Anruf auf verschlüsseltem Mobiltelefon
»Salam aleikum, ich grüße dich, mein Bruder.«
»Heißer Tag heute. Wie geht es euch da drüben? Für mich fühlt es sich an, als würde die ganze verdammte Sahara durchs Fenster wehen.«
»Du hast gut reden, in deinem klimatisierten Büro. Wir sitzen hier draußen auf dem gottverdammten Berg und warten auf den Tag.«
»Der Tag wird kommen, mein Bruder, der Tag wird sicher kommen.«
»Nun sag schon, was wisst ihr? Wann geht’s los?«
»Der Tag wird kommen.«
»Mann, habibi, du hast mich angerufen. Warum denn? Um mir zu sagen, dass der Tag kommen wird? Ich dachte, du kommst endlich mit ein paar Infos um die Ecke.«
»Ich weiß es noch nicht. Wir haben noch kein Go von unseren Brüdern aus Syrien.«
»So eine gottverdammte Scheiße. Wir grillen hier und müssen uns von den beschissenen marokkanischen Bullen drangsalieren lassen. Wenn die wüssten, wie gern ich denen die Scheiße aus dem Hirn prügeln würde. Aber ich muss ja einen verdammten Flüchtling spielen.«
»Nur noch ein bisschen müsst ihr warten, dann geht es los. Aber etwas anderes, mein Bruder. Sag, wie sind die anderen drauf?«
»Uns ist allen gleichermaßen warm. Und wir finden es alle nicht besonders prickelnd, zwischen all den Christen aus Schwarzafrika.«
»Ich meinte: Benimmt sich jemand merkwürdig?«
»Verstehe nicht …«
»Ich meine: Gibt es da einen, einen Helden aus dem Kampf, der sich irgendwie ungewöhnlich verhält? Der ab und zu verschwindet? Oder im Schlaf von ›Police‹ redet? Oder ungewöhnlich lange kacken geht?«
»Was willst du andeuten? Meinst du …«
»Ich frage nur. Es soll gar nichts andeuten. Nur so viel: Was tut der Blonde?«
»Was meinst du, meinst du etwa Adel?«
»Nun sag schon …«
»Adel verhält sich tadellos. Er ist …«
»Was meinst du? Warum schweigst du?«
»Na ja, jetzt, wo du mich so fragst: Früher, ich kenn Adel ja schon lange, da war er viel aufmüpfiger, viel großkotziger als heute. Er ist in diesen Tagen förmlich kollegial, ganz ruhig und so. Ich fand das sehr angenehm, aber jetzt, wo ich drüber nachdenke: Ja, das ist merkwürdig. Ich werde …«
»Gar nichts wirst du, habibi. Du beobachtest die Scheiße jetzt mal in aller Ruhe weiter. Wenn du ihn erwischst, wie er mit ’nem Handy rumhantiert, das nicht seins ist, oder sonst was, dann machst du kurzen Prozess. Ansonsten: abwarten und genau hinsehen. Aber ohne dass er was merkt. Der Typ ist ein Fuchs.«
»Adel. Das kann doch nicht …«
»Abdullah, hast du mich verstanden? Du tust gar nichts. Du meldest nur alle Vorkommnisse umgehend hierher.«
»Ja, habibi. Verstanden.«
»Gut. Einen guten Tag. Wir hören uns.«
Ende des Gesprächs
Rui hatte Zara die Abschrift des Gespräches zehn Minuten später aufs Handy gesendet.
Sie aß gerade am alten Hafen von Marseille die letzte Sardelle von ihrem Salade Niçoise und genoss eine weitere Scheibe von dem mehlbestäubten Baguette in ihrem Brotkorb. Das fehlte ihr so in Berlin.
Isaakson würde gleich in Málaga landen. Aznar war schon auf dem Weg. Was für ein Dream-Team. Und dann würde sie dazukommen. Oder besser: die brutalere Form ihrer selbst.
Das hoffte sie zumindest. Es lag in ihrer Hand, genug Überzeugungsarbeit zu leisten.
Sie ließ 20 Euro auf dem Tisch liegen und ging zu ihrem Mietwagen, um hinauf in die Calanques zu fahren.