8. KAPITEL

„Noch etwas Kaffee, meine Liebe?“

Helena schrak aus ihren Gedanken auf, als Panaiotis sie ansprach. Er deutete auf die silberne Kanne, die auf dem festlich gedeckten Tisch auf der Terrasse seines Anwesens stand.

„Ja, danke.“ Dankbar sah sie zu, wie er ihre Tasse erneut auffüllte. Sie fühlte sich noch immer wie zerschlagen, weil sie so unruhig geschlafen hatte, und konnte diese Stärkung gut gebrauchen. Das reiche Angebot an Speisen jedoch rührte sie nicht an, weil sie nicht sicher war, ob sie etwas hinunterbringen konnte, solange Nikos mit diesem düsteren Ausdruck auf dem Gesicht neben ihr saß.

„Sie essen ja gar nichts, geht es Ihnen nicht gut?“, erkundigte sich Panaiotis besorgt.

„Doch, doch. Ich habe nur … schlecht geschlafen“, versicherte sie ihm und errötete, als der ältere Mann wissend lächelte.

„Schlecht oder wenig?“, fragte er belustigt, und Helena spürte, wie ihr Hitze in die Wangen stieg. Es war klar, was der Reeder dachte, und so falsch lag er damit ja auch gar nicht. Eigentlich. Dass in Wirklichkeit jedoch alles ganz anders war und sie allen etwas vorgespielt hatten, durfte sie ihm ja nicht verraten. Sie war nicht Nikos’ Freundin, sondern nur eine Mechanikerin aus Piräus, die zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war und dem falschen Mann zu tief in die Augen gesehen hatte. Einem Mann, den sie jetzt vielleicht heiraten musste …

Hastig trank sie einen Schluck Kaffee, um sich von diesem Gedanken abzulenken, und sah sich um. Es war später Vormittag, und die Gäste, die im Haus oder in den Kabinen der Jachten übernachtet hatten, saßen gemeinsam an einer langen Tafel auf der Terrasse. Die Spuren des gestrigen Festes und auch das Podest, auf dem die Band gespielt hatte, waren inzwischen entfernt, und die Sonne, die schon strahlend am Himmel stand, versprach einen weiteren wunderschönen Tag.

Nach der langen Feier waren viele noch müde, doch die Unterhaltungen an dem großen Tisch wurden dennoch rege geführt. Nur Nikos schwieg hartnäckig. Auch am Morgen hatte er nur das Allernötigste zu ihr gesagt, eigentlich nur, dass sie sich für den erneuten Besuch im Haus umziehen sollte und wann sie dort erwartet wurden. Den dunklen Rändern unter seinen Augen nach zu urteilen, war auch ihm nur wenig Nachtruhe vergönnt gewesen, und die Tatsache, dass er missgelaunt war, konnte niemandem am Tisch entgehen.

Athina, die mit ihrem Vater ebenfalls anwesend war und nicht weit von Nikos und Helena entfernt auf der anderen Seite saß, versuchte mehrfach, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, doch er gab nur einsilbige Antworten, bis sie es mit einem vorwurfsvollen Blick in Helenas Richtung schließlich aufgab und sich Angelos zuwandte, der auf ihrer anderen Seite saß.

Panaiotis’ Neffe schien wesentlich gesprächiger, aber Helena beobachtete mit einem unguten Gefühl, wie sein Blick immer wieder zu ihr und Nikos hinüberglitt. Das Glitzern in seinen Augen war so feindselig, dass Helena unwillkürlich ein Schauer über den Rücken lief.

„Ist dir kalt?“

Nikos sah sie scharf an, und Helena schüttelte unglücklich den Kopf.

„Nein.“

Für einen Moment verlor sie sich in seinen dunklen Augen, die sich in ihre zu bohren schienen, dann unterbrach er abrupt den Blickkontakt und erhob sich.

„Entschuldigt mich, ich muss noch mal telefonieren.“

Er verschwand im Haus, und Helena sah ihm mit einem erneuten Anflug von Verzweiflung nach. Heute war er wieder eher leger gekleidet, trug eine weiße Hose und ein passendes weißes Hemd, das den Kontrast zu seinen dunklen Haaren und der gebräunten Haut erhöhte. Aber eigentlich, dachte Helena seufzend, konnte er anziehen, was er wollte, er sah immer gut darin aus. Vielleicht war es auch seine Unnahbarkeit und die Gefährlichkeit, die manchmal in seinem Blick lag, die ihn so anziehend machte, denn Helena bemerkte, dass Athina Herodias ebenfalls beobachtete, wie er durch die Terrassentür in das große Wohnzimmer trat.

Athina passt mit ihrem ebenfalls weißen Sommerkleid viel besser zu Nikos als ich, dachte Helena unglücklich und blickte an sich hinunter. Jetzt ärgerte sie sich fast, dass sie sich in der Boutique in Athen nicht für ein weiteres Kleid, sondern für die Kombination aus einer kurzen marineblauen Hose und einer leichten Sommerbluse mit schrägen blauweißen Streifen entschieden hatte. Beides stand ihr gut, aber gegen die elegante Brünette mit ihrem auffälligen Schmuck, die ihre Schönheit selbstbewusst präsentierte, kam sie sich in diesen Sachen beinahe unscheinbar vor.

Doch was hätte ein verführerisches Kleid schon geändert? Ganz sicher wäre Nikos deshalb jetzt nicht besserer Laune gewesen, und die Situation zwischen ihnen wäre genauso unangenehm und verfahren geblieben.

„Was ist los mit Nikos?“, fragte Panaiotis und riss sie damit aus ihren Gedanken. „Hat er Ärger mit der Stiftung?“ Er hielt die Stimme gesenkt, sodass nur Helena, die neben ihm saß, ihn hören konnte. Offenbar wusste er, dass Nikos nicht wollte, dass etwas über seine Arbeit an die Öffentlichkeit drang, und das schlechte Gewissen übermannte sie erneut, weil sie es gestern Abend einfach so rausposaunt hatte.

„Ich weiß es nicht“, sagte sie und zögerte. Aber sie musste die Gelegenheit einfach nutzen, um mehr über Nikos zu erfahren. „Warum engagiert er sich so für die Kinder aus den Armutsvierteln?“, fragte sie vorsichtig und mit ebenfalls leiser Stimme.

Panaiotis lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Ich denke, weil er selbst aus einfachen Verhältnissen stammt“, erklärte er. „Ich weiß nicht genau, was in seiner Kindheit geschehen ist, darüber redet er nicht. Als ich ihn kennenlernte, war er schon ein junger Mann, und zwar ein sehr fest entschlossener. Er hatte gerade seine Firma gegründet und kannte nur ein Ziel: es bis ganz nach oben schaffen. Die Einstellung gefiel mir.“ Panaiotis lächelte. „Und jetzt, wo ihm das gelungen ist, gibt er mit seiner Stiftung Kindern und Jugendlichen eine Chance, die nicht das große Los gezogen haben. Damit sie es leichter haben als er damals, denke ich.“

Ein Kloß bildete sich in ihrer Kehle. „Das finde ich bewundernswert“, sagte sie. „Aber warum will er nicht, dass jemand etwas darüber erfährt?“

Panaiotis zuckte mit den Schultern. „Das ist einfach seine Art. Ich glaube, er hütet viele Geheimnisse, die er nicht mal mir alle erzählt. In dieser Hinsicht ist er sehr verschlossen.“

Helena schluckte. „Aber Sie schätzen ihn, oder?“ Sie musste wissen, ob sie sich in der Annahme täuschte, dass die beiden tatsächlich ein enges Verhältnis verband. Oder kannte ihn der Mann, den Nikos seinen besten Freund nannte, auch gar nicht wirklich?

Der ältere Herr lächelte. „Natürlich. Er gefiel mir gleich, als ich ihn damals zum ersten Mal traf, und ich half ihm ein wenig über die Anfangsschwierigkeiten hinweg. Über die Jahre wurde daraus eine Freundschaft, die mir viel bedeutet.“

„Er mag sie auch sehr“, meinte Helena erleichtert.

„Wirklich?“ Panaiotis sah sie an. „Hat er Ihnen das gesagt?“

„Ja, das hat er. Wieso? Wissen Sie das denn nicht?“

Wieder erschien ein wissendes Lächeln auf den Lippen ihres Gastgebers. „Doch, das weiß ich. Aber ich wüsste nicht, dass Nikos es jemals laut ausgesprochen hätte. Er redet normalerweise nicht über so etwas. Das passt gar nicht zu ihm.“ Er lachte.

„Was passt nicht zu mir?“ Nikos, der gerade wieder an den Tisch zurückkehrte, blickte Panaiotis fragend an.

„Dass du Liebesgeständnisse machst.“

Nikos sah Helena scharf an. „Ich kann mich nicht erinnern, irgendjemandem meine Liebe gestanden zu haben.“

„Liebe ist vielleicht auch ein bisschen übertrieben. Helena hat nur erzählt, du hättest ihr gesagt, dass du mich sehr schätzt, und ich antwortete ihr, dass ich solche Geständnisse von dir gar nicht kenne. Aber keine Sorge, mein Lieber, das ist für mich gar nichts Neues. Und es freut mich sehr, dass du endlich jemanden an deiner Seite hast, der dich ein bisschen offener macht. Das tut dir gut.“

Der Blick, mit dem Nikos sie daraufhin fixierte, sagte Helena eindeutig, dass er das ganz anders sah, doch er kommentierte es nicht, sondern ging darüber hinweg und erkundigte sich bei Panaiotis nach den weiteren Plänen für den Tag.

„Ich dachte, wir machen einen Spaziergang über die Insel, so wie es Tradition ist. Ich möchte Helena gerne mehr von meinem kleinen Paradies zeigen“, erklärte ihr Gastgeber.

Als sie kurz darauf durch die Gärten auf der vom Hafen abgewandten Seite des Hauses in Richtung Strand hinuntergingen, versuchte Helena, sich nicht anmerken zu lassen, wie verzweifelt sie war. Panaiotis machte es ihr leicht, indem er ihr Geschichten darüber erzählte, wie er die Insel erworben hatte und was im Laufe der Zeit alles daran verändert worden war. Doch während sie ihm lauschte, sah sie immer wieder aus den Augenwinkeln zu Nikos hinüber, der mit Athina an seiner Seite ein Stück vorausgegangen war.

Heute, so schien es, hatte er nicht mehr so viel gegen die Gesellschaft der hübschen Unternehmertochter einzuwenden, denn er unterhielt sich angeregt mit ihr und lachte über eine ihrer Bemerkungen. Die Tatsache, dass er sich so mit ihr zu amüsieren schien, versetzte ihr einen schmerzhaften Stich.

Wird so mein Leben aussehen? dachte Helena, und ein niederdrückendes Gefühl schnürte ihr für einen Moment die Kehle zu. Würde sie immer ein paar Schritte hinter ihm laufen und zusehen müssen, wie er sich mit anderen Frauen amüsierte? Konnte sie das?

Nein, entschied sie für sich. So ging das auf gar keinen Fall. Sie erinnerte sich zwar noch gut an seine Drohung, sie dürfe niemals irgendwelche Ansprüche an ihn stellen, doch eine so entwürdigende Rolle würde sie in seinem Leben nicht spielen können. Auch nicht ihrem Kind zuliebe, wenn sie eins bekam. Wenn sie heirateten, dann ganz sicher nicht zu diesen Bedingungen.

„Na, ist die große Liebe schon abgekühlt?“, erklang neben ihr plötzlich eine Stimme, und als Helena erschrocken aufblickte, sah sie, dass Angelos zu ihr aufgeschlossen hatte. Der abschätzige Blick, mit dem er sie betrachtete, war ihr unangenehm, deshalb wandte sie sich hilfesuchend zu Panaiotis um, musste zu ihrem Schrecken jedoch feststellen, dass er zurückgefallen war, weil ein anderer Gast ihn in ein Gespräch verwickelt hatte. Sie war mit Angelos allein, der sie noch immer feindselig fixierte.

„Ich verstehe nicht, was Sie damit meinen“, erklärte sie kühl.

„Ich meine, dass Ihr Begleiter sich offenbar schon Ersatz für Sie gesucht hat.“ Angelos deutete mit dem Kopf nach vorn auf Nikos und Athina. „Aber ich glaube nicht, dass eine Frau mit Ihren Reizen sich in dieser Hinsicht Sorgen machen muss. Ich springe gerne für ihn ein, wenn er kein Interesse mehr an Ihnen hat.“

Provozierend legte Angelos eine Hand auf ihren Po und sah sie vielsagend an.

Entsetzt wich Helena ihm aus, und es hätte nicht viel gefehlt und sie hätte ihm auf die Hand geschlagen. Doch sie beherrschte sich im letzten Moment, als ihr wieder einfiel, dass er der Neffe von Panaiotis war.

„Nein, danke“, sagte sie voller Abscheu, weil er es so klingen ließ, als wäre sie nichts weiter als ein billiges Flittchen, das sich an den Meistbietenden verkaufte. Gingen die oberen Zehntausend so miteinander um? Oder glaubte dieser widerliche Kerl nur bei ihr, dass er sich das herausnehmen durfte? Wut schäumte in ihr hoch, und ihr lag eine beleidigende Antwort auf der Zunge, doch sie beherrschte sich, weil sie keine Szene machen wollte.

„Nichts für ungut“, meinte Angelos, und der sarkastische Unterton in seiner Stimme wich plötzlich einer neuen Freundlichkeit, der Helena misstraute. Aber das war ihr immer noch lieber, als von ihm betatscht zu werden. „Sagen Sie, habe ich das gestern Abend eigentlich richtig verstanden? Nikos Pandakis ist der Gründer der Aurora-Stiftung?“

Daher weht also der Wind, dachte Helena, erneut entsetzt darüber, dass sie mit ihrer unbedachten Bemerkung etwas aufgedeckt hatte, das Nikos geheim halten wollte. Es kam ihr wie ein Verrat an ihm vor, auch wenn sie immer noch fand, dass es nichts war, was er verheimlichen musste.

„Warum fragen Sie ihn das nicht selbst?“, antwortete sie ausweichend. Die Art, wie Angelos Thandopulous diese Frage stellte, machte sie misstrauisch. Aber was konnte er mit diesem Wissen schon Schlimmes anfangen? Nikos konnte schließlich stolz auf sein Engagement sein.

„Wieso hat er das allen verschwiegen?“, meinte Angelos und überging ihre Gegenfrage. Er griff nach ihrem Arm, umklammerte ihn so fest mit seiner Hand, dass es ihr wehtat. „Gibt es vielleicht noch mehr, was wir lieber nicht über ihn erfahren sollen?“

Helena erschrak über den Hass, den sie jetzt in Angelos Blick lodern sah.

„Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen“, erklärte sie und versuchte, sich von ihm loszumachen, doch er gab sie nicht frei, sondern zog sie stattdessen näher zu sich heran.

„Du solltest dir gut überlegen, auf welches Pferd du setzt“, zischte er ihr ins Ohr. „Es kann gut sein, dass Nikos Pandakis nicht mehr lange der unantastbare Held der Gesellschaft ist. Jeder hat Dreck am Stecken, man muss nur lange genug danach suchen. Ich bin ihm auf dem Fersen, sag ihm das, und ich werde dafür sorgen, dass er mir nicht das nimmt, was mir zusteht.“ Endlich ließ er sie wieder los, und erschrocken über seine Drohung und sein merkwürdiges Verhalten eilte Helena weiter, den Blick zu Boden gesenkt.

Doch sie kam nicht weit, denn schon nach wenigen Metern stieß sie gegen eine breite Männerbrust, und zwei große Hände legten sich fest um ihre Schultern. Überrascht hob sie den Kopf und blickte in Nikos’ wütend funkelnde Augen. Er ließ sie wieder los und blieb dicht bei ihr stehen, während er darauf wartete, dass Angelos, der ihn mit einem provozierenden Blick ansah, und Panaiotis und die anderen Gäste an ihnen vorbeigegangen waren. Erst als sich niemand mehr in der Nähe befand, griff er erneut fast grob nach ihrem Arm.

„Was sollte das?“, fragte er aufgebracht. „Wieso turtelst du so vertraut mit diesem Kerl herum?“

„Ich habe nicht mit ihm geturtelt“, verteidigte sich Helena. „Im Gegenteil. Er war ziemlich grob zu mir und hat mich bedroht.“ Erneut wallte Zorn in ihr auf. „Und ich habe auch keine Lust, mich von dir so behandeln zu lassen.“ Mit einer unwilligen Geste machte sie sich von ihm los und ging weiter. Doch er holte sie fast sofort wieder ein und hielt sie wieder fest.

„Ich habe dich gewarnt, Helena“, sagte er. „Ich werde nicht zulassen, dass du mich brüskierst. Wenn du glaubst, du könntest …“

„Aber du kannst, ja?“, unterbrach sie ihn. „Du darfst mit jeder Frau flirten, die dir über den Weg läuft, aber ich soll nicht mal in die Nähe eines anderen Mannes kommen? Hattest du dir das so gedacht? Nun, dann habe ich Neuigkeiten für dich, Nikos. So funktioniert das nicht. Unter diesen Umständen bleibe ich nicht bei dir.“

Er schnaubte. „Du bleibst ohnehin nur bei mir, bis geklärt ist, ob du von mir schwanger bist.“

Helena schluckte, erneut geschockt über seine Kälte. Aber vielleicht war es besser, dass er sie noch einmal an ihr Arrangement erinnerte, damit sie sich keinen Illusionen hingab, was ihn anging. Seinen Launen unterwerfen würde sie sich deshalb aber noch lange nicht. Besser, sie stellte das gleich klar.

„Genau. Aber bis dahin erwarte ich von dir genau den gleichen Respekt, den ich dir erweisen soll. Was gestern Abend passiert ist, war … ein Fehler, der nicht mehr zu ändern ist, und bis wir wissen, wie es weitergeht, müssen wir uns wohl oder übel miteinander arrangieren. Wir beide müssen das, Nikos. Nicht nur ich. Wenn du willst, dass ich dich nicht brüskiere, dann tu mir das gefälligst auch nicht an. Du brauchst nicht jeder anderen Frau schöne Augen zu machen, nur um mir zu beweisen, dass ich dir nichts bedeute. Ich denke, das habe ich verstanden. Die Tatsache, dass ich vielleicht ein Kind von dir bekomme, macht mich jedoch nicht zu deinem Eigentum, und solltest du mich weiter so behandeln, werde ich gehen – und zwar sofort.“

Nikos biss die Zähne aufeinander, während er auf Helena hinunterstarrte, die seinem Blick trotzig standhielt. In ihren blauen Augen funkelte Zorn, und obwohl sein Verstand ihre Worte als leeres Gerede abtun wollte – das gehörte doch zu der Rolle, die sie ihm vorspielte –, sagte sein Bauchgefühl ihm, dass sie es ernst meinte. Würde sie wirklich gehen? Er weigerte sich, das zu glauben. Darüber wollte er überhaupt nicht nachdenken.

Und wenn sie, bis sie wussten, was als Nächstes passieren würde, wollte, dass er sich ganz auf sie konzentrierte, kein Problem – er konnte sowieso nur an sie und die heiße Liebesnacht denken, die sie miteinander verbracht hatten. Heftig stieß er den Atem aus. Das konnten sie gerne wiederholen. Das würden sie wiederholen.

„Also gut“, knurrte er und zog sie abrupt an sich. „Aber wenn du die einzige Frau bist, die ich ansehen darf, Helena, dann wirst du es auch sein, die mir nachts das Bett wärmt. Sieh es als Übung für die ehelichen Pflichten, die von dir erwartet werden, falls du meine Frau wirst.“

Er presste seine Lippen hart und fordernd auf ihre, küsste sie tief und leidenschaftlich, bis sie hilflos zitternd die Arme um seinen Nacken schlang und voller Sehnsucht nach mehr mit den Händen durch sein seidiges Haar fuhr.

Doch genauso abrupt, wie er den Kuss angefangen hatte, beendete Nikos ihn auch wieder, nahm ihre Hand und ging weiter, um wieder zu den anderen aufzuschließen.

Hin und her gerissen zwischen widerstreitenden Gefühlen, stolperte Helena neben ihm her. Sie wollte sich von ihm losmachen, die Insel verlassen und diesen unmöglichen Mann nie mehr wiedersehen. Und sie wollte, dass er sie wieder in seine Arme zog und weiterküsste, bis sie vergaß, dass er sie nur begehrte, aber nicht liebte. Letztlich spielte es jedoch keine Rolle, welche Möglichkeit sie wählte – weil beides ihr das Herz brechen würde …