Benito Bolatelli
Restaurant Chez Zara & Zoë, Bormes-Les-Mimosas, Provence
D
er Audi A8 piepte, als Bolatelli auf der Fernbedienung die Taste drückte, die den Wagen verriegelte.
Sein rechtes Knie schmerzte beim Gehen, er verfluchte das Alter. Vielleicht war er wirklich zu alt für diesen Dreck.
Er stieg die Düne empor, nur einen Moment durchschnaufen. Er kannte diesen Ort von früher, Zoë war einmal mit ihm hier gewesen.
Der Sichelstrand, diese blaue Bucht, bis dort hinten zu den weißen Jachten, irgendwo im Nebel lag Korsika.
Vielleicht, ja, vielleicht könnte er es schaffen, nach Hause zu gelangen. Lebendig, gesund, als Pate von Südfrankreich.
Er hatte getan, was er hatte tun können. Doch hatte er alles durchdacht?
Er stieg die Düne wieder hinab, ging durch das schattige Pinienwäldchen auf die Sonnenschirme und den Eingangsbereich des Restaurants zu.
Blau und Gelb, die Farben des Himmels und des Lichtes hier unten, so hatte Zoës Vater sein Restaurant gestaltet. Sehr geschmackvoll, es hatte ihm schon damals gut gefallen.
Und als er hier stand, vor all den leeren Stühlen, neben dem Grill, an dem sonst am Mittag die Hölle los war, spürte er: Das hier war kein Ort zum Sterben. Die Dinge würden gut ausgehen.
Das Restaurant war menschenleer, Zoë hatte sogar die Küchenkräfte nach Hause geschickt.
Nun sah er sie. Dort hinten saß sie an einem Tisch auf der sonnigen Terrasse.
Wie immer trug sie die unverwechselbare Lederjacke, ein weißes Tanktop, dunkelblaue Jeans.
Sie lächelte ihr Gegenüber an. Er erkannte den Mann.
Fred Coste.
Damals war er ein Verlierer.
Nun war er ein gemachter Mann.
Dank Zoë.
Fred stand auf, als er ihn kommen sah. Zoë aber blieb sitzen. Natürlich.
»Monsieur Bolatelli, bienvenue«, sagte der Patron. »Ich weiß, beim letzten Mal, als Sie hier waren, lobten Sie unseren Hauswein, darf ich Ihnen einen Viertelliter bringen? Sie verstehen, dass ich ob der Umstände heute selbst serviere?«
Bolatelli umarmte den Mann, der zehn Jahre jünger war als er, gab ihm die drei bises, dann hielt er ihn an den Schultern: »Sie sehen gut aus, Fred, wie schön, Sie wiederzusehen. Wissen Sie, wenn hier alles gut gelaufen ist, dann trinken wir ein Glas zusammen, doch bis dahin würde mir ein Perrier genügen.«
»Selbstverständlich«, entgegnete Fred und entschwand.
Bolatelli setzte sich neben Zoë.
»Du warst lange weg.«
Irgendwie sah sie zerknirscht aus.
»Ja, mein Auftrag hatte sich ungut entwickelt. Aber nun ist alles wieder in der Spur.«
»Ich habe derzeit wirklich keine Lust auf krumme Dinger.«
»Wirklich, alles im Lot.«
Kein Zoë-Satz. Wirklich nicht.
Er entnahm seiner Schachtel einen Zigarillo und entzündete ihn. Es war viel zu heiß, um zu rauchen. Aber, verdammt, er war nervös.
Fred stellte das Wasser vor ihn hin.
»Merci.«
Das Geräusch spritzender Erde, eine Staubwolke, die sich von der hinteren Straße aus bis zu ihnen zog.
Bolatelli betrachtete Fred, der streng den Kopf schüttelte.
»Nein, mein Guter, diese Jungs haben einfach kein Benehmen«, sagte der alte Pate, und Zoës Vater lächelte.
Die Bremsen quietschten, und nur wenige Sekunden später kamen die beiden Männer auf ihren Tisch zu.
Shokran Al-Hamsi wie immer wie ein Dandy, Einstecktuch, Gamaschen, weiße Budapester zu einem grauen Retro-Anzug. Sein Bruder dagegen wie ein Mailänder Banker. Designeranzug, schwarze Schuhe, Gucci-Sonnenbrille.
Sie setzen sich, ohne einander die Hand zu geben.
»Meine Herren, was darf ich bringen?«, fragte Fred.
»Welchen Champagner haben Sie?«, fragte Shokran.
»Taittinger«, sagte Zoës Vater.
Der Mann zog die Stirn kraus.
»Sekretärinnenbrause«, murmelte er, und Bolatelli sah Fred dabei zu, wie er den Jungen am liebsten auf dem Holzkohlegrill abgelegt hätte. »Aber gut, bringen Sie eine Flasche. Es gibt gleich bestimmt etwas zu feiern.«
Fred ging und brachte kurz darauf die Flasche und einen Kühler. Das Schweigen war eisig.
Shokran zündete sich eine rote Gauloises an, sein Bruder saß da wie ein Gorilla.
Der Korken glitt lautlos aus der Flasche, Fred goss ein und verschwand wieder, Shokran trank. Da saßen sie sich also gegenüber. Alle beäugten einander, doch es war offensichtlich, dass Shokran und Silas besonders Zoë anstarrten, als sei sie ein seltenes Insekt.
»Gut, meine Herren«, brach Bolatelli die Stille, »dann wollen wir mal. Es gibt einige Dissonanzen, die nicht gut sind fürs Geschäft. Sie sagen mir jetzt mal, was Sie wollen, und ich sage, was ich will. Und dann schauen wir, wo wir uns treffen können.«
Shokran grinste, stellte sein Glas ab und faltete die Hände, dann ließ er die Knöchel knacken.
Bolatelli hasste das.
Er spürte, wie sich seine Haare im Nacken aufstellten. Dieses Zeichen hatte ihn noch nie getrügt.
Doch Shokran sagte ganz jovial: »Ich finde auch, wir sollten uns einigen. Also, dann wollen wir mal … Ich denke, wir könnten die Quartiere in Marseille durchgehen und unsere Einnahmen vergleichen, und dann sollten wir einmal schauen, ob wir uns auch in den übrigen Teilen der Provence neu aufteilen kö−«
Das Brummen des schweren Motorrades ließ ihn kurz verstummen.
»Erwarten Sie jemanden?«