Der Kunstrasen sah aus wie frisch gemäht, am Himmel waren nur ein paar Schäfchenwolken zu sehen, und die Bäume auf den Hügeln im Ruhrtal sahen aus wie Brokkoliwälder. Das hier, dachte Förster, ist der Platz mit dem schönsten Ausblick, den ich bisher gesehen habe.
»Wie ist noch mal das Hinspiel ausgegangen?«, fragte Förster, der das Spiel wegen einer Erkältung verpasst hatte. Sie sahen den Jungs beim Aufwärmen zu. Fränge erledigte die Sache mit dem elektronischen Spielbericht.
»Zwei zu zwölf«, sagte Brocki.
»Zwei Tore? Immerhin.«
Sie teilten die Mannschaft in zwei Gruppen auf und ließen sie Steigerungsläufe absolvieren. Dann Passübungen. Irgendwann stand der Trainer der anderen Mannschaft neben Förster. Sein rotes Rundhals-Trainingsshirt spannte über einem breiten Brustkorb. Förster schätzte ihn auf Anfang vierzig, und für dieses Alter hatte er überraschend buschige Augenbrauen, die Förster sonst nur von sehr viel älteren Männern kannte.
»Ich bin der Bernhard.«
»Förster.«
»Nee, Köhler.«
»Ich bin Förster.«
»Schon klar. Sollte ein Spaß sein.«
»Ach so.«
»Hömma, ihr habt aber auch ’ne Menge Ölaugen in der Truppe, oder?«
»Ölaugen?«
»Sind das alles Türken? Oder auch Libanesen? Die kommen ja immer gleich im Clan, da hast du Vater, Mutter, Brüder, Vettern, was weiß ich.«
»Das sind alles Deutsche. Kannst du im Spielbericht nachlesen. Die haben alle Schwarzrotgold hinter ihrem Namen.«
»Aber am schlimmsten sind Albaner«, überging der andere Försters Bemerkung. »Hast du Albaner?«
»Zweieinhalb.«
»Wieso zweieinhalb?«
»Bei dem einen kommt der Vater aus dem Kosovo und die Mutter aus Lissabon.«
Bernhard Köhler runzelte die Stirn. »Kosovo und Portugal? Ist doch Quatsch! Kosovo ist doch praktisch Afrika. Also nicht geografisch, aber sonst so.«
»Schon mal da gewesen?«
»Bin ich bescheuert? Und Moslems sind die auch alle, die Albaner. Die gucken dich doch schon doof an, wenn du als Deutscher auf einem deutschen Fußballplatz ein Bier trinkst.«
»Gebraut nach dem deutschen Reinheitsgebot.«
»Genau.«
»Ein albanischer Vater hat mir zu Weihnachten eine Flasche albanischen Sliwowitz geschenkt.«
Bernhard Köhler zog die Augenbrauen in die Höhe. »Echt jetzt?«
»Echt jetzt.«
»Erstaunlich. Na ja, wir haben hier jedenfalls Glück. Von der Disziplin her ist das ja immer ein Problem, wenn man zu viele von denen hat.«
»Bei uns haben vor ein paar Wochen der Paul und der Marvin mit dem Ball in der Kabine herumgespielt und eine komplette Garderobenleiste von der Wand geholt.«
»Ja, in dem Alter haben die alle einen Nagel im Kopp.«
Was denn nun, dachte Förster, liegt es am Alter oder an der landsmannschaftlichen Herkunft?
Bernhard Köhler tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn und sagte, er müsse dann mal.
Mit zwei Bällen unter den Armen kam Brocki auf Förster zu, während die Jungs eine Trinkpause einlegten.
»Was wollte der?«, fragte Brocki, und Förster fasste den Dialog zusammen, woraufhin Brocki nur abfällig brummte.
Fränge kam vom Vereinsheim herüber und rief: »Was steht ihr hier rum? Wieso ist keiner in Bewegung?«
Adnan rief: »Trinkpause, Trainer!«
»Okay, danach die Passübung noch mal, dann aufstellen zum Torschusstraining.«
Fränge sah ernst aus. Allerdings, dachte Förster, sieht der in letzter Zeit viel häufiger ernst aus als früher, mit dem Dahlbusch ist was passiert, er scheint sich nach einem halben Jahrhundert als Junge doch noch entschlossen zu haben, erwachsen zu werden, aber was heißt das schon, erwachsen, wir haben unseren chaotischen, oft etwas spätpubertären Fränge doch geliebt, weil er uns gezeigt hat, dass es auch anders geht, also älter werden jenseits der reinen Vernunft, die laut Tocotronic niemals siegen darf (von Kant und Sloterdijk mal ganz zu schweigen), aber gut, wenn das Verhalten den eigenen Sohn verletzt, ist vielleicht doch eine Grenze erreicht. Alex war nach dem Vorfall im Januar auf Distanz gegangen, hatte sich geweigert, außerhalb des Trainings Zeit mit seinem Vater zu verbringen, und auch auf und neben dem Platz nur mit ihm gesprochen, wenn es unbedingt nötig war.
»Das ist ein merkwürdiger Haufen hier«, sagte Fränge. »Total arrogant, weil sie Dritter sind in der Tabelle, als wäre es unter ihrer Würde, gegen uns zu spielen. Und der Wirt vom Vereinsheim hat mich angeguckt, als hätte ich seine Tochter angefasst.«
»Na ja«, sagte Brocki. »Wann warst du das letzte Mal in der Gegend? Hattest du Kontakt mit jüngeren Einheimischen?«
»Trainer, wir gehen aufs Klo!«, riefen Mostafa und Alim, und Fränge reckte den Daumen.
»Aber bitte nicht so langsam«, sagte er, weil die beiden sehr gemütlich zum Vereinsheim hinübertrotteten. »Bisschen Gas geben, Männer!«
Die beiden verfielen in leichten Trab, und damit war Fränge zufrieden.
Die Mannschaft postierte sich zum Torschusstraining, und diesmal war es Förster, der als Anspielstation an der Strafraumkante stand, denn hierbei hatte er in den letzten Monaten endlich Fortschritte gemacht. Justin hämmerte den Ball ans Lattenkreuz und sagte grinsend: »War Absicht!« Förster war geneigt, ihm zu glauben. Während Justin den Ball holte, der nach rechts weggesprungen war, wehten seine langen roten Haare hinter ihm her, denn er brüstete sich damit, dass er in diesem Kalenderjahr noch nicht beim Friseur gewesen sei, und Förster vermutete, das hatte auch wieder irgendwas mit seinem Vater zu tun.
Auch die anderen schienen heute gut drauf zu sein. Abgesehen von den üblichen Verdächtigen wie Adnan oder Armani gaben sie gute Torschüsse ab. Einige konnte Valentin parieren, aber nicht wenige schlugen ein. Folgerichtig grinsten die Jungs sich gegenseitig an, alberten ein bisschen herum und stellten sich diszipliniert wieder hinten an. Die Mütter der jeweils anderen waren, soweit Förster hören konnte, kein Thema.
Ein schnauzbärtiger Mann in einem Trikot von Borussia Dortmund kam mit einer Pappschale Currywurst vom Vereinsheim herüber und rief: »Da oben gibt es Stress mit euren Spielern!«
»Wieso Stress?«, rief Fränge.
»Keine Ahnung. Haben irgendwie Scheiße gebaut oder so.«
Irgendwie oder so – das ist ja ganz schön vage, dachte Förster, es werden eindeutig zu viele Füllwörter gebraucht.
Fränge stöhnte. »Brocki, mach du mal mit dem Torschusstraining weiter. Förster und ich gehen mal zum Vereinsheim und sehen nach, was da los ist.«
»Wieso soll ich mitkommen?«, fragte Förster.
»Wenn es da Stress gibt, bist du der, der vermitteln kann. Brocki und ich regen uns immer zu schnell auf.«
»Was soll denn da los sein?«, sagte Brocki. »Die trödeln rum oder futtern Pommes oder so.«
»Das kann ich mir kaum vorstellen«, sagte Fränge.
Beim Thema Junkfood vor dem Spiel hatte er in den letzten Wochen eine strikte Null-Toleranz-Politik etabliert. »Ich bilde mir nicht ein«, hatte Fränge zu Förster und Brocki gesagt, »dass ich wirklich nachhaltigen Einfluss auf ihr Essverhalten habe, aber sie sollen es wenigstens mal gehört haben, dass ein Zusammenhang zwischen Leistung und Ernährung besteht. Herrje, es wäre toll, wenn sie sich von Ronaldo nicht nur die Powerposen abgucken würden, sondern auch ein bisschen was von seiner Disziplin.«
Hinter dem Tresen im Vereinsheim stand ein korpulenter Mann Ende fünfzig, der mit erhobener Stimme auf Mostafa und Alim einredete, dass er sich diesen Scheiß nicht bieten lasse, von ihnen beiden sowieso nicht. Alim und Mostafa riefen, die Toilette habe vorher schon so ausgesehen, woraufhin der Mann hinter dem Tresen sagte, es fange ja schon mal damit an, dass sie überhaupt nicht gefragt hätten, ob sie mal aufs Klo dürften, und das war der Punkt, an dem Fränge sich einschaltete und fragte, seit wann das denn überhaupt nötig sei.
Der Mann hinterm Tresen blickte irritiert zu Fränge und sagte: »Was willst du denn?«
»Ich bin der Trainer von den beiden.«
»Ich gehe doch bei dir zu Hause auch nicht einfach aufs Klo«, sagte der Mann.
Fränge war sichtlich bemüht, die Fassung zu wahren. »Wir sind doch nicht bei dir zu Hause, sondern in eurem Vereinsheim. Die Klos hier sind öffentlich.«
»Am Arsch, mein Freund! Nix öffentlich! Die sollen auf den Pott in ihrer Kabine gehen!«
»Okay, das wussten sie nicht. Wo ist das Problem?«
»Die haben da randaliert!«
»Haben wir gar nicht!«, riefen Mostafa und Alim wie aus einem Munde.
»Danebengepisst habt ihr, und zwar absichtlich, und die Rolle Klopapier abgewickelt und durch die Gegend geschmissen!«
»Das war vorher schon!«, meinte Mostafa.
»Meine Spieler pissen nicht absichtlich neben das Klo«, behauptete Fränge, und Förster dachte, dass sie das am Platz der Spielvereinigung durchaus schon getan hatten, aber er hielt diese Information in diesem Moment nicht für einen geeigneten Debattenbeitrag.
»Wenn der Peter das sagt, dann stimmt das auch!«
Fränge und Förster fuhren herum, und hinter ihnen stand ein hochgewachsener Mann mit grauen, fast weißen Haaren in einem quer gestreiften Poloshirt.
»Wer sagt das?«, wollte Fränge wissen.
»Ich bin hier der Erste Vorsitzende.«
Und Namen sind Schall und Rauch, oder was?, dachte Förster.
Fränge wollte etwas entgegnen, aber da sagte Peter, der Mann hinterm Tresen: »Wenn wir hier Stress haben, dann immer nur mit den Scheiß-Türken!«
Mostafa und Alim riefen im Chor: »Wir sind keine Türken!«
Und Fränge: »Pass mal auf, du Arschloch …«
Der Erste Vorsitzende legte Fränge eine Hand auf die Schulter. »Nun mal langsam, Sportkamerad!«
»Ich bin nicht dein Sportkamerad!«, verwahrte sich Fränge. »Und überhaupt: Er beleidigt meine Spieler und du scheißt mich an?«
»Er hat einen Namen, junger Freund«, sagte der Erste Vorsitzende.
»Mir ist scheißegal, wie der heißt, Hinz oder Kunz oder Voldemort oder Jehova oder Rumpelstilzchen! Der hat meine Spieler ausländerfeindlich beleidigt. Was sagst du als Großer Vorsitzender dazu?«
Der Graue seufzte. »Blas die Nummer mal nicht so auf!«
»Wer bläst hier was auf? Er hat ›Scheiß-Türken‹ gesagt! Daran kann ich nichts mehr aufblasen. Mal ganz abgesehen davon, dass das Libanesen sind. Beziehungsweise Deutsche mit libanesischen Wurzeln, Herrgott!«
»Jetzt verschon mich mal mit diesem Gutmenschengelaber!«, sagte der Vorsitzende.
»Und die Scheiß-Libanesen sind mindestens so schlimm wie die Scheiß-Türken!«, rief dieser Peter.
Förster sah, dass Fränge kurz davor war, komplett auszurasten.
»Fränge …«
»Leck mich, Förster, wir klären das jetzt. Ich verlange eine offizielle Entschuldigung vom Ersten Vorsitzenden für die Sprüche von dem Fascho da!«
»Ich entschuldige mich hier für gar nichts!«, sagte der Erste Vorsitzende. »Deine Spieler haben randaliert, so sieht’s aus!«
»Haben sie nicht. Und selbst wenn: Man kann sie auch zusammenscheißen, ohne sie zu beleidigen. Und wenn du dich nicht entschuldigst, dann war es das für heute. Zum Spiel treten wir nicht an. Die Meldung an den Kreis geht heute noch raus!«
»Tu, was du nicht lassen kannst.«
Förster überlegte, etwas zu sagen, hielt dann aber den Mund, weil er Fränge nicht in den Rücken fallen wollte, mal ganz abgesehen davon, dass er ja auch recht hatte.
»Mostafa, Alim, Abflug!«, sagte Fränge.
Die beiden gingen voran, Förster und Fränge folgten ihnen nach draußen.
Als sie ein paar Meter vom Vereinsheim weg waren, sagte Fränge zur Förster: »Du hast ja auch nicht gerade zur Deeskalation beigetragen! Dafür solltest du doch dabei sein!«
»Ich bin doch gar nicht dazwischengekommen«, verteidigte sich Förster.
»Ist auch egal jetzt. Bei solchen Arschlöchern sollte man auch gar nicht deeskalieren.«
»Und was ist jetzt?«, fragte Mostafa.
»Wir fahren nach Hause«, antwortete Fränge.
»Was? Wieso?«
Fränge blieb stehen, schloss kurz genervt die Augen und ging dann weiter.
Auf dem Platz forderte er die Mannschaft auf, die Bälle einzusammeln und sich sofort in der Kabine einzufinden, und zwar in einem Ton, der Brocki die Augenbrauen hochziehen ließ, während die Jungs umstandslos und sofort gehorchten. In der Kabine erzählte Fränge ihnen, was passiert war und dass sie deshalb jetzt den Platz verlassen würden.
Adnan hob die Hand.
Fränge seufzte. »Du musst dich nicht melden, Adnan.«
»Was ist mit dem Spiel?«
»Heute ist kein Spiel.«
»Wieso nicht?«
»Das habe ich doch gerade erklärt. Zwei von uns wurden ausländerfeindlich beleidigt, und deshalb spielen wir nicht gegen diesen Fascho-Verein.«
»Was haben die denn gesagt?«, fragte Paul.
»Scheiß-Türken, hat der Fettsack im Vereinsheim gesagt«, antwortete Mostafa.
»Ihr seid doch gar keine Türken«, stellte Mirkan fest.
»Haben wir auch gesagt«, meinte Alim.
»Und da sagte der Fettsack, Scheiß-Libanesen wären noch schlimmer.«
Mirkan grinste. »Stimmt ja auch.«
»Jetzt mal ernsthaft«, schaltete sich Niklas ein. »Wenn der das gesagt hat, können wir nicht spielen. Ehrensache.«
»Nix!«, rief Mostafa. »Wir gehen raus und schießen die fünf null ab! Wir geben die Antwort auf dem Platz!«
»Ey, Junge«, sagte Paul, »die sind Dritter, die haben uns schon im Hinspiel zwölf zwei weggehauen!«
»Ist mir egal«, sagte Mostafa.
Alim sah Fränge an und sagte: »Wieso entscheidest du eigentlich, dass wir nicht spielen? Wir sind doch beleidigt worden.«
»Ich bin euer Trainer. Ich stehe für euch ein. Ich lasse mir so was nicht gefallen.«
»Scheiß-Türke, Scheiß-Libanese, das hör ich ständig.«
»Mag ja sein, Alim, aber ich finde, man kann denen das nicht durchgehen lassen.«
»Wenn wir jedes Mal abhauen würden, wären wir nur noch am Laufen«, sagte Mostafa.
»Jetzt anzutreten würde heißen, nachzugeben«, sagte Fränge.
»Der Trainer hat recht«, sagte Paul. »Keine Handbreit den Faschisten!«
Der Paul ist ja tatsächlich ein kleiner Fränge, dachte Förster. Folgerichtig wirkte dieser sehr zufrieden, als er sagte: »Sehr richtig, Paul, mein Junge.«
»Was für ein Scheiß-Gelaber!«, ließ sich jetzt Alex vernehmen. »Die halten uns doch für Schlappschwänze, wenn wir jetzt abhauen. Dann haben die Faschos erst recht gewonnen.«
»Genau!«, rief Mostafa. »Ich will pöhlen! Wir gehen raus und machen die fertig.«
»Ich bin kein Schlappschwanz und kein Opfer!«, rief Alim und schlug sich mit der Faust an die Brust.
Fränge schüttelte den Kopf. »Ich denke, es ist keine gute Idee, in so einer aufgeheizten Stimmung in das Spiel zu gehen. Am Ende fliegt ihr alle vom Platz, weil ihr euch nicht zusammenreißen könnt. Was meinen denn die dazu, die noch nichts gesagt haben? Wenn, dann sollen auch alle ihre Meinung sagen.«
Giampiero zuckte mit den Schultern. »Ich würde gerne Fußball spielen, aber ist schon scheiße, was der Typ gesagt hat.«
Valentin und Grischa zuckten auch mit den Schultern, sagten aber nichts.
»Ich will kämpfen für meine Ehre!«, rief Mostafa und stand auf.
Auch Alim stand auf. »Kämpfen für mein Land und meine Familie!«
Plötzlich riefen alle durcheinander, und Förster dachte, Demokratie ist was Feines, aber irgendwann muss auch mal jemand durchgreifen. Kinder an die Macht ist nur ein Popsong, kein Programm für die Wirklichkeit.
Es war dann Justin, der die Jungs einfing, indem er brüllte: »Ey!«
Alle verstummten. Und Justin wandte sich an Fränge: »Was passiert denn, wenn wir nicht antreten?«
»Dann wird das Spiel drei zu null gegen uns gewertet«, sagte Fränge.
»Also wäre es für unsere Tordifferenz besser, wir fahren nach Hause«, sagte Justin. »Kann entscheidend sein bei der Frage, ob wir absteigen oder nicht.«
Alle schwiegen.
Dann sagte ausgerechnet der sonst so schweigsame Grischa: »Echt jetzt?«
Fränge seufzte. »Das sollte nicht der Grund sein, warum wir nicht zum Spiel antreten.«
»Wär auch voll feige!«, sagte Mostafa.
»Wir können das abkürzen«, sagte Fränge. »Ich habe denen längst gesagt, dass wir nicht spielen. Wenn wir da jetzt einknicken, stehe ich da wie ein Vollidiot.«
Wieder schwiegen alle.
Diesmal war es ausgerechnet Valentin, der ansonsten genauso viel oder wenig redete wie sein Kumpel Grischa, der sagte: »Ist nicht in Ordnung. Du hättest uns fragen müssen. Aber es stimmt, wir können nicht zulassen, dass unser Trainer sich blamiert. Und wir können nicht zulassen, dass die welche von uns beleidigen. Wenn wir spielen, werden wir verlieren, dann haben sie uns beleidigt und besiegt. Dann sagt der Typ, der uns beleidigt hat, dass wir auch noch schlecht sind. Fahren wir nach Hause, haben wir den Kopf oben.«
Förster konnte nicht sagen, was die Stimmung im Raum veränderte, die zwingende Logik dessen, was Valentin gesagt hatte, oder die schiere Tatsache, dass er überhaupt so viel am Stück gesprochen hatte, jedenfalls stand Adnan auf und sagte mit der ganzen Autorität des Mannschaftskapitäns: »Wir hauen ab. Wer einen von uns beleidigt, der beleidigt uns alle.«
»Also, ich fühle mich nicht angesprochen«, meldete sich jetzt Marvin.
Herrje, dachte Förster, die ganze Zeit hält er die Klappe, und als die Sache fast durch ist, kommt er doch noch um die Ecke. Allerdings ging niemand darauf ein, alle fingen an, sich umzuziehen, und das erschien Förster als ein wunderbares Beispiel kollektiver Intelligenz, denn manchmal war es das Klügste, einfach wegzuhören, wohingegen es vorhin im Vereinsheim wichtig gewesen war, genau hinzuhören.
Als die Jungs schon raus waren, wandte sich Brocki, der die ganze Zeit geschwiegen hatte, an Fränge: »Ich sage das nicht gerne, aber du hast völlig recht. Wir dürfen gegen diese Kretins nicht antreten. Was denkst du, Förster? Du stehst die ganze Zeit so still und stumm daneben wie das Männlein im Walde.«
»Ich finde auch, dass man sich das nicht gefallen lassen darf. Und man kann die Entscheidung auch nicht den Jungs überlassen. Wir hätten das Spiel wahrscheinlich hoch verloren, und die Sprüche, die sie sich dann vielleicht hätten anhören müssen, möchte ich mir gar nicht ausmalen. Der Hass der Sieger.«
»Fein«, sagte Brocki. »Wir sind uns einig. Alle drei. Kommt auch nicht so oft vor.«
Brocki grinste, Förster ließ sich davon anstecken, sodass auch Fränge nicht anders konnte, als mitzugrinsen, und das, dachte Förster, ist wirklich schon lange nicht mehr vorgekommen.