Bolatelli
Cité La Pomme, Marseille
W as war mit Zoë los?
Er hatte sie beobachtet, seitdem er ihr von der Nummer in La Pomme erzählt hatte, im Wagen, mit geschlossenen Augen. Sie war fahrig gewesen, hatte ihn immer wieder unruhig im Rückspiegel angeblickt. Ihm waren auch ihre Knöchel an den Handgelenken aufgefallen, die weiß aussahen, so fest hielt sie das Lenkrad.
Was war mit seinem Mädchen los? War sie nervös? Sie, die schon ganze Räuberhöhlen alleine ausgeräuchert hatte. Und tonnenweise Koks auf einem Motorrad durch die Republik gefahren hatte.
War sie krank? Er war wirklich in Sorge. Oder wollte sie überlaufen, zu den Al-Hamsis? Dann würde er …
Als sie eben im Schatten der Hochhäuser angehalten hatte, war sie allerdings ohne Zögern ausgestiegen und hineingegangen.
Es war keine leichte Aufgabe, wahrscheinlich hatten die Al-Hamsis deutlich mehr Kohle angeboten, damit die beschissenen Wichser künftig für sie dealen würden.
Doch wenn es eine schaffte, die Jungs zu überzeugen, mit guten Worten oder noch besseren Waffen, dann war sie es.
Die alte Zoë jedenfalls.
Er hatte es sich auf dem Rücksitz gemütlich gemacht und las den Figaro, seine Pistole lag neben ihm auf dem Sitz, die Scheiben waren aber so stark verdunkelt, dass es niemandem gelingen würde hineinzusehen.
Doch bevor er mit dem Wirtschaftsteil fertig war, öffnete sie schon wieder die vordere Tür und stieg ein. Er erschrak kurz.
»Schon wieder hier?«
»Ja«, sagte sie.
»Müssen wir uns beeilen? Kommen gleich die Bullen? Ich hab gar keinen Schuss gehört.«
Sie zuckte die Schultern.
»Gab auch keinen«, sagte sie. »Hier.«
Sie gab ihm ein Blatt Papier, darauf hatte sie mit schöner geschwungener Schrift notiert:
Hiermit bestätige ich, dass meine Gruppe den Verkauf der Produkte exklusiv für Benito Bolatelli oder seine Prokureure übernimmt. Die Dauer dieser Vereinbarung gilt auf fünf Jahre, bei Verletzung gilt eine Vertragsstrafe von 200 000 Euro.
Darunter hatte Sami mit linkischen Buchstaben, aber seinem vollen Namen unterzeichnet.
Er war beeindruckt.
»Wie hast du das geschafft?«, fragte er.
Sie zuckte wieder die Schultern.
»Wohin geht’s als Nächstes?«
»Zum Hafen. Im Containerterminal haben wir auch noch was zu klären.«
Sie schaltete den Wagen an und fuhr los, gleich würde es dunkel werden.
Als sie um die Ecke bogen, vergingen noch einige Sekunden, in denen die Cité ruhig dalag. Doch dann hallte ein einzelner Schuss durch die Straßen, der von den Wänden der Hochhäuser immer wieder zurückgeworfen wurde.