Besinnung
S ina schleppte mich zur Bar. Ich hatte mich nur widerwillig bereiterklärt, sie in den Club zu begleiten und bereute es auch schon wieder. Mir war nicht nach Feiern zumute.
»Also, wie läuft es?«, fragte sie und winkte den Barkeeper zu uns. »Wie ist die Agentur so?«
»Die Hölle.«
Sina lachte auf. »Warum frage ich auch?« Sie bestellte das Szenegetränk des Clubs und zwinkerte dem Mann hinter der Theke dabei zu. »George war außer sich. Ich habe versucht, die Wellen zu glätten. Und dein Lachlan auch.« Ich verriet mich durch meine Anspannung. »Was ist es? Die Lüge oder der Angriff?« Sie hob die Hand, um mich zu unterbrechen, obwohl ich gar nicht vorhatte, etwas zu sagen. »Angst.«
Ich hielt den Atem an.
»Ah! Liny, das ist albern.«
»Meinst du? Ich finde es nicht albern«, murrte ich und zog meinen Cocktail näher zu mir. »Ich finde es vernünftig. Und sowieso, wann lässt du schon jemanden an dich heran?«
Sina öffnete überrascht und empört den Mund.
»Du hast Sex, ja, aber wann hast du dich zuletzt verliebt?«
»Okay, Liny, das ist ganz schön unter der Gürtellinie.« Sie sah aber nicht angegriffen aus. »Aber du hast recht. Ich habe mich schon lange nicht mehr verliebt. Aber deswegen laufe ich den Männern nicht davon und kastriere sie, sobald ich auf sie treffe.« Sie hob eine Braue. »Christoph war ein Arsch, sei froh, dass du ihn los bist!«
»Oh, toll«, murrte ich und nippte an meinem Cocktail.
»Es gibt sicherlich viele wie ihn«, fuhr Sina fort, obwohl ich wünschte, sie ließe mich in Ruhe. »Aber es gibt auch einige Männer, für die es sich lohnt, ein Risiko einzugehen.«
Das Gespräch würde so schnell kein Ende finden, das war mir klar. Sollte ich also still zuhören oder widersprechen?
»Dein Lachlan zum Beispiel hat gekämpft wie ein Löwe, damit George die Kündigung zurückzieht.«
Ich schnaubte verdrossen. »Hat ja meisterlich funktioniert!«
»Hätte es, wenn nicht herausgekommen wäre, dass es gar keine von uns ausgerichtete Hochzeit gegeben hätte – unter keinen Umständen.« Sie presste kurz die Lippen aufeinander und ihr Blick wurde deutlich feurig. »So viel Arbeit völlig umsonst.« Sie seufzte. »George war nicht zu bremsen. Er hat sich wahnsinnig aufgeregt und jeden und alles beschimpft.« Sie deutete ein Grinsen an. »Damit kann man die Mundpropaganda in Schottland wohl getrost abhaken.«
Ich zuckte mit den Schultern. Georges Werbe- und Kundenmanagement konnte mir nun egal sein. »Du hättest ihm meine Adresse nicht geben dürfen, Sina. War kein nettes Zusammentreffen.«
»Habe ich nicht.«
»Oh.« So viel Aufwand wozu?
»Als er zugab, nicht einmal deine Telefonnummer zu haben, wurde ich stutzig. Ich schlug ihm vor, es via Social Media zu versuchen.«
»Oh, danke!«
»Er scheint ganz nett zu sein, Liny, Mann, und dem Artikel zufolge, hattet ihr eine recht unterhaltsame Nacht.« Sie hob beide Brauen. Wollte sie nun eine Bestätigung? »Wenn man bedenkt, dass du kaum mal jemanden an dich heranlässt …«
»Es war nur Sex.«
»Hmhm«, brummte sie mit einem Blick, der deutlich bezeugte, dass sie mir kein Wort glaubte. »Weil Carolina Hildebrecht so ein männerverschlingender Vamp ist. One-Night-Stands wo sie geht und steht.«
Ich verzog den Mund, versagte mir aber den Widerspruch. Ich wollte ihr nicht auch noch ins offene Messer laufen.
»Liny, da war doch mehr«, behauptete sie dreist. »Ob du es wahrhaben willst oder nicht!« Sie legte ihre Hand auf meinen Arm. »Schau dich an. Du siehst jämmerlich aus!«
Ich zog den Arm zurück.
»Liny, mach die Augen auf. Fahr zu ihm und kläre das. Wenn er kein Interesse mehr hat, schön, aber du solltest es nicht einfach blind in den Wind schießen!«, mahnte sie und versuchte meinen Blick einzufangen. Ich wich ihr krampfhaft aus.
»Liny!«
»Wozu? Um dann irgendwann doch verlassen zu werden?« Ich presste die Lippen aufeinander und bereute meinen Ausbruch wahnsinnig. Aber es war zu spät. Ich schüttelte den Kopf. »Das will ich nicht.«
»Da bleibst du lieber gleich allein und grämst dich«, stichelte Sina gekonnt. Sie schlürfte ihren Cocktail und ließ mich damit einen Moment unbehelligt. »Scheint ein funktionierender Plan zu sein.«
Ich funkelte sie böse an, aber es verfehlte seine Wirkung. Sina hob lediglich eine Braue, um ihren Punkt zu untermauern.
»Ich gräme mich nicht. Ich finde mich nur schwer damit ab.«
Sie lachte auf und ich ballte die Hände. »Liny, wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Wenn du ihm keine Chance lässt, der Richtige zu sein, kann er sich dir auch nicht beweisen.«
»Was soll er da auch beweisen?«
»Dass er nicht Chris ist«, korrigierte Sina mahnend. »Hey, er bedeutet dir was. Vielleicht entpuppt es sich später als Fehler, aber es nicht einmal zu versuchen, ist bereits einer.«
Ich schnaubte unwillig. »Du hast leicht reden, er wird dich ja nicht verletzen.« Wenn er feststellte, wie langweilig ich war.
»Habe ich? Carolina, ich arbeite nicht seit drei Jahren für George, weil ich den Job so spannend finde. Aber ich habe es nun eingesehen. Da wird nie etwas sein. Ich versuche jetzt, mich ernsthaft für andere Männer zu interessieren.«
»George? Unser George?« Nicht zu fassen! Sina zuckte die Achseln.
»Bin total verknallt«, gab sie zu. »Aber vor Kurzem ist mir ein ebenfalls recht interessanter Mann über den Weg gelaufen. Nicht das große Herzflattern, aber mit Potential.«
»Das ist schön, Sina.«
»Bei dir ist bereits mehr. Wirf es nicht fort!«
Ich starrte in meinen Cocktail. Mehr. War ich so verdammt durchschaubar? Und wenn ich doch gar nicht wollte, dass es mehr war? »Er versteckt sich auf Farquhar, damit ihn die Paparazzi nicht belästigen.« O Mann, mein Mundwerk ritt mich wohl zu gerne in unmögliche Situationen.
Sina zuckte die Achseln. »Hat ja hervorragend funktioniert!«
Ich warf ihr einen bösen Blick zu. »Ja, hat es, nicht wahr? Mann, ich kann froh sein, dass nicht mehr zu sehen war.«
»Vermutlich gibt es weitere Aufnahmen.«
Ich stöhnte entsetzt und leerte mein Glas mit einem Schluck. Das war doch eine wahre Horrorvorstellung. Sina klopfte mir auf die Schulter und riet: »Nicht dran denken.«
Na, die war lustig! Ihre Hand rutscht ab, als ich mich zu ihr umdrehte. »Stell dir das doch mal vor. Du bist doch nie sicher, musst dich ständig fragen, ob hinter der nächsten Ecke nicht jemand lauert, der unvorteilhafte Bilder von dir schießen und veröffentlichen will.«
»Da hast du ein unschlagbares Argument.«
»Siehste«, murrte ich niedergeschlagen.
»Liny.« Wieder legte sie mir die Hand auf den Arm und sah mich ernst an. »Wirf es nicht fort. Versuch es, egal wie schwierig es erscheint. Ach, und lass mich deine Hochzeit ausrichten.«
Ich zog den Arm zurück und schnaubte: »Hättest du wohl gern!«
***
Nervös stieg ich aus meinem Leihwagen und sah an der Fassade von Farquhar empor. Die Sonne stand bereits sehr tief am Himmel und die Nacht war nicht mehr fern. Mein Herz pochte wild in meiner Brust und mir war übel. Was tat ich hier nur?
Ich verfluchte Sina und meine Dummheit gleich mit, dennoch stieg ich die Stufen zur Haustür hoch und klopfte an das Tor. Noch schneller und mein Herz musste sich einfach überschlagen. Meine Nägel bohrten sich in die Handballen, dass es schmerzte. Es dauerte eine Ewigkeit, bis endlich geöffnet wurde. Ich schluckte, als sich endlich die große Pforte vor mir öffnete.
»Nanu!«
»Mrs Collum, ich müsste mit Mr McDermitt sprechen.«
Mrs Collum runzelte dir Stirn, trat aber zurück und ließ mich ins Haus. »Miss Hildebrecht, so eine Überraschung.«
Ich lächelte gezwungen. »Ich möchte nicht stören.«
»Nun, ich muss gestehen, dass ich mir nicht sicher bin, ob sich Mr McDermitt im Haus befindet.« Sie schloss die Tür hinter mir. »Mrs McDermitt sollte sich oben aufhalten.«
Ich stockte. Mrs McDermitt. »Nein, ich möchte zu Lachlan McDermitt.«
»Mrs Collum, ich übernehme die Dame.«
Ich fuhr herum. Lachlan kam langsam näher. Sein linker Mundwinkel hob sich in seinem fein säuberlich rasierten Gesicht. Ian, nicht Lachlan.
»Oh, Mr McDermitt, Miss Hildebrecht gehörte zu dem Team, das …«
»Ich weiß, Mrs Collum.« Er reichte mir die Hand. Ich zögerte kurz, bevor ich sie ergriff. »Carolina.«
»Mr McDermitt, guten Tag.« Ich zog die Hand zurück. »Ich bin auf der Suche nach Ihrem Bruder.«
Nun hob sich auch der zweite Mundwinkeln und sein Lächeln glich nun Lachlans. »So? Nun, er wird beschäftigt sein. Kommen Sie, ich leiste Ihnen Gesellschaft.« Er deutete den Flur hinab.
»Nein«, schlug ich aus. »Ich bin nicht hergefahren, um mit Ihnen zu sprechen. Also, wo finde ich Lachlan?« Ich sah zu Mrs Collum.
»Auf dem Dach«, gab Mr McDermitt an. »Und dort möchten Sie ihn doch nicht aufsuchen.« Er grinste breit und deutete erneut den Gang hinab. »Lassen wir ihn seine Aufgabe erledigen und trinken derweilen Kaffee?«
Ich zögerte. Ich wollte sicherlich nicht mit dem falschen Mann Zeit verschwenden. Wenn das Gespräch mit Lachlan unerwartet verlief, musste ich womöglich wieder nach Hause fahren oder mir irgendwo eine Unterkunft suchen. Besser ich brachte es gleich hinter mich. »Danke, Mr McDermitt, aber ich werde Lachlan wohl kurz stören müssen.« Ich atmete tief ein. »Auf dem Dach?« Was an sich bereits ein Grund war, doch beim Kaffee zu bleiben. »Mrs Collum, wie kommt man auf das Dach?«
»Ich zeige Ihnen den Weg, Carolina«, bot Ian McDermitt an.
Was blieb mir übrig? »Danke, Mr McDermitt.« Als er dieses Mal in den Flur deutete, folgte ich dem Hinweis. Wir nahmen die Treppe.
»Also, Sie sind Hochzeitsplanerin?«
»Grafikdesignerin«, korrigierte ich abgelenkt. Mein Atem ging nur stoßweise und ich suchte nach den Worten, die ich mir in drei Tagen sorgfältig zusammengelegt hatte. Sie waren unauffindbar. Was machte ich auch hier?
»Beides Themen, mit denen Lachlan nichts anfangen kann.« Seine Stimme vibrierte vor Belustigung.
Ich sah zu ihm rüber. »Wohl nicht, nein.«
»Da frage ich mich, wie er Ihr Interesse gewinnen konnte.« Seine Augen wanderten an mir herab und man sah ihm an, welchen Zweck die Musterung hatte. Es ließ mich meinen Aufzug bereuen. Ich war am Morgen auf dem Weg zur Arbeit gewesen und hatte mich spontan krankgemeldet. Damit trug ich meine vorgeschriebene Dienstkleidung: weiße Bluse, schwarzer, kurzer Rock und Pumps. Anständig, im Gegensatz zu seinem Blick, besonders, wenn er wusste, was zwischen Lachlan und mir vorgefallen war, was bisher schließlich ganz den Anschein hatte.
»Mit seinem Sinn für Romantik.« Absurd, aber ich fand es passend. Nun, McDermitt eher unglaubwürdig, denn ihm fielen fast die Augen aus dem Kopf.
»Ich glaube, Sie verwechseln da jemanden«, murmelte er und schüttelte den Kopf. »Kenny und Romantik, das ist wie ein Fisch auf dem Trockenen.« Er führte mich auf den Dachboden und öffnete dort eine Tür.
»Kenny?«
»Kendrick. Unsere Schwestern und ich finden Lachlan schrecklich.« Er ließ mir den Vortritt. »Sagen Sie nicht, er hat sich tatsächlich mit Lachlan vorgestellt.« McDermitt schüttelte grinsend den Kopf. »Nicht einmal unsere Eltern rufen ihn mit seinem Taufnamen.«
»Doch.«
Er lachte auf. »Hier geht es lang, Carolina.« Die Tür fiel zu und ich trat ans offene Fenster. Es war ein Giebelfenster und davor befand sich ein breiter Steg. Dahinter ging es steil hinab. Ich wich zurück. Mein Magen hob sich und ich schluckte schnell die Galle wieder hinunter. Eine wirklich dumme Idee.
»Sind Sie sich nicht mehr sicher?«
Er riss mich aus meinen Zweifel. »Höhenangst«, gab ich bebend zu. »Auf ein Dach zu klettern, ist da eine Herausforderung.« Ich wischte meine Hände an meinem Rock ab.
»Kaffee?«
Ich warf ihm einen schnellen Blick zu. »Könnten Sie nicht …«
Er hob die Hände. »Ich klettere nicht auf Dächern herum, sorry.«
Na, ich auch nicht! Warum konnte diese Ausgabe Lachlans nicht unheimlich charmant und hilfsbereit sein?
»Kaffee?«
Ich haderte. Ich wollte nicht warten. Ich wollte wissen, wo wir standen. Ich wollte Sicherheit. Was auch immer passieren sollte. »Nein.« Ich stieg aus den Pumps. »Ich schaffe das schon.« Ich trat wieder auf das Fenster zu. Nicht nach unten gucken, mahnte ich mich. Ich setzte mich auf das Fensterbrett und schwang die Füße durch die Öffnung. Meine Finger gruben sich in das Holz und ich schloss die Augen. Was für eine verdammt dumme Idee!
Stimmen wehten zu mir rüber und eine ließ mein Herz höher schlagen. Na ja, vielleicht war es auch die Furcht. Ich öffnete die Augen und suchte nach dem Ursprung. Es gab Stiegen, die neben dem Giebel nach oben führten. Tränen brannten in meinen Augen und ich konnte nicht an viel anderes denken, als oh Gott . Ich konnte warten, schließlich bliebe er ja nicht ewig dort oben. Meine Finger umschlossen krampfhaft das Fensterbrett.
»Carolina, Sie sollten nicht auf dem Dach herumklettern«, mahnte McDermitt und hielt mich am Ellenbogen zurück. »Schon gar nicht in Ihrem Zustand.«
Ich schüttelte den Kopf. »Das geht schon. Ist nur Panik.«
»Eben. Kommen Sie wieder rein.«
Eine heiße Träne perlte über meine Wange. »Es geht schon, Mr McDermitt.« Ich befreite meinen Arm und öffnete meinen Griff. Ich keuchte schwer, als ich die Füße auf die Balustrade setzte und klammerte mich an den Fensterladen fest. »Oh Gott.«
»Carolina, dass ist Irrsinn!« Er umschlang meine Mitte und zog mich wieder in das Zimmer.
Ich folgte zittrig, unfähig etwas zu sagen. Es war Irrsinn. Ich klammerte mich ebenso panisch an ihn, wie zuvor an die Lade. Meine Stirn lag an seiner Brust und es wäre zu leicht, zu vergessen, dass er nicht Lachlan war.
»Es kann unmöglich so wichtig sein, dass …«
»Liny?«
Ich schrie auf und schubst McDermitt von mir. Anders als bei Lachlan erhielt ich auch meinen Freiraum und fuhr schwankend herum.
Lachlan kletterte durch das Fenster.
»Das ist so nicht«, wisperte ich. »Ich kann nur nicht …« Mir versagte die Stimme und die Nerven gleich mit. »Lachlan«, krächzte ich und schloss die Lider.
»Höhenangst«, erklärte McDermitt gelassen. »Und sie wollte aufs Dach klettern.«
Oh, danke! Es war nicht nötig, mich der Lächerlichkeit preiszugeben.
Warme Fingerspitzen glitten über meine Wange. »So? Ist es schlimm?« Verwirrt sah ich zu ihm auf. »Deine Höhenangst.«
Ich presste die Lippen aufeinander und zuckte die Achseln. »Nein.«
»Sie schlottert noch immer, Ken. Ich schlage vor, ich gehe schon mal runter und ordere Kaffee. Vielleicht auch einen Schluck Whisky. Sie sieht aus, als könnte sie ihn gebrauchen.«
Ich warf ihm einen giftigen Blick zu. »Ich muss noch fahren!«
McDermitt hob die Hände und zog sich eilig zurück.
»Bleib doch«, murmelte Lachlan und hob mein Gesicht an, damit ich nur ihn ansehen konnte. »Wir finden sicherlich ein Zimmer für dich. Ein größeres. Du kannst auch meines haben.«
Ich schluckte. Tja, ich wollte ja bleiben. Ich befeuchtete mir die Lippen, was seinen Blick bannte. »Lachlan, ich muss mit dir sprechen.«
Seine blauen Augen verengten sich leicht. »Sag jetzt nicht, dass du schwanger bist und nur hier bist, um …«
Ich schlug seine Hände weg. »Ich hatte schon fast vergessen, was für ein Idiot du bist!« Zumindest verschwand die Übelkeit und auch die Beklemmung. »Vergiss es!« Ich wandte mich ab und Lachlan fing meine Hand ein und holte mich zurück.
»Nicht. Geh nicht wieder weg.«
»Ich weiß gar nicht, was ich hier will!« Ich schüttelte seine Hand ab und stampfte davon.
»Liny, bitte. Es war eine unbedachte Bemerkung.«
»Ja, das war sie. Aber herzukommen offenbar genauso!« Mindestens.
Lachlan holte auf der Treppe zu mir auf. »Ich bin froh, dass du hier bist. Ich wäre am Wochenende auch wieder nach London gekommen. Ich habe mich umgehört.« Er verstellte mir den Weg. »Jetzt warte doch einen Moment.«
Ich schnaubte und wollte ihn umrunden.
»Es tut mir leid.«
»Ich hätte nicht kommen sollen, Lachlan. Es ist wegen Sina. Ich sollte nicht auf sie hören. Sie hat völlig idiotische Vorstellungen!« Ich nahm meinen Weg wieder auf.
»Carolina, du wärst nicht hier, wenn du es nicht wolltest. Solltest du mir da nicht wenigstens die Chance geben, meine Worte zu erklären?« Er hielt sich wieder neben mir und stoppte mich erst auf dem letzten Absatz. »Liny!«
Ich sah wütend zu ihm auf. »Vaterschaftsklagen. Ich habe es schon verstanden. Keine Sorge, ich bin nicht schwanger!« Er stand eine Stufe unter mir und war damit fast auf Augenhöhe.
Er atmete tief ein. »Liny, ich wollte dir nichts unterstellen.«
»Ach nein?« Damit erntete ich einen Blick, wie ihn meine Mutter zu nutzen pflegte. Kurz bevor sie mich ermahnte, es nicht zu weit zu treiben. Ich war eine erwachsene Frau und wurde immer noch gemaßregelt wie ein Kind!
Ich atmete also selbst tief durch. »Lachlan, genau das hast du gesagt.«
»Nein. Ich ging davon aus, dass du mich lediglich informieren wolltest. Dass du nicht hier bist, weil du mich vielleicht auch vermisst oder es dir einfach noch einmal überlegt hast. Liny …« Er schüttelte den Kopf. »Wir müssen dringend an unserer Kommunikation arbeiten.«
»Oder, es einfach vergessen«, schlug ich vor, mich zur Ruhe zwingend. »Es gibt so viele Punkte, die dagegensprechen.« Einer davon war sicherlich das Elend, aus dem ich mich in den letzten Wochen kaum hatte befreien können. Die unzähligen Überstunden hatten nämlich auch dazu geführt, dass mir nicht mehr viel Zeit zum Grübeln und Heulen geblieben war. Ich schlief meist völlig erschöpft ein, nach nur ein oder zwei Stunden lautstarker Gram.
Lachlan ergriff meine Hände. »Die gibt es nicht! Ich habe die falschen Worte gewählt. Ich hätte dir die Gelegenheit geben sollen, zu sagen, was du sagen wolltest.« Er machte eine Pause und sah mir dabei eindringlich in die Augen. Fast stockte mir der Atem. »Wofür du sogar auf das Dach klettern wolltest!«
Ich biss die Zähne aufeinander.
»Liny, ich weiß, dass du es genauso willst wie ich.«
Es fiel mir schwer, Haltung zu wahren, obwohl seine Nähe den Drang in mir weckte, mich in seine Arme zu flüchten. Nur von ihm halten lassen, mehr wollte ich gar nicht. Ich hob die Hand, wollte sie ihm auf die Brust legen, und schloss zurückhaltend die Faust.
»Fast acht Stunden Fahrt, Liny. Das Dach. Mann, du dachtest, ich verstände es falsch, dass du in Ians Armen lagst!«, fasste er zusammen.
Ein Schauer ließ mich beben. Das klang tatsächlich sehr eindeutig. Zu eindeutig, herrje, ich konnte ihm ebenso gleich sagen, dass ich nur noch an ihn dachte und mich wahnsinnig nach ihm sehnte. »Das war nur …«, krächzte ich und brach ab. Sollte ich mit offenen Karten spielen? War ich nicht genau deswegen hier, um festzustellen, wo genau wir standen?
»Ich weiß! Himmel, Carolina, Ian mag ein ziemlicher Draufgänger sein, aber er hat sicherlich nie eine meiner Freundinnen angesehen.« Er versuchte wieder, meinen Blick einzufangen. »Du magst heute vielleicht seinem Geschmack entsprechen, trotzdem …« Er schüttelte den Kopf. »Er weiß, was du mir bedeutest.«
Damit fing er meine Aufmerksamkeit ein. Lachlan beugte sich vor und küsste mich. Seine Finger legten sich federleicht an meine Wange, der Daumen rieb dabei über meine Nase, und weckten durch ihre zarte Berührung ein verdammt lauschiges Gefühl in mir. Wärme gepaart mit Sicherheit. Ich kuschelte mich an ihn und gab der Liebkosung etwas mehr Feuer.
Lachlan räusperte sich nach einem Moment und löste sich leicht. »Liny, ich mag unkomplizierte Dinge. Ich mag zu wissen, woran ich bin. Ich mag Aufrichtigkeit und Gradlinigkeit.«
Ich runzelte die Stirn, weil ich nicht ganz folgen konnte. Man konnte mich wohl nicht gerade mit unkompliziert beschreiben.
»Du bist eher undurchsichtig.«
Ich klappte den Mund auf, klang es doch nicht wie ein Kompliment. Er schob mein Kinn wieder nach oben und drückte schnell einen Kuss auf meine Lippen. »Von Anfang an hast du mich auf die Palme gebracht, dabei wollte ich hier lediglich in Ruhe meiner Arbeit nachgehen.«
Ich presste die Lippen aufeinander. Also bitte!
»Erst dachte ich, es sei eine recht beknackte Art, Interesse zu wecken. Ian hat es mit Schreckschrauben, da hätte es funktionieren können, die Unbeeindruckte zu mimen.«
Seine Hand hielt mein Kinn umschlossen. »Ich habe nicht …«
»Das war mir erst klar, als du mir den Ausdruck unter die Nase hieltest. Nicht mit der Drohung, unsere Affäre Cheyenne zu offenbaren, weil du mich für Ian hieltest, sondern damit ich dich in den Garten ließ.« Er schüttelte den Kopf. »Das wäre wirklich ein zu beknackter Plan gewesen.«
»Ich bin auch keine Schreckschraube!«, murrte ich und verschränkte, den Kopf zurückziehend, die Arme vor dem Bauch.
»Du gabst mir das Gefühl, ein absoluter Vollidiot zu sein.« Er legte den Kopf schräg und stemmte die Hände in den Hüften ab. »Dann die Sache in der Scheune. Du hättest es auch aussprechen können, es war genauso deutlich: Dir wäre es am liebsten gewesen, wenn es nie passiert wäre.« Er schüttelte den Kopf. »Immer schaffst du Abstand zwischen uns. Immer gibst du mir das Gefühl, nicht gewollt zu sein.«
Ich biss mir auf die Lippe. Mir war nicht klar gewesen, wie deutlich ich unbewusst war. Und Sina hatte ich es schlicht nicht abgenommen, als sie behauptete, ich kastriere die Männer.
Lachlan hob die Hand, strich mir erneut über die Wange. »Ich kann damit leben, nicht die Nummer eins zu sein, Liny. Ich lasse dir deinen Freiraum. Ich lasse dich arbeiten. Wenn es denn London sein muss, schön. Ich arrangiere mich damit. Auch damit, wieder gehäuft fotografiert und verwechselt zu werden.« Er hob mein Kinn und sein Daumen rieb sanft darüber. »Mein Ego muss nicht gestreichelt werden.« Ein Lächeln huschte über seine Lippen. »Ich bin da unkompliziert. Wenn du nicht reden willst, gut.«
»Da muss ich dich enttäuschen«, murrte ich. »Ich rede sogar viel zu viel.«
Ein Grinsen formte sich. »So? Ich habe das Gefühl, hier der Einzige zu sein, der redet
Ich verdrehte die Augen, bevor ich mich daran erinnerte, wie albern es aussah. »Du kennst mich gar nicht.«
»Ich weiß nicht alles von dir, da gebe ich dir gerne recht, aber etwas sagt mir, dass es gar nicht nötig ist, alles zu wissen.«
Ich unterdrückte ein weiteres Augenrollen und hob lediglich die Brauen.
»Ich weiß, wie ich mich in deiner Gegenwart fühle und so will ich mich fühlen, Carolina.«
»Ungewollt?«, erinnerte ich ihn an seine vorherigen Worte.
Er lachte auf. »Nun, zwischendrin kommt auch schon mal ein anderes Gefühl auf!« Seine Finger glitten an mir herab und er zog mich an meinen näher an sich. Sein Kuss war sanft und süß.
Meine Lider senkten sich ungefragt.
»Also«, raunte er an meinem Mund. »Was hattest du mir sagen wollen?«
»Dass ich dumm bin«, wisperte ich. »Und nicht weiß, ob ich das kann.«
»Dich in mich zu verlieben?«
»Mich zu trauen, zu bleiben«, korrigierte ich ihn. Das andere passierte leider unaufgefordert und auch noch unbemerkt.
»Wovor hast du Angst?«
Ich öffnete die Augen und sah ihm seine Irritation an. »Das ist eine längere Geschichte.«
»Dein Ex.«
Nun, vielleicht war sie auch ganz kurz.
»Du liebst ihn noch?« Seine Umarmung lockerte sich. »Ist es das?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Das ist vorbei.« Und seltsamerweise war es tatsächlich so. »Ich möchte nur nicht verletzt werden.«
»Das möchte ich auch nicht, Liny. Das möchte wohl niemand.«
Ich seufzte. Das war nicht das, was ich hören wollte.
»Leider kann ich es nicht ausschließen.«
»Bitte?« Ich wollte von ihm zurücktreten, aber die Stufe ließ mich torkeln.
»Liny.« Er fing mich ab. »Ich verstehe nicht viel von Romantik und vermutlich noch weniger von deinem Job. In jeder Beziehung kommt es zu Missverständnissen. Und bei uns …« Er zuckte mit den Schultern. »Es ist, als geraten wir ständig aneinander.«
Da war was dran.
»Ich kann dir nur versprechen, es zu versuchen.«
Ich senkte das Kinn. War mir das genug?
»Liny?«, murmelte er und zog mich sacht an sich. »In der Scheune ging es mir nicht darum, mich aufzuwärmen. Ich wollte endlich aufhören, mich über dich zu ärgern. Ich dachte, dass ich vielleicht nicht mehr an dich denken müsste, wenn ich mit dir geschlafen habe.« Seine Lippen drückten sich in mein Haar. »Es hat es aber nur noch schlimmer gemacht.«
Ich biss mir auf die Lippe.
»Ich muss ständig an dich denken.«
»Ich denke auch an dich«, flüsterte ich und hoffte fast, ich wäre zu leise, als dass er mich verstünde.
»Ich bin wahnsinnig verliebt in dich.«
Ich stöhnte verzweifelt. Musste ich das Geständnis erwidern? War ich bereit dazu?
»Du wolltest für mich aufs Dach klettern«, murmelte er in mein Ohr. »Das werte ich einfach mal, als ein: Ich bin auch wahnsinnig verschossen in dich. «
Ich lachte auf und schob ihn von mir. »Von …« Das wegen küsste er mir von den Lippen. Und mir war es mehr als recht so!