Mit einem Satz weltberühmt

Ritter Gottfried von Berlichingen (um 1480–1562)

Anno 1731 erschien in Nürnberg die Mitte des 16. Jahrhunderts auf der Burg Hornberg am Neckar dem dortigen Patronatspfarrer diktierte »Lebensbeschreibung des Herrn Gözens von Berlichingen«. Ein Exemplar dieses Buches landete in der Bibliothek des Kaiserlichen Rats Johann Kaspar Goethe in Frankfurt und diente seinem gerade mal 22 Jahre jungen Sohn Johann Wolfgang als Vorlage, als der anno 1771 innerhalb von sechs Wochen die Urfassung seines Sturm- und Drang-Dramas um den Haudegen aus der Zeit der Reformation und der Bauernkriege niederschrieb, das ihm über Nacht den ersten literarischen Ruhm einbringen sollte.

Das darin enthaltene, vom reifen Dichter auf Drängen seiner Freunde Wieland und Herder nur noch mit unverfänglichen Gedankenstrichen wiedergegebene, bei jeder Theateraufführung stürmisch umjubelte, auch noch der Pisa-Generation vertraute »Götz-Zitat« lautet also: »Sag deinem Hauptmann: Vor Ihro Kayserliche Majestät habe ich, wie immer, schuldigen Respekt. Er aber, sag’s ihm, kann mich im Arsch lecken!«

Ein Spruch geht um die Welt. Es hat seinen Urheber und seinen Verfasser weltberühmt gemacht und dürfte zweifellos das bekannteste und meist verbreitete Dichterwort der ganzen Menschheitsliteratur geworden sein und taucht in alle Sprachen und Dialekten dieser Erde auf. Die eigentlichen Urheberrechte aber für diesen auch von Schiller, Mozart und anderen abendländischen Geistesgrößen so gerne gebrauchten so genannten »Schwäbischen Gruß« des fränkischen Reichsritters liegen indessen in Pompeji. Sebastian Blau alias Josef Eberle hat seine Landsleute auf die von Nobelpreisträger Theodor Mommsen entdeckte Inschrift »Fortunate, linge culum« hingewiesen.

Und auf »die darauf aufgebaute Weltanschauung. Man nennt dieses System, das man als volkstümliche Wiedergeburt der alten Stoa ansprechen könnte, den L.m.i.A.-Standpunkt. Wer sich darauf stellt, der ist gefeit, gegen ihn stürmen die Wogen des Schicksals machtlos an.« (1935). Und Thaddäus Troll empfahl diese Einstellung als »kostenloses und rezeptfreies Mittel gegen Magengeschwüre.«

Die 1151 im Zusammenhang mit der mit ihrer Hilfe erfolgten Stiftung des Klosters Schöntal erstmals urkundlich erwähnte, nach ihrem Stammhaus an der Jagst benannte Familie trägt diesen Weltruhm mit Fassung und ihr Wappen mit Stolz: »In schwarzem Schild ein fünfspeichiges silbernes Wagenrad. Auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein sitzender silberner Wolf mit einem silbernen Lamm im Rachen«. Schließlich hat sie nicht nur den anno 1562 mit 82 Jahren verstorbenen und seither im Berlichingischen Erbbegräbnis im Schöntaler Kreuzgang laut Grabmal »auf eine fröhliche Auferstehung« wartenden Heldenahnen vorzuweisen, sondern zahlreiche andere bedeutende Köpfe, unter ihnen württembergische Räte in der Renaissance, österreichische Feldmarschälle im Barock und badische Politiker im Bismarckschen Kaiserreich, wie etwa den Grafen Friedrich Wolfgang Götz von Berlichingen, den Verfasser der »Geschichte des Ritters Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand und seiner Familie« (Leipzig 1861).

In jüngster Zeit hat die Familie Berlichingen die Aufmerksamkeit nicht nur der Regenbogenpresse auf sich gezogen, als der verwitwete, vormalige siebte Präsident der Bundesrepublik Deutschland, der aus Landshut in Bayern gebürtige und trotzdem evangelische Roman Herzog die gleichfalls verwitwete Alexandra Freifrau von Berlichingen, geborene von Vultejus, gebürtig aus Ludwigslust in Mecklenburg, zum Traualtar führte. Die Ehepaare hatten sich zu einer Zeit kennen gelernt, als der Herr mit dem bürgerlich-hocharistokratischen Nachnamen als Stuttgarter Kultusminister die berühmten Götz-Festspiele im Schloß Jagsthausen besuchte. Es gilt als sicher, dass der Herr Alt-Bundespräsident seither vielfach Götz von Berlichingen zitiert: »Wen Gott lieb hat, dem geb er so eine Frau!«

 

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