12. KAPITEL

Hamburg, Freie Reichsstadt

»Madame! Ich will Euch sprechen!«

Augusta zuckte zusammen, als die barsche Stimme ihres Gatten auf der anderen Seite der Tür ertönte, und sie ließ den Brief sinken, den ihre Zofe ihr am Morgen zusammen mit dem Frühstückstablett gebracht und den sie seitdem schon ein Dutzend Mal gelesen hatte.

»Selbstverständlich, Seigneur.« Hastig faltete sie den Brief zusammen und schob ihn unter das Kissen des kleinen Sofas, auf dem sie saß. Dann glättete sie ihren seidenen Morgenrock und überzeugte sich davon, dass er perfekt saß. »Tretet ein.«

Die Tür öffnete sich bereits, bevor sie den letzten Satz auch nur begonnen hatte. Albert de Montfine betrat das Schlafgemach seiner Frau. Nach einem Schritt blieb er stehen und warf einen finsteren Blick auf die Zofe, die auf einem kleinen Hocker am Fenster saß. »Schickt sie weg!«, befahl er, ohne Augusta anzusehen. »Bei dieser Unterhaltung will ich nicht von neugierigen Ohren belauscht werden!«

Augusta verbiss sich eine spitze Erwiderung und bedeutete Lisette mit einem gequälten Lächeln, dem Wunsch ihres Gemahls nachzukommen. Sie folgte der jungen Frau mit ihrem Blick, bis diese die Tür hinter sich geschlossen hatte, und vermied es, ihren Gemahl anzusehen.

Seit ihrer Ankunft in Hamburg hatte sich ihr Verhältnis erheblich verschlechtert. Ihr Gatte war immer schon brüsk und abweisend gewesen, aber sein Verhalten ihr gegenüber war seit ihrem Aufenthalt im Palais du Louvre noch kälter geworden. Augusta ahnte den Grund dafür. Jean Armand du Plessis, der ehemalige Vertraute der Königinmutter Maria de Medici, auch bekannt als Kardinal Richelieu. Der mächtige Mann, in dessen Gunst sich Albert de Montfine hatte sonnen wollen, fand ganz offensichtlich Gefallen an der jungen, schönen Marquise de Berny. Jedenfalls genoss er ihre Gesellschaft und ihren, wie er Albert gegenüber bei keiner Gelegenheit zu erwähnen vergaß, scharfen Verstand.

Und Augusta musste zugeben, dass sie die Gesellschaft des Kardinals ebenfalls als belebend empfand. Richelieu schien – im Unterschied zu ihrem Ehemann – trotz seiner Macht und seines Einflusses Frauen nicht nur als potentielle Mütter von Erben zu betrachten. Vielmehr hatte sie den Eindruck, dass der Kardinal tatsächlich etwas auf ihre Meinung gab.

Vielleicht liegt es daran, dass er viel mit Maria de Medici zu tun gehabt hat, auch wenn sich die beiden mittlerweile offenbar nicht mehr so gut verstehen. Ihr war aufgefallen, dass die Atmosphäre sofort extrem angespannt war, wenn Richelieu, die Königinmutter und der König zusammen waren. Was allerdings nur zweimal vorgekommen ist. Und das eine dieser beiden Male war vermutlich der Grund für Albert de Montfines fast schon feindseliges Verhalten ihr gegenüber.

Richelieu hatte Augusta in seine Privatgemächer eingeladen, um mit ihr zu dinieren, und während des Desserts, das sie auf einem von diesen geschwungenen Fauteuils einnahmen, bei denen man sich gegenübersitzt, war die Königinmutter mit Albert im Kielwasser hereingeplatzt.

Offenbar hat sie erwartet, den Kardinal und mich in einer pikanten Situation zu überraschen. Und Albert hat das wohl ebenfalls gedacht.

Augusta richtete ihren Blick auf ihren Gemahl, als der sich ungeduldig räusperte. Sicherlich war Eifersucht der Grund für das kalte Verhalten des Marquis, und eigentlich hatte er auch allen Grund dafür. Es schüttelte sie immer noch, wenn sie an die beiden Male dachte, bei denen sie bislang ehelichen Verkehr gehabt hatten. Beim ersten Mal hatte er seiner Pflicht Genüge getan und die Ehe vollzogen. Sie hatte keinen Hehl daraus gemacht, wie wenig ihr das gefallen hatte und dass sie hoffte, bis zur Empfängnis eines Erben dieser »Notwendigkeit der Natur« so selten wie möglich nachkommen zu müssen.

Sie wusste, dass Albert sich körperlich kein bisschen zu ihr hingezogen fühlte, sodass das zweite Mal noch schlimmer gewesen war. Er hatte sie vorher nach einem günstigen Zeitpunkt für die Empfängnis gefragt, und Augusta hatte, einem Impuls folgend, gelogen. Mittlerweile war sie sich vollkommen sicher, dass sie niemals ein Kind von diesem Mann bekommen würde. Sie wollte nur noch weg von ihm, aber sie wusste nicht, wie sie das anstellen sollte. Nicht zuletzt deshalb hatte sie sich bemüht, ihn dazu zu bringen, sie mit nach Deutschland zu nehmen.

Ein Hintergedanke, den Albert de Montfine natürlich durchschaut hatte. Und nach ihrem Besuch im Palais witterte er in jedem halbwegs attraktiven Mann, was im Vergleich zu ihm so ziemlich jedes männliche Wesen war, einen Kuckuck, der ihn zum Hahnrei machen würde und ihm möglicherweise sogar ein Ei ins Nest legte.

Selbst schuld, dachte Augusta. Wenn du mich etwas freundlicher behandeln würdest Sie betrachtete ihren Mann, die Hakennase, das fliehende Kinn, den spärlichen Haarwuchs, den er unter einer Perücke verbarg, und die gekrümmte Haltung der hageren Gestalt. Nein, gestand sie sich ein, auch dann nicht.

Offenbar hatte Albert de Montfine keine Lust mehr, darauf zu warten, dass seine Gattin ihn zum Sprechen aufforderte. »Heute Nachmittag werde ich zu diesem jüdischen Bankier gehen, diesem da Silva.« Er starrte Augusta missmutig an. »Er und de Lemos erwarten mich in der Hamburger Bank im Rathaus, zusammen mit diesem Schwachkopf von Chevalier. Ich kann nur hoffen, dass sie wenigstens nicht das ganze Gold des Kardinals diesem Dänen in den Rachen geworfen haben!« Er schnaubte. »Vorher suche ich allerdings noch einen Medicus auf, den Sohn dieses angeblichen Wunderheilers, von dem ganz Hamburg redet, Benedictus de Castro.« Er schüttelte den Kopf. »Natürlich ist auch er ein Jude wie sein Vater Rodrigo! Ich weiß wirklich nicht, was diese Leute sich einbilden! Glauben sie wirklich, dass es genügt, sich einen spanischen Namen zuzulegen und pro forma zum katholischen Glauben überzutreten, um sich vor der Heiligen Inquisition sicher zu fühlen?«

Es sind portugiesische Juden, edler Gemahl. Sepharden, keine Spanier. Und heilig ist diese Inquisition ganz sicher nicht! Klugerweise behielt sie das für sich, zumal seine Frage wohl auch nur rhetorisch gemeint war.

»Quält Euch etwas, Seigneur?« Sie musste sich Mühe geben, um nicht hoffnungsvoll zu klingen.

»Die Gicht, nichts weiter.« Albert kniff die Augen zusammen. »Macht Euch keine Sorgen, Madame! Bevor Ihr nicht meinen Erben in Euch tragt, werde ich diese verdammte Welt nicht verlassen!«

Dann werdet Ihr ewig leben, Monsieur, dachte sie. »Natürlich nicht, Seigneur«, antwortete sie. »Ihr teilt mir mit, dass Ihr zu einem Arzt geht und zu der Bank, weil ich in dieser Zeit etwas für Euch tun soll, nehme ich an?«

»Im Gegenteil«, antwortete er. »Nichts sollt Ihr in dieser Zeit tun. Ich will, dass Ihr das Haus nicht verlasst, bis ich wieder da bin. Oder …« Er machte eine unwirsche Handbewegung. »Bereitet Euch auf das wichtige Diner vor, zu dem wir heute Abend eingeladen sind, bei Salvius, dem schwedischen Residenten in Hamburg. Ich gehe davon aus, dass de Lemos mit seiner Tochter und dem Chevalier ebenfalls dort auftauchen wird, wie wohl auch der Erste wortgewandte Bürgermeister von Hamburg und …«

»Worthaltender Bürgermeister.«

»Wie bitte?« Albert sah seine Frau ungnädig an.

»Es heißt Worthaltender Bürgermeister, Seigneur.« Augusta lächelte. »Es liegt mir fern, Euch zu verbessern, aber ich dachte, es wäre …«

»Ja, ja, schon gut.« Albert de Montfine machte erneut diese unwirsche Bewegung mit der Hand. »Jedenfalls werden bei diesem Diner einige wichtige Persönlichkeiten anwesend sein, und ich möchte Euch bitten, Euch entsprechend schicklich zu verhalten. So eine Szene wie im Palais du Louvre möchte ich nicht noch einmal erleben.«

Augusta spürte, wie ihr bei den beleidigenden Worten ihres Gemahls die Röte ins Gesicht stieg. Denkst du vielleicht, mir geht es anders? Augusta konnte ihren Zorn kaum zurückhalten. Sie richtete sich etwas gerader auf und hörte, wie etwas unter dem Kissen knisterte. Der Brief.

»Was ist das?« Albert hatte es ebenfalls gehört. Mit zwei schnellen Schritten war er neben ihr und griff mit seiner knochigen Hand unter das Kissen. »Was versteckt Ihr da vor mir?«

Augusta versuchte, ihm den Brief wegzunehmen, aber er hielt ihn hoch und stieß sie gleichzeitig mit der anderen Hand unsanft auf das Sofa zurück, als sie aufstehen wollte.

»Eine Epistel Eures Liebhabers, also doch!« Die Augen des Marquis glühten vor Wut. »Ich habe es ja gewusst! Wahrscheinlich habt Ihr das Netz Eurer Jugend und Naivität über den Kardinal ausgeworfen und ihn verführt, den armen Mann!« Sein Blick zuckte zur Signatur am Ende des Briefes. »Euer … Euer Bruder?«

Wieder versuchte Augusta ihm den Brief wegzunehmen, und wieder wehrte er ihre Hand ab, diesmal allerdings nicht ganz so grob. Statt ihr den Brief zurückzugeben, begann er, ihn zu lesen. »Sieh an, dieser Landjunker hat sich bereits in die Gunst von Wallenstein geschlichen!« Er warf Augusta einen verächtlichen Blick zu. »Diese besondere Fähigkeit scheint bei Euch in der Familie zu liegen, Madame.«

Augusta kämpfte mit den Tränen und bekam fast keine Luft vor Wut. Am liebsten hätte sie diesen anmaßenden, ekelhaften Kerl auf der Stelle erdolcht, aber außer ihrer Haarnadel hatte sie nichts, was sie als Waffe hätte benutzen können.

»Oho!« Der Marquis hob die Brauen. »Lieutenant ist er also schon.« Er lachte. »Keine schlechte Karriere für einen adligen Bauernburschen.« Beim Weiterlesen runzelte er die Stirn. Dann warf er den Brief auf das Sofa und sah Augusta an. »Wer ist dieser Eik, den er nicht von Euch grüßen konnte?«

Augusta hatte die Fäuste geballt, und ihr stand der Sinn nur danach, diesen Mann zu verletzen. »Mein erster Liebhaber, Seigneur. Ein richtiger Mann.«

Aber Albert de Montfine schien nicht sonderlich beeindruckt. »Euer erster Liebhaber?« Er schnaubte, und er wirkte auf einmal fast amüsiert. »Wenn ich mich nicht irre, ist Blut geflossen, als ich unsere Ehe vollzog, Madame. Also kann dieser Kerl wohl kaum ein richtiger Mann gewesen sein, und schon gar kein besonders erfahrener Liebhaber. Eigentlich bedauerlich, denn etwas Erfahrung in solchen Liebesdingen hätte Euch gewiss nicht geschadet. Vielleicht wäre dann unsere Ehe bereits mit einer Leibesfrucht gesegnet!« Er starrte sie noch einen Moment lang böse an, dann fuhr er herum, ging zur Tür und riss sie auf. Lisette, die offenbar auf der anderen Seite gelauscht hatte, fuhr hastig zurück, aber Albert achtete nicht auf die Zofe.

Er drehte sich um und sah noch einmal zu Augusta zurück. Dann streckte er die Hand aus und deutete auf sie. »Vergesst nicht, was ich Euch gesagt habe! Ihr werdet das Haus nicht verlassen, sondern Euch bereit machen, heute Abend mit mir und diesen Herrschaften zu dinieren. Sollte ich Grund zur Klage über Euer Verhalten haben, werdet Ihr das bereuen, Madame!« Damit wandte er sich zum Gehen. »Ich hole Madame um Glockenschlag sieben Uhr heute Abend ab. Sorg dafür, dass sie fertig ist!«, warf er Lisette hin.

Dann stampfte er wütend über den Flur und polterte kurz darauf die Treppe des kleinen Hauses am Nicolai Fleet hinab, wo sie Quartier bezogen hatten.

Erst als Lisette das Gemach ihrer Herrin betreten und die Tür hinter sich zugezogen hatte, ließ Augusta ihren Tränen freien Lauf.

Seufzend rollte sich Eik zur Seite. Er schloss die Augen, lauschte dem Klopfen seines Herzens und genoss das Gefühl von Befriedigung und Erschöpfung.

Dann spürte er eine zarte Berührung auf seiner schweißnassen Brust.

Leona hatte sich zu ihm gebeugt und küsste ihn auf die Brust. »Glücklich?«, fragte sie ihn und ließ sich wieder an seine Seite sinken.

Eik drehte ihr das Gesicht zu, ohne die Augen zu öffnen. Sie roch noch nach ihrem Liebesspiel, ihre Wangen waren von seinem kurz geschorenen Bart gereizt und glühten rot, ihre Augen waren groß, braun und glänzten.

Du machst mir Lust, dachte er, während er die Hand ausstreckte und ihren weichen Busen berührte. Sehr sogar, dachte er, als Leona die Augen schloss und leise stöhnte. Aber ist das Glück? Er spürte, wie sie ihm ihren Schoß entgegenschob, und er beschloss, nicht weiter über diese Frage nachzudenken.

Plötzlich stieg eine Erinnerung in ihm hoch. »Du«, stöhnte er, als er in Leona eindrang, fast grob, so als könnte dieser Akt verhindern, dass er sich an das Gesicht der Frau erinnerte, die ihm seinen ersten richtigen Kuss geschenkt hatte. »Du!«, wiederholte er, öffnete die Augen und starrte in Leonas Gesicht, während er immer wieder zustieß. Er beobachtete, wie sie laut und mit offenem Mund stöhnte. Sie umschlang ihn mit Armen und Beinen und presste sich gegen ihn.

Dann schloss Eik wieder die Augen und überließ sich ihrem gemeinsamen Vergnügen.

»Irgendwann werden wir es Vater sagen müssen.«

»Sicher.« Eik lag mit hinter dem Kopf verschränkten Händen auf dem zerwühlten Bett und beobachtete, wie Leona ihr kupferrotes Haar bürstete. Er erinnerte sich noch daran, wie überrascht er über die Fülle ihres Haars gewesen war, als Leona es zum ersten Mal für ihn gelöst und er mit seinen Fingern hindurchgefahren war. Es war voll und so schwer, dass es sich fast wie ein Vorhang aus Seide anfühlte. »Wenn er es nicht längst ahnt.«

Und ich frage mich auch, dachte er, ob ich der einzige Mann bin, den du vor ihm verbirgst. Eik war nicht sonderlich erfahren, was Frauen anging, doch ihm war klar, dass er ganz gewiss nicht Leonas erster Liebhaber war. Aber du hast keinen Grund, dich darüber zu beschweren. Er musterte ihren nackten Rücken und grinste. Gar keinen.

Leona unterbrach ihre Tätigkeit und drehte sich zu ihm um. Der Anblick ihrer nackten Brüste erregte Eik erneut, und er sah ihr hastig in die Augen.

»Das ist nicht dasselbe«, erwiderte sie eine Spur vorwurfsvoll. Dann lachte sie, als sie seine Reaktion auf ihre Nacktheit bemerkte. »Du bist wirklich unersättlich.« Sie legte die Bürste auf den Tisch und stand auf. »Mon amour.«

Eik schluckte. »Und du bist wirklich wunderschön.«

Sie lächelte und errötete, was er ein wenig merkwürdig fand. Immerhin hatten sie gerade miteinander geschlafen, und sie stand nackt vor ihm und blickte auf seine Männlichkeit. Und doch machte ein so einfaches Kompliment sie verlegen.

»Was meinst du damit?«, fragte er, als sie langsam auf das Himmelbett in der Mitte ihres Gemaches zuging. »Ich meine, dass es nicht dasselbe ist?« Er stützte sich auf die Ellbogen, als sich Leona auf das Fußende kniete, ohne ihren Blick von seinen Augen zu nehmen, und langsam auf ihn zukroch.

»Ich meine, es ist nicht dasselbe, ob mein Vater etwas ahnt oder wir ihm sagen, dass wir …«

»Dass wir was?« Eik schloss die Augen, als sie ihre Hand um sein Glied legte und es sanft massierte. »Seit einem Monat fast jeden Tag genau das miteinander tun, was wir gerade tun?« Er stöhnte.

Leona hatte ihre Lippen um sein hartes Glied geschlossen. Nun hob sie den Kopf und ließ ihn los. »Das meinte ich nicht.«

Eik legte die Hand auf ihr Haupt und versuchte, es auf seinen Schoß zu drücken. »Bitte hör nicht auf.«

»Ist das alles, woran du denkst?« Sie befreite sich aus seinem Griff und wich zurück.

Eik ließ die Hände auf das Laken fallen und seufzte. Dann fuhr er sich über das Gesicht, stemmte sich hoch und lehnte sich mit dem Rücken an das Kopfende des Bettes. »Im Augenblick? Ehrlich gesagt, ja.« Er lächelte, aber Leona verzog keine Miene, während sie ihn aufmerksam betrachtete. Sie stand auf, ging zum Stuhl, über dem ein Hausmantel aus kostbarer chinesischer Seide hing, nahm ihn und zog ihn an, um sich dann wieder auf den Stuhl zu setzen.

Eik betrachtete sie und erinnerte sich an den Vormittag vor gut einem Monat, als er in ihr Zimmer gestürmt war, weil er sie hatte schreien hören, und sie auf dem Bett gestanden und auf eine Ratte gezeigt hatte. Das Tier hatte zitternd, vermutlich vor Schreck wegen des Geschreis, in einer Ecke des Zimmers gehockt.

Eik hatte die Ratte mit seinem Stiefel erschlagen, nachdem sie sich unter das Bett geflüchtet hatte, und als er sich neben Leonas Bett wieder aufrichtete, hatte sie ihn aus Dankbarkeit stürmisch umarmt.

Es war das erste Mal und wie ein Wunder für ihn gewesen, dass er mit einer Frau zusammen war. Richtig zusammen, dachte er, als erneut Augusta durch seine Gedanken huschte. Seitdem hatten sie nicht genug voneinander bekommen können. Aber trotz der körperlichen Freuden, die sie einander schenkten, konnte Leona sein Inneres nicht erreichen, jedenfalls nicht so, wie er es sich wünschte.

Sei ehrlich, dachte er bitter, so wie Augusta dich durch ihren Kuss berührt hat, hat Leona dich nie berühren können. Genau das bereitete ihm ein schlechtes Gewissen. Und Unbehagen, wenn das Gespräch darauf kam, dass sie ihr Verhältnis ihrem Vater gestehen sollten.

Wovor hast du Angst?, fragte sich Eik. Sie ist wunderschön, sie ist gebildet, vermögend, und sie liebt dich. Jedenfalls sagt sie das. Und du?

»Wir können nicht endlos so weitermachen, Eik.« Leonas Miene hellte sich auf, als sie ihm ins Gesicht sah. »Ich liebe dich, und ich weiß, dass du mich auch liebst.« Sie hob eine Braue, in einer Mischung aus gespielter und ernst gemeinter Skepsis. »Das tust du doch, oder?«

»Ich …« Das ist genau der Punkt, dachte er. Ich weiß es einfach nicht. »Ich …«

»Ja, du.« Jetzt war nichts Spielerisches mehr in der Miene der jungen Frau.

Die Rettung kam von einer Seite, mit der Eik nicht gerechnet hatte und Leona wohl ebenso wenig.

Es klopfte an ihrer Zimmertür. »Signorina de Lemos?«

De Vries? Was, zum Teufel, will er von Leona?

Offenbar stellte sich Leona dieselbe Frage, denn sie sah Eik vollkommen verblüfft an. »Hauptmann …« Ihre Stimme war ein heiseres Krächzen, und sie räusperte sich. »Herr Hauptmann.« Seit sie sich in Hamburg wiedergesehen hatten, sprachen Leona und ihr Vater Deutsch mit Eik und Hauptmann de Vries. Französisch redeten sie nur, wenn sie mit Ducroix zu tun hatten. Wenn es jedoch um Dinge zwischen Vater und Tochter ging, verfielen sie in einen weichen, melodiösen Singsang, der, wie sie Eik lachend gestanden hatte, eine Mischung aus Portugiesisch und Jiddisch war, »eine Geheimsprache, wenn wir nicht wollen, dass ein leidenschaftlicher Müllersbursche oder ein aufdringlicher Chevalier verstehen, was wir sagen«.

»Ich kann gerade keinen Besuch empfangen, Herr Hauptmann!«, rief Leona durch die geschlossene Tür. »Was möchtet Ihr von mir?«

»Da Ihr keinen Besuch empfangen könnt, Signora de Lemos, nehme ich an, dass Ihr meinem Offiziersburschen auch nicht ausrichten könnt, dass er sich gefälligst sofort gestiefelt und gespornt unten in der Diele bei mir melden soll!« Sie hörten ein kurzes Lachen durch die Tür. »Sagen wir, in fünf Minuten, aber das ist das Äußerste!«

Leona war rot angelaufen, und Eik starrte sie entsetzt an. Woher weiß de Vries, dass Leona und ich …? Und weiß der Alte das etwa auch? Ich habe es doch geahnt!

Aber Leona fing sich rasch wieder. »Selbstverständlich kann ich ihm das nicht ausrichten, und ich nehme an, das ist auch überflüssig, Herr Hauptmann.« Nach ihrem anfänglichen Schreck schien sich die junge Frau sogar über diese unmögliche Situation zu amüsieren. Jedenfalls klang ihre Stimme seltsam erstickt, als müsse sie ein Lachen unterdrücken, als sie weitersprach. »Kann ich sonst noch etwas für Euch tun?«

Einen Moment lang herrschte Stille auf der anderen Seite der Tür. Dann schien de Vries seinen Mund dichter an das Holz gedrückt zu haben, denn seine Stimme war deutlicher zu hören, obwohl er offenkundig leiser sprach.

»Ich würde es nicht wagen, Euch zu raten, Euch so schnell wie möglich präsentabel zu machen, Signorina de Lemos, weil Euer Vater früher als erwartet von seinen Bankgeschäften zurückgekehrt ist. Er ist gerade zu Euch unterwegs, um Euch mitzuteilen, dass Ihr ihn zu einem festlichen Diner im Haus des kaiserlichen Residenten begleiten werdet. Ebenso wie mein Bursche und ich. Also Eile ist geboten, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf.«

Eik war bereits bei den ersten Worten des Hauptmanns vom Bett gesprungen und hatte sich hastig seine Strümpfe angezogen und die Hose übergestreift.

»Wir … Ich danke Euch, Herr Hauptmann.«

»Dafür besteht kein Grund, Signorina. Ich habe bereits eine Ordonnanz verloren, und einem Offizier der Katholischen Liga dürfte es schwerfallen, hier im streng lutheranischen Hamburg einen geeigneten neuen Burschen zu finden. Allerdings habe ich mich noch nicht entschieden, was ich mit meinem Korporal mache, wenn ich ihn in die Finger kriege.«

Fraglicher Korporal hatte sich mittlerweile die Stiefel angezogen und das Leinenhemd übergeworfen. Er schob die Arme in sein Wams und suchte nach seinem Schwertgurt. Als er ihn sich gerade umgürtete, schlangen sich zwei Arme um seinen Hals. Im nächsten Moment fühlte er feuchte Lippen auf seinem Mund und erwiderte instinktiv den Kuss.

»Ich liebe dich, Eik, aber glaube nicht, dass dieses Gespräch zu Ende ist. Sobald sich die Gelegenheit bietet, werden wir uns weiterunterhalten.«

Wie immer, wenn Eik in ihre grünen Augen blickte, konnte er nur nicken.

»Gut. Und jetzt raus mit dir! Halt, warte!«, rief sie ihm nach, als er bereits zur Tür stürmte. »Hast du nicht etwas vergessen?«

»Ich … Aber wir haben uns doch schon …?«

»Das hier, Dummkopf!« Leona deutete auf den schwarzen Hut, der auf einem Stuhl in der Ecke lag. »Und nimm die andere Tür durch das Wunderzimmer. Oder möchtest du meinem Vater im Flur begegnen?«

Eik stieß einen leisen Fluch aus, kehrte auf dem Absatz um und lief zu der entsprechenden Tür, wobei er auf dem Weg seinen Hut vom Stuhl riss. Sie bringt mich noch um den Verstand!, dachte er, während er die Tür öffnete und sich hindurchschob. Bevor er sie schloss, warf er noch einen Blick zurück auf Leona. Sie hatte den Seidenmantel abgestreift und griff nach dem Krug, um Wasser in die Schüssel zu gießen und sich zu waschen. Als sie seinen Blick bemerkte, hielt sie mitten in der Bewegung inne.

Eiks wurde am ganzen Körper heiß. Sie ist so wunderschön!, dachte er und warf ihr einen Luftkuss zu. Sie schenkte ihm dafür ein strahlendes Lächeln und erwiderte die Geste. Dann scheuchte sie ihn mit einer Handbewegung fort. Sie hat jemand verdient, der sie von ganzem Herzen liebt. Als Eik die Tür hinter sich zuzog, wusste er, dass er dieser Jemand nicht war. Aber er wusste auch, wie schwer es ihm fallen würde, ihr das zu gestehen. Die Anziehung, die sie auf ihn ausübte, entsprang weder so etwas wie Liebe noch der Faszination für ihre kluge Persönlichkeit. Es war etwas, das er nicht erklären konnte. Aber wenn Leona de Lemos ihn ansah oder ihn gar berührte, stockte ihm der Atem, er hörte einfach auf zu denken und folgte seiner Lust. Deinem Schwanz, verbesserte er sich tadelnd und schüttelte den Kopf. So kannst du nicht weitermachen! Aber das sagte er sich fast jedes Mal, wenn er von Leona kam.

Vorsichtig ging er durch das abgedunkelte Wunderzimmer, ein Raum, in dem der Besitzer des Hauses, Alaves da Silva, ein Mitbegründer der Hamburger Bank und spanischer Sepharde, wie man die zum Christentum übergetretenen Juden nannte, wundersame und kostbare Mitbringsel von seinen Reisen aus aller Welt ausgestellt hatte. Eik zuckte zusammen, als in der Dämmerung die Augen des ausgestopften Schimpansen schimmerten, den da Silva ein Freund aus Afrika mitgebracht hatte. Es sah fast so aus, als wäre das Tier plötzlich lebendig geworden. An der Tür zum Flur blieb er stehen und lauschte.

»Leona! Ich muss mit dir reden!« Gabriel de Lemos sprach Portugiesisch, also musste es sich um etwas Ernstes handeln.

»Ja, Papa, einen Moment. Ich wasche mich gerade!«

»Zieh dir etwas über und öffne die Tür. Zum Waschen ist hinterher noch Zeit!«

»Gewiss, Papa. Sofort.«

Eik stellte sich vor, wie sie den seidenen Mantel überwarf und zur Tür ging. Einen Moment später hörte er, wie die Tür geöffnet wurde und Gabriel de Lemos fragte: »Bist du allein?«

Eik verstand zwar kein Portugiesisch, aber offenbar hatte ihr Vater etwas gesagt, das Leona empörte, denn ihre Stimme klang entrüstet, als sie antwortete.

»Selbstverständlich! Was denkst du denn von mir, Papa?«

»Was ich denke, dürfte nach einem Blick auf dein Bett offenkundig sein! Es ist unschicklich, um diese Tageszeit noch zu schlafen!«

Eik war inzwischen auf den Flur getreten. Er musste an Leonas Tür vorbei, um zur Treppe zu gelangen, und konnte der Versuchung nicht widerstehen, dem Gespräch einen Moment zu lauschen und herauszufinden, ob sein Name fiel.

»Was soll ich denn sonst tun? Du sperrst mich ja förmlich in diesem Haus ein, aus Angst, irgendein böser Mensch könnte mich auf der Straße anfallen!«

Gabriel de Lemos rammte wütend seinen Gehstock auf den Boden. »Und das nicht ohne Grund! Auch wenn wir als Sepharden vom Rat dieser Stadt geduldet werden, heißt das noch nicht, dass die einfachen Bürger ihren Zorn gegen uns Juden …!«

»Ach was! Wir sind bei diesen eifernden Lutheranern weit besser angesehen als die Katholiken, das hast du selbst gesagt.« Leona lachte. »Jedenfalls hat sich der Chevalier bitterlich über die abweisende Behandlung durch die Hamburger Bürger beklagt.«

»Wie dem auch sei! Es gehört sich einfach nicht, dass eine junge Sephardin allein durch die Straßen spaziert.«

»Allein? Ich habe Hauptmann de Vries gebeten, mir seinen Ordonnanzburschen …«

»Über diesen Korporal Eik Schmalens will ich ebenfalls mit dir sprechen!«, fiel Lemos ihr barsch ins Wort. »Aber das hat noch Zeit. Es gibt etwas Wichtigeres, das ich dir sagen muss. Heute Abend werden wir im Haus des kaiserlichen Residenten dinieren, zusammen mit Chevalier Ducroix und dem Hauptmann.« De Lemos zischte gereizt. »Und natürlich wird auch sein Offiziersbursche zugegen sein! Ich erwarte von dir untadeliges Benehmen, wie es einer sittsamen Jungfer ansteht! Und bilde dir nicht ein, ich hätte nicht gemerkt, dass du diesem Burschen ständig Blicke zuwirfst. Ich dulde keine Unschicklichkeiten in meinem Haus, schon gar nicht mit einem einfachen Müllersburschen! Schlag dir das gleich aus dem Kopf!«

»Das ist nicht dein Haus, Vater …!«

»Schweig! Du weißt genau, was ich …!«

»Korporal!«

Eik zuckte zusammen, als ihm bewusst wurde, dass Letzteres nicht aus dem Mund von de Lemos gekommen war, sondern aus dem seines Hauptmanns.

Als er herumfuhr, sah er de Vries am Ende des Flures auf dem Treppenabsatz stehen. Der Gesichtsausdruck des Offiziers verhieß nichts Gutes.

Eik nahm sich zusammen, um nicht zu laufen, damit man seine Schritte auf den Dielen nicht hören konnte. »Herr Hauptmann.« Er nahm Haltung an. »Ich habe Euch schon …!«

Der Blick von de Vries ließ ihm die Worte auf der Zunge gefrieren. »Was ich zu Fräulein de Lemos gesagt habe, war durchaus ernst gemeint!«, zischte der Hauptmann, während er vor Eik die Treppe hinabstieg. »Auch wenn es schwierig sein wird, hier einen neuen Offiziersburschen zu finden, werde ich mir einen suchen, wenn ich die Geduld mit dir verliere, Korporal.«

»Herr Hauptmann …«

»Hast du das verstanden, Korporal Schmalens?« De Vries fuhr zu Eik herum und musterte ihn von Kopf bis Fuß.

Eik schluckte und nickte. »Jawohl, Herr Hauptmann.«

»Gut. Und jetzt zieh dich gefälligst ordentlich an.« Er schloss den obersten Knopf von Eiks Wams. »Du siehst aus, als wärst du gerade aus dem Bett einer Frau gestiegen.« Dann fiel sein Blick auf das zerzauste Haar des jungen Mannes. Er beugte sich vor. »Und du riechst auch so.«

Eik lief rot an und wusste nicht, was er sagen sollte.

»In einer halben Stunde werden wir aufbrechen, um de Lemos und seine Tochter zu Johan Adler Salvius zu begleiten, dem schwedischen Residenten in Hamburg. Chevalier Ducroix wird ebenfalls anwesend sein und außerdem der neue Gesandte von Kardinal Richelieu. Das dürfte ein recht spannendes Diner werden. Ich würde es vorziehen, wenn mein Ordonnanzbursche durch makelloses Aussehen und Benehmen auffällt und nicht als Schürzenjäger.«

Eiks Röte vertiefte sich, und de Vries’ strenge Miene hellte sich kurz auf. »Selbst wenn es eine ausgesprochen hübsche Schürze ist, die du da jagst.« Er wurde wieder ernst. »Ich hoffe nur, du weißt, was du da tust, Bursche!« Sein Blick glitt zur Treppe zurück, auf der Schritte ertönten. »Er mag alt und gebrechlich wirken, aber ich verspreche dir, dass er dir das Leben zur Hölle macht, wenn er glaubt, einen Anlass dafür zu haben.«

Als wenn es das nicht schon längst wäre, dachte Eik. Aber er hütete sich, etwas zu sagen, sondern ließ die Standpauke schweigend über sich ergehen.

»Und seine Tochter ist das Wichtigste in seinem Leben«, fuhr de Vries fort. »Zumindest der wichtigste Mensch. Manchmal glaube ich, er liebt sie sogar mehr als seine politischen und wirtschaftlichen Beziehungen. Denk daran, wenn du das nächste Mal nicht in ihrem Zimmer bist.«

»Jawohl, Herr …!«

»Da seid Ihr ja, Hauptmann!« De Lemos stieg langsam die letzten Stufen hinab und ging auf die beiden Soldaten zu. Er begrüßte den Hauptmann mit einem freundlichen Nicken, Eik dagegen bedachte er mit einem säuerlichen Blick. »Du siehst aus, als wärst du gerade aus dem Bett gestiegen!«, sagte der Bankier.

»Das ist er auch, de Lemos«, erwiderte de Vries rasch. »Ich habe ihn aus den Federn gescheucht!«

Das entsprach durchaus der Wahrheit, und der Hauptmann hatte elegant die Frage umgangen, aus welchem Bett er Eik geholt hatte.

»In einer halben Stunde brechen wir auf!«, knurrte de Lemos, der Eik immer noch prüfend ansah. »Sobald da Silva mit seiner Kutsche hier eintrifft. Wir fahren mit ihm zusammen zu Salvius! Sorgt dafür, dass Euer Bursche präsentabel ist, Hauptmann! Ich dulde keine Schlampigkeit in dieser Gesellschaft! Der neue Gesandte des französischen Kardinals Richelieu ist ebenso gewissenlos wie gerissen. Ich will ihm keine Möglichkeit bieten, mich oder meine Begleitung in ein schlechtes Licht zu rücken. Es genügt schon, dass Ducroix anwesend ist.« Er schüttelte den Kopf. »Diesen aufgeblasenen Chevalier daran zu hindern, sich um Kopf und Kragen zu reden, dürfte bereits schwierig genug sein.« Er seufzte. »Wenigstens bringt dieser Marquis seine junge Frau mit. Sie und Leona werden hoffentlich dafür sorgen, dass dieses Diner in einer einigermaßen angenehmen Atmosphäre verläuft.«

Er wollte sich gerade umdrehen, um in seine Gemächer zu gehen, als ihm noch etwas einfiel. Diesmal wandte er sich direkt an Eik. »Und lass dir nicht einfallen, Madame Marquise anzustarren oder sie gar anzusprechen, Korporal. Das würde der Marquis ganz sicher nicht schätzen.«

Als de Lemos von der jungen Frau eines Marquis sprach, hatte sich etwas in Eiks Hinterkopf gerührt, was sich bei den letzten Worten des jüdischen Bankiers zu einem fast schmerzhaften Pochen verstärkt hatte. »Warum sollte ich das tun, Señor de Lemos?«, fragte er, obwohl er im selben Moment die Antwort kannte. Die nächsten Worte, die ihm Leonas Vater, bereits zum Gehen gewandt, hinwarf, bestätigten seinen Verdacht.

»Vielleicht kennst du sie. Sie ist die Tochter deines Landesherrn, des Freiherrn von Villesen.«

»Marquis de Berny. Ich bin hocherfreut und fühle mich geehrt, Euch endlich zu treffen.«

»Spart Euch Eure Schmeicheleien, Salvius«, entgegnete Albert de Montfine mürrisch. »Ihr seid hocherfreut, weil ich eine pralle Börse für Euren König habe, das ist alles.« Aber seine Augen leuchteten doch, als ihn der schwedische Resident in der Hansestadt, Johan Adler Salvius, in die geräumige Diele des prachtvollen Patrizierhauses am Klosterfleet führte.

Offensichtlich ist das hier ganz nach seinem Geschmack, dachte Augusta, angewidert von dem herablassenden Verhalten ihres Gatten. Hier kann er seine Macht ganz und gar auskosten.

»Und zudem habt Ihr Madame Marquise mitgebracht, die meinem bescheidenen Salon mehr Glanz verleiht, als alle französischen Écus d’or es vermöchten.«

»Ihr seid zu charmant, mein Herr.« Augusta lächelte, während sich der schwedische Resident verbeugte und ihr galant die Hand küsste. Er hielt ihre Finger fest, als er sich wieder aufrichtete, und ließ sie erst los, als alle mitbekommen hatten, dass die Berührung ein wenig zu lange gedauert hatte.

Wie schön, dachte Augusta gereizt. Ich habe noch nicht einmal den Fuß über die Schwelle gesetzt, und schon beginnen die Spielchen. Das ist ja fast so schlimm wie im Palais du Louvre.

»Madame ist nicht hier in Hamburg, um Eurem Hause Glanz zu verleihen«, knurrte der Marquis, »sondern um die Linie der Montfines weiterzuführen!«

Bevor Augusta auch nur Zeit hatte zu erröten, richtete Salvius seinen spöttischen Blick auf den Marquis und hob eine Braue. »Tatsächlich? Und dafür müsst Ihr sie nach Hamburg bringen? Ich hätte gedacht, dass Madame in Paris genügend geeignete Kandidaten finden dürfte, um diese Aufgabe zu erfüllen, falls Ihr Euch dem nicht gewachsen fühlt.«

»Marquis de Berny!«

Die tiefe, dröhnende Stimme gehörte einem beleibten Mann in einer prachtvollen Samtrobe, der breit lächelnd auf die kleine Gruppe zukam.

»Es ist mir eine Ehre, den Gesandten des hoch geschätzten Kardinals Richelieu und des französischen Königs in unserer schönen freien Reichsstadt begrüßen zu dürfen!«

Der Sprecher war der Zweite Worthaltende Bürgermeister Hamburgs, Ulrich Winckel. Er streckte seine Hand aus und hielt sie dem Marquis hin.

Der Marquis brauchte einen Moment, um sich von seiner Empörung über die boshafte Bemerkung des schwedischen Residenten zu erholen.

»Der Zweite Bürgermeister Hamburgs, Herr Ulrich Winckel«, stellte Salvius den Mann vor.

»Der Zweite?« Albert sah den Mann einen Moment irritiert an, dann bemerkte er seinen Fehltritt. »Sicher, es ist mir gleichfalls eine Ehre …« Offenbar immer noch abgelenkt von Salvius’ Unverschämtheit, suchte er nach einer einigermaßen höflichen Erwiderung.

»Wir haben zwar noch nicht sehr viel von Eurer wunderschönen Stadt gesehen, Herr Bürgermeister«, kam Augusta ihrem Gemahl gedankenschnell zu Hilfe, »aber das Wenige war wirklich beeindruckend. Der Krieg, der …«, fast hätte sie gesagt unser Land, verbesserte sich jedoch in letzter Sekunde, »… dieses Land so schrecklich prüft, scheint um Euer Hamburg einen Bogen gemacht zu haben. Wie habt Ihr das geschafft, Seigneur von Winckel?«

»Madame.« Winckel nahm Augustas Hand in seine Pranke und drückte sie überraschend behutsam, statt sie zu küssen. Er lächelte, als er Augustas verblüffte Miene über diese so gar nicht höfische Begrüßung sah. »Wir sind Bürger, Madame, erbgesessene Kaufleute, und uns adeln Tüchtigkeit und Erfolg im Handel, nicht irgendwelche Titel. Herr Winckel genügt.« Er sah den Marquis an, und das Lächeln in seinen Augen erlosch. »Unser Rat hat in diesen Zeiten natürlich viele wichtige Aufgaben zu bewältigen, bei denen es um das Wohl und Wehe unserer schönen Stadt geht. Deshalb hoffe ich, dass Ihr es nicht für eine Respektlosigkeit haltet, mit dem Zweiten Bürgermeister vorliebnehmen zu müssen, Herr Marquis. Zumal der derzeitige Erste Bürgermeister Albrecht van Eitzen sowohl von Eurem Besuch als auch von Eurem Anliegen wenig begeistert ist.« Er warf Salvius einen kurzen Seitenblick zu. »Ich kann Euch versichern, dass wir lebhafte Debatten im Rat hatten, denn immerhin hat Christian IV. uns durch seine Blockaden großen Schaden zugefügt. Und Herr van Eitzen ist ein glühender Anhänger Ferdinands II.!«

Er wartete nicht auf eine Antwort des Marquis, sondern richtete den Blick wieder auf Augusta, die bei seinen Worten sofort Sympathie für den Mann empfand. »Das ist auch einer der Gründe, warum Ihr unsere Stadt so unberührt von den Zerstörungen im restlichen Lande vorfindet, Madame«, erklärte er. »Durch die Bemühungen ebendieses Rates, dem anzugehören ich die Ehre habe, ist es uns bisher gelungen, uns aus diesen schrecklichen Streitigkeiten herauszuhalten.«

»Wohl eher dadurch, dass Ihr alle Kriegsparteien gleichzeitig mit Waffen und Munition versorgt, werter Herr Bürgermeister.« Chevalier Ducroix war aus dem Salon in die Diele getreten, ein Glas in der Hand, das er hob, um im Licht der Lampen die bernsteinfarbene Flüssigkeit zu betrachten. »Aber ich will mich nicht beschweren. Schließlich ist das hier das Beste, was ich getrunken habe, seit ich mein geliebtes Bordeaux verlassen musste.« Sein Blick fiel auf den Marquis und dann auf Augusta, und ein anzüglicher Ausdruck zuckte über sein Gesicht. »Verehrter Marquis, welche Freude.« Er machte eine übertrieben tiefe Verbeugung, starrte dabei jedoch die ganze Zeit Augusta an.

»Ich halte es für angebracht, aus Respekt für unsere Gastgeber Deutsch zu sprechen, Chevalier!«, fuhr der Marquis ihn an, wohl wissend, dass der Chevalier Deutsch zwar verstand, aber nur sehr unzulänglich sprach.

»Das dürfte nicht nötig sein, Marquis«, erwiderte Ulrich Winckel in stark akzentuiertem, aber gut verständlichem Französisch.

»In der Tat«, mischte sich jetzt auch Salvius ein. »Ich glaube kaum, dass jemand heute Abend nicht die Sprache meines Ehrengastes spricht.« Es gelang dem schwedischen Residenten, bei diesen Worten Augusta anzusehen, als wäre sie seiner Meinung nach ebendieser Ehrengast.

Sie spürte, wie sich ihr Gemahl neben ihr versteifte. Ich wünschte, dieser Abend wäre schon vorbei, dachte sie. Hätte ich doch Kopfschmerzen vorgeschützt, dann wäre mir diese Tortur vielleicht erspart geblieben.

Aber diese Peinlichkeiten waren nichts im Vergleich zu dem, was sie noch erwartete.

»Mein Herr, Bankier da Silva ist soeben mit seinen Begleitern vorgefahren.«

»Ah!« Salvius rieb sich die Hände. »Gut, Bertram. Führe die Herrschaften herein und sag dann in der Küche Bescheid, dass aufgetragen werden kann.« Er drehte sich zu den anderen herum. Die nahmen sich gerade von einem Tablett, das ein Lakai ihnen hinhielt, geschliffene Gläser, in denen eine bernsteinfarbene Flüssigkeit schimmerte. »Ein köstliches Getränk aus Spanien, ein besonders zubereiteter Weißwein aus der Gegend von …«

»Jerez de la Fontera«, fiel Albert de Montfine dem Schweden ins Wort. »Die Spanier nennen ihn Sherish.« Er nahm sich ein Glas, offenbar zufrieden, dass er den Schweden zumindest auf diesem Gebiet in die Schranken hatte weisen können, nippte und schlürfte dann genießerisch die Flüssigkeit. »Ausgezeichnet.« Er sah zunächst Salvius und dann Winckel an. »Ich nehme an, Ihr habt ihn in den Speichern dieser ehrbaren Kaufleute erworben, hab ich recht?«

Der Bürgermeister lächelte. »Ich war so frei, dem schwedischen Residenten ein Fässchen dieses Sherish als Gastgeschenk zu überreichen, als er sein Amt antrat und …«

»Señor da Silva«, unterbrach Salvius den Hamburger Kaufmann und Bürgermeister und ging mit ausgestreckten Armen auf den Mann zu, der gerade von Bertram in die Diele geführt wurde.

Alaves da Silva lächelte Salvius an, der ihn wie einen guten Freund begrüßte. »Ich hoffe, wir sind nicht zu spät«, erwiderte der Bankier. Er hatte eine leise, angenehme Stimme, aber Augusta bemerkte, wie der misstrauische Blick seiner dunklen Augen prüfend über die Anwesenden glitt. »Ich möchte Euch meinen Freund und Kollegen Gabriel de Lemos vorstellen, soweit Ihr ihn nicht schon kennt.« Letzteres sagte er mit einer schwachen Verbeugung in Richtung des Chevaliers, ohne jedoch abzuwarten, ob der Mann seinen Gruß erwiderte.

Augusta verkniff sich ein Lächeln. Offenbar hält er nicht viel von Monsieur Ducroix, dachte sie. Ich bin gespannt, wie weit unten mein Gemahl in seiner Wertschätzung rangiert, wenn er ihn erst kennengelernt hat. Dann richtete sie ihren Blick auf den Mann neben da Silva, der seinen Hut abnahm, ihn zusammen mit seinem ärmellosen, pelzgesäumten Überwurf dem Lakaien gab und sich dann zu Salvius und den beiden Franzosen herumdrehte.

»Monsieur Chevalier.« Die Stimme von de Lemos klang trotz seines Alters klar und deutlich. Er nickte dem Chevalier zu, der sich sichtlich zusammenreißen musste, das Glas mit dem Sherish auf ein Tablett stellte und den Gruß knapp erwiderte. »Marquis«, wandte sich de Lemos dann mit Rücksicht auf die anderen Anwesenden auf Deutsch an den Gesandten des Kardinals. »Kardinal Richelieu war so freundlich, mir Euer Eintreffen in einem Brief anzukündigen und darin auch seine größte Sorge zu erwähnen. Es wird Euch gewiss freuen zu erfahren, dass ich gegen den Rat Eures Kollegen Chevalier Ducroix das für Christian bestimmte Geld noch nicht an den dänischen König weitergegeben hatte.«

De Lemos ignorierte das Zischen des Chevaliers und reagierte auch nicht, als der Marquis Ducroix mit einem verächtlichen Blick maß. »Aber bevor wir fortfahren, über Geschäfte zu reden, möchte ich Euch meine Tochter vorstellen, Leona de Lemos, sowie Hauptmann de Vries, der uns sicher durch die Wirren dieses schrecklichen Krieges hierhergeführt hat.«

Die Anwesenden wandten sich der jungen Frau und dem hochgewachsenen Mann zu, die hinter den beiden Bankiers hervortraten.

Augusta musterte die beiden neugierig. Die Tochter des Bankiers, ein hübsches junges Ding mit kupferroten Haaren und geröteten Wangen, machte einen eleganten kleinen Knicks, den sie, wie Augusta vermutete, an irgendeinem Fürstenhof gelernt hatte. Der Hauptmann verbeugte sich und nahm seinen mit einer Feder geschmückten Hut ab. Sein rechtes Ohr war verstümmelt, ihm fehlte eine Braue, und die Haut um sein rechtes Auge war schrecklich vernarbt, offensichtlich eine Brandwunde.

»Hauptmann!« Salvius fuhr unwillkürlich einen halben Schritt zurück, als er die Verletzung des Offiziers sah. Als er seine Unhöflichkeit bemerkte, räusperte er sich und blickte rasch auf die letzte Person, die im Gefolge von da Silva eingetreten war. »Und wer ist dieser junge Mann?«

Augusta riss unwillkürlich die Augen auf und spürte, wie ihr das Blut aus den Wangen wich. Einen Moment lang rang sie nach Atem, aber nicht das entstellte Gesicht des Hauptmanns war der Grund dafür, sondern jener junge Mann, der neben den Hauptmann trat und nur für eine einzige Person im Raum Augen zu haben schien. Für sie, Augusta.

Eik? Aber das ist … Das ist unglaublich! Augusta schlug das Herz fast bis zum Hals, als sie in das Gesicht des Müllerssohnes sah, das ihr so gut in Erinnerung geblieben war und das doch so anders wirkte. Härter. Älter. Desillusioniert.

Sie hörte kaum, wie der Hauptmann die Frage des schwedischen Residenten beantwortete.

»Das ist mein Offiziersbursche, Korporal Schmalens.«

Nur beiläufig registrierte Augusta, dass der Hauptmann glücklicherweise Eiks Vornamen nicht nannte, den ihr Gemahl aus dem Brief ihres Bruders bestimmt noch in Erinnerung hatte. Sie spürte auch so schon den forschenden Blick des Marquis, dem offenbar ihre Blässe aufgefallen war und dass sie den Korporal anstarrte.

Bevor Augusta jedoch hastig den Blick senken und wie beiläufig ihre Hand unter den Arm ihres Mannes schieben konnte, sah sie, dass nicht nur Eik und Albert sie anstarrten, sondern noch eine weitere Person in diesem Raum, und zwar mit einem Blick, der weit schärfer, argwöhnischer und durchdringender war, als Augusta erwartet hätte.

Es waren die grünen Augen von Leona de Lemos, und einen Moment hatte Augusta das Gefühl, als würde dieser Blick bis in ihr Innerstes dringen und all ihre Geheimnisse enthüllen.

Vor allem eines.

»Schön.« Salvius klatschte in die Hände, als spürte er die plötzliche Anspannung und wollte sie vertreiben. »Da wir ja nun vollzählig versammelt sind, darf ich die Anwesenden vielleicht in den Speiseraum bitten. Ich nehme an, Hauptmann«, mit einem hoheitsvollen Lächeln wandte er sich an de Vries, »Ihr könnt auf Euren Korporal während des Diners verzichten. Er kann in der Küche beim Gesinde essen.«

»Selbstverständlich kann er das.«

Augusta hob überrascht den Blick. Es war nicht Hauptmann de Vries, der diese Frage beantwortet hatte, sondern Gabriel de Lemos, der dabei aber weder den Hauptmann noch Salvius ansah, sondern seine Tochter.

Und wenn Augusta jemals einen warnenden Blick gesehen hatte, dann war es der, den dieser Bankier gerade der hübschen jungen Frau zuwarf.

Interessant. Sie beobachtete Leona de Lemos, die ihren Blick von Augusta abgewendet und auf Eik gerichtet hatte. Bei der Antwort ihres Vaters ruckte ihr Kopf herum, und sie sah Augusta an, aber sie presste die Lippen zusammen, offenbar um zu unterdrücken, was immer ihr auf der Zunge lag.

Sehr interessant.

»Sehr interessant.«

Augusta sah ihren Gemahl überrascht an, der ihre Gedanken laut ausgesprochen hatte. Albert de Montfine hatte dieses kleine Zwischenspiel offenbar ebenfalls interessiert verfolgt, aber seine Aufmerksamkeit galt weder dem jüdischen Bankier noch seiner Tochter, sondern ausschließlich Eik, der seinen Blick von Augusta losriss und einem Bediensteten zu einer Seitentür in der Diele folgte.

»Außerordentlich interessant sogar. Wenn ich es nicht besser wüsste, Madame, würde ich sagen, dass Ihr diesen Burschen kennt.« Er schürzte die Lippen. »Oder zumindest er Euch. Ich denke …«

»Ich denke, wir sollten unseren Gastgeber nicht warten lassen, sondern uns zu Tisch begeben, Seigneur«, unterbrach Augusta ihn auf Deutsch, als sie sah, dass die meisten anderen bereits die Diele verlassen und in den Speiseraum gegangen waren. Wenigstens haben sie die Bemerkung Alberts nicht mitbekommen, dachte sie.

Albert schnaubte verächtlich und klemmte ihren Arm unter seinem ein, als sie versuchte, ihre Hand aus seiner Armbeuge zu befreien. »Vergesst nicht, was ich Euch gesagt habe, Madame! Ich dulde keinerlei Unbotmäßigkeiten Eurerseits! Ihr gehört mir, und ich lasse nicht zu, dass sich jemand an meinem Eigentum vergreift! Schon gar kein ungehobelter Landsknecht!«

Du ahnst gar nicht, wie recht du diesmal mit deiner unerträglichen Eifersucht hast, werter Gemahl!, dachte Augusta, als sie ihren Versuch aufgab, ihre Hand zurückzuziehen, und am Arm ihres Ehemanns zur Tür des Speiseraums schritt. Allerdings wandte sie noch einmal kurz den Kopf und blickte in die Diele zurück.

Eik stand in der halb geschlossenen Tür, die vermutlich zur Küche oder den Dienstbotenräumen führte, und starrte ihr nach.

Ihr blieb gerade noch Zeit, warnend den Kopf zu schütteln, als ihr Mann sie unsanft an seinem Arm in den Speiseraum zog. Der köstliche Duft der Speisen erfüllte den Raum, aber Augusta bemerkte es nicht einmal. Das Einzige, woran sie denken konnte, war dieser Kuss vor einer gefühlten Ewigkeit am Villeser Moor. Und Eiks Blick, dessen Intensität ihr zu sagen schien, dass er in den vergangenen zwei Jahren genauso oft wie sie selbst an diesen Kuss gedacht hatte.

Als sie sich an den Tisch setzte, zwischen ihrem Gemahl und dem Bankier da Silva, fiel ihr Blick auf die Person ihr gegenüber.

Deren Blick war fast genauso eindringlich auf sie gerichtet wie der von Eik, aber er löste ein ganz anderes Gefühl in Augusta aus.

Sie neigte den Kopf und zwang sich zu einem Lächeln, was die junge Frau ihr gegenüber erwiderte. Aber der argwöhnische Ausdruck im Gesicht der jungen Jüdin war Augusta nicht entgangen.

Plötzlich fiel jede Beklommenheit von der Marquise ab, und sie straffte die Schultern. Also gut, dachte sie. Dass mein Gemahl eifersüchtig auf jeden einigermaßen gut aussehenden Mann ist, der auch nur in meine Nähe kommt, bin ich gewöhnt. Und es ist mir auch egal. Aber es wird interessant sein herauszufinden, warum du die Krallen ausfährst, meine Schöne, nur weil Eik mich angesehen hat.

Ein Lakai tauchte mit einer Terrine neben ihr auf und füllte Fischsuppe in den kostbaren Porzellannapf vor ihr auf dem Tisch. Köstlicher Duft stieg Augusta in die Nase, und sie merkte, wie ihr das Wasser im Mund zusammenlief.

Gleich heute Abend werde ich Valerian schreiben, dass ich Eik getroffen habe, dachte sie, nachdem Salvius ein Tischgebet gesprochen und sie zu essen begonnen hatten. Die Frage ist nur, und dieser Gedanke hob ihre Stimmung, wie ich es anstellen kann, Eik unbemerkt von den anderen zu sprechen. Während sie Interesse an den Gesprächen am Tisch heuchelte, ging sie in Gedanken verschiedene Möglichkeiten durch, wie sie dies bewerkstelligen könnte, und als die Bediensteten eine exquisite Nachspeise servierten, lehnte sie sich entspannt zurück und hob den Blick, als ihr endlich eine Idee gekommen war.

In dem Moment fiel ihr auf, dass jemand die Tafel bereits verlassen hatte.

Und zwar die Tochter des jüdischen Bankiers, Leona de Lemos.