28. Kapitel: Logarithmische Integration

Donnerstag, 18. August 2022, 18:20 Uhr

„Noah, was ist los mit dir? Thor hat mir erzählt, dass du das Training abbrechen musstest!“ Beim Anblick von Luisas besorgtem Gesicht fühlte sich Noah tatsächlich unwohl. Er wollte nicht an das Gefühl der Kraftlosigkeit erinnert werden, dieses Gefühl, dass ihm alles entgleiten würde. Er hatte sich außerdem mit Nico darauf geeinigt, dass es keine gute Idee war, den Verdacht, dass Julius‘ Tod kein Selbstmord war, vor den Mitschülerinnen und Mitschülern offen auszusprechen, bevor sie nicht mehr darüber wussten.

„Es geht schon besser, danke“, antwortete er ausweichend und versuchte zu lächeln. Das war schließlich die Wahrheit. Er schnitt ein Stück von seinem Schollenfilet ab und überlegte kurz, bevor er weitersprach: „Ich hatte einfach wenig geschlafen. Der Start ins neue Schul- und Trainingsjahr, die Sache mit Julius … Aber wenn ich heute früher ins Bett gehe, wird das sicher wieder.“ Unter dem Tisch spürte er, wie Nico seine Beine nah an seine schob, so dass sie sich berührten. Ein Kribbeln fuhr durch Noah.

In diesem Moment gab es ein lautes Pling, als irgendetwas auf den Boden fiel. „Hoppla, mein Messer!“, rief Aylin und bückte sich. Noah rückte schnell von Nico weg; die Unruhe durchströmte ihn wie eine Schockwelle. Hatte Aylin etwas mitbekommen? „Hey, was wirfst du hier mit Messern rum? Willst du uns erstechen?“, rief Nele.

Noah stockte. Zwar war er froh über die Ablenkung, aber nach Scherzen über Mordwaffen war ihm gerade nicht zumute. Um Julius vom Dach zu stoßen, brauchte der Täter keine besondere Waffe, sondern nur seine Hände. Jemand, der kräftige Hände hatte, so wie der Physiotherapeut Johannes? Er rief sich wieder den Plan ins Bewusstsein, am nächsten Tage mit Amelie zu reden.

Während er aß, hörte er dem weiteren Gespräch am Tisch zu. „Ich kann es kaum erwarten, dass bald Wochenende ist und wir zur Abwechslung mal nicht um 6 Uhr aufstehen müssen“, sagte Nico gerade. „Was geht denn hier am Wochenende so ab? Außer Trainieren und Lernen natürlich?“

„Kommt drauf an. Samstags haben wir häufig Training oder Wettkämpfe, entweder echte oder zur Probe“, erklärte Luisa. „Aber diesen Samstag zum Glück nicht; die Meisterschaften waren schließlich erst letzte Woche. Sonntag ist generell Chillen angesagt.“

„Wenn wir wollen, können wir auch sonntags ins Trainings-Center und ein paar leichte Übungen machen“, fügte Noah hinzu. „Ich mache meistens Crosstrainer und Stretching, um in der Routine zu bleiben und richtig wach zu werden.“

„Ich könnte mir auch andere Sachen vorstellen, um morgens richtig wach zu werden“, meinte Nico mit erstaunlich neutraler Stimme, wofür Noah ihm vor seinen Freunden sehr dankbar war. Trotzdem hoffte er, nicht zu erröten.

„Also, was macht ihr nun am Wochenende so?“, fragte Nele eifrig, und Noah spürte ihren Blick auf sich.

„Bei mir heißt es meistens lernen, lesen, chillen am See“, antwortete er.

„Ja, der See ist super zum Schwimmen und Tretbootfahren oder einfach nur zum Spazierengehen und Picknicken“, bestätigte Luisa.

„Spieleabende und Filme gehen auch immer“, meinte Thor.

„Und shoppen und Eis essen in Schwerin“, fügte Aylin hinzu. „Aber Leute, wisst ihr was? Eigentlich sollten wir am Freitagabend ne Strandparty machen. Ey, es ist der Beginn des neuen Schuljahres, keiner von uns fährt nach Hause zu den Eltern, wir sind alle da und haben am Samstag keinen Wettkampf. Abtanzen am Strand ist super, um den Mist der letzten Tage zu vergessen!“

„Also, ich bin dabei“, rief Nele, und einige der anderen stimmten begeistert ein. Auch Nico schien die Idee gut zu finden. Noah dagegen schaute auf seinen Teller und spießte das letzte Stück seines Schollenfilets auf. Party und Tanzen – das war wirklich nicht seine Welt, nicht seine Art, die Probleme und Schocks der letzten Tage zu vergessen. Aber wie er den morgigen Abend verbringen würde, musste er zum Glück nicht jetzt entscheiden.

Während die anderen begannen, die Strand-Party zu planen und Nele Latino-Musik als Motto vorschlug, klinkte sich Noah aus dem Gespräch aus. Unauffällig betrachte er Nico von der Seite und ließ seine Gedanken abdriften. Er dachte an den Wolkenbruch in Greifswald und an die stärkenden Umarmungen der letzten Stunden. Wie schaffte Nico das? Wie bekam er es hin, Noahs aufgewühlte Gedanken zur Ruhe zu kommen und ihn stattdessen Gefühle erleben zu lassen, die er nie zuvor kannte? So sehr sein Leben auch gerade durcheinander gewirbelt wurde, so war Nico definitiv das Beste, was ihm passiert war.

Er konnte es auf einmal kaum erwarten, sein Abendessen zu beenden, die Hausaufgaben hinter sich zu bringen und mit Nico allein zu sein. Nun war er es, der sein Bein an Nicos legte. „Ich bin fertig. Bleibst du noch länger oder sollen wir gleich mit der logarithmischen Integration anfangen?“

Wenig später saßen sie arbeitend am Schreibtisch. Noah nahm sich zuerst die Deutsch- und Chemieaufgaben vor und, wie Nico vorhergesagt hatte, gab ihm die Erledigung tatsächlich ein gutes Gefühl.

Nico zwinkerte ihm über den Rand des geöffneten Mathebuchs zu. Noah rückte noch ein Stück näher an ihn heran und begann zu erklären: „Die logarithmische Integration ist was ziemlich Cooles, finde ich. Ein kompliziert aussehender Term kann eine sehr einfache Stammfunktion haben und zwar dann, wenn der Zähler die Ableitung des Nenners ist. Zum Beispiel hier …“

Voller Eifer ging er mit Nico die Aufgaben durch. Hier in der Welt der Mathematik kannte er sich aus, hier hatte er alles unter Kontrolle. Nico hatte die kleine Nachhilfestunde vorgeschlagen, doch sie hätte genauso gut seine Idee sein können.

Nico hing an seinen Lippen, begriff schnell und ließ sich sogar von Noahs Begeisterung anstecken: „Man muss also nur das Schema mit Zähler und Nenner wiedererkennen und alles wird easy? Noah, so wie du das erklärst, ist Mathe wie … Zauberei.“ Nico blickte ihn fasziniert an und hauchte einen zarten Kuss auf seine Lippen.

Noah musste grinsen. „Nee, Zauberei ist das nicht, sondern Integralrechnung. Aber es stimmt schon, kleine Tricks führen oft zu verblüffend einfachen Ergebnissen. Die Lösung ist dann echt ästhetisch.“

„Weißt du, was ich auch noch ästhetisch finde?“ Nicos Augen funkelten und seine Stimme war nun unverhohlen flirtend. „Deinen Body!“, flüsterte er. In Noah kribbelte es vor Erregung, als Nico langsam seinen Zeigefinger vom Unterarm über sein T-Shirt bis zum Hals und Kinn gleiten ließ. „Sollen wir zur Massage übergehen, die ich dir versprochen habe? Eine Massage kann nämlich ebenfalls Wunder wirken, insbesondere nach einem so toughen Tag wie heute!“

„Ich bin gespannt.“ Die Vorfreude darauf, von Nico berührt zu werden, erfüllte ihn wie eine Hitzewelle. Dazu gesellte sich die Aufregung vor dem Unbekannten, schließlich hatte Nico nicht spezifiziert, wo er ihn massieren wollte …

„Dann heißt es jetzt relaxen. Leg dich aufs Bett und zwar auf den Bauch. Ohne T-Shirt.“ Natürlich verfolgten Nicos Augen ihn genau, als er sich das T-Shirt über den Kopf zog und seinen nackten Oberkörper offenbarte. Noah lächelte. Ja, jemandem zu gefallen war ein unbeschreibliches Gefühl.

Als er sich auf sein Bett gelegt hatte, ertönten plötzlich leise, sanfte Gitarrenklänge, begleitet von exotischen Instrumenten. „Für die Massage dachte ich an etwas ruhigeres als die Imagine Dragons, wenn du einverstanden bist“, hörte er Nico sagen. Noah nickte. Dann spürte er, wie Nico sich auf ihn setzte und sogleich mit hauchzarten Bewegungen seiner Finger den Rücken entlangfuhr. Was für eine Reizkombination!

„Sag Bescheid, wenn es irgendwo wehtut oder ich woanders weitermachen soll.“

„Äh, ja, mach nur“, brachte Noah hervor. Nico begann nun, mit langsamen, aber sicheren Handbewegungen seine Schultern zu kneten, erst vorsichtig, dann fester. Das war sehr wohltuend und Noah merkte, wie sich die Verspannung löste … während der Rest seines Körpers in wilde Aufruhr und Erregung geriet. Schließlich saß Nico rittlings auf ihm und Noah konnte durch die Jeans über seinen Pobacken Nicos Oberschenkel spüren. Zwischen den Massagebewegungen gönnte Nico ihm immer wieder kurze Pausen, in denen er ihm zärtlich über den Nacken und den Rücken strich. Noah genoss es. Ab und zu stöhnte er leise, mal wenn Nico auf eine sich lösende Muskelverhärtung drückte, aber meist aus purer Lust und Erregung.

Diese wurde noch gesteigert, als Nico eine Reihe eifriger Küsse in seinen Nacken presste. Und dann begann er, an seinem Ohrläppchen zu saugen. Himmel, das war … Noah konnte sich kaum noch halten. Seine Hose wurde plötzlich zu eng. „Bist du entspannt? Fühlst du dich wohl?“, hauchte Nico ganz nah an seinem Ohr. Noah versuchte seinen Kopf zu drehen, sah das schelmische Grinsen und die funkelnden, strahlend blauen Augen.

„Ja, total“, flüsterte er. „Genau genommen fühle ich mich … zu wohl.“

„Ich auch“, sagte Nico lasziv und bewegte seine Oberschenkel, so dass Noah seine Erregung spüren konnte.

„Dann komm doch mal zu mir runter!“, hörte Noah sich selbst sagen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Das war alles Neuland für ihn, und er fühlte sich unsicher. Doch eins wusste er: Er wollte Nico küssen. Er wollte ihn berühren und von ihm berührt werden, und das nicht nur am Hals und an den Schultern.

Er drehte sich und betrachtete fasziniert Nicos Gesicht, das wie die Sonne strahlte. Wie gebannt zog er ihn zu sich. Kaum hatten sich ihre Lippen getroffen, versanken sie in einem innigen Kuss, der schnell stürmischer wurde. Nico fuhr mit einer Hand durch Noahs Haar; die Finger der anderen Hand ließ er sanft über Noahs Brustkorb gleiten und seine Brustwarzen umkreisen. Noahs Atem ging schneller.

„Ist das okay?“, fragte Nico leise.

„Sehr okay“, grinste Noah. „Aber … es ist ungerecht, dass ich deinen Body nicht sehen kann.“ Er ließ vorsichtig seine Hände unter Nicos T-Shirt gleiten und spürte die warme Haut auf seiner Brust. Das T-Shirt landete gleich darauf auf dem Boden. Noah bewunderte Nicos für einen Langstreckenläufer erstaunlich kräftige Schultern, strich vorsichtig über die leicht behaarte Brust und erkundete seine Brustwarzen. Als Nico sich seitlich drehte, nahm Noah etwas Schwarzes auf seinem Rücken wahr. Überrascht riss er die Augen auf. War das … ein Tattoo?

„Oh, du hast Pegasus entdeckt“, lächelte Nico und drehte sich so, dass Noah seinen Rücken besser sehen konnte. Unter der linken Schulter prangte eine ungefähr zehn Zentimeter große Tätowierung eines geflügelten Pferdes mit schwingendem Schweif, das sich in die Lüfte erhob.

Noah starrte noch immer auf das Tattoo. Er hatte eigentlich nicht viel für Tätowierungen übrig, doch die Zeichnung dieses Pferdes mit seinen Flügeln war so ästhetisch, sie strahlte eine solche Leichtigkeit und gleichzeitig Kraft aus und … sie war auf Nicos Körper verdammt sexy.

Dieser schien jedoch etwas verunsichert, weil Noah nichts sagte. „Wie … findest du ihn?“

„Er steht dir“, brachte Noah hervor und legte dann seine Finger vorsichtig auf das Tattoo. „Er passt zu dir.“ Er spürte, wie Nico erleichtert ausatmete und auch er lächelte in sich hinein. Er ließ seine Finger weiter über Nicos Rücken gleiten und dann – Nico drehte sich wieder nach vorne – seinen Brustkorb entlang.

Nicos seliges Lächeln ermunterte ihn, die Brustwarzen zwischen zwei Finger zu nehmen. Das daraus resultierende Stöhnen ließ ihn selbst erschaudern. Wie wunderbar war es, bei Nico solch verzückte Reaktionen hervorrufen zu können!

Im nächsten Moment beugte sich Nico wieder nach vorne, um ihn zu küssen. Doch dieses Mal hauchte Nico den Kuss nur zart auf seine Lippen, bevor er sich an seinem Hals entlang weiter hinabküsste, am Schlüsselbein kurz innehielt und dann mit seinen Küssen langsam zu seiner rechten Brustwarze überging. Noah hatte das Gefühl innerlich zu brennen. Nicos Zunge umspielte neckisch seine Brustwarze, und als er daran zu saugen begann, glaubte Noah zu explodieren. Erinnerungen an seinen Traum von vorletzter Nacht erschienen vor seinem inneren Auge, doch diese waren nichts gegen die Realität.

In seiner Jeans war es so eng, dass es fast wehtat. Er musste sie loswerden, musste Nico kommunizieren, dass er für diesen Schritt bereit war. Langsam strich er über Nicos Oberkörper und ließ seine Hand unter den Bund seiner Jeans gleiten. Mit der anderen Hand öffnete er den Knopf seiner eigenen Jeans. Nicos Gesichtsausdruck war von Vorfreude, aber auch von Überraschung und Unsicherheit gezeichnet.

„Noah, bist du dir sicher, dass du das willst? Wenn es heute zuviel ist, dann sollten wir vielleicht ein anderes Mal –“

„Ich glaube, das ist genau das, was ich jetzt brauche. Du bist genau das, was ich jetzt brauche.“

Als Antwort darauf küsste Nico ihn zärtlich und flüsterte: „Dann entspann dich und genieß es!“ Wenig später hatte Nico ihm die Jeans und Unterhose ausgezogen und küsste sich langsam vom Bauchnabel abwärts. Als er ihn mit den Lippen umschloss, war Noah zu keinem klaren Gedanken mehr fähig. Es war, als würde er sich in einer anderen Welt befinden, als würde er fliegen. Nico hatte die logarithmische Integration als Zauberei bezeichnet, aber Noah fand, dass das hier die höchste Kunst der Magie war.