2.3 Antriebssysteme

Das Antriebssystem stellt das Herz eines Elektrorades dar. Das Antriebssystem besteht aus dem Elektromotor, der Steuereinheit und dem Akku. Der Elektromotor kann an unterschiedlichen Stellen das Rad antreiben. Heute finden sich drei weit verbreitete Antriebskonzepte an Elektrorädern, die nach ihrem Montageort benannt werden: Frontantrieb, Mittelantrieb, Heckantrieb.

Mittlerweile kämpfen viele unterschiedliche Hersteller mit ihren Antrieben um die Kundengunst. Doch in der Praxis teilen wenige große Hersteller den Markt unter sich auf. Die wichtigsten Antriebe stellen wir Ihnen hier vor.

2.3.1 Probefahren

Um herauszufinden, welches Antriebssystem zu Ihnen passt, sollten Sie die verschiedenen Systeme Probe fahren. Bei einer Probefahrt merkt man sofort, wie unterschiedlich Antriebe sein können. Nicht nur die unterschiedlichen Antriebskonzepte lassen sich so erfahren, auch die Nuancen zwischen den Herstellern innerhalb eines Antriebskonzepts sind spürbar. Während der eine stark beschleunigt, wirkt ein anderer eher sanft und gutmütig. Und es geht noch weiter.

Der gleiche Antrieb kann bei unterschiedlichen Herstellern zu einem anderen Fahrverhalten des Rades führen. Das liegt daran, dass die Radhersteller die Motorsteuerung beeinflussen können und das Rad mit den gewünschten Eigenschaften ausstatten. Prüfen Sie deshalb anhand der nachfolgenden Kriterien, ob ein Antrieb zu Ihrem Nutzungsverhalten passt. Sicher fällt die Beurteilung des einen oder anderen Punktes ohne Erfahrung schwer, aber Sie werden sicher Unterschiede zwischen den Antrieben feststellen. Die Liste hilft Ihnen, worauf Sie achten müssen.

Checkliste für eine Testfahrt

1) Anfahren

Wie ist das Anfahren in der Ebene, wie am Berg, wie bei leicht eingeschlagenem Vorderrad und wie fährt man bergab an? Bei diesem Kriterium unterscheiden sich die Hersteller erheblich. Achten Sie insbesondere darauf, wie viel Zeit vergeht, bis der Motor nach dem ersten Pedaldruck anspringt.

2) Gleichmäßiger Schub

Im Idealfall entwickelt der Motor beim konstanten Treten eine gleichmäßige Kraftentfaltung und Sie spüren weder Beschleunigungen während einer Kurbelumdrehung noch von einer Umdrehung zur nächsten Tretunterschiede. Prüfen Sie dieses Kriterium bei verschiedenen Trittfrequenzen, unterschiedlichem Pedaldruck, am Berg und in der Ebene.

Testen Sie hierbei auch einen steilen Berg. Das kann auch eine Auffahrt aus einer Tiefgarage sein. Reicht die Motorkraft aus, Sie ohne Mühe hinaufzubefördern?

3) Sicherheit

Trauen Sie sich, beim Testen enge Kurven zu fahren. Simulieren Sie ein Abbiegen mit nur einer Hand am Lenker. Wie reagiert der Antrieb? Reicht der Motorimpuls aus, um Sie zu beschleunigen oder ist er gegebenenfalls sogar so stark, dass Sie Gleichgewichtsprobleme bekommen? Ist das Rad aufgrund des Akkus am Gepäckträger kipplig?

4) Schalten

Wie funktioniert das Schalten während des Tretvorgangs? Geht es geschmeidig vonstatten oder hakt der Tretvorgang unangenehm?

5) Motorengeräusch

Achten Sie darauf, ob das Motoren- oder Getriebegeräusch für Sie akzeptabel ist. Manche Systeme surren laut, manche sind kaum zu hören.

Abb. 2.12:

Probefahren eines Pedelecs: Nur der direkte Vergleich mit einer Checkliste hilft bei der Entscheidung. (Foto: Schmidt)

2.3.2 Mittelantrieb

Der Mittelantrieb ist das am weitesten verbreitete Antriebskonzept bei Elektrorädern und wird es nach Ansicht von vielen Industrieexperten auch zukünftig bleiben, denn das Fahrgefühl kommt dem eines herkömmlichen Rades am nächsten.

Abb. 2.13:

Der Mittelantrieb von Bosch wird bei sehr vielen Herstellern verbaut. (Foto: Derby Cycle)

Im Gegensatz zu den Nabenantrieben erfordern die Mittelmotoren einen völlig neu konstruierten Rahmen, der Motor und Akku aufnimmt. Diese höheren Entwicklungs- und Produktionskosten schlagen sich im Preis von Rädern mit Mittelmotor nieder. Deshalb findet sich dieses Konzept auch nur im mittleren bis höheren Preissegment.

Doch der Mittelmotor ist nicht ohne Grund so weit verbreitet: Die Fahreigenschaften sind sehr ausgewogen und der Schwerpunkt des Rades bleibt tief und wird nicht aus der Mitte heraus verschoben. Mittelmotoren übertragen ihr Drehmoment direkt auf die Kette und kommen mit kurzen Kabelwegen aus, da der Akku meist am oder im Unterrohr verbaut ist. Rücktrittbremse und Mittelmotor können nur wenige Hersteller kombinieren. Ketten- und Nabenschaltungen sind möglich. Vorne ist jedoch nur ein Kettenblatt realisierbar.

Vor- und Nachteile des Mittelantriebs

Plus

  • ausgewogenes Fahrverhalten (tiefer Schwerpunkt);

  • guter Geradeauslauf durch bauartbedingten längeren Radstand;

  • stabile Befestigung des Akkus;

  • sanfter Antrieb;

  • direkter Antrieb der Kette;

  • kein Einfluss auf das Steuerverhalten des Rades;

  • wenig störanfällige Verkabelung (kurze Wege);

  • Radwechsel möglich (keine Kabel);

  • Ketten- und Nabenschaltung möglich.

Minus

  • dem mittleren bis hohen Preissegment vorbehalten;

  • vorne nur ein Kettenblatt möglich;

  • Rücktrittbremse nur bei wenigen Herstellern möglich;

  • Schaltprobleme bei Nabenschaltung möglich;

  • verminderte Wendigkeit wegen des langen Radstands;

  • Kettenverschleiß höher;

  • keine Nachrüstung möglich;

  • keine Rekuperation möglich.

Technische Daten des Mittelantriebs

Hersteller

Bosch

Panasonic

Kalkhoff Impulse

Höchstgeschwindigkeit

Bis 25 km/h und bis 45 km/h

Leistungsstufen

Eco/Sport/Power/Turbo

Eco/Sport/Power

Eco/Sport/Power

Motor

36 V/250 W und 36 V/350 W

36 V/250 W

36 V/250 W

Rekuperation

Nein

Nein

Nein

Akku

11 Ah (400 Wh)

26 Volt: 8, 12, 16, 18, 24 Ah (202, 302, 403, 453, 624 Wh) 36 Volt: 13,2, 14 Ah (475, 504 Wh)

36 Volt: 11, 11.6, 15, 17 Ah (396, 418, 540, 612 Wh)

Reichweite*

135 bis 172 km

60 bis 175 km

135 bis 205 km

Ladezeiten/Ladezyklen

Bis zu 5 h/ 1.100 Vollzyklen

4-9 h/ 1.100 Vollzyklen

Bis zu 5 h/ 1.100 Vollzyklen

Akkugewicht/Montageort

2,6 kg/Unterrohr

1,9 bis 4,4 kg

2,85 bis 2,95 kg

Display

LCD

LCD

LED- und LCD

Extras

Schiebehilfe, Anpassung an das Fahrverhalten des Fahrers, neuartiges Akkumanagement

Optionale Schiebehilfe

Rücktrittbremse, Schiebehilfe

Weitere Hersteller

Kreidler, Yamaha, Shimano (ab 2014)

* Bei der niedrigsten Unterstützungsstufe, optimalen Bedingungen und einer vollständig geladenen, neuwertigen Batterie (Angaben: Derby Cycle).

2.3.3 Heckantrieb

Der Heckantrieb besteht aus einem in der Hinterradnabe integrierten Elektromotor, dem meist am Rahmen befestigten Akku und dem Steuergerät. Der Heckantrieb kommt immer dann zum Einsatz, wenn ein Rad technisch nur minimal verändert werden soll. Das ist zum Beispiel bei sportlichen Trekkingrädern oder Mountainbikes der Fall. Durch den recht schweren und sehr auffälligen Nabenmotor wird der Schwerpunkt des Rades nach hinten verlagert, was die Traktion des Hinterrades erhöht, bei steilen Anstiegen jedoch auch zum „Steigen“ des Vorderrades führen kann. Ein Heckantrieb in Kombination mit einem Gepäckträgerakku ist eine ungünstige Kombination, denn die Gefahr von Reifenpannen steigt. Auch das Tragen des Rades wird dadurch sehr erschwert.

Bemerkenswert ist immer wieder, wie leise ein Nabenmotor arbeitet. Wen das leichte Surren oder Brummen beim Mittelmotor stört, ist mit einem Heckantrieb besser beraten. Heckantriebe werden auch gerne bei schnellen Pedelecs verbaut.

Vor- und Nachteile des Heckantriebs

Plus

  • direkter Antrieb des Hinterrades;

  • herkömmliche Rahmengeometrien möglich;

  • Traktionsverbesserung des Hinterrads;

  • sehr leise Motorarbeit;

  • Nabendynamo möglich;

  • Rekuperation möglich.

Minus

  • Vorderrad kann steigen;

  • nur Kettenschaltung möglich;

  • System wird sehr hecklastig;

  • Hinterradausbau schwierig.

Technische Daten des Heckantriebs

Hersteller

z. B. Xion

Höchstgeschwindigkeit

Bis 25 km/h

Leistungsstufen

Fünf Unterstützungsstufen, zwei Rekuperationsstufen

Rekuperation

Ja

Akku

36 Volt: 11 Ah (396 Wh), 15,5 Ah (558 Wh)

Reichweite*

Bis zu 170 km

Ladezeiten/Ladezyklen

Bis zu 4 h/1.100 Vollzyklen

Akkugewicht/Montageort

4,4 kg/Unterrohr

Display

TFT mit Hintergrundbeleuchtung

Extras

Optional mit Schiebehilfe, Bergabfahrassistent zur Rekuperation und Eingabe von Maximalgeschwindigkeit, kompatibel zu Achsanhängern

Weitere Hersteller

Ansmann, Bauer, BionX , Elfei, Heinzmann, Panasonic, Panterra, Swiss Drive, TranzX

* Bei der niedrigsten Unterstützungsstufe, optimalen Bedingungen und einer vollständig geladenen, neuwertigen Batterie (Angaben: Derby Cycle).

Abb. 2.14 :

Der Heckantrieb von Xion ist eine Entwicklung von Derby Cycle. (Foto: Derby Cycle)

2.3.4 Frontantrieb

Ein Frontantrieb lässt sich verhältnismäßig einfach nachrüsten, da es sich um einen Nabenmotor im Vorderrad handelt. Am Rahmen müssen keine baulichen Veränderungen vorgenommen werden, allerdings muss die Gabel für die Belastung im Elektrobetrieb ausgelegt sein. Anderenfalls stellt der Betrieb ein erhebliches Risiko dar. Dies sollten Sie ganz genau abklären, bevor Sie ein herkömmliches Rad umrüsten.

Abb. 2.15:

Frontantrieb (Foto: Derby Cycle)

Klarer Nachteil eines Frontantriebs ist die recht starke Beeinflussung des Lenkverhaltens, insbesondere bei langsamen Lenkmanövern kann das Einsetzen des Elektromotors zu gefährlichen Situationen führen, weil der Fahrer das Gleichgewicht verliert. Rutschige oder lose Wegoberflächen können zum Durchdrehen des Vorderrads und damit auch zum Sturz führen. Frontmotoren finden sich meist im unteren Preissegment.

Insbesondere die Elektroräder der Discounter und Baumärkte sind mit Frontantrieben ausgestattet und haben eine deutlich einfachere Sensorik als hochwertige Räder. Oftmals können diese Sensoren nur unterscheiden, ob getreten wird oder nicht. Setzt der Motor ein, wird das als Ruck oder Schub wahrgenommen. Trotz der beschriebenen Nachteile funktionieren die Frontmotoren dennoch passabel und stellen den Einstieg in die Welt der Elektroräder dar.

Vor- und Nachteile des Frontantriebs

Plus

  • günstigstes Antriebssystem;

  • einfach nachzurüsten;

  • unkomplizierter Austausch, Radwechsel problemlos (Plattfuß);

  • Rücktrittbremse möglich;

  • sehr direkte Kraftübertragung;

  • Motor wirkt direkt auf das Laufrad;

  • geräuscharmer Betrieb;

  • alle Schaltungstypen sind möglich;

  • Optik des Rades kaum verändert.

Minus

  • Lenkverhalten durch Motoreinsatz verändert (langsame Kurven);

  • Fahrverhalten verändert (Rad wird gezogen);

  • bei nassem oder rutschigem Boden Schlupf möglich;

  • schwere Nabe macht die Lenkung träger;

  • langer Kabelweg vom Akku zum Motor (defektanfällig);

  • hohe Belastung der Gabel und des Rahmens;

  • Nabendynamo nicht montierbar.

Technische Daten des Frontantriebs

Hersteller

Z. B. Groove

Höchstgeschwindigkeit

Bis 25 km/h

Leistungsstufen

Eco/Sport/Power

Rekuperation

Nein

Akku

36 Volt: 9 Ah (324 Wh)

Reichweite*

Bis zu 60 km

Ladezeiten/Ladezyklen

Bis 6 h/1.100 Vollzyklen

Akkugewicht/Montageort

2,4 kg/Gepäckträger

Display

LED

Extras

Weitere Hersteller

Ansmann, BionX , E-Concept, Elfei, Heinzmann, Panterra, Sanyo, Schachner, TranzX, Utopia, sehr viele Anbieter in China

* Die Reichweitenangaben beruhen auf Messungen in der untersten Unterstützungsstufe auf flacher, windstiller Strecke bei 10-15° C Außentemperatur und einem Gesamtgewicht von 105-110 kg (Angaben: Derby Cycle).