Es war kein leichtes Unterfangen für Pausanias von Sparta, alle Kapitäne einzubestellen, die auf Delos versammelt waren. Die schiere Anzahl machte ein Treffen auf einem einzelnen Flaggschiff unmöglich. Die Verhandlungen dauerten den größten Teil des Tages, und es war bereits dunkel, als man zwei spartanische Schiffe vor Anker gelegt hatte. Sie waren so miteinander vertäut, dass Perikles sie insgeheim »den anderen Tanzboden des Ares« nannte. Die restlichen Schiffe mit Pausanias positionierten sich um dieses Doppeldeck herum. Trierarchen von so weit her wie Thrakien und der Küste von Ionien mischten sich in Booten unter Männer von Athen, Eretria und Leuctra.
Pausanias selbst stand am Bug seines Flaggschiffs, mit einem Fuß auf einer Trittstufe, für den Fall, dass er sich noch weiter erheben wollte. Der Seher Tisamenos wartete mit ihm. Er sah immer noch haargenau so wie der olympische Fünfkämpfer aus, der er einst gewesen war. Die meisten von denen, die hier versammelt waren, wussten, dass das delphische Orakel Tisamenos in fünf Kämpfen Erfolg vorausgesagt hatte. Der Triumph bei Platäa war sein erster gewesen – und seine Anwesenheit war für diejenigen, die seine Geschichte kannten, ein gutes Omen. Ein solcher Mann, den eine Prophezeiung berührt hatte, war eine günstige Wahl für jede Art von Unternehmung. Apollo selbst hatte ihn für Ruhm ausersehen.
Die Decks knarrten, als Perikles an Bord stieg und dabei lieber die Hand eines spartanischen Kriegers ergriff, als zu riskieren, zurück in die Arme von Kimon zu fallen. Er verzog das Gesicht, als er das Kratzen von Schwielen auf einer Handfläche spürte, die eher an einen alten Handschuh als an etwas von einem Menschen erinnerte. Der Spartaner hob ihn hoch, dann streckte er die Hand nach dem nächsten Athener aus.
Hinter Kimon stieg Thetis empor. Sie hatte um saubere Kleidung aus dem Tempel von Delos gebeten und trug nun die weite Robe einer Artemispriesterin. Das bedeutete, wenn sie ins Meer fiel, würde das Gewicht des Stoffs sie sicher ertränken. Sie riss die Augen auf, als der Spartaner sie beinahe auf Deck schleuderte, weil er ihr Gewicht falsch einschätzte, was sie zwei Schritte zurückstolpern ließ. Perikles verdrehte die Augen bis zu den Sternen über ihnen, aber sie hätten sie nicht an Bord mit Attikos zurücklassen können. Er hatte die Frau aus Skyros missmutig und mit unmissverständlicher Absicht beäugt – und er hatte in dieser Flotte Freunde und Gefallen, die man ihm schuldete. Perikles traute es dem Mann durchaus zu, mit einem kleinen Boot zu welchem Schiff auch immer zu fahren, auf dem sie zurückgeblieben war. Da sein Bein gebrochen war, besaß sie natürlich mehr als nur eine faire Chance. Das Problem war: Wenn sie es schaffte, ihn über Bord zu werfen, würde Kimon gezwungen sein, sie hängen zu lassen. Der Glaube, dass Frauen auf einem Schiff für Unglück sorgten, rührte von genau so einer Situation her. So oder so bedeutete es, dass Thetis bei ihnen blieb.
Perikles hatte nicht ein Wort über seine Erinnerung an die letzte Nacht verloren. Es gab kein Anzeichen einer erneuten Anziehung zwischen Kimon und Thetis, jedenfalls soweit er es sagen konnte. Dennoch war sie real gewesen, da war er sich sicher. Er konnte nicht verstehen, wieso er Thetis immer noch mit Begehren ansah. Er sagte sich, dass er als Mann dazu hätte fähig sein müssen, die Tür zu allen derartigen Gefühlen zu schließen. Sie gehörte nicht ihm.
Perikles bemerkte, dass er sie anstarrte. Er hätte schwören können, dass er sie nicht öfter als Kimon ansah, auf den sein Blick ganz unbefangen fiel. Aber Thetis zog einfach irgendwie wieder und wieder seinen Blick an. Er hoffte, dass es ihr nicht aufgefallen war.
»Perikles? Kommst du mit uns?« Kimon klopfte ihm auf die Schulter und unterbrach seinen Tagtraum. »Komm schon, bevor dieses Deck noch überfüllter wird. Wenn jetzt ein persisches Schiff vorbeikäme, dann könnte es ein Dutzend Kleinkönige und edler Archonten versenken.«
Die Fremdartigkeit der Situation schien Kimon zu amüsieren. Perikles folgte den beiden, als sie vorwärts zum Schiffsbug rückten. Er versuchte, nicht zu sehen, wie Thetis in diesem Kleid die Hüften bewegte. Er musste diese Dinge aus seinem Kopf bekommen!
Aristides und Xanthippos standen nah bei Pausanias und kümmerten sich mit respektvoller Würde um den Spartaner. Der gesamte Bund von Delos stand auf diesem Doppeldeck. Perikles fragte sich, ob Pausanias und seine Kapitäne vielleicht sogar gekommen waren, um sich ihrer Allianz anzuschließen.
Im Licht der Fackeln gab Pausanias eine beeindruckende Gestalt ab. Am Bug war ein eisernes Gitterwerk auf einem Stab aus demselben Metall errichtet worden. Es glänzte voll brennender Kohlen und reichte über das Wasser hinaus. Der Lichtschein, den es warf, musste in der dunklen See wie ein Teich aus Gold wirken, der sich in die Schatten ausbreitete, während gekrönte Könige darauf warteten, dass ein Spartaner das Wort ergriff. Wegen des Lichtscheins über und hinter ihm lagen auf Pausanias’ Gesicht Schatten, selbst als er Aristides und denen, die er kannte, zunickte. Tisamenos hob ebenfalls die Hand, um einige in dieser Menschenmenge zu begrüßen. Vielleicht war es ein Kniff, um sie an das zu erinnern, was sie verband, oder vielleicht war es einfach, weil viele der Anwesenden bei Platäa gewesen waren und sich dem persischen Heer entgegengestellt hatten. Sie hatten überlebt, obwohl sie gedacht hatten, dass sie sterben würden. Das war ein ganz eigener Bund, in gewisser Weise so stark wie der von Delos.
Pausanias musste ein wenig nervös sein. Der Spartaner war für den Sohn des Leonidas Regent gewesen. Bei Platäa hatte er keine andere Autorität als seine eigene anerkannt. Doch heute Nacht stand er den Anführern von Athen und siebzig Stadtstaaten oder Königreichen gegenüber. Wie weit würde ihn seine spartanische Selbstsicherheit bringen? Perikles wusste es nicht.
»Bei den Göttern, ich bin dankbar dafür, so viele Freunde hier gesund und am Leben zu sehen«, begann Pausanias.
Seine Stimme war dafür gemacht, zu Menschenmassen zu sprechen, dachte Perikles. Es war seltsam, eine seiner eigenen besten Qualitäten an jemand anderem mitzuerleben. Er fühlte, wie sich ein Anflug von Missgunst in ihm regte. Pausanias hatte seinen Mut im Krieg bewiesen. Er hatte Männer angeführt, genauso wie Kimon. Manchmal schien es Perikles, als würde er niemals die Gelegenheit bekommen, sich vor Thetis zu beweisen … Er hielt gedanklich inne, als ihm bewusst wurde, dass seine Überlegungen eine merkwürdige Richtung genommen hatten. Sie stand direkt vor ihm, und das Licht der Fackel am Bug offenbarte ihre Umrisse innerhalb der weißen Robe. Er legte eine Hand an seine Hüfte und stellte sich vor, wie er sie berührte, sie zu sich herzog. Sein gesamter Körper strahlte in diesem Moment Hitze aus. Er fühlte, wie ihm Schweiß die Wange hinablief, beinahe wie Tränen.
»Einige von euch werden mich noch vom Schlachtfeld bei Platäa kennen«, fuhr Pausanias fort. »Diejenigen, die an diesem Tag da waren, die sich mit mir den Persern entgegengestellt haben, werden wissen, dass ich kein voreiliger Mann bin. Fragt irgendjemand vom Rat der Athener, zu deren Verteidigung ich mit jedem spartanischen Krieger im Rücken marschierte. Sie werden es euch bestätigen. Ich entscheide, wann ich vorrücke – und wann ich warte. Ihr wisst also, dass ich dem Willen der Götter folge, wenn ich spreche. Sparta führt im Krieg an – und ich bin hier unter euch als Spartas Sohn. Ich sehe die Gesichter und die Tracht von vielen Häfen, und ihr alle kennt mich, aufgrund meines Ansehens oder durch Waffenbande.«
Sein hochfahrender Ton ließ Perikles finster dreinblicken. Pausanias sprach, als ob er sie überhaupt erst an diesem Ort zusammengebracht hätte, nicht Xanthippos! Als ob sie sich alle versammelt hätten, um einen Spartaner eine Rede halten zu hören! Und doch verfehlte es nicht seine Wirkung, das konnte Perikles sehen. Pausanias schloss sie alle in die Schicksale großer Männer ein. Er sprach nicht auf Augenhöhe zu ihnen – dafür kannte Perikles die Arroganz der Spartaner zu gut –, sondern redete sie als Mitstreiter an, als Brüder, die sich zu einer großen Unternehmung aufgemacht hatten. Es war genau der Geist des Bundes von Delos. Perikles konnte sich nur fragen, ob der Spartaner zufällig den richtigen Ton getroffen hatte, ob er die Stimmung der Menge erspürt hatte oder ob er von Apollo und Ares gesegnet worden war, die richtigen Worte zum richtigen Zeitpunkt auszusprechen. Niemand konnte den unerreichbaren Sieg bei Platäa verleugnen. Es war Pausanias gewesen, der dessen Saat gesät hatte. Er hatte erst Tisamenos an seine Seite gebracht, indem er die Worte des Orakels so ausgelegt hatte, dass sie beiden nützten. Vielleicht war Pausanias derjenige der beiden, den die Götter wahrhaftig liebten. Sowohl Kapitäne als auch Könige lächelten in seiner Gegenwart.
»Ich sehe, dass einige von euch von der ionischen Küste hergekommen sind«, fuhr Pausanias mit einem Blick über sie hinweg fort. »Ihr könnt dem Rest erzählen, wie Persien zurückkriecht, sowohl was Handel und Anzahl seiner Bediensteten angeht, wie auch belanglose Gesetze und die Münder von Männern, die persisches Gold nehmen, um für das Reich und gegen Freiheit zu sprechen.«
In der Menschenmenge nickten einige Köpfe, und Pausanias ahmte sie nach, indem er die Erwiderung noch vergrößerte. »Persien wurde bei Platäa geschlagen – und bei Salamis, wo Männer wie Themistokles, Xanthippos und Kimon mit Eurybiades aus Sparta zusammenarbeiteten. Gemeinsam schlugen sie einen Feind zurück, der mehr ein Schwarm als eine Flotte war. Wir triumphierten über sie, auf See und an Land, doch Persien bleibt bestehen – und es gibt einige von uns, die befürchten, dass das Reich wieder stark werden könnte, stark genug, um sich ein weiteres Mal vorzuwagen. Es muss nicht unser Fluch sein, dass wir sie zurückschlagen müssen, nur der, einzuschlafen! Sie kamen zu dem Fenchelfeld bei Marathon, wo Aristides und Xanthippos solche Wunder taten, dass man sie noch in tausend Jahren erzählen wird. Doch dieser große Sieg gewann für Athen nur ein Jahrzehnt des Friedens – bis sie erneut auftauchten.«
»Was können wir tun?«, fragte jemand.
Perikles überlegte, ob es einer der spartanischen Krieger an Bord gewesen war. Pausanias wartete einen Moment, wie in Gedanken versunken. »Wenn eine Viper unter dem Boden eines Hauses ihren Schlupfwinkel hat, ignorieren wir das nicht oder schlagen nur dann zurück, wenn ihre Brut nachts in unsere Räume kriecht. Nein, wir graben den Boden auf, und wir brennen sie aus, bis nichts mehr übrig ist.«
Er blickte sie reihum an und sah Aufmerksamkeit und Zielstrebigkeit in vielen der Gesichter, die er kannte. Er deutete jenseits der zuckenden Fackel hinaus über dunkle, stille Wasser.
»Das da ist unsere See, auf ewig. Sie ist nach Ägeus benannt, dem Vater von Theseus – und wir segeln sie der Länge nach von Kreta bis nach Thrakien, von Athen und Argos bis zur Küste von Ionien. Diese Freiheit, dieses Recht haben wir uns mit Blut und Schweiß verdient. Bei Marathon, bei Platäa und Salamis. Im Osten sagt man mir, dass das persische Reich riesengroß ist – jenseits meiner Vorstellungskraft. Trotzdem ist es dieses Meer, auf dem Odysseus nach Hause segelte und wo Jason das Goldene Vlies suchte. Es ist unseres.«
Er hielt inne, und niemand sagte etwas, während er nach den richtigen Worten suchte. Seine Hand machte eine Geste, als würde er sie aus der Nachtluft ergreifen. »Ich bin ein Spartaner. Ich weiß, dass es kein wahres Recht oder Gesetz gibt, abgesehen von Achtung für die Götter und für das, was wir als unser Eigentum betrachten können. Alles, was gut ist, muss von Männern wie uns gewonnen werden, den Händen unserer Feinde entrissen … oder aufgegeben. Das Leben schuldet uns nichts.«
Es war die Rede von jemandem, der Regent in Sparta gewesen war, der einen einzigen Sommer lang die Macht eines Königs gekannt hatte. Perikles konnte nur vor Bewunderung dastehen, als er zuhörte. Pausanias war ein besserer Redner, als er es geahnt hatte. Niemand brach das Schweigen. Selbst sein Freund Tisamenos stand mit gesenktem Kopf, wie in der Gegenwart von etwas Heiligem.
Pausanias lächelte. Eine seiner Augenbrauen hatte sich wie staunend gehoben. »Heute Nacht repräsentiert ihr eine große Flotte«, sagte er ihnen, »mit der Stärke, auch die letzte persische Festung in unserer See auszubrennen. Aus diesem Grund bin ich heute zu euch gekommen, um meine Stärke der euren hinzuzufügen. Ich werde euch nicht gegen bloße Dörfer oder bröckelnde Festungen führen. Nein, Persien hat nur noch eine große Hochburg in unserer See übrig. Wir haben die Schiffe und die Männer, um sie von dort zu vertreiben – dieses Jahr, an diesem Ort.«
Der Name wurde von denen, die ihn kannten, wie ein Windhauch geflüstert. »Zypern«, sagten sie. Die Insel der Blumen und des Kupfers. Perikles hörte, wie er wieder und wieder ausgesprochen wurde. Zypern lag im Osten, jenseits der Ägäis, an der Küste von Phönizien. Vor fünfzig Jahren hatten die Perser dort die örtliche Bevölkerung massakriert und eine befestigte Stadt errichtet. Es hieß, dass die Festung uneinnehmbar sei, mit hohen Mauern und Toren und Soldaten des Perserreichs. Persien mochte sich nach seinen Verlusten bei Platäa und Salamis zurückgezogen haben – weiter und weiter zurück über die ägäische See, aber nicht aus Zypern. Auf diesem Doppeldeck, auf diesem Tanzboden, der im Seegang schaukelte, konnte Perikles sich vorstellen, wie diese große Flotte das Unternehmen anging. Er spürte, wie sein Herz bei dem Gedanken, es zu wagen, raste. Er würde endlich Kämpfe erleben. Er würde seinen Wert unter Beweis stellen. Thetis würde zu ihm kommen und begreifen, dass sie einen schrecklichen Fehler gemacht hatte, sich für Kimon zu entscheiden, der ohnehin verheiratet war. Dabei hätte sie doch stattdessen ihre langen Beine um ihn schlingen können …
»Darum bin ich gekommen«, fuhr Pausanias fort. Er lächelte breiter und spiegelte damit einmal mehr ihre eigenen Mienen wider, als ihre Stimmung mit der seinen stieg. Perikles konnte nur reglos dastehen, während ihn unkeusche Gedanken durchfluteten. Er konnte sehen, dass sein Vater Xanthippos nickte. Hatte er eine Wahl?
»Ich werde mit den einzelnen Befehlshabern reden und besprechen, wie wir die Verbände aufstellen«, sagte Pausanias. »Wie ich euch gesagt habe, bin ich nicht voreilig. Ich wähle meinen Moment – und in diesem Sommer ist es Zeit, diesen Pfirsich zu pflücken.«
Das Boot, das sie zurück zu ihren Schiffen brachte, war mit vier Ruderern bemannt. Perikles, Kimon und Thetis traten zu einem Ende, aber da war auch Xanthippos bereits zu ihnen herabgeklettert. Er hatte sich gegen die Kälte in einen massigen Fellumhang gehüllt. Anstatt auf sein eigenes Boot zu warten, hatte er beschlossen, sich ihnen aufzubürden. Epikleos, den Perikles noch von frühester Kindheit her kannte, half ihm beim Abstieg.
»Epikleos! Ich wusste gar nicht, dass du auch hier warst«, sagte Perikles aufrichtig erfreut.
Epikleos war viel jünger als Xanthippos, aber immer noch älter als sowohl Perikles als auch Kimon. Sein Haar wies graue Strähnen auf, doch er sah noch immer gut aus. Er und Perikles umarmten sich in der Mitte des Boots, wobei sie es bedenklich zum Schwanken brachten.
»Wo sonst sollte ich sein, wenn nicht an der Seite deines Vaters?«, sagte Epikleos. »Du bist gewachsen, Peri. Es ist gut, dich so stark zu sehen. Das Letzte, was ich von dir hörte, war, dass du in Thrakien Perser gejagt hast.«
»Mit einigem Erfolg! Kimon, das hier ist Epikleos, der älteste Freund meines Vaters – und für mich wie ein zweiter Vater.«
Perikles warf Xanthippos einen Blick zu, um zu sehen, wie er die Bemerkung aufgenommen hatte, aber der ältere Mann war in Gedanken versunken und durchdachte alles, was er gehört hatte. Über ihnen wurde Aristides seinerseits hinab geholfen. Er war noch immer der sehnige, kleine Mann, der jeden Tag um die Stadt Athen herumgelaufen war, manchmal in voller Rüstung, um Kraft aufzubauen. Der Archon von Athen ließ sich am anderen Ende des Boots bei Xanthippos nieder. Sie steckten ihre Köpfe zusammen und unterhielten sich leise, während das Boot sich entfernte, um ein weiteres längsseits des spartanischen Flaggschiffs kommen zu lassen. Der Mond war aufgegangen und warf einen bleichen Schein aufs Meer, der sich mit ihnen bewegte, als sie zurückgerudert wurden.
»Was hältst du von all dem? Von Zypern?«, fragte Perikles.
Epikleos blickte an ihm vorbei zu den Ruderern.
Perikles schüttelte den Kopf. »Die sind alle loyal. Kimons Männer. Athener.«
»Und die junge Dame?«, fragte Epikleos.
»Die ist uns nur zugelaufen.«
Es war dumm, das zu sagen, aber er genoss es, Epikleos wiederzusehen. Als er zu Thetis zurückblickte, war ihre Miene frostig wie der Winter. Die Ruderer trugen sie mit raschen Schlägen über das schwarze Wasser. Der Klang war friedlich und rhythmisch. Für eine kurze Weile konnten sie alle fern von dem Lärm Atem schöpfen. Perikles setzte sich rittlings auf eine Bank in der Mitte des Boots. Epikleos nahm ihm gegenüber Platz und berührte sein Knie.
»Stimmt es, dass ihr Theseus gefunden habt?«
»Es stimmt – auf Skyros«, sagte Perikles stolz. »Sein Grab war dort in den Hügeln, mit den Wahrzeichen von Athen. Er muss ein Hüne von einem Mann gewesen sein.«
»Das muss ein gutes Vorzeichen sein – dass der große König von Athen zu uns zurückgekehrt ist. Vielleicht ist dieser Plan, den Pausanias hat, im richtigen Augenblick gekommen.«
»Glaubt er …«, begann Perikles. Er zögerte, unsicher, wie er es ausdrücken sollte. »Denkst du, er weiß über das Bündnis Bescheid? Die Bruderschaft? Den Eid, der geschworen wurde?«
»Oh, er weiß Bescheid«, sagte Xanthippos schroff, ehe Epikleos antworten konnte. »Ich kann mir vorstellen, dass ihn die Gerüchte darüber zu diesen Gewässern gebracht haben. Ich habe diesen Bund seit Monaten zusammengestellt. Es würde mich erstaunen, wenn Sparta und Korinth nicht jedes Detail darüber gehört hätten. Trotzdem ist sein Plan solide genug … Ich habe Gerüchte über persische Streitkräfte gehört, die sich auf Zypern eingraben. Es ist ein Ziel, das ich durchaus selbst gewählt hätte. Es wäre bestimmt eine ausgezeichnete Demonstration der Seemacht, die wir auf Delos versammelt haben. Und trotzdem … wenn Sparta uns anführt, dann frage ich mich, ob alles, was wir getan haben, am Ende umsonst war.«
»Wir brauchen ihre Schiffe doch nicht, oder?«, fragte Perikles. »Was wäre, wenn wir ihm das Recht verweigern, uns anzuführen? Ich habe hier auf Delos den Eid geschworen. Wir stehen zusammen, als eine Einheit. Sparta kann es nicht mit uns allen aufnehmen.«
Aristides räusperte sich. Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich war bei Platäa, Sohn«, sagte er. »Die Wahrheit ist, Sparta kann das. Wenn wir Pausanias sein Recht verweigern und daraus Krieg entsteht, dann gibt es keine Macht auf der Welt, die sie auf dem Schlachtfeld aufhalten kann. Glaub mir. Ich habe gesehen, wie die persischen Heerscharen gegen sie anbrandeten, so wie die See über einem Felsen zusammenschlägt – und der Fels blieb bestehen.«
»Der Eid, den wir geschworen haben, ist ewig«, sagte Xanthippos leise. Seine Stimme war beinahe ein Knurren. Perikles lehnte sich vor, um seinen Vater sprechen zu hören, obwohl der alte Mann ihn nicht ansah. »Er wird mich überleben, er wird uns alle überleben. Es wird vielleicht eine ganze Generation dauern, bis Sparta begriffen hat, was wir hier getan haben – oder zwei, oder ein Dutzend Lebensalter. Es spielt keine Rolle.«
Xanthippos sah auf. Sein Blick traf den seines Sohns, ein wilder Ausdruck war auf seinem Gesicht. »Heute Abend haben wir eine Nation erschaffen, Perikles. Ich bin froh, dass du es gesehen hast.«
Er schien zusammenzusacken, kleiner zu werden. Er schlang seinen struppigen Umhang um sich, als fühlte er mit einem Mal den Seewind. Epikleos ging zu ihm und kümmerte sich um dessen Felle, mehr um ihn aufzumuntern als aus echter Notwendigkeit heraus.
Das athenische Flaggschiff türmte sich vor ihnen auf, groß genug, um ein kleines Boot, das längsseits herankam, zu zermalmen. Perikles stand mit Epikleos und Aristides auf, um seinem Vater die Sprossen hinaufzuhelfen. Er war bereit, ihn aufzufangen, falls er fiel. Xanthippos atmete schwer, ob vor Schmerzen oder aufgrund von Erschöpfung, konnte Perikles nicht sagen. Als sein Vater über ihm verschwand, berührte er Epikleos am Arm.
»Geht es ihm gut?«, fragte er.
Epikleos zögerte lange genug, dass sich Perikles der Magen zusammenzog. »Er ist krank, Perikles. Ich hoffe, dass er sich erholen wird, aber er hat sich selbst monatelang bis zur Erschöpfung getrieben, und es ging ihm schon zu Beginn nicht gut.«
Perikles starrte ihn einen Moment nur an. Epikleos war ebenfalls anwesend gewesen, als sein Bruder gestorben war. Sie teilten diesen gemeinsamen Kummer, und er wusste, dass Epikleos kein Mann war, der leichtfertig über solche Dinge sprach, nicht zu ihm.
»Ich komme morgen früh vorbei«, sagte er.
Epikleos klopfte ihm auf den Arm und stieg die hölzernen Sprossen zum Deck über ihm hinauf. Aristides war bereits vorausgegangen, und nur Kimons Männer waren übrig geblieben. Perikles sagte nichts, als die Ruderer wieder mit ihnen weiterfuhren.
Thetis wachte in Dunkelheit auf. Sie verabscheute die kleine beengte Kabine unter Deck mit der Ruderstange, die jedes Mal, wenn sie sich hin- und herbewegte, nach Seegras und fauliger Luft stank. Sie befürchtete immer, dass sie sich in ihr verfangen und zerdrückt werden könnte. Sie blieb so weit von ihr entfernt, wie sie konnte, und drängte sich gegen die hölzerne Bordwand. Reglos lag sie da und lauschte den Geräuschen des Schiffs, während ihr klar wurde, dass die Dämmerung nahte. Die Ruderstange ließ ein wenig Licht von oben durchscheinen, während sie sich im Seegang bewegte. Sie dachte, dass es nicht das Knarren war, das sie aufgeweckt hatte. Die Gewässer um Delos waren noch ruhig. Sie fragte sich, ob … Ihre Gedanken rissen ab, als die Tür aufging und Dunkelheit eintrat. In dem kleinen Raum gab es kaum Platz für sie selbst, was bedeutete, dass die zwei Männer, die hereinkamen, sich bereits über sie beugten. Sie holte Luft, um zu schreien, und fühlte, wie eine raue Hand sie am Hals packte und jedes Geräusch erstickte.
»Halt sie gut fest, Sohn. Sie ist eine Wilde. Hallo, Schätzchen«, flüsterte Attikos im Finstern.
Sie zielte dorthin, wo sein gebrochenes Bein sein musste, und trat aus. Er entlohnte sie mit einem schmerzhaften Aufkeuchen, doch dann lachte er leise. »Du schuldest mir was, meinst du nicht? Für das Bein, für all meinen Ärger.«
Sie konnte den Glanz in seinen Augen sehen, als er sie musterte. Die Dämmerung kam. Die Mannschaft würde sich von ihren Schlafplätzen auf Deck erheben. Doch Attikos war in der Nacht zuvor nicht an Bord gewesen, da war sie sich sicher. Irgendwie war er wie ein Geist in der Nacht gekommen, und sie hatte entsetzliche Angst. Sie konnte Salz schmecken – Blut war auf ihren Lippen und auf den Fingern, die sie am Schreien hinderten. Der andere Mann war ein Fremder, doch als das Licht zunahm, sah sie, dass seine Miene ziemlich dieselbe war. Er ließ seine andere Hand mit eindeutiger Absicht ihr Bein hinabgleiten. Sie fühlte, wie sie zitterte.
»Der Strategos hat gesagt, ich soll dir keinen Schaden zufügen«, sagte Attikos. »Na, soweit ich weiß, fügt das einer Frau keinen Schaden zu. Halt sie still, Sohn! Du kannst nach mir drankommen.«