Nachwort
Die Sterbeamme/der Sterbegefährte
Die Traueramme/der Trauergefährte

»Und soll es sein, und muss es sein,

da hilft kein Zieren und Flennen:

greif in die Nesseln frisch hinein,

so werden sie nicht brennen.«

F. W. Weber

»Das Leben ist der Begleiter des Todes;

der Tod ist der Anfang des Lebens.«

Aus China

Der Tod als Alltagsphänomen

Wer immer sich in einem Trauerprozess befindet, sieht sich mit einer gewissen inneren Verwunderung mit den vielen Toten konfrontiert, von denen im täglichen Fernsehprogramm bereits am Nachmittag berichtet wird oder die sogar gezeigt werden. Mit fortschreitendem Abend werden die Tode und der damit einhergehende Horror zunehmend anschaulicher zubereitet. Die Bilder der Kriegsberichterstattung sind ebenso alltäglich wie Berichte über Leichenfeuer in Indien. Allerdings sterben ja immer nur die anderen. Der Tod scheint mit uns selbst nicht im Geringsten etwas gemein zu haben. Sind wir nicht unsterblich?

Und erst, wenn Freunde, Großeltern, die eigenen Kinder, die Eltern oder unsere Geliebten sich zum Sterben bereit machen, nagt die eigene Fragilität an unserer Seele. Dann stehen wir vor dem Unfassbaren. Trauer, Entsetzen, Sprachlosigkeit und Das-Leben-muss-weitergehen-Parolen stehen als mögliche Reaktionsmuster zur Verfügung.

Und ganz plötzlich und klammheimlich drängen sich Zweifel in unseren doch so gewohnten Alltag und stellen unsere selbst gesteckten Ziele und Prinzipien auf den Prüfstand. Dann hat uns erreicht, was uns klar wäre, wenn wir nicht ununterbrochen abgelenkt wären durch den Alltagsspaß: Wir sind verletzbar, wir sind sterblich und geben unser Bestes, damit wir unsere Sterblichkeit auf keinen Fall bemerken.

Überall werden Menschen geboren und überall sterben Menschen. Bei uns jedoch geschieht das allenfalls hinter verschlossenen Türen, betreut von medizinischem Fachpersonal. Und wenn der Tod eingetreten ist, tritt eine andere Riege des Fachpersonals in Aktion. Die Bestattungsunternehmen erledigen die Formalitäten und bestenfalls umsorgen sie die Angehörigen, bis die Beerdigung vorbei ist. Dann gehen alle nach Hause. Der Alltag muss weitergehen.

Krankheiten aus der Trauer geboren

Trauer findet jedoch immer statt. Auch wenn sie geleugnet wird. Ein verzweifeltes »Hossa!« mit gellend lauter Musik und Alkohol ist dabei ebenso eine Form von Trauer wie erschüttertes, verzweifeltes Weinen oder stiller Gram.

Doch bei der Trauer geht es nicht allein um die Verstorbenen und die schmerzliche Sehnsucht nach ihnen. Wir selbst werden daran erinnert, dass auch unser eigener Weg endlich ist und wir zerbrechlich sind. Und viele Menschen klammern sich verzweifelt an das letzte bisschen Alltag, um den bohrenden Gedanken Einhalt zu gebieten. Kinder und Jugendliche haben in ihrer Trauer das besondere Problem, dass sie erst viele Jahre später überblicken können, welche Auswirkungen ein Abschied und die Trauer auf ihr Leben hatten.

Wir haben keine gemeinsamen Formen mehr, die – über eine Beerdigung hinaus – Trauer als Gemeinschaftsprozess kennzeichnen. Lediglich schwarze Kleidung ein ganzes Jahr getragen und regelmäßige Besuche bei denen, die sich in der Trauer befinden, sind noch heute gebräuchlich – allerdings eher in ländlichen Gegenden. In einer modernen Großstadt sind sie kaum mehr zu finden.

Ob wir dann jedoch persönliche Formen finden können, um unserer Trauer Ausdruck zu verleihen, ist ein sehr individuelles und intimes Geschehen. Ein Foto, ein Geruch, ein Lied im Radio, alles das kann dann schmerzliche Erinnerungen in uns wachrufen und der Kampf mit den aufsteigenden Tränen beginnt.

Die Folgen eines nicht gelebten Trauerprozesses sind nicht exakt messbar und dennoch deutlich wahrnehmbar. Eine herzzerreißende Sehnsucht, eine aufgeworfene und unbeantwortete Sinnfrage wühlen unentwegt in unseren Tiefen. Die Folge, auch nach Jahren, umfasst auf einer körperlichen Ebene die ganze Palette stressbedingter vegetativer Störungen: Schwindelattacken, nervöse Herzbeschwerden, Schlafstörungen, Sexualstörungen, Immundefizite seien hier als einige Beispiele genannt. Auch schwer zu greifende Angstzustände, Depressionen und Suchtverhalten stehen oft in Verbindung mit unverarbeiteter Trauer. Wenn diese Symptome unmittelbar nach dem Tod eines nahestehenden Menschen auftreten, ist eine Verflechtung schwer zu übersehen. Der Prozess des Trauerns beinhaltet jedoch einen Ablauf in Phasen. Das führt dazu, dass diese Erscheinungen unter Umständen erst nach Jahren auftreten.

Tatsache ist, dass in einer regulären ärztlichen Behandlung solche Zusammenhänge oft nicht wahrgenommen werden. Auch Ärzte und Krankenpersonal sind nicht auf Trauer und deren Folgen vorbereitet, geschweige denn in einer möglichen Begleitung ausgebildet. Auch in naturheilkundlichen Behandlungen werden diese Zusammenhänge bei Weitem nicht genügend beachtet. Ein allgemeines gesellschaftliches Tabu betrifft dabei die Trauer um Ungeborene oder totgeborene Kinder.

Wenn Trauer der offenkundige Anlass für eine gesundheitliche Störung ist, bleibt von den heutigen Erstattungsleistungen der Krankenkassen oft nur der Griff zu Psychopharmaka als vermeintlichem Rettungsanker.

Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass die große Sehnsucht nach den Verstorbenen auch zu einem »Hinterhereffekt« führen kann. Unfälle und lebensbedrohliche Erkrankungen sind mögliche Wege, sich aus der unendlichen Sehnsucht nach den Verstorbenen aus dem Staub dieser Welt, auf den Weg fort vom Leben zu machen.

Alle diese Erscheinungen sind als Störung eines physiologischen Trauerprozesses zu werten. Es ist notwendig, dem einzelnen Betroffenen zur Seite zu stehen und ansatzweise einen Platz in der Gemeinschaft anzubieten. Dazu reicht ein sehr privates Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Therapeuten nicht aus. Die ganze Gesellschaft wird hier in die Pflicht genommen werden müssen. Dass dies mit einer »Spaßgesellschaft« kein leichtes Unterfangen ist, ist wohl wahr.

Was ist eine Sterbeamme/ein Sterbegefährte?
Was ist eine Traueramme/ein Trauergefährte?

Sterbeammen/Sterbegefährten bewegen sich vertraut mit den Phasen des Sterbens und Trauerns und sicher erfahren im Gebiet des nachtodlichen Wochenbettes. Sie wissen um die Qualen der Zurückgebliebenen und die Ängste der Sterbenden. Sie haben die unserer Kultur eigenen früheren Formen rituellen Trauerns studiert und entwerfen neue, zeitgemäße Formen. Sie begleiten die Angehörigen je nach Wunsch eine gewisse Zeit oder ein ganzes Trauerjahr hindurch. Sie sind in der Lage, konfessionelle wie überkonfessionelle Ansätze aufzugreifen. Ihr Ziel ist dazu beizutragen, Angst und Trauer von Selbstvorwürfen und unstillbarer Sehnsucht zu erlösen. Sie unterstützen professionell die Fähigkeit der Betroffenen, ihr Leben selbst, um ein paar grundlegende Antworten auf Lebensfragen reicher, in die Hand zu nehmen.

Trauerammen/Trauergefährten begleiten Kinder und Jugendliche ebenso einfühlsam wie praktisch durch die Wogen der Unbegreiflichkeit. Sie wissen um die Besonderheiten, die in der Begleitung bei Kindern zu beachten sind und sie wissen auch, welche Entwicklungsschritte bei Kindern normal und welche hinderlich sein können. Trauerammen und Trauergefährten begleiten Kinder auf dem schmerzlichen Weg durch den Verlust eines Menschen.

Trauer ist ein schmerzlicher Prozess. Es sind die Nachwehen, die, wenn sie unbegleitet sind, ein unerwünschtes Eigenleben entwickeln können. Die Sterbeamme/der Sterbegefährte und die Trauerammen/Trauergefährten wissen um diese Schmerzen und haben eine Vielzahl von phantasievollen Möglichkeiten zur Verfügung, diese zu lindern. Sie bieten hilflosen Menschen ein Konzept, einen Rahmen, sich selbst wieder zu finden. Ihre Arbeit beginnt mit der Begleitung von Menschen, die sich mit einem möglichen Tod konfrontiert sehen und deren Angehörigen. Die Begleitung durch eine Sterbeamme/einen Sterbegefährten kann auch nach dem Tod einsetzen und die Hinterbliebenen in ihrem Trauerprozess unterstützen, damit sie trotz allen Schmerzes eine neue Zukunft finden können.

Zu ihren Aufgaben gehört es auch, einen pathologischen Trauerprozess erkennen zu können. Eine pathologische Trauersituation ist dann gegeben, wenn Trauernde Kinder und Erwachsene in eine nicht aufzuhaltende Verbitterung geraten und aus dieser nicht mehr herauswollen. Auch wenn sie gar nicht mehr auf die Idee kommen, dass eine Unterstützung von außen überhaupt möglich ist und der Anstoß von außen sie nicht mehr zum Handeln bewegen kann, liegt eine solche Schwierigkeit vor. Die Aufgabe der Sterbeamme/des Sterbegefährten, Trauerammen/Trauergefährten ist es, in diesen Fällen Betroffene an eine medizinische Behandlung zu verwiesen.

Sterbeammen/Sterbegefährten und Trauerammen/Trauergefährten stehen mit beiden Beinen fest im Leben, denn nur so ist es möglich, dem Flüchtigen und Ungreifbaren angesichts des Todes offen zu begegnen.

Die Vergütung der Dienste von Sterbeammen/Sterbegefährten und Trauerammen/Trauergefährten wird privat geregelt. Spendengelder und ehrenamtliche Tätigkeit sind nicht ausreichend. Wer versteht, wie sehr durch diese Arbeit gesundheitliche Folgeerkrankungen aufgefangen werden können, wird auch die private Honorarstellung verstehen. Eine solche professionelle Unterstützung unterscheidet sich nicht von jeder anderen fundierten Dienstleitung, sei es der Beistand eines Rechtsanwaltes oder die Reparatur eines Schuhs.

Informationen über Ausbildung zur Sterbeamme/zum Sterbegefährten
Informationen über die Ausbildung zur Traueramme/zum Trauergefährten

Claudia Cardinal

Heilpraktikerin, Sterbeamme, Autorin

Brookkehre 11

21029 Hamburg

Tel: 040-7242420

Fax: 040-7242214

E-Mail: claudiacardinal@sterbeamme.de

www.sterbeamme.de

Viele Hospize und Hospizdienste bieten Trauerbegleitung und Trauergruppen für Kinder und Jugendliche an. Bitte informieren Sie sich über die nächstgelegene Gruppe im Internet.

Unter www.sterbeamme.de finden Sie Sterbeammen und Sterbegefährten in Ihrer Nähe.