The Six fingen als Bluesrockband mit dem Namen The Dunne Brothers Mitte der Sechziger in Pittsburgh, Pennsylvania, an. Billy und Graham Dunne wuchsen als Kinder bei ihrer alleinerziehenden Mutter Marlene Dunne auf. Der Vater, William Dunne sen., hatte die Familie 1954 verlassen.
BILLY DUNNE (Leadsänger, The Six): Ich war sieben, als Dad weg ist, Graham war fünf. Eine meiner ersten Erinnerungen ist die, dass Dad uns erzählt, er würde nach Georgia ziehen. Ich fragte, ob ich mitkommen dürfte, und er sagte Nein.
Aber er ließ seine alte Silvertone-Gitarre da. Graham und ich stritten ständig, wer darauf spielen durfte. Wir haben praktisch gar nichts anderes mehr gemacht. Niemand hat es uns beigebracht, wir haben es uns selbst beigebracht.
Als ich älter wurde, blieb ich manchmal nach dem Unterricht länger in der Schule und klimperte auf dem Klavier im Musiksaal herum.
Ich war ungefähr fünfzehn, da hat Mom ein bisschen Geld gespart und Graham und mir eine alte Strat zu Weihnachten gekauft. Graham wollte sie haben, also überließ ich sie ihm. Dafür behielt ich die Silvertone.
GRAHAM DUNNE (Leadgitarrist, The Six): Als Billy und ich erstmals jeder eine Gitarre hatten, fingen wir gleich an, uns zusammen neue Songs auszudenken. Ich wollte die Silvertone, aber ich merkte, dass sie Billy mehr bedeutete. Also hab ich die Strat genommen.
BILLY: Von da aus hat sich alles Weitere entwickelt.
GRAHAM: Billy beschäftigte sich ernsthaft mit Songwriting, mit dem Texteschreiben. Er redete über nichts anderes mehr als Bob Dylan. Ich war eher Roy-Orbison-Fan.
Ich glaube, wir hatten beide Sternchen in den Augen – wir wollten die Beatles werden. Aber damals wollten alle die Beatles werden. Erst waren es die Beatles und dann die Stones
.
BILLY: Für mich gab es nur Dylan und Lennon. Freewheelin’ Bob Dylan und A Hard Day’s Night. Das waren einfach … Ich meine … die beiden waren meine Vorbilder.
Als Teenager taten sich die beiden Brüder 1967 mit dem Schlagzeuger Warren Rhodes, dem Bassisten Pete Loving und dem Rhythmusgitarristen Chuck Williams zusammen.
WARREN RHODES (Schlagzeuger, The Six): Als Schlagzeuger braucht man eine Band. Das ist nicht wie bei Sängern oder Gitarristen – man kann nicht alleine auftreten. Kein Mädchen hat je zu mir gesagt: »Oh, Warren, spiel mir den Beat von ›Hey Joe‹ vor.«
Aber ich wollte dabei sein. Mann, ich hatte The Who gehört, The Kinks, The Yardbirds und so weiter. Ich wollte wie Keith Moon sein, wie Ringo oder Mitch Mitchell.
BILLY: Wir mochten Warren auf Anhieb. Und danach war’s leicht, Pete zu bekommen. Er ging mit uns in die Schule, spielte Bass bei so einer Highschool-Band, die bei unserem Abschlussball aufgetreten ist. Als die sich auflöste, sagte ich zu Pete: »Komm, steig bei uns ein.« Er war immer echt cool, er wollte einfach nur rocken.
Dann war da noch Chuck. Chuck war ein paar Jahre älter als wir alle und wohnte ein bisschen weiter weg. Aber Pete kannte ihn und schwor auf ihn. Chuck war echt super aufgeräumt – breites Kinn, blonde Haare und so. Wir ließen ihn vorspielen, und er war an der Rhythmusgitarre einfach besser als ich.
Aber ich wollte sowieso Frontmann sein, und da wir jetzt zu fünft waren, ging das.
GRAHAM: Wir sind sehr schnell sehr viel besser geworden. Wir haben ständig geprobt.
WARREN: Tagein, tagaus. Ich bin aufgewacht, hab meine Drumsticks geschnappt und bin rüber zu Billy
und Graham in die Garage. Wenn ich am Abend blutige Daumen hatte, war’s ein guter Tag gewesen.
GRAHAM: Ich meine, was hätten wir sonst machen sollen? Keiner von uns hatte eine Freundin, außer Billy. Alle Mädchen wollten mit Billy gehen. Und ich schwöre, mir kam’s vor, als wäre Billy jede Woche in ein neues Mädchen verliebt. Er war immer schon so gewesen.
In der Grundschule hatte er seine Lehrerin in der zweiten Klasse gefragt, ob sie mit ihm gehen will. Mom hat immer erzählt, er sei schon verrückt nach Mädchen auf die Welt gekommen. Und scherzte, dass ihm das noch mal zum Verhängnis werden würde.
WARREN: Wir spielten auf Privatpartys, hier und da auch mal in einer Bar. Das ging ungefähr sechs Monate lang so, vielleicht ein bisschen länger. Wir wurden mit Bier bezahlt. Gar nicht schlecht, wenn man noch minderjährig ist.
GRAHAM: Wir trieben uns nicht immer unbedingt in den, sagen wir mal, nobelsten Läden herum. Hin und wieder kam’s wegen irgendwas zu Prügeleien, und man musste aufpassen, nicht ins Kreuzfeuer zu geraten. Einmal spielten wir in so einer Spelunke, und ganz vorne stand einer, der wohl ein bisschen zu viel intus hatte. Der haute plötzlich verschiedenen Leuten einfach so eine rein. Ich kümmerte mich um meinen eigenen Scheiß, spielte meine Riffs, aber dann hatte er’s plötzlich auf mich abgesehen! Es ging alles blitzschnell. Bumm. Er lag am Boden. Billy hatte ihn ausgeknockt.
Das hatte Billy schon gemacht, als wir noch klein waren. Da war ich auf dem Weg zum Supermarkt gewesen, als mich ein Junge bedrohte und mir meine wenigen Kröten abnehmen wollte. Billy kam auf uns zugerannt und hat ihn einfach umgehauen.
WARREN: Damals musste man aufpassen, in Billys Hörweite nichts Blödes über Graham zu sagen. Weißt du, Graham war am Anfang gar nicht so gut. Ich weiß noch, einmal haben Pete
und ich zu Billy gesagt: »Vielleicht sollten wir Graham ersetzen.« Und Billy meinte: »Sagt das noch mal, dann ersetzen Graham und ich euch alle beide« (lacht). Ehrlich gesagt fand ich das cool. Ich dachte: Na schön, dann halte ich mich raus. Hat mir nie was ausgemacht, dass Billy und Graham dachten, die Band gehört ihnen. Ich hab mich als vorübergehend angeheuerter Schlagzeuger betrachtet. Ich wollte einfach nur Spaß haben und in einer guten Band spielen.
GRAHAM: Inzwischen traten wir so oft auf, dass einige in der Stadt wussten, wer wir waren. Und Billy wurde auch als Leadsänger besser. Er hatte einen Look, weißt du. Hatten wir alle. Wir hörten auf, uns die Haare zu schneiden.
BILLY: Ich trug nur noch Jeans und stand auf so richtig fette Gürtelschnallen.
WARREN: Graham und Pete hatten meistens so enge T-Shirts an, und ich hab immer gesagt: »Ich kann eure Nippel sehen.« Aber sie fanden das cool.
BILLY: Wir wurden für so eine Hochzeit engagiert. War eine große Sache. Eine Hochzeit bedeutete, dass uns ungefähr hundert Leute hören würden. Ich glaube, ich war neunzehn.
Wir hatten dem Paar unseren besten Song vorgespielt. Das war so ein langsamer folky Song, den ich geschrieben hatte, er hieß »Nevermore«. Wenn ich nur dran denke … wird mir ganz anders. Ehrlich. Er handelte von den Catonsville Nine oder so. Ich hielt mich für Dylan. Aber wir bekamen den Gig. Ungefähr nach der ersten Hälfte unseres Auftritts fiel mir so ein Typ in seinen Fünfzigern auf, der mit einer Zwanzigjährigen tanzte, und ich dachte: Weiß der eigentlich, wie widerlich das aussieht?
Dann hab ich kapiert, dass es mein Dad war.
GRAHAM: Unser Vater war da mit so einem jungen Mädchen, so alt wie wir. Ich glaub, ich hab’s zuerst gemerkt,
dann Billy. Ich hab ihn anhand der Bilder erkannt, die unsere Mom in einem Schuhkarton unter dem Bett aufbewahrt hat.
BILLY: Ich konnte es nicht fassen. Zu dem Zeitpunkt war er schon zehn Jahre weg gewesen. Angeblich in Georgia. Und jetzt stand das Arschloch einfach mitten auf der Tanzfläche und hatte keine Ahnung, dass da auf der Bühne seine Söhne spielten. Es war so lange her, dass er uns zuletzt gesehen hatte, er hat uns gar nicht mehr erkannt. Weder unsere Gesichter noch unsere Stimmen, gar nichts.
Als wir mit dem Auftritt fertig waren, sah ich ihn von der Tanzfläche verschwinden. Er sah uns nicht mal an. Ich meine, was für ein Soziopath muss man sein, um die eigenen Söhne nicht zu erkennen, wenn sie direkt vor einem stehen? Wie ist das überhaupt möglich?
Da schaltet doch die Biologie ein, meiner Erfahrung nach. Man trifft jemanden und man weiß, ob es das eigene Kind ist. Und wenn ja, dann liebt man es. So funktioniert das.
GRAHAM: Billy hat ein paar von den Gästen über ihn ausgefragt. Wie sich herausstellte, lebte unser Vater nur ein paar Ortschaften weiter und war mit der Familie der Braut befreundet oder so. Billy hat gekocht vor Wut, er meinte: »Der hat uns nicht mal erkannt.« Ich dachte eigentlich, dass er uns wahrscheinlich schon erkannt hat, aber nicht wusste, was er sagen sollte.
BILLY: Das macht dich fertig, wenn sich dein eigener Vater nicht genug für dich interessiert, um auch nur Hallo zu sagen. Ich meine, das war kein Selbstmitleid, ich saß nicht da und fragte mich, warum er mich nicht liebt … Das war eher: Aha, so finster kann es also zugehen auf der Welt. Einige Väter lieben ihre Söhne nicht.
Da hab ich gelernt, wie ich später nicht sein wollte.
GRAHAM: Außerdem kam er mir sowieso wie ein besoffenes Arschloch vor. Wir konnten froh sein, dass wir ihn los waren
.
BILLY: Als die Hochzeitsfeier zu Ende war und alle einpackten, hatte ich ein paar Bier zu viel intus … Und ich sah so eine Frau, die als Cocktailkellnerin an der Hotelbar gearbeitet hat (lächelt). Ein wunderschönes Mädchen. Ganz lange braune Haare bis zur Taille, dazu große braune Augen. Ich steh auf braune Augen. Ich weiß noch, dass sie auch so ein kurzes blaues Kleid anhatte. Sie war klein. Und das gefiel mir.
Ich stand da in der Hotellobby, wollte eigentlich zum Transporter. Sie bediente gerade einen Gast an der Bar. Wenn man sie beobachtete, merkte man gleich, dass sie sich keinen Scheiß gefallen lassen würde, von niemandem.
CAMILA DUNNE (Ehefrau von Billy Dunne): Mann, hat der gut ausgesehen … Schlank, aber trotzdem muskulös, das war immer schon mein Typ gewesen. Und er hatte so dichte Wimpern, strahlte so ein Selbstvertrauen aus. Dazu grinste er breit. Als ich ihn in der Lobby sah, dachte ich: Wieso kann ich nicht mal so einen kennenlernen? Das weiß ich noch.
BILLY: Ich bin in der Bar direkt auf sie zu, einen Verstärker in der einen Hand und eine Gitarre in der anderen. Ich sagte: »Miss? Dürfte ich bitte Ihre Nummer haben?«
Sie stand an der Kasse, eine Hand auf die Hüfte gestützt, lachte mich an und schaute irgendwie schief. Ich weiß nicht mehr genau, was sie gesagt hat, aber es war so was wie: »Und wenn du nicht mein Typ bist?«
Ich beugte mich über den Tresen und sagte: »Ich heiße Billy Dunne. Ich bin der Sänger der Dunne Brothers. Und wenn du mir deine Nummer gibst, schreib ich einen Song für dich.«
Damit hab ich sie rumgekriegt. Funktionierte nicht bei jeder, aber bei den Guten normalerweise schon.
CAMILA: Ich bin nach Hause und erzählte meiner Mom, ich hätte jemanden kennengelernt. Sie fragte nur: »Ist er nett?«
Und ich antwortete: »Weiß nicht« (lacht). Nett
war nie so mein Ding.
Über den Sommer und Herbst 1969 hatten die Dunne Brothers immer mehr Auftritte in Pittsburgh und den umliegenden Städten.
GRAHAM: Als Camila immer öfter mitkam, dachte ich, sie würde es auch nicht länger überstehen als die anderen. Aber ich hätte wissen müssen, dass sie anders war. Ich meine, als ich ihr das erste Mal begegnet bin, war sie mit einem Tommy-James-T-Shirt zu einem unserer Gigs erschienen. Sie kannte sich aus mit guter Musik.
WARREN: Wir anderen schleppten immer öfter Frauen ab, Mann. Aber Billy hat sich freiwillig vom Markt genommen. Wir waren mit den ganzen Mädchen zusammen, aber er saß da, rauchte einen Joint und trank Bier einfach nur zum Zeitvertreib.
Einmal kam ich aus dem Zimmer von einem Mädchen, zog mir den Reißverschluss hoch. Billy saß auf dem Sofa und guckte Dick Cavett. Ich sagte: »Mann, du musst deine Freundin absägen.« Ich meine, wir mochten Camila alle, sie war clever und hat einem immer direkt ihre Meinung ins Gesicht gesagt, was mir gefallen hat. Aber komm schon …
BILLY: Ich war vorher auch schon verknallt gewesen, hatte von Liebe gesprochen. Aber als ich Camila kennengelernt habe, war das was ganz anderes. Sie hat einfach … Durch sie hat die Welt für mich einen Sinn bekommen. Durch sie konnte ich sogar mich selbst besser leiden.
Sie kam zu den Proben, hat sich meine neuen Sachen angehört und mir echt richtig gutes Feedback dafür gegeben. Sie strahlte so eine Ruhe aus wie sonst niemand. Wenn ich mit ihr zusammen war, kam es mir vor, als wüsste ich, dass alles gut wird. Das war, als würde ich dem Polarstern folgen.
Weißt du, ich glaube, Camila wurde schon zufrieden geboren. Anders als andere hatte sie keine angeborenen Komplexe oder so was. Ich hab immer gesagt, ich bin kaputt auf die Welt
gekommen. Aber sie nicht. Daher kommt der Text zu »Born Broken«.
CAMILA: Als Billy meine Eltern kennenlernte, war ich ein bisschen nervös. Man bekommt ja nur einmal die Chance, einen ersten Eindruck zu hinterlassen, ganz besonders bei ihnen. Ich hatte ihm seine Klamotten rausgelegt, einschließlich der Socken. Dann hab ich ihn gezwungen, die einzige Krawatte zu tragen, die er besaß.
Sie waren begeistert. Meinten, er sei charmant. Aber meine Mom machte sich trotzdem Sorgen, dass ich einem Typen, der in einer Band spielt, so viel Vertrauen schenke.
BILLY: Pete war der Einzige, der irgendwie verstand, warum ich eine Freundin hatte. Als wir vor einem Auftritt am Packen waren, hatte Chuck mir mal geraten: »Sag ihr, dass du kein Typ für nur eine Frau bist. Mädchen verstehen das« (lacht). Bei Camila hätte das auf keinen Fall funktioniert.
WARREN: Chuck war echt cool. Er kam immer direkt auf den Punkt. Dabei sah er eher so aus, als hätte er in seinem ganzen Leben noch keinen einzigen interessanten Gedanken gefasst. Aber er war für Überraschungen gut. Er hat mich auf Status Quo gebracht, und die höre ich immer noch.
Am 1. Dezember 1969 entschieden die US-amerikanischen Behörden per Losverfahren, wer 1970 zum Wehrdienst eingezogen wurde. Billy und Graham Dunne, die beide im Dezember geboren waren, hatten ungewöhnlich hohe Nummern. Warren kam schon gar nicht mehr vor. Pete Loving lag irgendwo im Mittelfeld. Aber Chuck Williams, der am 24. April 1949 zur Welt gekommen war, erhielt die Losnummer 2.
GRAHAM: Chuck wurde einberufen. Ich weiß noch, wie ich bei Chuck am Küchentisch saß und er erzählte, er müsse nach Vietnam. Billy und ich überlegten, wie er sich davor
drücken könnte, aber er meinte, er sei kein Feigling. Das letzte Mal habe ich ihn gesehen, als wir in einer Bar in der Nähe von Duquesne spielten. Ich sagte: »Du kommst einfach wieder zurück in die Band, wenn’s vorbei ist.«
WARREN: Eine Zeit lang übernahm Billy dann Chucks Parts, aber wir hatten gehört, dass Eddie Loving (Petes kleiner Bruder) inzwischen ziemlich gut an der Gitarre war. Also haben wir ihn eingeladen, doch mal bei uns vorzuspielen.
BILLY: Niemand konnte Chuck ersetzen. Aber dann bekamen wir immer mehr Auftritte, und ich wollte nicht weiter Rhythmusgitarre auf der Bühne spielen. Also luden wir Eddie ein, wir dachten, er könne mal vorübergehend einspringen.
EDDIE LOVING (Gitarrist, The Six): Ich hab mich mit allen gut verstanden, aber auch gleich gemerkt, dass Billy und Graham mich eigentlich nur als Lückenbüßer wollten. Spiel dies, mach das.
GRAHAM: Ein paar Monate später hörten wir es von Chucks früheren Nachbarn.
BILLY: Chuck war in Kambodscha gefallen. Er war nicht mal sechs Monate dort gewesen, glaube ich.
Manchmal sitzt man da und fragt sich, warum es einen nicht selbst getroffen hat, was ist so Besonderes an einem, dass man das Glück hat, in Sicherheit zu sein. Die Welt erschien uns sinnlos.
1970 gaben die Dunne Brothers ein Konzert im Pint in Baltimore, bei dem sich auch Rick Marks, der Sänger der Winters, im Publikum befand. Beeindruckt von ihrem rohen Sound und weil er Billy mochte, bot er ihnen an, sie auf der Tournee der Winters durch den Nordosten in einigen Städten als Vorband spielen
zu lassen.
Die Dunne Brothers schlossen sich daraufhin den Winters an und ließen sich schon bald von deren Sound beeinflussen, unter anderem auch, weil deren Keyboarderin Karen Karen so gut
war.
KAREN KAREN (Keyboarderin, The Six): Bei meiner ersten Begegnung mit den Dunne Brothers fragte mich Graham: »Wie heißt du?«
Ich sagte: »Karen.«
Darauf er: »Und wie weiter?«
Aber ich hatte ihn falsch verstanden und gedacht, er hätte mich einfach noch mal nach meinem Namen gefragt, weil er mich nicht gehört hatte.
Also sagte ich: »Karen.«
Da lachte er und fragte: »Karen Karen?«
Von da an nannten mich alle Karen Karen. Nur für die Akten, ich heiße Sirko mit Nachnamen. Aber Karen Karen ist hängen geblieben.
BILLY: Karen hat bei den Winters einfach noch eine Schippe draufgelegt. Und ich begriff, dass wir auch so was bräuchten.
GRAHAM: Billy und ich dachten … Vielleicht brauchen wir nicht jemanden wie Karen. Vielleicht brauchen wir Karen.
KAREN: Ich stieg bei den Winters aus, weil ich es satthatte, dass alle in der Band mit mir schlafen wollten. Ich wollte Musikerin sein.
Und ich mochte Camila. Manchmal war sie nach den Auftritten noch dabei, wenn sie Billy besucht hat. Ich fand’s gut, dass Billy sie manchmal mitgebracht und auch ansonsten ständig mit ihr telefoniert hat. Das war insgesamt einfach eine bessere Atmosphäre.
CAMILA: Als sie mit den Winters getourt sind, bin ich am Wochenende immer hinterhergefahren und hing backstage mit
ihnen ab. Ich hatte ungefähr vier Stunden im Auto gesessen und kam dann am Veranstaltungsort an … Meist waren die Läden ganz schön runtergekommen, überall klebte Kaugummi, und man blieb mit den Schuhen am Boden hängen – ich sagte meinen Namen an der Tür, dann durfte ich nach hinten durchgehen, und schon war ich da, war Teil des Ganzen.
Ich bin rein, Graham und Eddie und alle anderen schrien: »Camila!« Dann kam Billy zu mir und umarmte mich. Als Karen dann immer öfter dabei war … hat es das für mich perfekt gemacht. Ich wusste, hier gehöre ich hin.
GRAHAM: Karen Karen war ein toller Neuzugang. Dadurch wurde alles besser. Und schön war sie außerdem. Ich meine, nicht nur begabt, sondern auch noch schön. Ich fand immer, dass sie ein bisschen wie Ali MacGraw aussah.
KAREN: Als ich sagte, mir hätte gefallen, dass die Jungs bei den Dunne Brothers nicht ständig versuchten, was mit mir anzufangen, dann gilt das nicht für Graham Dunne. Aber ich wusste, dass er mich wegen meines Talents ebenso sehr schätzte wie wegen meines Aussehens, und deshalb hat mich das nicht weiter gestört. Eigentlich war es ganz süß. Außerdem war Graham sexy. Besonders in den Siebzigerjahren.
Dass Billy das Sexsymbol in der Band sein sollte, hab ich nie so ganz verstanden. Ich meine, er hatte dunkle Haare, dunkle Augen und hohe Wangenknochen, aber ich hab’s bei Männern gerne, wenn sie ein bisschen weniger hübsch sind. Ich mag es, wenn sie ein bisschen gefährlich aussehen, in Wirklichkeit aber ganz sanft sind. So wie Graham. Breite Schultern, behaarte Brust, braune Haare. Er sah gut aus, aber er hatte auch so was Ungeschliffenes.
Aber ich gebe zu, dass Billy wusste, wie man eine Jeans trägt.
BILLY: Karen war eine großartige Musikerin. Das war alles. Ich sage immer, ist mir egal, ob du ein Mann, eine Frau, weiß, schwarz, schwul, hetero oder irgendwas dazwischen
bist – wenn du gut spielst, spielst du gut. Musik ist in der Hinsicht ein großer Gleichmacher.
KAREN: Männer denken oft, sie verdienen einen Orden, weil sie Frauen wie Menschen behandeln.
WARREN: Das war ungefähr zu der Zeit, als Billys Sauferei ein bisschen aus dem Ruder lief. Wir haben alle gefeiert, aber wenn wir uns mit den Mädchen verzogen haben, die wir aufgegabelt hatten, trank er alleine weiter.
Morgens schien er wieder in Ordnung zu sein, und wir sind alle ein bisschen durchgedreht auf Tour. Pete vielleicht ausgenommen. Er hatte in Boston ein Mädchen kennengelernt, Jenny, mit der hat er ständig telefoniert.
GRAHAM: Egal, was Billy macht, er macht es extrem. Er liebt extrem, er trinkt extrem. Selbst wie er Geld ausgibt, ist, als würde es ihm Löcher in die Taschen brennen. Unter anderem war das der Grund, warum Camila und ich irgendwann gesagt haben, er solle mal langsamer machen.
BILLY: Camila war manchmal dabei, wenn wir gespielt haben, aber oft hat sie auch zu Hause gewartet. Sie wohnte damals noch bei ihren Eltern, und ich rief sie jeden Abend von unterwegs an.
CAMILA: Wenn er kein Kleingeld zum Telefonieren hatte, hat er ein R-Gespräch geführt, und wenn ich dranging, flüsterte er: »Billy Dunne liebt Camila Martinez.« Dann hat er schnell aufgelegt, bevor es was gekostet hat (lacht). Meine Mom hat immer die Augen verdreht, aber ich fand das süß.
KAREN: Ein paar Wochen nachdem ich in die Band eingestiegen war, meinte ich: »Wir brauchen einen neuen Namen.« The Dunne Brothers klingt jetzt irgendwie verkehrt
.
EDDIE: Ich hatte schon eine ganze Weile lang gesagt, dass wir einen neuen Namen bräuchten.
BILLY: Unsere Fans kannten uns unter dem Namen. Ich wollte ihn nicht ändern.
WARREN: Wir konnten uns nicht entscheiden, wie wir uns nennen sollten. Ich glaube, jemand schlug The Dipsticks vor. Ich war für Shaggin’.
EDDIE: Pete meinte: »Dazu wirst du niemals alle sechs überreden können.«
Und ich sagte: »Wie ist es denn mit The Six?«
KAREN: Ich bekam einen Anruf von einem Veranstalter in Philly, wo ich herkomme. Er meinte, die Winters hätten ein Festival abgesagt, ob wir vielleicht einspringen wollten. Ich antwortete: »Na klar, aber wir heißen nicht mehr The Dunne Brothers.«
»Na gut, was soll ich dann auf den Flyer schreiben?«, fragte er.
Ich sagte: »Weiß noch nicht, aber wir kommen alle sechs.«
Und mir gefiel, wie das klang, »The Six«.
WARREN: Der Name war auch deshalb so genial, weil er so nah an »Sex« war. Aber ich glaube nicht, dass das überhaupt einer von uns je erwähnt hat. Das war so offensichtlich, dass man gar nicht extra drauf hinweisen musste.
KAREN: Ich hab nicht drüber nachgedacht, ob da irgendeine Anspielung drinsteckt.
BILLY: »The Sex«? Nein, damit hatte das nichts zu tun.
GRAHAM: Für mich klang der Name wie »Sex«, das war schon ein wichtiger Faktor
.
BILLY: In Philly spielten wir als The Six und bekamen dann auch noch einen weiteren Auftritt in der Stadt angeboten. Und noch einen in Harrisburg. Danach in Allentown. Und in Hartford wurden wir von einer Bar für den Silvesterabend gebucht.
Geld haben wir nicht viel verdient. Aber immer wenn ich zu Hause war, hab ich Camila noch von meinem letzten Dollar ausgeführt. Wir sind oft in so einen Pizzaladen, ein paar Ecken weiter von da, wo ihre Eltern wohnten. Oder ich hab mir was von Graham oder Warren geliehen, um sie irgendwo schicker auszuführen. Sie hat mir immer gesagt, ich soll das nicht machen: »Wenn ich mit einem reichen Typen hätte zusammen sein wollen, hätte ich doch nie dem Sänger von der Hochzeitskapelle meine Telefonnummer gegeben.«
CAMILA: Billy hatte Charisma, und das fand ich toll an ihm. Immer schon. Das Tiefe, Grüblerische. Viele meiner Freundinnen hielten nach Männern Ausschau, die ihnen einen schönen Ring schenken konnten. Aber ich wollte jemanden, der mich faszinierte.
GRAHAM: Ungefähr um einundsiebzig herum bekamen wir ein paar Auftritte in New York.
EDDIE: In New York … Da wusste man, dass man wer war.
GRAHAM: Eines Abends spielten wir in einer Bar in der Bowery, und draußen auf der Straße stand ein Typ, Rod Reyes hieß er, und hat geraucht.
ROD REYES (Manager, The Six): Billy Dunne war ein Rockstar. Das sah man sofort. Er war sehr selbstbewusst, wusste, wen er im Publikum anspielen musste. Er hat sehr viel Gefühl in seine Songs gelegt.
Das ist einfach eine Gabe, die manche Menschen besitzen. Würde man neun Männer mit Mick Jagger in eine Reihe
stellen, würde jemand, der die Rolling Stones noch nie gesehen hat, trotzdem auf Jagger zeigen und sagen: »Das ist der Rockstar.«
Billy war genauso. Und die Band hatte einen tollen Sound.
BILLY: Als Rod nach dem Konzert im Wreckage zu uns kam … Das war wirklich ein Wendepunkt für uns.
ROD: Als ich mit der Band zu arbeiten anfing, hatte ich ein paar Ideen. Einige davon kamen gut an und andere … nicht so.
GRAHAM: Rod sagte, ich sollte die Hälfte meiner Soli weglassen. Er meinte, die seien für Leute interessant, die auf Gitarrentechnik stehen, aber langweilig für alle anderen.
Ich sagte: »Wieso soll ich vor Leuten spielen, die sich nichts aus einer guten Gitarre machen?«
Er meinte: »Wenn ihr groß rauskommen wollt, muss es was für alle sein.«
BILLY: Rod hat mir gesagt, ich soll aufhören, über Dinge zu schreiben, von denen ich nichts verstehe. Er meinte: »Erfinde nicht das Rad neu. Schreib über deine Freundin.« Ganz im Ernst, in Hinblick auf meine Karriere war das der beste Rat, den ich je bekommen habe.
KAREN: Rod wollte, dass ich bauchfreie Shirts trage. Ich meinte: »Träum weiter«, und damit hatte sich das.
EDDIE: Rod hat uns Gigs überall an der Ostküste besorgt. Von Florida bis Kanada.
WARREN: Soll ich dir sagen, wann Rockstar sein am tollsten ist? Alle glauben immer, das ist dann, wenn man ganz oben angekommen ist, aber nein. Da hat man auch den ganzen Druck, und man muss Erwartungen gerecht werden. Gut ist es, wenn alle denken, dass man ganz bald aufsteigt, wenn alle denken,
man hat ein Riesenpotenzial. Potenzial haben ist eigentlich das, was Spaß macht.
GRAHAM: Je länger wir unterwegs waren, umso wilder wurden wir. Und Billy war nicht gerade … na ja, also Billy liebte die Aufmerksamkeit. Besonders von Frauen. Aber zumindest zu dem Zeitpunkt war’s das dann auch schon. Nur Aufmerksamkeit.
BILLY: Es gab eine ganz Menge zu balancieren. Jemanden zu Hause zu lieben und auf Tour zu sein. Mädchen kamen hinter die Bühne, und ich war derjenige, den sie kennenlernen wollten. Ich war … Ich wusste einfach nicht, wie eine Beziehung aussehen sollte.
CAMILA: Wir fingen an zu streiten, Billy und ich. Ich gebe zu, dass ich damals etwas Unmögliches wollte. Ich wollte mit einem Rockstar zusammen sein, aber ich wollte, dass er mir rund um die Uhr zur Verfügung stand. Ich wurde sauer, wenn er nicht genau das gemacht hat, was ich wollte. Ich war sehr jung. Und er auch.
Manchmal war es so schlimm, dass wir tagelang nicht miteinander geredet haben. Und dann hat wieder einer von uns beiden den anderen angerufen, sich entschuldigt, und alles war wie vorher. Ich habe ihn geliebt, und ich wusste, dass er mich liebt. Das war nicht einfach. Aber wie meine Mutter immer gesagt hat: »Einfach hat dich ja noch nie interessiert.«
GRAHAM: An einem Abend waren Billy und ich zu Hause und stiegen in den Transporter, um nach Tennessee oder Kentucky zu fahren. Camila kam immer mit zum Wagen. Und als Rod damit vorfuhr, hat Billy sich verabschiedet.
Er hat Camila die Haare aus dem Gesicht gestrichen und ihr seine Lippen auf die Stirn gedrückt. Ich weiß noch, dass er sie nicht richtig geküsst hat. Einfach nur seine Lippen dahin gesetzt. Und ich dachte: Solche Gefühle hatte ich noch nie
für jemanden.
BILLY: »Señora« hab ich für Camila geschrieben, und wirklich, der Song hat den Leuten sehr gefallen. Schon bald riss es bei unseren Konzerten die Leute von den Sitzen, sie tanzten und sangen mit.
CAMILA: Ich hab’s nicht übers Herz gebracht, ihm zu sagen, dass ich eigentlich eine »Señorita« war. Ich meine, man muss sich schließlich auf das Wesentliche konzentrieren. Außerdem fand ich den Song schon toll, als ich ihn das erste Mal hörte … »Let me carry you / on my back / the road looks long / and the night looks black / but the two of us are bold explorers / me and my gold señora.«
BILLY: Wir haben ein Demo von »Señora« und »When the Sun Shines on You« aufgenommen.
ROD: Inzwischen waren meine ganzen guten Kontakte draußen in L. A. Ich sagte zur Band, das war wohl zweiundsiebzig … ich hab gesagt: »Wir ziehen besser nach Westen.«
EDDIE: Alles, was cool war, war in Kalifornien.
BILLY: Ich dachte nur: In mir ist was, das es einfach tun muss.
WARREN: Ich war sofort bereit umzuziehen. Ich sagte: »Lasst uns in den Wagen steigen.«
BILLY: Ich bin zu Camila nach Hause, hab sie auf die Bettkante gesetzt und gesagt: »Willst du mitkommen?«
Sie fragte: »Und was soll ich da machen?«
Darauf ich: »Keine Ahnung.«
Sie sagte: »Du willst, dass ich euch einfach hinterherfahre?«
»Ich denke, ja.«
Sie ließ sich einen Augenblick lang Zeit, dann antwortete sie: »Nein, danke.«
Ich wollte wissen, ob wir trotzdem zusammenbleiben
könnten, und sie fragte: »Kommst du wieder zurück?« Ich meinte, dass ich es nicht wüsste.
Und darauf sie: »Dann nicht.« Sie hat mich abserviert.
CAMILA: Ich war sauer. Weil er wegwollte. Und dann bin ich geplatzt. Ich wusste nicht, wie ich damit klarkommen sollte.
KAREN: Camila rief mich an, bevor wir auf Tour gingen. Sie erzählte mir, sie hätte sich von Billy getrennt. Ich sagte: »Ich dachte, du liebst ihn.«
Und sie: »Er hat nicht mal versucht, darum zu kämpfen!«
Darauf ich: »Wenn du ihn liebst, dann solltest du ihm das sagen.«
Aber sie meinte: »Er ist doch derjenige, der wegwill! Dann muss er das auch wieder in Ordnung bringen.«
CAMILA: Liebe und Stolz vertragen sich nicht.
BILLY: Was hätte ich denn machen sollen? Sie wollte nicht mitkommen, und ich … ich konnte nicht bleiben.
GRAHAM: Wir haben unsere Sachen gepackt und uns von Mom verabschiedet. Inzwischen hatte sie schon den Postboten geheiratet. Ich meine, ich weiß natürlich, dass er Dave hieß, aber ich hab ihn bis zu seinem Tod immer nur den Postboten genannt, weil er einer war. Er brachte die Post zu ihr ins Büro. Er war der Postbote.
Auf jeden Fall ließen wir Mom mit dem Postboten alleine und stiegen in den Wagen.
KAREN: Wir spielten überall auf dem Weg von Pennsylvania nach Kalifornien.
BILLY: Camila hatte sich entschieden, und größtenteils dachte ich: Okay, dann bin ich jetzt Single. Mal sehen, wie ihr das gefällt
.
GRAHAM: Billy hat auf der Tour ganz einfach den Verstand verloren.
ROD: Wegen der Frauen hab ich mir bei Billy keine Sorgen gemacht. Obwohl es sehr viele gab. Aber er hat sich nach den Konzerten immer so zugedröhnt, dass ich ihn am nächsten Nachmittag mit einer Ohrfeige wecken musste, so weggetreten war er.
CAMILA: Ohne ihn war mir hundeelend. Ich trat … mir selbst in den Hintern. Jeden Tag. Wachte nachts tränenüberströmt auf. Meine Mom meinte, ich soll ihn suchen. Die Trennung zurücknehmen. Aber ich hatte das Gefühl, es sei zu spät. Er war ohne mich gefahren, um seine Träume zu verwirklichen. Und das war ja auch vollkommen richtig.
WARREN: Als wir nach L. A. kamen, besorgte Rod uns ein paar Zimmer im Hyatt House.
GREG MCGUINNESS: Ach Mann, ich würde dir ja gerne erzählen, dass ich noch weiß, wie The Six reinkamen und bei uns abgestiegen sind. Aber ich erinnere mich nicht. Da war so viel los, damals gab es so viele Bands. Da war es gar nicht so einfach, überhaupt noch mitzukommen. Ich erinnere mich, dass ich Billy Dunne und Warren Rhodes später kennengelernt habe, aber damals nicht, nein.
WARREN: Rod ließ seine Beziehungen spielen. Allmählich wurden unsere Konzerte größer.
EDDIE: L. A. war ein Fest. Wohin man auch schaute, man war von Menschen umgeben, die Musik liebten, die Partys feiern wollten. Ich dachte: Warum zum Teufel sind wir nicht viel früher hergekommen? Die Mädchen waren wunderschön. Die Drogen billig.
BILLY: Wir spielten ein paarmal in der Gegend um Hollywood. Im Whisky, im Roxy, im P.J.’s. Ich hatte gerade einen neuen Song
geschrieben, »Farther From You«. Er handelte davon, wie sehr ich Camila vermisste, wie weit ich mich von ihr entfernt fühlte.
Als wir den Strip erreichten, war das, als wären wir endlich angekommen.
GRAHAM: Wir fingen alle an, uns besser anzuziehen. In L. A. musste man sich ein bisschen mehr ins Zeug legen. Ich trug meine Hemden fast bis zum Bauchnabel aufgeknöpft. Ich fand das tierisch sexy.
BILLY: Ungefähr da kam ich dann so richtig auf den Geschmack … Wie nennt man das noch mal? Einen kanadischen Smoking? Ich hab immer ein Jeanshemd zur Jeans getragen, fast jeden Tag.
KAREN: Ich hatte das Gefühl, dass ich mich nicht aufs Spielen konzentrieren konnte, wenn ich in Miniröcken und Stiefeln oder so auftrat. Ich meine, mir hat der Look gefallen, aber meistens hab ich einfach Jeans mit hohem Bund und dazu Rollkragenpullis angezogen.
GRAHAM: Karen sah so verdammt sexy aus in diesen Rollkragenpullis.
ROD: Als sie endlich ein wenig Aufmerksamkeit bekamen, habe ich ein Konzert im Troubadour gebucht.
GRAHAM: »Farther From You« war ein großartiger Song. Und man merkte, dass Billy es wirklich so empfand. Er konnte einem nie was vormachen. Wenn er Schmerzen hatte oder wenn er sich freute, das war immer zu spüren.
An dem Abend, bei dem Konzert im Troubadour, hab ich während des Auftritts zu Karen rübergeschaut, und sie war voll in ihrem Element, weißt du. Und dann hab ich Billy angesehen, und er hat sich die Seele aus dem Leib gesungen, da dachte ich: Das ist bislang unser bestes Konzert
.
ROD: Ich sah Teddy Price hinten stehen und zuhören. Ich war ihm noch nie begegnet, aber ich wusste, dass er Produzent bei Runner Records war. Wir hatten ein paar gemeinsame Freunde. Nach dem Konzert kam er zu mir und meinte: »Mein Assistent hat euch im P.J.’s gesehen. Ich hab ihm versprochen, ich würde mir’s mal anhören.«
BILLY: Als wir von der Bühne sind, kam Rod mit so einem echt großen, dicken Typen im Anzug zu mir und sagte: »Billy, ich möchte dir Teddy Price vorstellen.«
Das Erste, was Teddy sagte, war – und man darf nicht vergessen, dass er so einen vornehmen britischen Akzent hatte – »Sie haben wahnsinniges Talent, so über dieses Mädchen zu schreiben.«
KAREN: Wenn man Billy so zusah, wirkte er ein bisschen wie ein Hund, der sein Herrchen sucht. Er wollte ihm gefallen, wollte den Plattenvertrag, das kam ihm aus allen Poren, das konnte man sehen.
WARREN: Teddy Price war hässlich wie die Hölle. Ein Gesicht, das nur eine Mutter lieben kann (lacht). Ich rede bloß Quatsch. Aber er war nicht schön. Mir hat gefallen, dass es ihm nichts auszumachen schien.
KAREN: Das ist das Herrliche am Mannsein. Ein hässliches Gesicht bedeutet nicht das Ende.
BILLY: Ich hab Teddy die Hand geschüttelt, und er hat mich gefragt, ob ich noch mehr Songs so wie die hätte, die er gehört hatte. Ich sagte: »Yes, Sir.«
Dann fragte er: »Wo siehst du die Band in fünf Jahren? In zehn Jahren?«
Und ich meinte: »Als die größte
Band der Welt.«
WARREN: An dem Abend hab ich zum ersten Mal Titten signiert. So ein Mädchen kam zu mir, knöpfte sich die Bluse auf und sagte: »Unterschreib.« Also hab ich unterschrieben. Das ist eine Erinnerung fürs Leben, das kann ich dir sagen.
In der darauffolgenden Woche besuchte Teddy die Band in einem Proberaum im San Fernando Valley und hörte sich sieben von ihren Songs an. Wenig später erhielten sie eine Einladung zu Runner Records, wo sie dem CEO Rich Palentino vorgestellt wurden und einen Platten- sowie einen Verlagsvertrag angeboten bekamen. Teddy Price höchstpersönlich wollte ihr Album produzieren.
GRAHAM: Um circa vier Uhr nachmittags haben wir den Vertrag unterzeichnet, und ich weiß noch, wie wir auf den Sunset Boulevard raus sind, alle sechs, wie uns die Sonne direkt in die Augen knallte und wir einfach das Gefühl hatten, Los Angeles hätte seine Arme ausgebreitet und uns mit einem »Komm her, Baby« empfangen.
Vor ein paar Jahren hab ich mal ein T-Shirt mit der Aufschrift »I Got My Shades on Cuz My Future’s So Bright« gesehen und gedacht, der kleine Scheißer, der das anhat, weiß gar nicht, wovon er spricht. Der hat nie von der Sonne geblendet mit seinen fünf besten Freunden und einem Plattenvertrag in der Tasche auf dem Sunset Boulevard gestanden.
BILLY: An dem Abend waren alle im Rainbow feiern, und ich ging los, ging die Straße runter an eine Telefonzelle. Stell dir vor, dein kühnster Traum geht in Erfüllung und du fühlst dich innerlich leer. Es hat mir nichts bedeutet, solange ich es nicht mit Camila teilen konnte. Also rief ich sie an.
Mein Herz klopfte so schnell, als ich es tuten hörte. Ich fühlte meinen Puls, und er pochte heftig. Aber als Camila dranging, war das so, wie wenn man sich nach einem langen, anstrengenden Tag ins Bett legt. Mir ging es sofort viel besser, einfach nur weil ich ihre Stimme hörte. Ich sagte: »Ich vermisse dich. Ich glaube nicht, dass ich ohne dich leben kann.
«
Sie erwiderte: »Ich vermisse dich auch.«
Darauf fragte ich sie: »Warum machen wir das? Wir sollten doch zusammen sein.«
Und sie meinte: »Ich weiß.«
Dann schwiegen wir beide, bis ich sagte: »Wenn ich einen Plattenvertrag hätte, würdest du mich dann heiraten?«
Sie sagte: »Was?«
CAMILA: Ich hätte mich so für ihn gefreut, wenn das wirklich wahr war. Er hatte so hart dafür gearbeitet.
BILLY: Ich hab’s noch mal gesagt: »Wenn ich einen Plattenvertrag hätte, würdest du mich heiraten?«
Sie sagte: »Hast du denn einen Plattenvertrag?«
Da wusste ich’s, genau in dem Moment, dass Camila meine Seelenverwandte war. Ihr war der Plattenvertrag wichtiger als alles andere. Ich sagte: »Du hast meine Frage nicht beantwortet.«
Darauf sie: »Hast du jetzt einen Plattenvertrag, ja oder nein?«
Ich blieb aber stur: »Willst du mich heiraten, ja oder nein?«
Eine Weile sagte sie gar nichts und dann: »Ja.«
Da sagte ich auch: »Ja.«
Sie fing an zu schreien, so sehr freute sie sich. Ich sagte: »Komm her, Honey. Lass uns heiraten.«