Die rennen uns die Bude ein

»Das kratzt«, sagte Förster.

»Das kratzt nicht«, meinte Fränge. »Das ist nur ungewohnt.«

»Das ist reines Polyester!«

»Zu hundert Prozent. Und das ist auch gut so, denn sonst wird die Feuchtigkeit nicht nach draußen transportiert. Du erinnerst dich an die T-Shirts, die wir früher im Sportunterricht vollgeschwitzt haben, die waren alle aus Baumwolle. Die klebten nach ein paar Minuten am Oberkörper, das war nicht schön.«

Förster fand eine Parklücke und stellte den Wagen ab. Sie stiegen aus und gingen hinüber zum Platz.

»Wieso muss ich das überhaupt tragen? Ich trainiere doch nicht, ich stehe nur daneben.«

»Du bist Mitglied des Trainerstabes und als solches hast du Rudelkleidung zu tragen. Und jetzt hör auf zu quengeln.«

»Dein Shirt ist zu klein, meins zu groß.«

Der Himmel über dem Platz der Spielvereinigung war wolkenlos blau und von einer strahlenden Helligkeit, dass man kaum hinaufschauen wollte. Fränge schloss das Gittertor auf, und sie gingen hinüber zum Bürocontainer, um den Kabinen- und den Ballraumschlüssel zu holen.

»Hast du denn wenigstens für heute einen Plan?«

»Wir machen einfach das Gleiche wie vorgestern.«

»Das ist doch kein Plan!«

»Erarbeitet? Das war die reine Beschäftigungstherapie am Dienstag! Damit kommst du nicht ewig durch, Fränge! Du wolltest dir doch im Internet was ansehen. Der DFB hätte da so tolle Angebote, hast du gesagt.«

Fränge schloss die Kabine auf, und Förster hatte den Eindruck, der Schweißgeruch, der gestern hier eingeschlossen worden war, hatte es gar nicht erwarten können, nach draußen und in seine Nase zu strömen.

»Kommt alles, Förster. Jetzt bauen wir erst mal ein gutes Verhältnis zur Mannschaft auf. Wenn wir die zu sehr scheuchen, dann verlieren wir sie. Innerlich, meine ich. Die Jungs sollen Spaß haben. Wenn wir dann am Samstag unser erstes Spiel gewinnen, sehen sie, dass wir auf dem richtigen Weg sind, und dann machen wir es etwas anspruchsvoller. Klingt das wie ein Plan?«

Er drückte Förster den Ballraumschlüssel in die Hand, und der holte die Bälle und die Hütchen aus dem Fach, ohne dass ihm die Klappe entglitt, was ihn ein kleines bisschen stolz machte.

Fränge schlug ihm auf die Schulter. »Das hast du richtig gut gemacht. Der geborene Co-Trainer.«

Förster lächelte säuerlich.

Als sie wieder nach draußen kamen, standen da ein Mann und ein Junge, ganz sicher Vater und Sohn.

»Seid ihr hier die Trainer?«

Der Vater war etwas kleiner als Förster und Fränge, hatte aber enorm breite Schultern, und die Ärmel seines eng anliegenden schwarzen T-Shirts spannten sich über eindrucksvollen Bizepsen. Seine Haare hatte er mit Gel aufgestellt, und an seinem Hals baumelte ein großer D&G-Anhänger,

»Wir sind das Trainerteam der C-Jugend. Ich bin Fränge, das ist Förster.«

»Hallo«, sagte der Vater, griff nach Fränges ausgestreckter Hand, wobei er zusätzlich seine linke Pranke auf dessen Schulter legte. »Du bist der Trainer. Das ist mein Sohn. Kann der hier mal mittrainieren? Der ist gut.«

Der Sohn trug ähnliche Klamotten, nur war sein Shirt nicht schwarz, sondern beige, und seine Haare waren nicht senkrecht nach oben gegelt, sondern reckten sich im Fünfundvierzig-Grad-Winkel nach rechts, als wären sie mitten in einer Turnübung. An den Füßen hatte er strahlend weiße Sneakers mit dicker Sohle.

»Ja, klar.« Fränge gab dem Jungen die Hand. »Wie heißt du denn?«

»Ich bin der Armani.«

»Echt jetzt? Wie der Anzug?«

Es wäre besser gewesen, dachte Förster, Fränge hätte sich diesen Kommentar verkniffen, andererseits ist das vielleicht auch ein bisschen viel verlangt, wenn der Vater den Anhänger der einen Modemarke trug und seinen Sohn nach einer anderen benannt hatte.

Der Junge jedenfalls runzelte die Stirn.

»Ich würde sagen, du ziehst dich um und machst einfach mit«, sagte Fränge.

»Tasche haben wir im Auto«, sagte der Vater.

»Okay«, sagte Fränge. »Die Kabinen sind da vorne, die anderen Spieler müssten bald eintrudeln.«

Armani und sein Vater entfernten sich, wobei ihre Arme

»Siehst du?«, sagte Fränge, »die rennen uns die Bude ein. Wir können gut noch ein paar Spieler brauchen.«

Förster sah Fränge an. »Der heißt Armani.«

»Das ist schräg«, gab Fränge zu, »aber dafür kann ja der Junge nichts. Die Welt ist heute voller Typen, die in den Achtzigern auf den Namen Kevin getauft wurden. Und jetzt greifen sie nach der Macht im Land! Kanzler Kevin, kannst du dir das vorstellen?«

»Eher als Kanzler Armani.«

»Wir hatten doch schon den Brioni-Kanzler.«

»Aber der hieß wenigstens nicht so!«

»Wichtig ist doch«, machte Fränge weiter, »wie der Junge mit Nachnamen heißt. Heißt der Armani Pirlo oder Armani Baggio oder Armani Meazza, ist doch alles in Ordnung, aber heißt der Armani Schmidt oder Armani Kleinheisterkamp oder Armani Koslowski, dann sieht das anders aus. Als Armani Koslowski hast du verloren, das ist mal klar!«