RESILIENTE ORGANISATIONEN

Betrachten wir schließlich Resilienz als systemisches Phänomen, im Sinne widerstands- und anpassungsfähiger Organisationen, werden einige Parallelitäten offensichtlich, die sich in der Praxis beobachten lassen. Die Belastbarkeit der Organisation hängt zumindest von vier Faktoren ab, die sich mit Resilienz in Verbindung bringen lassen:

  1. Durch die Förderung eines sozialen und stabilen Klimas wird es dem Einzelnen ermöglicht, sich in einer Gemeinschaft geborgen und wohl zu fühlen. Die Bindungsfähigkeit einer Organisation, also Menschen ein soziales „Zuhause“ zu bieten, ist ein wichtiger Faktor für die Ausbildung von systemischer Resilienz. Menschen arbeiten für Menschen und nicht für Funktionen!
  2. Resilienz durch Kontrolle der Balance zwischen Kooperation und Konkurrenz innerhalb einer Organisation: Kooperation entsteht in Abhängigkeit von einem klaren gemeinsamen Ziel, das alle Beteiligten verstehen und akzeptieren können. Man „hat sich lieb“ und weiß, wofür man sich gemeinsam anstrengt. Unternehmensziele müssen daher als gemeinsame Ziele erkennbar sein, um ein starkes Motiv zum gemeinsamen Handeln auszulösen. Mir erzählen Mitarbeiter leider immer häufiger, dass sie in internen Meetings sitzen und sich dort Dinge anhören müssen, die sie überhaupt nicht interessieren oder betreffen. Das höre ich zunehmend auch von Mitarbeitern des mittleren Managements! Das gemeinsame Unternehmensziel ist in diesen Fällen offensichtlich nicht mehr sichtbar. Dazu kommt noch eine Beobachtung: In vielen Fällen erlebe ich, dass Mitarbeiter keine Orientierung über das aktuelle Verhältnis zum natürlichen „Feind“ der Organisation haben: dem Mitbewerber. Es ist demotivierend, sich mit jemandem „messen“ zu sollen, wenn weder dessen Strategien, aktuelle Verkaufszahlen, Produktdetails noch geplante Innovationen bekannt sind. Niemand ist gerne in einem Wettkampf mit einem faktisch unbekannten Gegner. Können wir keinen gemeinsamen Feind außerhalb der eigenen „Herde“ erkennen, neigen wir wie alle sozialen Säugetiere dazu, einen Feind innerhalb des Systems zu suchen. Und der ist schnell gefunden so kann es zwangsläufig zur Destabilisierung kommen.
  3. Neben ausgeprägter Kooperation bedarf es aber auch einer gewissen Konkurrenz und Unsicherheit, da sonst die Tendenz zum Starten des „Energiesparprogramms“ besteht, sowohl auf individueller als auch auf Organisationsebene. Menschen investieren nur dann Energie, wenn es einen guten Grund dafür gibt.
  4. Resilienz durch rasches Handeln und klare und glaubwürdige Kommunikation: Die Fähigkeit einer Organisation, sich nach signifikanten Veränderungsprozessen schnell wieder zu stabilisieren, wird immer entscheidender für den Unternehmenserfolg. Vergleichbar der Selbstregulation eines Organismus kann es zu einer raschen Stabilisierung und damit zur Beruhigung innerhalb der Organisation kommen. So kann sich beim Einzelnen wieder Sicherheit entwickeln. Die kollektive Opferrolle mit den klassischen Begleiterscheinungen der Jammerkultur und des Zynismus kann durch rasches Handeln und klare und glaubwürdige Kommunikation schneller verlassen werden.
  5. Resilienz als Risiko- und Innovationsbereitschaft: Sind allgemeine Beruhigung und Sicherheit wieder hergestellt, wird die Bereitschaft, mit- und weiterzudenken, wieder steigen. Lösungsorientiert und zukunftsplanend zu agieren in einem Netzwerk, auf das man sich verlässt, ist Voraussetzung von Innovation und Anpassungsfähigkeit einer Organisation. Der Transfer einer Fehlerkultur in eine Lernkultur ist oftmals ein entscheidender Schritt.

ZUSAMMENFASSUNG

Ob wir uns gestresst fühlen oder nicht, ist im Wesentlichen davon abhängig, ob wir das Gefühl haben, belastende Situationen bewältigen zu können. Entweder wir glauben daran, selbst zur Linderung unseres akuten Leids beitragen und unser Problem eigenständig (oder mit der Hilfe anderer) lösen zu können, oder wir glauben eben nicht daran. Zynismus, Jammern, Resignation und Pessimismus sind direkte Folgen der inneren Überzeugung, ein Problem nicht bewältigen zu können. Ob wir Stress also als kontrollierbar (bewältigbar) oder unkontrollierbar empfinden, hängt demnach von unseren subjektiven Lebenserfahrungen ab.

Wir sollten von jenen lernen, die sich nicht oder nur selten als Opfer fühlen und bei Problemen selbst zu handeln beginnen, um ihr eigenes Wohlbefinden positiv zu beeinflussen. Solche Menschen haben bei ihren ersten Versuchen meist eine wichtige Lebenserfahrung gemacht: Nicht jeder Versuch gelingt. Das zu akzeptieren, ist der Schlüssel zum Erfolg, weil das Handeln an sich mindestens so wichtig ist wie der Erfolg des Vorhabens. Und eines sollte man dabei nicht übersehen: Ein soziales Umfeld, das einem im Krisenfall Optimismus und Unterstützung liefert, ist ebenfalls ein entscheidender Faktor, der uns hilft, Belastungen bewältigen zu können.