Zoë
Room Mate Valeria Hotel, Málaga, Spanien
P orsche 911 Targa. Lindgrün. Spanisches Kennzeichen: 3212 JBT.
Zoës Arme verspannten sich. Ihr Blick suchte die Umgebung des Hotelparkplatzes ab.
Der gleiche Porsche 911 wie zwischen Tarragona und Castellón, auf der Autopista 7. In den frühen Morgenstunden war das gewesen. Die Straße war menschenleer gewesen, doch irgendwann war sie auf den Porsche aufgefahren. Als er sie im Rückspiegel hatte kommen sehen, hatte er Gas gegeben, sie immer wieder daran gehindert, ihn zu überholen. Er hatte sie herausgefordert.
War gerast wie ein Wahnsinniger. Sie hatte seine Abgase gerochen.
Sie hatte den Fahrer nur schemenhaft erkennen können, als sie einmal auf gleicher Höhe waren. Klein war er, Schnauzbart, sein Blick ging zu ihr, ein Grinsen, als er die 250 Stundenkilometer hinter sich ließ und noch mehr Gas gab, um sie nicht auf der linken Spur an ihm vorbeischießen zu lassen. Hatte er Handschuhe an? Schwarze Lederhandschuhe?
Sie hatten sich minutenlang immer wieder gegenseitig überholt, ein Mal hatte er sie sogar geschnitten, sodass sie voll in die Eisen gehen musste.
Sie war ihm gefolgt, um ihn zu erwischen, wenn er abfuhr. Dann hätte sie ihm den Arm gebrochen. Oder gleich in den Straßengraben geschossen.
Aber er raste schnurstracks weiter, und irgendwann, nach zwanzig Minuten, hatte ihre Müdigkeit gesiegt, und sie war auf einen Parkplatz gefahren, hinter Valencia.
Dort hatte sie sich für eine Stunde auf eine Bank gelegt. Die Lederjacke über sich, die Beretta unter ihrem Körper verborgen, die Hand am Abzug.
Die Nacht war warm gewesen.
Den Porsche hatte sie beinahe vergessen.
Und nun stand dieser Laubfrosch von einem Auto ausgerechnet vor ihrem Hotel. Das konnte zwei Dinge bedeuten …
Auf Zoës Handy war die Zimmernummer vor zwei Stunden angekommen. 212.
Wie damals in Marseille.
Sie ging unbeachtet an der Rezeption vorbei und stieg die Treppen hinauf.
An der Zimmertür lauschte sie kurz, hörte aber nur undeutliches Gemurmel. Männer.
Sie klopfte.
Eine bekannte Stimme kam näher, Sekunden später flog die Tür auf, und da stand er, Isaakson.
Der Schwede.
Sie musste unwillkürlich lächeln, und auch seine Augen verengten sich erst kurz zu Schlitzen, doch dann ließ er sein jungenhaftes Lächeln erstrahlen, als erkenne er sie wieder. Zoë, nicht Zara. Obwohl er keine Ahnung hatte. Keine Ahnung haben konnte.
»Hi, Chefin«, sagte er und ließ sie eintreten.
Der Flur war dunkel, doch als sie weiter ins Zimmer ging, stand da ein Mann im Gegenlicht der Sonne, die von außen hereinschien. Ein kleiner Mann, mit dem Rücken zu ihr.
»Señora von Hardenberg«, sagte er und drehte sich um, »willkommen in Spanien.«
Klein und dunkel war er, ein Schnauzbart im Gesicht, an den Händen Lederhandschuhe.
Ihr Gesicht verzog sich, einen Moment nur, sie wusste, sie dürfte sich nichts anmerken lassen.
»Aznar«, sagte sie, »na, schön, mal in Ihrer Heimat zu ermitteln?«
Er rümpfte die Nase und nahm in einem Ledersessel Platz.
»Andalusien, das ist nicht meine Heimat, meine Liebe. Der arme Süden, pah. Wir fortschrittlichen Katalonen zahlen alles, damit hier die Schafzüchter und Hotelbesitzer subventioniert werden. Ich bin froh, wenn ich hier wieder weg bin. Also, los geht’s.«
Sie nahmen an dem Couchtisch Platz, und der Schwede breitete eine Karte von Melilla und dem Norden Marokkos darauf aus.
Sie beugten sich darüber, und Aznar begann:
»Also, ich war einmal dort drüben vor zig Jahren, aber ich hab die neuesten Informationen von der Policía in Madrid bekommen. Die Islamisten betrieben bislang einen regen Grenzverkehr, aber seit Monaten ist es für sie deutlich schwerer geworden, Menschen über den Zaun zu kriegen. Die Kontrollen sind viel schärfer. Die zentrale Zelle der Islamisten wird nahe dieser Moschee vermutet, in einem Viertel am Rande von Melilla. Dort gibt es unzählige Salafisten. Es gibt aber auch Anwerbungsversuche und Zellen jenseits der Grenze.«
Isaakson nickte und fuhr fort:
»Und nun ist es an uns, herauszufinden, wo unser Mann steckt. Wir dürfen ihn nicht verlieren, er weiß zu viel, was für uns extrem wichtig werden könnte. Auch wenn es mich immer noch schüttelt, wenn ich an mein erstes Zusammentreffen mit ihm auf Zypern denke …«
»Wenn er überhaupt noch am Leben ist«, gab Zoë zu bedenken«.
»Deshalb sollten wir keine Zeit verlieren«, sagte Isaakson. »Wir haben die Einreisegenehmigung für unsere Pistolen von der Guardia Civil bekommen. Unser Flug geht in anderthalb Stunden vom Málaga Airport.«
»Na dann, auf geht’s.«
Die drei standen auf, gerade als Aznar vorbeiwollte, ließ Zoë ihren Fuß in seinem Weg stehen. Der Spanier geriet ins Straucheln, rollte sich aber gekonnt über den Teppichboden ab, ehe er aufkam.
»Sorry, Aznar, hab dich gar nicht gesehen.«
Er blickte sie zuerst erschrocken an, dann verwandelte sich sein Blick aber zu einem wissenden.
»Alles gut gegangen, Zara«, sagte er.
Das war für den Porsche, dachte Zoë, die gleichzeitig überrascht war, wie gelenkig dieser ältere Herr in seinem Maßanzug und mit diesen Lederhandschuhen war. Irgendwas stimmte doch hier nicht.
Sie und der Schwede gingen nur jeweils mit einem Rucksack hinaus, Aznar aber ergriff eine riesige Ledertasche, einen echten Weekender, Zoë erkannte das Louis-Vuitton-Logo darauf.
»Wolltest du noch Urlaub machen dort drüben?«, fragte der Schwede lachend.
»Komm erst mal in mein Alter, dann brauchst du auch mehr Pflegeprodukte«, gab der Spanier zurück.
Zoë betrachtete die ausgebeulte und augenscheinlich schwere Tasche und glaubte Aznar kein Wort.