Wim Thoelke

»Was will der denn hier?«, rief Fränge, als Förster mit Brocki auf den Hof hinter dem Café Dahlbusch kam, wo er neben seinem Volvo ungeduldig auf und ab tigerte.

Brocki lachte. »Ich lasse es mir doch nicht entgehen, wie der Herr Dahlbusch einen auf Trainerfuchs macht. Außerdem hat es sich schon gelohnt, wenn ich dich in dieser antiken Buxe sehe. Die hast du doch schon früher in der Schule angehabt!«

Auch Förster war die sehr knappe dunkelblaue Sporthose mit den zwei Streifen an der Seite gleich aufgefallen. Er musste an die Badehose von Dreffke denken, fand aber auch, Brocki hatte keinen Grund, sich in Stilfragen über Fränge zu erheben, lief er doch wieder in der Brocki-Uniform herum, Variante Wochenende, also in einem kleinkarierten, in Orangetönen gehaltenen Hemd aus Funktionsmaterial, dazu trug er khakifarbene Cargoshorts und sicher sehr bequeme, aber eben auch fürchterlich hässliche Wandersandalen, die seine unbesockten Füße hobbitmäßig groß erscheinen ließen, ein Effekt, den Förster nicht verstand, aber innerlich aufs Heftigste beklagte.

»Die ist historisch, die Hose!«, sagte Fränge. »Habe ich seit 1982. Meine große Zeit. Bitte erinnere dich daran, wie ich im Spiel gegen die Schwachmaten vom Ostring drei Buden gemacht habe!«

»Soviel ich weiß, hat unsere Schule das Spiel fünf zu drei verloren«, sagte Brocki.

»Trainerfuchs in Hotpants, und das bei famosem Wetter«, sagte Brocki. »Das wird eine Schau!«

»Sprich nicht, als hätten wir noch 1970! Ach nee, sorry, das war deine große Zeit! Hast du nicht damals deinen Schniedel Wim Thoelke genannt?«

Da musste sogar Brocki grinsen, und Förster bückte sich nach dem Autoschlüssel, den Fränge ihm zugeworfen hatte.

»Was hast du dadrin?«, fragte Förster und zeigte auf den Beutel, den Fränge über der Schulter trug.

»Das ist der alte Turnbeutel vom Alex. Und was dadrin ist, werdet ihr noch früh genug erfahren.«

 

Als sie am Platz der Spielvereinigung ankamen, stand Sabine vor dem Container und rauchte.

»Pünktlich, die Herren, nicht schlecht.«

Es waren noch zwei Stunden bis Anstoß. Die Mannschaft würde erst in einer Stunde kommen, aber Fränge hatte gemeint, es könne nicht schaden, die Atmosphäre, das ganze Drumherum eines solchen Spieltages, aufzusaugen, sich zu akklimatisieren, um dem Team maximal entspannt und cool entgegenzutreten, und Förster hatte noch über dieses Verb nachgedacht, entgegentreten, das klang ja wie bei einem Boxkampf, fand er, aber so ganz falsch war das ja auch nicht.

»Und so sportlich«, fügte Sabine hinzu.

»Geil, oder?«, sagte Fränge. »Die Hose ist historisch. Habe ich seit 1982!«

Sabines Blick glitt an Fränge hinab bis zu den weißen Tennissocken.

»Das war seine große Zeit«, sagte Brocki und stellte sich vor.

»Ernsthaft?«

»Auf jeden!«, sagte Fränge. »So richtig unzertrennlich wurden sie aber erst in den Achtzigern. Da hatten sie täglich miteinander zu tun. Es gab aber auch immer Reibereien zwischen ihnen.«

Förster seufzte.

»Kam der nicht aus Duisburg?«, fragte Sabine. »Wim Thoelke. Ich glaube, der war in Duisburg auf der Schule. Der wurde doch in Mülheim geboren, oder?«

Brocki hob die Brauen. »Thoelke war ein Ruhri?«

Sabine grinste. »Sonst hättest du ihn doch nicht kennen können.«

»Der Dahlbusch weiß nicht, was er redet!«

»Zumindest hast du ihm öfter mal die Hand gegeben«, meinte Fränge.

»Die Trikots hast du auch schon mitgebracht«, stellte Sabine mit einem Blick auf die Tasche, die Fränge hinter sich herzog, fest.

»Ja, ich dachte, ich gehe auf Nummer sicher.«

Die Wahrheit war, dass Fränge Alex angeboten hatte, ihn abzuholen, was Alex jedoch abgelehnt hatte, er fahre lieber mit der Bahn, worauf Fränge gesagt hatte, das sei doch albern. Alex hatte sich aber nicht umstimmen lassen, also hatte Fränge am Abend zuvor wenigstens die Trikots, welche die Uli unter der Woche gewaschen hatte, abgeholt, damit Alex sich damit nicht in der Straßenbahn abmühen musste.

»Und was hast du in dem Turnbeutel?«, wollte Sabine noch wissen.

»Da habe ich ein Getränk drin. Und was ich sonst noch so brauche.«

»Wir bereiten dann schon mal die Kabine vor«, sagte Fränge.

Sabine atmete Rauch aus. »Da müsst ihr noch warten. Erst geht noch mal die D rein zur Passkontrolle. Danach könnt ihr.«

Passkontrolle, dachte Förster, als ginge man auf eine Reise, begehre Einlass in ein fremdes Land.

Brocki schlug Fränge auf die Schulter. »Spitzentiming! So kennen wir unseren Fränge!«

»Ich weiß auch gar nicht, was du da vorbereiten willst.«

»Na ja, die Trikots an die Haken hängen und so«, sagte Fränge. »Soll doch schön aussehen, wenn die Jungs kommen.«

Sabine trat ihre Zigarette aus. »Ich glaube, ich habe im Büro noch ein bisschen Zucker, den könntest du ihnen hochkant in den Arsch blasen.«

Brocki lachte. »Touché! Die hat schon rausgekriegt, was du für einer bist, Fränge!«

Hinter dem Blau am Himmel war es wieder ziemlich hell, und Förster dachte, vielleicht wäre es das Beste, den Paul nicht hoch anzuspielen.