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Es ist 21.48 Uhr, und ich habe langsam keinen Bock mehr. In zwölf Minuten fängt im Fernsehen mein ZDF History an, aber direkt neben mir im Bett liegt Dörte und hat auf meinem (!) Gerät in meinem (!) Schlafzimmer den Bachelor angemacht. Den Bachelor ! In dessen Designerküche sich die hohlen Kandidatinnen auf den Barhockern räkeln wie die Damen im Puff, ist doch wahr. Und am Ende spuckt dieses System einige von denen als Kakerlakenfresser im Dschungel wieder aus. The circle of life . Ich könnte kotzen, und Dörte findet den Bachelor auch scheiße, im Grunde, aber dabei kann sie schön entspannen, sagt sie, und morgen klingelt ja um 5.30 Uhr ihr Wecker, da braucht sie was Leichtes zum Einschlafen.

«Wenn der Bachelor was Leichtes ist – ist das dann vergleichbar mit ’ner Scheibe Dinkelbrot mit Hüttenkäse und Brunnenkresse? Weil es leichter zu verdauen ist? Oder mit Backofen-Camembert, weil der so schön leicht aus der Packung zu pulen ist, und Ofen an und fertig?»

«Weißt ja wohl, wie ich meine.»

«Also Hüttenkäse.»

«Vielleicht. Ja.»

«Mir würde das nicht reichen. Dann würde ich noch nachts wach liegen und überlegen, ob ich nicht doch noch Hunger hab. Vielleicht.»

«Wenn man mittags Schweinshaxe isst, fällt man danach unmittelbar ins Schweinshaxen-Koma, und der ganze restliche Tag ist quasi gelaufen. Warum also nicht direkt vorm Schlafengehen so ’ne Haxe? Wenn’s hilft?»

«Das ist wie mit Rotwein, Ralf. Da schläft man ja auch schnell ein, aber nach zwei Stunden wacht man wieder auf.»

«Die zwei Stunden hat man dann ja aber erst mal.»

Wenn man den Montags-Thriller im Zweiten direkt nach dem heute journal guckt, dann ist das tatsächlich wie eine Portion Chili con Carne direkt vor dem Einschlafen. Kein Thema. Aber im Moment geht es mir ja um ZDF History , was ich gerne gucke, und die warten heute laut Hörzu mit der «Geheimakte Honecker» auf, was mich den ganzen Tag schon elektrisiert, weil ich sowieso eigentlich immer alles gucke, was «Geheimakte» im Titel hat. Besser geht es ja wohl auch kaum. Die Füchse bei ZDF History wissen, wie sie Ralf Prange kriegen. Stehe ich zu. Und danach kann ich dann immer noch eine kleine Schweinshaxe gucken, idealerweise vielleicht so was wie Die Zehn Gebote , was viel zu selten noch spät ausgestrahlt wird. Da ist das meistens wie bei der echten Schweinshaxe, wo man sich beim letzten Drittel fragt: «Ess ich noch, oder schlaf ich schon?», nämlich genau diese Zwischenwelt von Gucken und Wegdämmern.

Na ja. Jetzt noch elf Minuten. Ich kann nicht erkennen, ob Dörte schon eingeschlafen ist. Sie hat mir den Hintern hingestreckt und liegt auf der Seite. Wie man da vernünftig fernsehen kann, bliebt mir schleierhaft. Man würde ja auch nicht auf die Idee kommen, das Gerät hochkant an die Wand zu hängen. Ich könnte sie fragen: «Dörte, schläfst du schon?», aber dann wecke ich sie vielleicht auf, falls sie schon pennt, und falls sie noch nicht pennt, merkt sie an der Frage sofort, was ich eigentlich will und vorhabe. Und da bin ich nicht stolz drauf.

Ich will , dass Dörte endlich einpennt! Dass ich endlich wieder Herr über mein Schlafzimmer und meine Fernbedienung bin. So! Wie gesagt, ich bin nicht stolz drauf, aber Dörte macht sich so langsam breit bei mir. Nicht nur, dass sie die Gabeln mit den Piekern nach oben in den Geschirrspüler räumt, sie hat bei Tchibo einfach Tischsets aus Sisal für den Küchentisch gekauft, wo die Toastkrümel drunterrieseln und die man jedes Mal hochnehmen muss, wenn man die Platte wischt, und sie hat eine Vanille-Duftkerze fürs Wohnzimmer gekauft, die nach altem Staubsaugerbeutel stinkt – meine Meinung –, und jetzt greift sie nach der Macht über mein Fernsehprogramm! Und wie ein Vampir, der auf den Sonnenuntergang wartet, warte ich jeden Abend darauf, dass meine Lebensgefährtin einschläft. Ich habe sie wirklich gern. Lieb. Ich habe sie lieb. Ich bin immer noch, ja, verknallt. Aber auch Mütter lieben ihre Kinder und sind trotzdem froh, wenn sie die endlich im Bett haben.

«Also, wenn mein Mann so was zugeben würde, dann hätten wir dicke Luft, Ralfi.»

Seit ich nach all den Jahren «endlich» wieder eine Frau an meiner Seite habe, hat meine Schwester natürlich sofort gebohrt und mir die Sachen aus der Nase gezogen. «Wie läuft’s denn so, Ralfi?», als hätte man mir eine neue Salbe oder so was verschrieben, und sie wollte einfach mal abchecken, wie ich damit zurechtkomme. Offenbar lag das für Silke schon viel früher auf der Hand als für mich, dass die Sache mit Dörte ein so starker Eingriff in mein bisheriges Leben sein würde, dass es durchaus auch zu Nebenwirkungen kommen könnte.

«Silke, alles gut. Ich bin es nur nicht gewohnt. Ist ja nun mal so. Ich hab sie ja gern hier. Aber sie macht sich eben auch so langsam breit. Muss ich den Bachelor gucken?»

«Du musst gar nichts, Ralf Prange. Aber dann sag ihr das auch.»

«Es ist ja, wie gesagt, drum herum alles wunderbar mit uns. Deswegen sitz ich das aus. Es macht die Dinge einfacher.»

«Was ist denn das für eine Beziehung, wenn man drauf wartet, dass die Partnerin einschläft?»

«Dann hab ich beides, Silke! Wenn Dörte bei mir ist, hab ich sie tagsüber gerne um mich, und abends gehört mir mein altes Leben dann wieder alleine.»

Es ist doch tatsächlich so! Dann bin ich eben wie Dracula, der sich auch erst in der Nacht so richtig ungezwungen bewegen kann.

Neulich war Dörte noch vor neun eingeschlafen, und ich habe mich dabei erwischt, wie ich durch meine Wohnung geschlurft bin und durch den Türspion ins Treppenhaus geguckt habe, was ich sonst auch immer mal tagsüber gemacht habe. Aber irgendwann stand dann Dörte hinter mir und fragte, was ich da machen würde.

«Ich gucke.»

«Was guckst du denn?»

«Nur so. Falls was ist.»

«Was ist denn?»

«Jetzt grad nix.»

«Warum guckst du dann?»

«Falls, Dörte, falls …»

«Aha.»

Und dann hatte ich schon keinen Bock mehr. Ehrlich. Ich brauche doch auch mal ein bisschen Ruhe. Einfach mal Entspannung und ein bisschen Zerstreuung. Wenn Dörte Bachelor guckt, drehe ich den Spieß dann und wann um. Weil, das ist genau dasselbe!

«Was guckst du denn den Bachelor

«Nur so. Falls was passiert.»

«Was passiert denn?»

«Jetzt grad nix.»

«Warum guckst du dann?»

«Falls, Ralf, falls …»

«Aha.»

Alles klar? Und vielleicht fühlt Dörte sich ja auch wohler, wenn sie allein bei sich zu Hause den Bachelor guckt und nicht meine gelangweilten Blicke von der Seite spürt. Weil, wenn ich eins nicht im Griff hab, dann meinen Gesichtsausdruck. Mein Gesicht kann nicht lügen, sagt Horst immer, wenn ich mit ihm im Treppenhaus am Quatschen bin und der Ökospießer mit seinem affigen Mountainbike auf der Schulter an uns vorbei nach oben geht.

«Moin.»

«Moin.»

«Tag.»

Dann guck ich wohl auch so, als wenn mir ein komischer Geruch in die Nase steigt. Na ja. Da bin ich Opfer meiner Natur, wie eben mein Vermieter Vick, nur andersrum. Jedenfalls genieße ich nachts diese gewisse Freiheit in meinen eigenen vier Wänden, und ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass das anderen auch so geht. Was weiß ich, der US -Präsident zum Beispiel. Der liegt vielleicht auch wach und tut nur so, als ob er schläft, bis alles ruhig ist im Weißen Haus, und dann schlurft er in seinen Lederhausschuhen durch die Bude, runter in die Küche. Nimmt sich einfach mal die Milch aus der Kühlschranktür und trinkt direkt aus der Tüte und kratzt sich dabei am Hintern. Weil er es kann. Weil er es genießt. Weil nicht schon wieder irgendein Kasper vom Secret Service hinter ihm steht und die Augen verdreht. Danach erst mal schön aufs Klo, mit der Zeitung unterm Arm, und mal ganz ungestört den Dingen ihren Lauf lassen. Dann ist Mr. President endlich wieder er selbst, sleepy Joe. Auch der wichtigste Mann der Welt ist nur dann mit echter Macht ausgestattet, wenn er sich auch mal so was wieder leisten kann.

So würde ich es jedenfalls machen. Und tatsächlich hat sich meine ganze Haupt-Verdauung schon in den wenigen Wochen meiner Partnerschaft mit Dörte komplett umgestellt, nämlich auf nach 22 Uhr.

«Noch mal, Ralf: Du kannst doch nicht sagen, dass deine quality time erst dann startet, wenn deine Freundin eingeschlafen ist!», höre ich gleich wieder Silke sagen.

«Es ist beides quality time, Silke. Beides! Mit und ohne Dörte. Und ich krieg es sonst nicht anders organisiert. Ich bin nun mal nicht so unbekümmert wie dein Mann.»

«Wie meinst du das denn bitte? Was ist denn mit Stefan?»

«Du sprichst ihn vom Flur aus an, wenn er auf dem Klo sitzt. Das wär für mich unerträglich.»

«Wieso, ich kann doch wohl mit ihm sprechen dabei. Er antwortet ja sowieso meistens nicht.»

«Also, ich möchte dabei nicht angesprochen werden!»

«Meine Güte …»

«Nee, es gehört sich einfach nicht. Dörte hat mich neulich durch die Tür auch mal gefragt, wo denn der Pürierstab in meiner Küche ist. Das ist ein Tabubruch. Basta. Und dann verleg ich die ganze Geschichte lieber gleich nach 22 Uhr. Damit fahren wir beide besser.»

«Sorry Ralf, ich finde, als Paar muss man auch durch geschlossene Toilettentüren Gespräche führen können. So viel Vertrauen muss sein.»

«Nur mal angenommen, Silke, der US -Präsident ruft bei Putin an auf dem Roten Telefon. Und Putin sagt: ‹Hello Mr. President, Sie erwischen mich grad auf dem Klo, ich hab auf Handy umgeleitet, wo juckt der Hobel?›»

«Ralf, also ehrlich!»

«Siehste. Ist nicht vorstellbar! Weil beide das komisch finden würden. Oder der Pfarrer sagt im Beichtstuhl, ich sitz übrigens grad auf Klo.»

«Hör jetzt auf!»

«Nee, aber ihr Frauen quatscht uns Männer völlig hemmungslos durch die Toilettentür an! Und ich beschwer mich ja nicht mal richtig, sondern reagiere mit einem neuen Programmschema auf die Situation. Und das findest du dann auch wieder doof.»

«Okay. Dann ist es so. Wenn’s für dich funktioniert.»

«Tut es.»

«Gehst du denn auch immer noch in den Keller?»

«Zweimal täglich.»

Dazu muss man wissen, dass das auch zu meinen kleinen exklusiven privaten Momenten gehört. Der Gang in den Keller. Neulich wollte ich wirklich nur mal ganz kurz runter und eine neue Dose Birnenkompott hochholen, und als ich die Tür hinter mir schloss und die Stille sich im ganzen Untergeschoss ausbreitete, da spürte ich sofort so was Wohliges wie, ja, Freiheit! So ähnlich geht es vielleicht auch Dörte, wenn sie in der Natur ist und sich eine Kleingartenparzelle als ähnliches Rückzugsparadies vorstellt. Es wäre am Ende sowieso mehr ihrs als meins, und deswegen hab ich schließlich mein Okay gegeben, dass sie sich für uns beide auf ein Grundstück in diesem Kleingartenverein bewirbt. Ich kann das verstehen. Ich genieße meinen Keller mittlerweile auch und möchte ihn nicht missen.

Als ich neulich da unten stand und mich diese wohlige Stille umfing, fing ich an, in alten Kartons rumzuwühlen, die alten Gummihanteln mal wieder anzusetzen, mit dem Finger den Staub vom Waffeleisen zu wischen usw. usw., und irgendwann hatte ich ein altes Puzzle mit dem Motiv von einem lachenden Schimpansen in der Hand, fünfhundert Teile, wo ich damals nur den kompletten Rand und die Stelle mit den Nasenlöchern hinbekommen habe, weil das schön einfach war. Und dann habe ich die ganze Nasenpartie – um der alten Zeiten willen – einfach noch mal nachgelegt, und erst nach einer guten halben Stunde kam ich mit dem Birnenkompott wieder hoch. Und: Dörte hat nicht mal gemerkt, dass ich so lange weg war. Wenn man sagt, dass man mal kurz in den Keller geht, scheint niemand auf die Uhr zu schauen. Vielleicht ist das wie mit der Lichtgeschwindigkeit und den Zwillingen, was ich mal bei Terra X im Fernsehen gesehen habe, wo für den einen, der in den Weltraum fliegt, die Zeit langsamer vergeht als für den anderen, der auf der Erde bleibt, und der Zwilling, der aus dem All zurückkommt, ist dann deutlich jünger. Vielleicht vergeht die Zeit im Hochparterre auch langsamer als im Keller und rein theoretisch, wenn Dörte eine Stunde bei mir oben in der Badewanne liegt, komme ich als alter Mann wieder aus dem Keller, der jahrelang am Schimpansen-Puzzle gearbeitet hat. Und das Einzige, was von ihr kommt, wäre dann: «Hast du die Dosenbirnen mitgebracht?»

Seitdem nehme ich mir jedenfalls zumindest am Wochenende zweimal täglich diese kleine Auszeit und habe sie auch schon in meinen Wochenplan integriert.

Für mich funktioniert es. Es ist genau die richtige Mischung aus Partnerschaft und Selbstverwirklichung, die mich ausfüllt auf eine Art. Und ich bin mir sicher, dass auch Dörte sich ihre Auszeiten nimmt. Vielleicht geht sie ja gar nicht wirklich um die Alster spazieren, sondern schaut sich in ihrer Wohnung die Wochenzusammenfassung vom Bachelor an? Was weiß denn ich? Geht mich nichts an. Interessiert mich nicht. Ist vielleicht auch das Erfolgsrezept unserer Beziehung. Selbst die Paare unter den Nachbarn im Haus haben ihre kleinen Wohlfühlinseln. Ich kann mir genau vorstellen, wie der Blasse vom Ökospießer abwartet, bis der eingeschlafen ist, um sich dann eine Tüte Schokobons aufzureißen, was sein Partner ja nicht wissen muss. Ich hab schon mehrfach Schokobons -Folie im Treppenhaus rumliegen sehen und hatte immer Butschi in Verdacht. Aber eines späten Abends, Dörte war gerade eingeschlummert und ich stand nach einer kleinen Runde durch meine Wohnung am Türspion und guckte nach draußen ins dunkle Treppenhaus, ging plötzlich das Licht an, und ich hörte schon an der Art der Schritte, dass es der Blasse sein musste, der wahrscheinlich gerade von seinem «Kochen mit Sprossen»-Kurs an der Volkshochschule zurückkam, den sein Macker ihm zum Beziehungsjubiläum geschenkt hatte. Ich weiß das, weil die dazu geschenkte unisex Latzschürze aus Ökotex mit «Maître Nicki»-Aufdruck bei mir ankam und von dem Blassen abgeholt wurde, also quasi Geschenkübergabe ohne den Ökospießer direkt bei mir im Flur. Ich fand es fast ein bisschen unromantisch. Egal. Der Blasse kam von seinem Kurs zurück und nahm sich noch im Treppenhaus ein Schokobong , wie jeder normale Mensch es aussprechen würde, steckte es sich samt Verpackung in den Mund und zog die Folie zwischen den Zähnen wieder raus. Und ließ sie einfach, sanft wie Herbstlaub, auf den Boden fallen. Und in dem Fall drücke ich dann auch einfach mal ein Auge zu. Man ist ja Nachbar, und in diesem Fall sind wir fast Komplizen. Weil diese zwanzig, dreißig Treppenstufen in den dritten Stock sind eine kleine, kleine quality time . Ich weiß ja, dass er den Ökospießer – warum auch immer – heiß und innig liebt und im Anschluss für ihn auch wieder Joghurtbecher ausspülen wird, und es gerne tut.

Neulich bin ich sogar direkt vom Eis-Holen noch kurz in den Keller, bevor ich in die Wohnung gegangen bin, wo Dörte schon Kaffee aufbrühen wollte. Ich hatte für uns zwei Spaghetti-Eis eingepackt in der Tasche und noch eine kleine Kugel Schoko in der Waffel für sofort nur für mich. Die wollte ich schnell ganz alleine genießen, während ich dem Schimpansen im Puzzle den Augenbrauenwulst zusammenbaue. Dann hörte ich die Tür zum Treppenhaus. Stufenpoltern und das Knarzen meiner Kellertür. Dörte. Sie stand plötzlich hinter mir.

«Ralf?»

«Ja. Na?»

Nichts anmerken lassen.

«Ich wollte noch schnell neue Kaffeefilter hochholen. Was machst du denn hier?»

«Du, alles gut.»

«Nee, im Ernst. Ich warte ja auf dich. Was machst du denn hier?»

«Du, eigentlich gar nix. Ich wollte noch mal nach den Sitzauflagen gucken.»

«Okay.»

«Ob die gut aufeinander in der Schutzfolie im Regal liegen.»

«Okay …?!»

«Weil, wenn die an den Ecken nicht sauber liegen und knicken und man die im Frühjahr wieder rausholt, dann bleibt an der Rückenlehne so ’n Eselsohr an den Sitzauflagen.»

«Kann sein, ne?»

«Ich weiß jetzt nicht, ob man dazu Eselsohren sagt, aber du weißt ja, was ich meine. Und es sieht nicht aus.»

«Ich hasse das auch.»

«Nee, es ist aber so weit alles in Ordnung.»

Ich leckte meine Kugel Schokoeis und knabberte aus reiner Nervosität mit den Schneidezähnen den Rand vom Waffelhörnchen brüchig, genau wie Berni, wenn er an seinem Sepiasteinchen rumschnabelt. Ich konnte Dörte ansehen, dass sie das schon komisch fand, wie ich da so mit meinem kleinen Eis vor dem Haupteis im Keller stand, mit der Jacke über dem Arm und einem Puzzleteil in der Hand. Aber es war auch nie wieder Thema seitdem.

Ihre Atmung wird flacher und langsamer, wie sie so neben mir liegt. Ich mache mit der Fernbedienung einfach schon mal den Ton leiser, um ihre Reaktion zu testen und um im Fall des Umschaltens keinen so harten Programmbruch zu haben. Geschmeidig muss es gehen. Mit dem kleinen Musiksignal wird der letzte Werbebreak eingeleitet. Dann kommt der Moment der Wahrheit. Wenn sie dann immer noch regungslos bleibt, ist sie eingeschlafen, da bin ich mir sicher, also, hoffe ich mal. Früher, wenn ich mir bei meinem Opa einen Wassereis-Schlauch aus der Tiefkühltruhe holen wollte, musste ich immer an seinem riesigen belgischen Schäferhund vorbei, der davor gepennt hat und vor dem ich mächtig Angst hatte. Und kaum, dass ich auch nur in seine Nähe kam, um auf Zehenspitzen über ihn rüberzusteigen, weil so groß waren der Eishunger und das unbedingte Habenwollen dann schon, schossen plötzlich seine Augenlider auf von wegen: «Das hättest du dir so gedacht, wa, Ralfi? Dass ich am Pennen bin und dir nicht in ’n Arsch beiß, wenn mir danach ist?»

Der Mann aus der Carglass -Werbung erklärt alles über Steinschlag, aber Dörtes Atmung bleibt unverändert. Jetzt oder nie. Ich schalte um.

«Ist Bachelor schon vorbei?», murmelt sie. Ich stelle mich tot. Und den Ton aus.

«Kannst ja auch was anderes gucken, Ralf.»

Sie ist eine tolle Frau. Ich schaue auf den stummen Fernseher. Fünf Minuten lasse ich noch den Ton aus. Dann fahre ich ihn schrittweise wieder hoch. Alle dreißig Sekunden einen Balken. So der Plan erst mal.