Es ist ein festgelegter Prozess. Häuten. Aushärten. Weichen. Hautaufschluss im Äscher mit Kalkmilch. Entfleischen. Entkälken. Beizen. Entfetten. Pickeln. Gerben. Abwelken. Dickenregulierung. Nasszurichtung. Ausrecken. Trocknen. Konditionieren. Stollen, Millen und erneut Trocknen. Jeder Schritt ist wichtig, um am Ende das weichste, geschmeidigste Leder zu erhalten.
Die Leute können sich menschliche Haut nicht als Leder vorstellen, aber man muss wissen, dass sie sich zu einem wundervollen Produkt verarbeiten lässt. Vor allem tätowierte Haut. Es überrascht mich immer wieder, dass man keine Tiere tätowiert, die man wegen ihrer Haut tötet. Die Ergebnisse wären sicherlich ausgesprochen ansehnlich und einzigartig.
Diese Kopfhaut mit ihrem verworrenen Spinnennetz wird ein besonders außergewöhnliches Stück ergeben. Die Kopfhaut zu entfernen ist eine unglaublich heikle Angelegenheit. Man muss langsam arbeiten, damit die Haut nicht einreißt. Sie ist sehr anfällig, bevor sie gegerbt ist. Gleichzeitig muss man jedoch schnell sein. Warme Haut ist flexibel, dehnbar – kalte Haut dagegen wird starr, was die Arbeit erschwert. Es hat mich zwei Stunden gekostet, vorsichtig die Haut des Jungen von seinem Schädel zu trennen, da ich mich Zentimeter für Zentimeter vorarbeiten musste – schneiden, zurückziehen, schneiden, zurückziehen …
Jetzt weicht sie in Lauge ein, um zu konservieren, doch das ist lediglich die erste Station auf ihrer Reise von Haut zu Leder. Das Salz entzieht der Haut die Feuchtigkeit und tötet die Bakterien. Die abgelöste Kopfhaut windet sich unter der Wasseroberfläche wie ein fetter Koi-Karpfen.
Ich habe eine spezielle Aufgabe. Ein wahres Privileg. Der Sammler gestattet mir, diese Häute für ihn zu präparieren, weil er erkennt, dass ich ein einzigartiges Talent besitze.
Mein eigener VERFLUCHTER VATER hat das nie erkannt.
Warum fällt mir das mit einem Mal ein? Während der Arbeit sollte ich meinen Vater besser nicht in meinen Kopf lassen. Wenn er in meinem Gehirn herumspukt, zittern meine Hände. Ich verliere den Fokus. Und je mehr ich versuche, ihn aus meinen Gedanken zu verbannen, desto mehr spüre ich seine Präsenz – er untergräbt mich, macht mich klein, bestätigt meine schlimmsten Selbstzweifel.
Ich schließe die Augen und atme mehrfach tief durch. Dann konzentriere ich mich wieder auf den Sammler.
Der Sammler hat die Versäumnisse meines Vaters wettgemacht. Des Mannes, der mich so oft im Stich gelassen hat. Während mein Vater in mir einen Versager gesehen hat, sieht der Sammler das Gute in mir. Er hat meiner Arbeit einen Sinn gegeben. Die Haut glätten. Weich machen. Streicheln. Sie in etwas verwandeln, das so viel schöner ist als am lebendigen Körper. Ich ziehe sie einem Lebewesen ab und verwandle sie in ein Kunstwerk. Kunst ist wichtiger als Leben.
Meine Aufgabe hat etwas ausgesprochen Wohltuendes.