Ein Ball rollte auf die Straße, die Förster gerade überquerte, um in dem kleinen Bio-Supermarkt, der erst kürzlich hier im Viertel aufgemacht hatte, ein paar Sachen fürs Wochenende einzukaufen, und er dachte: Wenn ein Ball auf die Straße rollt, ist meist ein Kind nicht weit, das kann böse enden, denn Kinder denken oft nicht nach und rennen ihrem Ball hinterher, egal ob da ein Auto kommt oder nicht. Er hörte einen Schrei, und kurz darauf sah er zwischen zwei am Straßenrand abgestellten Wagen eine Frau, die ein vielleicht fünfjähriges Kind am Handgelenk hielt. Die Mutter schimpfte, das Kind fing an zu weinen, der Ball lag mitten auf der Straße, und es näherte sich ein Auto. Die Mutter nahm das Kind auf den Arm, schimpfte aber weiter. Förster trat auf die Straße, hob den Arm, und das Auto hielt an. Im Stadtpark hatte er mal gesehen, wie ein junger Mann seinen Fuß auf einen Ball gestellt, die Sohle rückwärts darüber gezogen, dann die Fußspitze unter den Ball befördert, ihn ein paarmal in die Höhe gekickt und schließlich gefangen hatte. Das hatte elegant ausgesehen und auch nicht sehr schwierig, also versuchte Förster das jetzt auch. Aber er bekam die Fußspitze nicht unter den Ball, sondern trat einfach nur dagegen, und der Ball rollte auf die andere Straßenseite unter ein parkendes Auto. Der Fahrer des Wagens, der wegen Förster hatte anhalten müssen, grinste und hob den Daumen. Der ganze Vorgang war Förster zwar unangenehm, weil er sich letztlich blamiert hatte, andererseits freute es ihn, dass der andere die Verzögerung gelassen nahm, denn manchmal regten sich die Leute ja über so etwas auf, als wären sie mit einer Schusswunde auf dem Weg zur Notaufnahme.
Förster machte Platz, damit der Mann weiterfahren konnte, dann kroch er unter das parkende Auto, um den Ball sicherzustellen. Er ging hinüber zu der Frau mit dem Kind auf dem Arm, das jetzt in tiefer Verzweiflung schluchzte und die Nase hochzog. Die Mutter schimpfte nicht mehr, sondern bedankte sich bei Förster, dass er den Ball gerettet hatte, und Förster sagte, das habe er gern getan.
»Ist doch alles gut«, sagte die Mutter und strich ihrem Kind, einem Jungen, über den Kopf. »Ich habe ihm schon tausendmal gesagt, dass er nicht einfach auf die Straße laufen soll. Aber, Kinder, Sie wissen schon. Er hat mit dem Ball gegen das Garagentor geschossen, immer wieder.« Die Mutter machte eine Kopfbewegung in Richtung der Einfahrt, vor der sie standen. »Wir wollten einkaufen gehen, aber ich hatte mein Geld in der Wohnung vergessen, also bin ich noch mal schnell rein, und als ich rauskomme … Na ja, ist ja noch mal gut gegangen.«
Fußball, dachte Förster nicht zum ersten Mal, kann sehr gefährlich sein, und während die Mutter sich noch einmal bei ihm bedankte, der Junge sich langsam beruhigte und nach dem Ball griff, den Förster ihm hinhielt, vibrierte das Handy in seiner Hosentasche, die Uli, stellte er mit einem Blick aufs Display fest, schob den virtuellen Regler im Display nach rechts, hielt sich das Handy ans Ohr und sagte: »Uli, was für eine Überraschung! Kann ich was für dich tun?«
Als die Uli sagte: »Nicht für mich, Förster, sondern für Fränge, wenn der seinen nächsten Geburtstag noch erleben will!«, wusste Förster, dass Fränges Beziehungsmanagement mal wieder suboptimal gelaufen war.