Der mit den Einschaltquoten seiner Fernsehserie »Frauen im Hause Württemberg« zumindest hierzuländle den gleichzeitig ausgestrahlten transatlantischen Schafscheiß namens »Dallas« ausgestochen habende Landeshistoriker Hansmartin Decker-Hauff (1917–1992), ein Pfarrersohn aus Oberjettingen im Gäu, hatte drei »Lieblingsfrauen im Hause Württemberg«: Die zweifache Universitätsstifterin Mechthild von der Pfalz (1419–1482), die segensreiche Zarentochter Königin Katharina (1788–1819) und Herzog Carl Eugens (1728–1793) »Engele aller Engele« Franziska von Hohenheim.
Geboren wurde selbiges am 10. Januar 1748 in einem bescheidenen Bauernhaus in Adelmannsfelden als fünftes der fünfzehn Kinder des verarmten und hoch verschuldeten Freiherrn Ludwig Wilhelm von Bernerdin zum Pernthurn auf Pregrat (1717–1774), dessen Ahnherr 1629 in der Gegenreformation seine Heimat in Kärnten aus Glaubensgründen verlassen musste. Er hatte 1740 die Johanna Dorothea Charlotte Freiin von Vohenstein (†1793) geheiratet, die Letzte ihres uralten Rittergeschlechtes, nachdem zuvor ihr Bruder auf tragische Weise im Dorfweiher von Adelmannsfelden ertrunken war.
Mit sechzehn Jahren wird das Franzele in eine zutiefst unglückliche Ehe mit dem Freiherrn Friedrich Wilhelm Reinhard Leutrum von Ertingen (1742–1820), einem körperlich und seelisch missratenen Kreditgeber ihres Vaters gezwungen – »gleichsam als ein Kind, ohne alle Neigung, ohne alle Liebe wurde ich einem Mann angetraut, der nie mein Herz befriedigen konnte.«
Mit einundzwanzig Jahren begegnet sie dem von seiner ihm davongelaufenen Brandenburg-Bayreuther Gemahlin getrennt lebenden Herzog Carl Eugen in Wildbad, und dieser notorische Weiberheld und Weltmeister in der Produktion illegitimer Kinder, der bis dahin »in seinem Leben mehr Frauen als Mittagessen gehabt«, verliebt sich unsterblich in die zwanzig Jahre jüngere Schwäbin, befreit sie durch eine selbst vom Konsistorium gebilligte Scheidung aus ihrer Ehehölle, macht sie zu seiner Mätresse und erreicht 1774 von Kaiser Joseph II. in Wien für teures Geld ihre Erhebung zur Reichsgräfin von Hohenheim.
»Daß sie eine Schönheit gewesen, kann man nicht sagen » schreibt der Ehemann ihrer Nichte, aber »in ihrem Gesicht, überhaupt ihrem ganzen Wesen und Betragen lag eine Anmut und Lieblichkeit, ein erstaunlicher Grad von Sanftmut, Güte und Bescheidenheit, der vom ersten Augenblick für sie einnahm, jedes Herz an sich zog, und ihr allgemeine Liebe und Hochschätzung erwarb.« Und sie war »von Jugend auf sehr religiös und sehr gottesfürchtig, pietistischen, herrnhutischen Ideen zugänglich.«
Und mit ihrem Charme, »ihrem ungekünstelten Wesen, zu Scherz geneigten, stets heitern und aufgeweckten Sinn« schafft sie es, aus dem absolutistischen Tyrannen und Despoten einen guten Landesvater, aus dem »Saukerle« einen »Prachtskerle« zu machen.
Nach dem Tod seiner ersten Gemahlin im Jahre 1780 setzt er es unter großen Anstrengungen und gegen alle Widerstände des Vatikans durch, dass er als Katholik die nicht standesgemäße, geschiedene Protestantin heiraten darf. Und er wird sehr glücklich mit seinem »herzallerliebsten Franzele« – der er in Birkach als bemerkenswertes Zeichen früher Ökumene sogar ein eigenes Gotteshaus, die heutige Franziskakirche, gestiftet hatte.
»Der Macht einer geistreichen und liebenswürdigen Frau gelang es, ihn zu mäßigen und zu veredeln« schreibt der überaus kritische Historiker und Achtundvierzigerrevolutionär Wilhelm Zimmermann, zuletzt Pfarrer zu Dettingen an der Erms, in seiner »Geschichte Würtembergs«, und sein Loblied auf dieses Liebespaar endet:
»So kam es, daß, während kurz zuvor Frankreichs Volk den Thron blutig umstieß, und seinen Fürsten mit wilder Freude auf das Schaffot brachte, des Herzogs Tod, der in den Armen Franziska’s entschlief, am 24. Oktober 1793, sein Land in eine tiefere Trauer und Klage versezte, als sie zu seyn pflegt, wenn ein Vater aus dem Kreise seiner Kinder scheidet. Die lezte schöne Zeit seiner Regierung warf eine blendende Decke über das Frühere, und noch jetzt leben die Namen Carl und Franziska im Munde des Volkes in liebender Erinnerung der Alten, und ihre Zeit wird von diesen als ein goldnes Zeitalter gepriesen.«
Aber: »Die glücklichen Tage in Hohenheim sind nun vorüber!« Sie wird jetzt wieder als hergelaufene Mätresse behandelt und als Staatsgefangene nach Stuttgart gebracht, eine strenge Untersuchung wird eingeleitet und kann keine Verfehlungen finden. Und als sie dann auf das Testament des Gemahls »ronciert« hatte, kommt sie im Frühjahr 1794 frei, erhält auch ihr unendlich liebenswürdig geschriebenes Tagebuch zurück und ihr erster Eintrag an Neujahr 1795 lautet: »In Gottes nahmen fange ich nun Wieder Ein neues Jahr an, o daß es das Letzte nach seinem Weisen wille sein möchte.«
Dieser Wunsch wird ihr nicht erfüllt, sie muss noch viele Jahre warten und viele Demütigungen mitmachen, bis sie endlich am 1. Januar 1811 in ihrem Witwensitz Schloss Kirchheim unter Teck von ihren Gallensteinen »königlichen Ursprungs« und ihrem unheilbaren Unterleibsleiden erlöst wird.
»In Kirchheim war sie die wohltätige Fee des Städtchens. Hier gedachte man ihrer als des guten Engels ihres Landes. Hier verlebte sie im Stillen den Rest ihrer Tage.« So Ottilie Wildermuth.
Und dann hat es noch 193 Jahre gedauert, bis ihr der gute Gipsermeister Karl Schäffer aus Sielmingen ein Grabmal für ihr bis dahin anonym gebliebenes Grab im Chor der Kirchheimer Martinskirche machen ließ. Und 200 Jahre, bis ihr der Herr Professor Dr.-Ing. Ulrich Voelter aus Sindelfingen, Urenkel der Schwester von Franziskas letzter Hofdame Louise von Breitschwert (1789–1821), zur Feier des Tages ein Denkmal am dortigen Schloss gestiftet hat.
Auf beiden ist unter anderem zu lesen: »Durch Frömmigkeit und Wohlthätigkeit zeichnete sie sich aus. Ihr Herz schlug warm für Gott und Menschen.«
»So kam es, daß, während kurz zuvor Frankreichs Volk den Thron blutig umstieß, und seinen Fürsten mit wilder Freude auf das Schaffot brachte, des Herzogs Tod, der in den Armen Franziska’s entschlief, am 24. Oktober 1793, sein Land in eine tiefere Trauer und Klage versezte, als sie zu seyn pflegt, wenn ein Vater aus dem Kreise seiner Kinder scheidet. Die lezte schöne Zeit seiner Regierung warf eine blendende Decke über das Frühere, und noch jezt leben die Namen Carl und Franziska im Munde des Volkes und in liebender Erinnerung der Alten, und ihre Zeit wird von diesen als ein goldnes Zeitalter gepriesen.«
Der Achtundvierziger Wilhelm Zimmermann (1807–1878) in: Die Geschichte Würtembergs, Stuttgart 1,1836–2,1837. Dort 2,513 f.