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Das normalste Team von Gespensterjägern, das es je gab
D a waren wir nun, eine ganz normale Gruppe von Jugendlichen auf Gespensterjagd, mit schlichten alten Namen wie Thoggus »Froggy« Steinbruch, Lakeland »Lake« Lichtbrecher, Ariyina »Ari« Lichtbrecher, Glamenhilda »Glam« Schattenspieß, Yolebena »Yoley« Aschenbinder, Kiggulir »Kichi« Bittergrat, Boozzoid »Boozy« Biermaul, Masticha »Tiki« Holzkiefer und ich, Greggdroule »Greg« Sturmbauch.
Einfach so eine Feld-Wald-und-Wiesen-Zwergenclique, die um Mitternacht auf einem verwunschenen Friedhof Ärger suchte.
Na ja, eigentlich suchten wir natürlich keinen Ärger. Aber wenn man auszieht, um
1. ein gewalttätiges und gefährliches Spukwesen zu finden und
2. mit besagtem Wesen Streit anzufangen,
na ja, dann sollte man sich vermutlich auf Ärger gefasst machen. Ich wünschte in diesem Moment, wir hätten einen besseren Plan. Aber wir hatten allesamt noch nie mit einem Mondspuk zu tun gehabt (wir hatten ja nicht einmal einen gesehen!), also wussten wir ehrlich gesagt nicht, worauf wir uns gefasst machen sollten, abgesehen von dem begrenzten Wissen, das wir aus unseren Büchern über antike Geschichte hatten. Also kamen wir mit dem vagen Plan auf dem Friedhof an, so lange umherzuwandern, bis wir das Monster gefunden hätten. Dann würden wir schon sehen, wie es weiterging, so machten wir es ja eigentlich immer.
Der St.-Louis-Friedhof Nr. 2 war um Mitternacht wie ausgestorben. Nachdem wir ein verschlossenes Tor aufgebrochen hatten, gingen wir durch das Labyrinth aus dichtgedrängten, beeindruckenden Mausoleen und hielten dabei krampfhaft die Augen offen. Es war wie ein Spaziergang durch eine kleine Stadt aus winzigen graubraunen Gebäuden, ab und zu unterbrochen durch eine Palme.
Wenn ich sterbe, Greggdroule, sagte Aderlass, während wir über den stillen Friedhof wanderten, kannst du mich dann in einem von diesen coolen Gräbern bestatten?
Als ob ich mir so eins leisten könnte.
Muss ich dich an den Trog voller Trollkacke erinnern, die in der modernen Welt vermutlich Milliarden von Dollars wert ist?
Schon, aber wie lange noch?, dachte ich. Wenn erst einmal der Beginn eines neuen Magischen Zeitalters die Welt ins Chaos stürzt, werden Diamanten nur noch ein Mineral unter vielen sein.
Diamanten können bei der Herstellung von Waffen sehr nützlich sein – sie werden ihren Wert niemals ganz verlieren.
Na gut, von mir aus, dachte ich. Aber das spielt alles keine Rolle, denn ich nehme doch an, dass du gar nicht sterben kannst, oder? Und deshalb auch nie einen Grabstein brauchen wirst?
Aderlass würdigte mich keiner Antwort.
Auf die Mausoleen vor uns fiel ein seltsamer blauer Schein. Wir erstarrten, dann gingen wir instinktiv in die Hocke und kauerten uns hinter ein riesiges Marmorgrab. Glam reichte ihren Flachmann mit Galdervatn herum. Obwohl Tiki und Kichi beide über die Fähigkeit zur Magie verfügten, hielten wir es für keine gute Idee, sie an dem wirbelnden magischen Trunk nippen zu lassen. Ohne Training würde ihnen das vermutlich mehr schaden als nützen.
»Und was jetzt?«, fragte Boozy und sah nun doch ein bisschen nervös aus.
»Jetzt, wo wir alle high von Magie sind, finde ich, wir gehen da einfach hin und zerstören das Dings«, sagte Glam.
»Weißt du denn überhaupt, wie man das macht?«, fragte Ari schnippisch.
»Na, ich gehe davon aus, dass ein Mondspuk genauso zerschmettert werden kann wie alles andere«, sagte Glam und klang für einen Moment jünger als ihre vierzehn Jahre.
»Die jüngstgetanen Diskurse rieten wider solche Kampfespfade«, sagte Lake.
»Lake hat recht, darüber haben wir doch gesprochen«, sagte ich. »Und wir haben beschlossen, dass reine Gewaltanwendung nichts bringt.«
Wir hatten im Untergrund zur Vorbereitung unseres Einsatzes über dieses Spukwesen gesprochen und hatten unser kollektives Wissen über diese geheimnisvollen, lange verschollenen Wesen zusammengeworfen.
Was wir wussten: Mondspuke waren wie Gespenster, aber sie waren in dieser Welt deutlicher anwesend, sie steckten irgendwo zwischen der jetzigen, physischen Realität und der geistigen Ebene der Toten fest. Sie waren Verstorbene, deren spirituelles Wesen schrecklich litt – es war unbekannt, ob sie von etwas gequält wurden, das zu ihren Lebzeiten geschehen war, oder von etwas, das jetzt in ihrer anderweltlichen Existenz vor sich ging. Mondspuke ließen sich offenbar nur bei zunehmendem Mond blicken, und sie erreichten den Höhepunkt ihrer Kraft in der ersten Vollmondnacht – also heute. Außerdem wurde vermutet, dass diese Spuke vor allem aus einem Grund existierten: um dem Rest der Welt zu zeigen, welche Schmerzen sie mit sich herumschleppten. Um alle anderen ihre Qualen spüren zu lassen. Natürlich konnte Aderlass es sich nicht verkneifen, mitten in der Diskussion in meinem Kopf einen blöden Witz zu reißen: Willst du spüren, wie ich leide? Stell dir vor, du lehnst in einer Zimmerecke und musst zusehen, wie sich dein alter Besitzer eine halbe Stunde lang mit einem behaarten Gnarlaak verlustiert.
Was wir nicht wussten: sehr viel. Offenbar hatten die alten zwergischen Texte zum Thema Spuk nicht viel zu sagen. Ihr müsst wissen, Zwerge halten nichts davon, ihre Toten zu begraben (was zugegebenermaßen seltsam ist, so sehr, wie wir die Erde verehren). Das bedeutete, dass Zwerge im Laufe ihrer Geschichte nicht viel Zeit auf Friedhöfen verbracht hatten. Und da Mondspuke immer nur auf Friedhöfen oder an Grabstätten auftraten, hatten sie Zwerge nie besonders interessiert, nicht einmal damals in Ur-Erde, als sie noch ziemlich häufig in Erscheinung getreten waren. Was wir allesamt nicht über Spuke wussten, könnte ein ganzes Buch füllen. Oder zwei. Oder ein paar Dutzend. Und das Wichtigste war: Wir hatten noch immer keine Ahnung, wie wir einen Mondspuk umbringen sollten. Oder ob sie überhaupt umgebracht werden konnten. Vielleicht konnte man sie einfach zurück auf die spektrale Ebene verbannen (was immer das sein mochte)? Wir hatten wirklich keine Ahnung, und ich brauche wohl nicht zu sagen, dass das ein gewaltiges Problem war.
»Na ja, vielleicht fangen wir so an wie immer«, schlug Ari vor. »Wir gehen hin und versuchen, das Teil zur Vernunft zu bringen.«
Wir wechselten unschlüssige Blicke. Das klang nicht gerade wie ein grundsolider Plan, der sicher zu einem guten Ende führen würde. Aber vermutlich war es die beste Lösung, bis wir mehr über diesen besonderen Spuk und seine Wünsche in Erfahrung gebracht hätten.
»Nach dir«, sagte Glam.
Ari verdrehte die Augen, aber sie kroch voraus, auf das leuchtende blaue Licht zu.
Plötzlich zerfetzte ein entsetzlicher, gequälter Schrei die Nacht. Die pure Qual, die dahintersteckte, war fast so erschütternd wie die ätherischen, unmenschlichen Schwingungen, die mein Rückgrat hochjagten. Alle griffen instinktiv zu den Waffen.
Ich schnappte Aderlass und riss ihn aus der Scheide auf meinem Rücken.
Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich gegen einen Mondspuk nichts ausrichten kann, sagte er. Und die Waffen deiner Gefährten sind ebenfalls machtlos. Da könnt ihr uns auch gleich hier liegen lassen. Wir behindern euch nur.
Ich gab diese Mitteilung an die anderen weiter.
»Moment, dein was hat dir gerade was gesagt?«, fragte Kichi und machte ein verwirrtes Gesicht.
»Seine Axt spricht mit ihm«, sagte Glam voller Stolz.
Die ängstlichen Mienen der NOLA-Zwerge leuchteten plötzlich auf vor Ehrfurcht und Bewunderung.
»Bei den Göttern«, flüsterte Yoley. »Du bist mit Trevorthunn Sturmbauch verwandt? Du bist der legendäre Greggdroule Sturmbauch?«
»Bin ich das?«, fragte ich, geschockt, weil sie offenbar von mir gehört hatten.
»Wir haben Geschichten über dich gehört«, sagte Tiki. »Darüber, wie die großartigste jemals geschmiedete bloggurgische Waffe dich auserwählt hat, damit du uns zu unserer alten Größe führst.«
Da hat sie ganz schön bloggurgisch recht!, sagte Aderlass prahlerisch zu mir. Jedenfalls damit, dass ich die großartigste Waffe bin. Es muss sich noch herausstellen, ob du genug Plorbie hast, um deine Bestimmung zu erfüllen und die Vorherrschaft der Zwerge wieder zu sichern.
»Und wie du und dein Vater ganz allein den Elfenlord und seine ganze Familie besiegt habt!«, fügte Boozy hinzu.
»Na ja, meine Freunde waren auch dabei«, sagte ich und zeigte auf Lake, Ari, Glam und Froggy. »Und wir haben sie nicht direkt besiegt. Das war … na ja, es war etwas komplizierter als das.«
»Ach, er ist so bescheiden, genau wie die Sage berichtet!«, rief der sonst so schweigsame Kichi.
Plötzlich wirkten sie längst nicht mehr so nervös. Das Wissen, dass ich der legendäre Greggdroule Sturmbauch war, schien ihnen ein ganz neues Selbstvertrauen gegeben zu haben. Als ob das hier ein Sport wäre und sie hätten gerade erfahren, dass sie den besten Spieler im Team hatten – sie würden also sowieso gewinnen, egal, wie mies alle anderen spielten.
Aber sie kannten die Wahrheit nicht.
Nämlich dass ich allein nie und nimmer etwas Großes erreicht hätte. Man könnte sogar behaupten, dass ich bisher alles immer nur schlimmer gemacht und nur durch pures Glück überlebt hatte. Alles Gute, was ich erreicht hatte, war vor allem durch die Hilfe meiner Freunde zustande gekommen.
Ich machte den Mund auf, um ihnen das zu sagen, aber ihr aufgeregtes Gequassel, dass sie den echten Aderlass sahen, hier in meinen Händen, hielt mich zurück. Ich hatte vergessen, dass diese Waffe von Leuten, die mit zwergischer Kultur aufgewachsen waren, förmlich verehrt wurde. Aderlass war für die Zwerge das mythische Äquivalent zu Excalibur, nur noch bedeutender, da die meisten Zwerge niemals daran gezweifelt hätten, dass Aderlass wirklich existierte.
»Leute, das ist ja alles gut und schön«, sagte nun Ari. »Aber darf ich euch an den Mondspuk hinter diesen Mausoleen erinnern? So ungefähr sieben Meter entfernt?«
»Sie hat recht, Leute«, sagte Yoley und starrte weiterhin ehrfürchtig meine Axt an. »Die Kriegerschar deinige muss noch ihrer Mission obliegen.«
»Aderlass hat dir also wirklich erzählt, dass unsere Waffen nutzlos sind?«, fragte Glam.
Ich nickte.
Alle schauten misstrauisch ihre eigenen Waffen an. Obwohl sie an die Sage von Aderlass glaubten, konnten sie doch nicht leugnen, dass es ihnen einen gewissen, wenn auch falschen Trost brachte, ihre eigenen Schwerter und Äxte und Keulen in der Hand zu halten. Niemand ließ seine Waffe zurück, wie Aderlass vorgeschlagen hatte.
»Na gut, dann weiter«, sagte Ari, ihre Kampfaxt fest in der rechten Hand.
Wir näherten uns mit gezückten Waffen dem blauen Schein – und dem grauenhaften Geschrei, das meine Kniegelenke klappern ließ wie Zähne bei Frost. Die Mausoleen um uns herum waren jetzt so hoch, dass ich mir vorkam wie in einem Viehschacht auf dem Weg zur Schlachthalle.
Der Schein kam von einem kleinen freien Platz ungefähr in der Mitte des Friedhofs. Wir traten ins Licht hinaus.
Und da war er. Der Mondspuk.
Er war ein schimmernder, weiblicher blauer Geist, der über dem Boden schwebte. Die Spukfrau umkreiste ein schlichtes Mausoleum, das nicht größer war als ein einfacher Schuppen. Das Mausoleum war bedeckt von Hunderten, vielleicht Tausenden XXX-Zeichen in allerlei Formen, Größen und Farben, aufgemalt und aufgesprüht und an einigen Stellen in den Beton gekerbt. Das leuchtende Phantom heulte und schrie vor Qual und Wut, während es vor dem besudelten Grabmal hin und her schwebte. Wir bildeten einen Halbkreis um sie herum.
Endlich bemerkte sie unsere Anwesenheit, verharrte in der Luft und drehte sich zu uns um. Ich konnte sie aus der Nähe anschauen, und dieses Bild wird jetzt leider für immer in mein Gehirn eingeätzt sein.
Ich schwöre, ich hörte sogar Aderlass bei ihrem Anblick nach Luft schnappen (telepathisch natürlich, denn, ihr wisst ja, eine Axt kann eigentlich nicht nach Luft schnappen).
Die Spukfrau war eine Art durchsichtiges Skelett, gehüllt in verwesendes Fleisch und bedeckt von einer dünnen Schicht aus verwelkender Haut sowie Fetzen eines grünlich grauen Nachthemdes, das vermutlich irgendwann weiß wie frisch gefallener Schnee gewesen war. Ihre schwarz-grauen Locken wirbelten wie die winzigen Schlangen einer Medusa um ihren Kopf. Ihr Gesicht war ausgemergelt und ihre Zähne überraschend weiß unter dem verwesenden Fleisch. Ihre Augen waren nicht mehr da, in den leeren Augenhöhlen leuchteten blau-orange Flammen und blau-oranger Nebel waberte durch den ganzen Schädel. Sie öffnete den Mund zu einem weiteren Schrei, und eine grüne Schlange mit roten Streifen lugte heraus und ließ ihre Zunge hin und her schnellen.
»Oh, meine Götter«, sagte Boozey feierlich. »Ich glaube, das ist Marie Laveau.«
»Wer?«, fragte Ari.
»Die Voodoo-Königin von New Orleans«, flüsterte Tiki ehrfürchtig.
»Hat sie einen furchtbaren, tragischen Tod erlitten?«, fragte ich, während der Mondspuk einen weiteren grauenhaften Schrei ausstieß.
»Nicht doch«, sagte Yoley. »Sie verschied in eitel Frieden mittenmangst des Schlummers, mit knapp mehr als achtzig Jahren.«
»Aber irgendwas quält ihre Seele so sehr, dass sie hier umgehen muss«, sagte Ari. »Wir müssen herausfinden, was das sein …«
Weiter kam sie nicht. Denn nun kam der Mondspuk angeschossen und griff Ari mit den Flammen an, die aus den Augenhöhlen loderten. Ari konnte gerade noch ausweichen, und blaues Licht und Rauchwirbel strichen über uns hinweg
Lake sprang auf und schwang ein kurzes Schwert, als der Mondspuk vorüberschwebte. Seine Klinge durchbohrte die leuchtende Erscheinung ohne Mühe.
Verstehst du jetzt?, fragte Aderlass. Nutzlos.
Ari rollte sich zusammen, legte die Hand auf den Boden und schloss die Augen. Ich wusste, dass sie versuchte, einen Zauber herbeizurufen. Der Boden grollte und bebte und direkt unter dem Mondspuk barst die Erde. Schlingpflanzen und Wurzeln quollen aus dem frisch gebildeten Riss und rankten sich zu Marie Laveaus Erscheinung hoch. Der Spuk warf nur einen kurzen Blick auf die magischen Schlingpflanzen und Wurzeln, woraufhin sie sofort zu Asche zerfielen und nichts als säuerlich riechende graue Rauchfäden hinterließen.
Wir stürzten davon, als der Mondspuk wieder schrie.
»Wie können wir dieses Ding erledigen?«, brüllte Glam.
Niemand hatte eine Antwort. Der Mondspuk wütete um uns herum und wir kauerten hinter den Mausoleen und starrten einander stumm und hilflos über den ätherisch leuchtenden Friedhof hinweg an. Da ging mir etwas auf: Die anderen starrten sich gar nicht gegenseitig voller Panik an. Sie alle starrten mich voller Panik an.
Vor allem die NOLA-Zwerge schienen zu glauben, ich könnte eine Lösung aus dem Ärmel schütteln, um dieses Ding zu besiegen. Und plötzlich hasste ich es, ein berühmter Zwerg zu sein. Ich hatte das Gefühl, dass mir das Herz in der Brust zermalmt würde – und dass ich gar keine magische sprechende Axt oder fantastische Freunde zur Hilfe hätte, sondern ganz und gar allein war. Auf mir lastete der erstickende Druck der Erwartung, dass ich mich erheben und zu einem großen Kämpfer werden würde, einem großen Anführer, wie mein Familienname es offenbar voraussagte.
Ich dachte daran, was meine Freunde mir vor vielen Monaten über Schicksal erzählt hatten, in der Nacht, in der ich sie kennengelernt und erfahren hatte, dass ich ein Zwerg war. Du stammst aus einer der mutigsten Familien, die es jemals gegeben hat , hatten sie gesagt. Und dann hatten sie mir die Geschichte erzählt, wie grandios mein Vorfahre Maddog Sturmbauch seine Truppen in die Schlacht geführt hatte, obwohl sie haushoch in der Minderheit waren.
Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass mir diese Erinnerung die Kraft für meinen nächsten Schritt gegeben hätte. Dass ich die Stärke meiner Vorfahren in mir spürte, mit der ich mein Schicksal erfüllen und zum Helden werden würde. Dass ich dachte, ich könnte uns alle retten und der große Kämpfer werden, für den sie mich ja ohnehin schon hielten.
Aber in Wirklichkeit handelte ich aus purer Angst. Angst um meine Freunde, die ich hierhergeführt und in diese Lage gebracht hatte, nur weil ich meinem Dad helfen wollte. Und jetzt würde ich zusehen müssen, wie sie deshalb litten. Die Vorstellung, dass meine Freunde verletzt werden könnten (oder Schlimmeres), weil sie versuchten, mir zu helfen, war beängstigender als alles, was der Spuk mir antun könnte.
Ich steckte Aderlass wieder in die Scheide, richtete mich auf und trat vor das Mausoleum des Mondspuks auf die Lichtung.
Was machst du denn da, Greggdroule?, fragte Aderlass.
Die Besorgnis in seiner Stimme war ein bisschen rührend.
»Marie Laveau?«, brüllte ich den Spuk an.
Sie hörte auf herumzuwirbeln und sah mich an.
»Lass uns dabei helfen, das in Ordnung zu bringen, was dir solchen Schmerz bereitet!«, rief ich und zwang mich dazu, mich nicht vor Ekel oder Angst wegzudrehen, als sie jetzt auf mich zukam und ihr grauenhaftes Gesicht zu einem wütenden Fauchen verzog. »Wir können helfen! Wir können alles in Ordnung bringen!«
Sie hielt vor mir inne und ihr leuchtendes Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Spuk hin oder her, sie stank wie ein verwesender Leichnam in Griffweite.
Hitze strahlte aus ihren lodernden Augenhöhlen und meine eigenen Augen fingen an zu brennen.
Der Spuk öffnete den Mund. Die Schlange, die ich zuvor gesehen hatte, war verschwunden. Stattdessen sonderte ihr Gesicht einen seltsamen grünen Nebel ab, der über mich hinwegzog, auf seltsame Weise süß und betäubend. Ich keuchte und atmete unfreiwillig eine ganze Ladung des seltsamen Spuknebels ein.
Und dann fiel ich auf die Knie und schrie – die Qual war so unvorstellbar, dass Worte ihr niemals gerecht werden könnten.