// Kapitel 24 //

Gerber stand auf dem Gelände des Fernmeldezentrums, umgeben von Beton und Glas, und wartete. Immer wieder sah er auf seine Uhr, als könne er den Gang der Dinge dadurch beschleunigen. Am liebsten wäre er allein hinabgestiegen in die Unterwelt von Sicherheitskomplex F1, aber er widerstand der Verlockung. Ein Mann allein konnte dort unten wenig ausrichten, wenn er nicht genau wusste, wo er suchen sollte.

Von einer Minute auf die andere rollte eine Autokolonne an, die gar kein Ende nehmen wollte. Fahrzeuge der Frankfurter Polizei spuckten uniformierte Einsatztrupps aus, und zu den Tschakos der Polizisten gesellten sich die weißen Helme und Mützen der amerikanischen Militärpolizei. Polizisten in Zivil kamen zu ihnen, darunter ein hagerer Mann, der den anderen Befehle erteilte. Seine linke Hand war aus Holz.

Gerber eilte auf ihn zu. «Harry, wie kommst du hierher?»

Ein kurzes Grinsen zog durch Warnkes Gesicht. «Hast du vergessen, dass ich die Abteilung für Sonderaufgaben leite? Wenn mich der Polizeipräsident persönlich aus dem Bett klingelt, bin ich natürlich zur Stelle. Besonders wenn es darum geht, dir zu helfen.»

«Ich habe auch versucht, dich aus dem Bett zu klingeln, aber vergeblich.»

Warnke grinste erneut. «Da lag ich wohl nicht in meinem Bett, sondern in dem von Elke.»

«Wer ist Elke?»

«Die kleine Rothaarige aus dem Frankfurter Treff. Und jetzt klär mich mal auf, was der deutsch-amerikanische Auftrieb hier soll. Der Polizeipräsident hat es zwar überaus eilig gemacht, schien aber selbst nicht viel zu wissen.»

Gerber erzählte schnell von dem Treffen mit Dorst und von der Vermutung, dass man Eva hier gefangen hielt.

«Gut möglich, dass sie in F1 ist», sagte Warnke.

«Du weißt davon?»

«F1 fällt in die Zuständigkeit meiner Abteilung. Und was weißt du davon?»

«Das CIC hat mich damals in den Sicherheitsstab der Bauleitung entsandt.»

F1, was schlicht für Frankfurt 1 stand, war ein streng geheimer unterirdischer Komplex aus Bunkerräumen, errichtet für den Kriegsfall. Von hier aus sollte das unterirdische Kabelnetz gesichert werden, das Frankfurt zum fernmeldetechnischen Zentrum Westdeutschlands machte. Ein ähnlicher Komplex, F2, lag unter dem Frankfurter Flughafen.

Ein dünner Mann um die sechzig mit großer Brille und einem weißen Spitzbart stieg aus einer Mercedes-Limousine und trat zu ihnen. Hut und Mantel schienen ihm ein wenig zu groß zu sein. «Ich bin Oberpostbaurat Blohm und suche Kriminalhauptkommissar Gerber oder Kriminaloberkommissar Warnke.»

«Sie haben beide gefunden», sagte Gerber. «Haben Sie Zutritt zu allen Bereichen von F1?»

«Deshalb bin ich hier.»

«Dann können wir loslegen», stellte Warnke fest und winkte die Anführer der Einsatztrupps herbei.

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Die lange Polizeikolonne sorgte für einen Stau auf der Stiftstraße. Zwei Autos in diesem Stau gehörten zusammen, auch wenn es nach außen hin nicht auffiel: ein dunkelblauer Opel Kapitän mit dem auffälligen Haifischmaul als Kühlergrill und direkt dahinter ein grüner VW -Bulli, der laut Aufschrift einer Wäscherei gehörte. Der Fahrer des Kapitäns, ein weißhaariger Mann mit Hut, warf nur einen kurzen Blick auf das Spektakel, dann ließ er das Fenster an seiner Seite herunter und streckte den linken Arm nach draußen. Er gab das Zeichen, geradeaus weiterzufahren, sobald die Straße wieder frei war. Im Rückspiegel konnte er den Fahrer des Bullis nicken sehen.

Als er das Seitenfenster wieder hochgekurbelt hatte, schlugen die Finger des Weißhaarigen auf dem Armaturenbrett einen nervösen Trommelwirbel, und der Mann nagte nachdenklich an seiner Unterlippe.

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Die Tiefgarage unter dem Posthof hallte von den eiligen Schritten der schwer bewaffneten Polizisten wider. Da es Sonntag war, standen hier nur wenige Autos.

«Was ist mit den Fahrzeugen?», fragte der Einsatzleiter der Frankfurter Bereitschaftspolizei. «In jedem Kofferraum könnte …»

«Ja, aufbrechen!», fiel Gerber ihm ins Wort.

Der Einsatzleiter machte ein unglückliches Gesicht. «Wir sollten die Fahrzeugbesitzer ausfindig machen, schließlich arbeiten sie gerade irgendwo über uns.»

«Das dauert viel zu lange», sagte Warnke. «Hauptkommissar Gerber hat recht, aufbrechen!»

Der Einsatzleiter gab seinen Männern einen Wink, und schon wurden die Brechstangen angesetzt, um einen Kofferraum nach dem anderen zu knacken. Eva Herden lag in keinem von ihnen.

Gerber wandte sich an den Oberpostbaurat. «Zum Sicherheitskomplex, Herr Blohm.»

Sie liefen eine unterirdische Fahrspur entlang, die mit gut beleuchteten Schildern markiert war. Unter einem Sackgassenschild hing der Hinweis «KEINE WENDEMÖGLICHKEIT ». Ein anderes Schild verkündete «ZUFAHRT NUR FÜR TECHNISCHES PERSONAL ». Nach zwanzig Metern endete die Zufahrt vor einem verschlossenen Stahltor.

Der Schlüssel, den der Oberpostbaurat in die kleine Öffnung rechts neben dem Stahltor steckte, setzte eine Hydraulik in Betrieb, und das Tor verschwand in der Wand. Dahinter lag die Fortsetzung der Zufahrt. Die Männer liefen weiter, Gerber und Warnke voran, und drangen in den geheimen Sicherheitskomplex ein.

Lange Reihen großer, schwarzer Kästen zogen sich links und rechts der Zufahrt entlang, und Warnke fragte: «Was sind das für riesige Dinger?»

«Bleiakkumulatoren», antwortete Gerber. «Bei einem Stromausfall sorgen sie so lange für Notstrom, bis die unterirdischen Generatoren angelaufen sind. Jeder davon wiegt etwa eine Tonne.»

«Einige sind sogar noch schwerer», korrigierte ihn Blohm.

Warnke warf einen skeptischen Blick auf die Akkus. «Dann sind diese Brocken also mit Säure gefüllt?»

«Das will ich doch sehr hoffen», versetzte Blohm.

Von der Zufahrt gingen zu beiden Seiten schmale Gänge mit etlichen Türen ab, und Blohm öffnete eine nach der anderen. Arbeitsräume, Lagerräume, Unterkünfte für eintausend Menschen, Waschräume. Im Kriegs- oder Katastrophenfall konnten von hier unten aus die Fernmeldeverbindungen in der ganzen Bundesrepublik in Gang gehalten werden.

«Die Verpflegung reicht für mindestens drei Jahre», sagte Blohm.

Gerber war das gleichgültig. Für ihn zählte nur, dass jeder der von Blohm geöffneten Räume menschenleer war, Geisterräume in einer unterirdischen Geisterstadt. Keine Spur von Eva, und seine Sorge wuchs mit jeder Minute.

«Dahinter liegt ein medizinischer Versorgungsraum für Notfälle, davon gibt es mehrere», erläuterte der Oberpostbaurat, als er die nächste Tür öffnete.

Etwas klatschte dicht über seinem Kopf gegen die Stahltür und schlug Funken. In den Ohren der Männer hallte die Detonation des Schusses wider. Die Kugel, die Blohm knapp verfehlt hatte, surrte als Abpraller durch den Raum und schlug in einem Karton ein.

Gerber nahm das nur am Rande wahr, seine Aufmerksamkeit galt der Mitte des Raums, wo Eva auf einer Pritsche lag, an Hand- und Fußgelenken festgebunden, das Kleid zerrissen. Ihr Kopf war zur Seite geneigt, das Gesicht wurde zum Teil von ihrem blonden Haar verdeckt. Sie rührte sich nicht.

Neben ihr stand ein Mann in den Vierzigern, mittelgroß und gedrungen, mit stark zurückweichendem Haar. Er hielt in der Rechten einen kurzläufigen Revolver, den er jetzt auf Evas Kopf richtete.

«Keine Bewegung, sonst stirbt das Mädchen!», stieß er mit einem leichten amerikanischen Akzent hervor.

In dem grobporigen Gesicht des Mannes arbeitete es, und das Flackern in seinem Blick verriet, dass er knapp davorstand, in Panik zu verfallen. Er war in dem unterirdischen Raum gefangen und sah sich einer Übermacht gegenüber. Sein einziger Trumpf war die Frau auf der Pritsche. Eva.

«Verschwinden Sie!», rief er mit zitternder Stimme. «Räumen Sie den Komplex, sonst schieße ich!»

Die Mündung seiner Waffe schwebte dicht vor Evas Stirn.

Er hatte kaum ausgesprochen, da schien sein Kopf zu explodieren. Gerber hörte dicht an seinem Ohr den betäubenden Laut des Schusses, gefolgt von einem zweiten, und dem Mann an der Pritsche wurde die halbe Schädeldecke weggerissen. Blut und Gehirnmasse spritzten auf Eva. Der Unbekannte taumelte zurück und stieß mit dem Rücken gegen einen Schrank. Als sein Revolver auf den Betonboden fiel, löste sich ein Schuss. Die Kugel schlug in ein Regal ein. Der Mann rutschte an dem Schrank nach unten und blieb auf dem Boden sitzen, den Rücken an den Schrank gelehnt, wie ein Sturzbetrunkener. Ein Auge des Mannes war verschwunden, das andere hatte den starren Blick eines Toten.

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Der Osthafen war einer der größten Binnenhäfen Westdeutschlands und der wichtigste Umschlagplatz für Massengüter in Frankfurt. Er war von essentieller Bedeutung für die Wirtschaftskraft der Stadt. Rund um die beiden parallelen Hafenbecken von jeweils eintausendzweihundert Metern Länge wuchsen neue Industrieanlagen, um den Hafen noch leistungsfähiger zu machen. Am Sonntag war der Betrieb eingeschränkt, aber auch heute arbeiteten die Ladekräne und Transportlaster, wurden die Waggons der Hafeneisenbahn be- oder entladen. Der schwarze Staub frisch entladener Kohle vermischte sich mit dem trockenen Dunst über den Getreidespeichern. Leuchtsignale flammten auf, und die Kommandos der Vorarbeiter schallten über das weitläufige Gelände. Inmitten dieser Geschäftigkeit fielen die beiden Autos, die auf ein eher kleines Lagerhaus am Ostrand des Hafens zuhielten, nicht weiter auf.

Das vordere Fahrzeug, ein dunkelblauer Kapitän, blieb vor dem Lagerhaus stehen, über dessen Tor ein Schild mit der Aufschrift «Caserta & Co. KG  – Baustoffe» hing. Der zweite Wagen, ein grüner VW -Bulli, hielt dicht hinter ihm. Die beiden Fahrer stiegen aus, machten sich an dem großen Zufahrtstor zu schaffen, und schließlich zog jeder einen der beiden Torflügel auf. Der weißhaarige Fahrer des Kapitäns betrat das Lagerhaus und schaltete die Beleuchtung ein, die nicht mehr als eine diffuse Helligkeit verbreitete. Keine Minute später waren die beiden Wagen in dem Lagerhaus verschwunden und das Tor wieder geschlossen.

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«Das wäre erledigt», sagte Harald Warnke, der direkt neben Gerber stand und seine Walther PPK in der Hand hielt.

Auf die kurze Entfernung hatte die Polizeipistole bei dem Mann, der Eva bedroht hatte, ein verheerendes Ergebnis erzielt. Gerber dachte besser nicht daran, was passiert wäre, hätte der Unbekannte noch abdrücken können, als er seinen Revolver an Evas Kopf hielt. Er würgte den Kloß in seiner Kehle hinunter und lief zu der Pritsche mit der reglosen Eva.

Erleichtert fühlte er ihren Puls und spürte ihren Atem, beides nur schwach und unregelmäßig. Sie war nicht bei Bewusstsein. An ihrem linken Oberarm bemerkte er die Einstichstellen. Was hatten sie ihr gegeben?

In seine Erleichterung mischten sich Wut und Sorge, als er sich umwandte und rief: «Sanitäter! Eine Trage!»

Vorsichtig tastete er Eva ab, konnte aber keine schwerwiegenden äußeren Verletzungen feststellen. Die linke Schläfe war geschwollen, und er bemerkte dort etwas verkrustetes Blut, aber die verschorfte Wunde sah nicht dramatisch aus.

Als er ihre Fesseln löste, trat Warnke neben ihn. «Mensch, Philipp, du hast verdammt noch mal recht gehabt mit deiner Vermutung.» Er legte seine gesunde Hand auf Gerbers Schulter. «Mach dir keine zu großen Sorgen. Sie werden Eva gleich ins Krankenhaus bringen und dort wieder aufpäppeln. Zum Glück habe ich das Schwein rechtzeitig erwischt. Kennst du ihn?»

«Nein», sagte Gerber nach einem kurzen Blick auf den in seltsamer Haltung auf dem Boden sitzenden Toten, dessen Kopf eine einzige Wunde war. «Du?»

«Auch nicht. Ich wusste nur, dass ich schnell handeln musste, um deine Freundin zu retten.»

«Der Schuss war riskant, du hättest auch Eva treffen können.»

Warnke schüttelte den Kopf. «Nicht auf die geringe Entfernung. Ich musste einfach nur schneller sein als der andere. Betrachte es als Teil meiner Bewerbung für die Sicherungsgruppe.»

«Für die Sicherungsgruppe oder für Buffalo Bills Wildwest-Show?»

Ein leises Stöhnen zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Es kam von Eva. Sie atmete schwer, ihre Lider flatterten, und dann schlug sie die Augen auf.

Gerber beugte sich über sie und fragte sanft: «Wie geht es dir?»

Ihr Blick war unstet, desorientiert. Dann schien sie ihn zu erkennen und klammerte sich an seinem Arm fest. «Papa, lass mich nicht allein! Bitte, Papa, ich habe Angst!»

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Er glaubte zu ertrinken. Wasser war überall um ihn herum, drang durch Mund und Nase in ihn ein, nahm ihm die Luft zum Atmen. Er musste auftauchen, wollte mit kräftigen Schwimmstößen an die Oberfläche kommen, aber er konnte Beine und Hände nicht bewegen. Dann bekam er plötzlich Luft, als sich sein Körper anhob, und er blickte in die Gesichter dreier Männer, die ihn umstanden. Er war nicht länger unter Wasser, sondern lag, an Hand- und Fußgelenken festgebunden, auf einer Pritsche, die sich schräg nach unten neigte, sodass ihm das Blut zu Kopf stieg. Unter seinem Kopf stand ein mit Wasser gefüllter Trog. Er kam zu dem Schluss, dass die Pritsche wie eine Wippe funktionierte.

Die drei Männer kamen ihm bekannt vor, und er versuchte krampfhaft, sich zu erinnern, während das Gefühl des Ertrinkens allmählich nachließ. Vor seinem inneren Auge erschienen der grüne Lieferwagen, der ihm den Weg versperrte, und der blaue Opel, der hinter seinem 190er anhielt – die Autofalle!

Der Mann mit dem weißen Haar war der Fahrer des Opels gewesen und hatte ihn mit dem Revolver bedroht. Ein anderer der Männer, so kräftig gebaut, dass die Muskeln unter der Jacke spannten, war sein Beifahrer gewesen. Und der dritte? Wahrscheinlich hatte der schlanke Mann mit dem spitzen Vogelgesicht den Lieferwagen gefahren, aber er konnte sich an das Gesicht nicht erinnern. Sie hatten ihn niedergeschlagen. Kaum hatte er sich daran erinnert, spürte er auch schon den starken Schmerz, der seinen Schädel durchzog. Dann hatten sie ihn in den Lieferwagen gesperrt. Das war alles, was er noch wusste.

Jetzt lag er in einem großen, hohen Raum ohne Fenster. Unter der Decke hing eine Lampe mit drei Glühbirnen, über die sich drei schmucklose Glaskugeln stülpten. Nur zwei davon verbreiteten das schmutzig gelbe Licht, die dritte Birne war offenbar kaputt.

«Sind Sie wieder bei uns, Hauptmann von Saalfeld?», fragte der Weißhaarige mit geheuchelter Freundlichkeit. «Sie waren ein wenig weggetreten, aber unsere kleine Erfrischung hat ihre Wirkung getan. Ein deutscher Hauptmann geht so schnell nicht unter, wie? In Nordafrika haben Sie sich gewiss oft nach einer kalten Dusche gesehnt.»

Der Weißhaarige sprach mit einem leichten amerikanischen Akzent. Hatte die ganze Sache etwas mit dem Krieg zu tun? Der lag zwölf Jahre zurück, und vor zehn Jahren war er aus der Gefangenschaft in den USA zurückgekehrt, um sich in Frankfurt ein neues Leben aufzubauen.

«Was wollen Sie von mir?», fragte er, und seine Stimme hörte sich wie ein Krächzen an.

«Informationen», antwortete der Weißhaarige. «Beantworten Sie unsere Fragen, und Sie können bald zurück nach Hause – oder auf Ihren Golfplatz.»

Richtig, zum Golfplatz hatte er gewollt. Und anschließend zu Doris. Beides spielte keine Rolle mehr. Ihm war klar, dass sein Leben auf dem Spiel stand. So wie damals in Tunesien, als ein amerikanischer Soldat plötzlich vor ihm gestanden und den Karabiner auf ihn gerichtet hatte. Ihm war bewusst gewesen, dass er sich ergeben musste, und der GI hatte ihn ordentlich behandelt, wie es die Genfer Konventionen vorschrieben. Aber an diesem seltsamen Ort, an den sie ihn verschleppt hatten, galt das Kriegsvölkerrecht nicht. Die Wippe und das Wasserbecken unter seinem Kopf machten das mehr als deutlich.

Der große Mann, der offenbar der Anführer war, schob seinen Hut in den Nacken und steckte sich eine Lucky Strike an. Das Gesicht war eindeutig zu jung für die weißen Haare. «Machen wir es kurz, dann haben Sie es schnell hinter sich. Was haben Sie gestern mit Eva Herden erörtert?»

«Eva wer?» Der Name sagte Saalfeld nichts. «Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.»

Der Weißhaarige zeigte mit der brennenden Zigarette auf den Trog. Augenblicklich griff der Mann mit den Muskelpaketen ans Fußende der Wippe. Saalfeld schnappte noch nach Luft, da tauchte er schon unter und schluckte Wasser. Die Männer würden ihn nicht töten, solange sie etwas von ihm wollten. Das wollte er sich einreden, aber die Panik, die ihn schlagartig ergriff, war stärker. Er brauchte Luft, Luft, Luft!

Endlich schwang die Wippe zurück. Er hustete, spuckte Wasser und japste nach Luft.

Der Weißhaarige sah auf ihn herab, ohne Mitgefühl und auch ohne Zorn. In seinen wässrigen Augen lag purer Gleichmut. «Ihr Deutschen habt diese Methode, andere zum Reden zu bringen, im Krieg ausgiebig angewandt. Es ist doch nur gerecht, dass Sie jetzt selbst in den Genuss kommen, Herr Hauptmann.»

Saalfeld konnte diesen Gleichmut nicht aufbringen, Wut stieg in ihm auf. «Wir haben niemanden gefoltert. Wir waren anständige Soldaten!»

Der Weißhaarige stieß nach einem tiefen Zug an seiner Zigarette den Rauch durch die Nase aus und lächelte kalt. «Schon klar, vorwärts mit unserem Rommel, Panzer rollen in Afrika vor und der ganze Quatsch. Gleichzeitig hat die Gestapo hinter den Linien fleißig gefoltert. Auf genau diese Art und Weise. Kommen wir zum Thema zurück. Ich frage Sie zum letzten Mal: Was haben Sie mit Fräulein Herden besprochen?»

«Und ich sage Ihnen, dass ich diesen Namen noch nie gehört habe. Wer soll das sein?»

«Die Frau, die gestern Nachmittag bei Ihnen im Büro war. Blond, jung, sehr hübsch, hätte sie nicht diese hässliche Narbe.» Der Weißhaarige fuhr mit einem Finger vom Auge bis zum Kinn über die linke Wange. «Ich bin fast sicher, Sie haben über die tote Nitribitt und deren Wagen gesprochen. Die fuhr ja auch so ein Angeber-Cabrio wie Sie selbst.»

«Karin Sander!», stieß Saalfeld hervor.

«Was sagen Sie?»

«So hat sich die Frau vorgestellt, Karin Sander. Der Name Herden sagt mir wirklich nichts.»

«Gut, Herr Hauptmann, dann reden wir über Karin Sander!»