Herrn Bundestagsvizepräsidenten Thierse »für seinen Beitrag zur Renovatio einer schon verloren geglaubten schwäbischen Stammesidentität« mit einem Professorentitel des Landes Baden-Württemberg zu beschenken, wie dies ja jüngst bereits »Herrn Professor Schuster für seine einzigartige intellektuelle Leistung, bei seiner Verabschiedungsfeier in seinem halbstündigen Schwanengesang kein Sterbenswörtchen zu dem von ihm wieder aus der Versenkung geholten‹ ›bestgeplanten Jahrhundertbauwerk S21‹ zu sagen, zuteil geworden ist.«