Kapitel 6
D u hast was getan?“ Esra starrte Daria fassungslos an.
„Ich habe mich mit Cedric verabredet“, wiederholte Daria geduldig zum dritten Mal, während sie von ihrem Zimmerfenster aus in den abendlichen Garten hinabsah. Die Sonne stand schon tief und das Licht tauchte das frische Grün der Bäume in ein warmes Farbspiel. Daria konzentrierte sich auf den beruhigenden Anblick, während Esra empört nach Luft schnappte.
„Wenn er mich gefragt hätte, hätte ich auch nicht Nein gesagt.“ Rosie kicherte. Sie hatte es sich auf Darias Bett bequem gemacht. Sie war eine kräftige, energische Person, die eine Vorliebe für Kleider in auffallenden Farben und Mustern hatte. Heute trug sie ein froschgrünes Plisseekleid, das gut zu ihren Augen passte.
„Ich habe dir doch erklärt, dass Cedric in dem ganzen Durcheinander eine wichtige Rolle spielt. Er wird für eine Menge Ärger sorgen.“ Esra schloss die Augen, als ob sie in das Durcheinander in ihrem Kopf etwas Ordnung bringen wollte, um Daria ein paar handfestere Beweise liefern zu können. Doch schnell riss sie die Augen wieder auf und funkelte Daria vorwurfsvoll an. „Wir hatten doch ausgemacht, dass ich mit ihm rede.“
Daria sah zwischen Esra und Rosie hin und her. Es hatte sie ziemlich überrascht, als Esra mit Rosie plötzlich vor ihrer Tür gestanden hatte. Sie hatte heute Abend nicht mehr damit gerechnet, dass Esra überhaupt noch einmal bei ihr vorbeischauen würde. Dass sie dann sogar mit Rosie gekommen war und Rosie auch noch in alles eingeweiht war, war eine ziemliche Überraschung gewesen.
Esra wandte sich Rosie zu. „Und was dich angeht, du bist doch mit Henning zusammen, oder habe ich da etwas falsch verstanden?“
„Also, wenn du mich fragst, dann sind wir noch mitten in der Kennenlernphase und ich fühle mich zu nichts verpflichtet.“ Rosie strich sich eine karottenrote Strähne hinters Ohr und machte dann eine ausweichende Geste mit der Hand. „Henning ist ein netter Kerl, aber es geht einfach nicht vorwärts. Ich habe ihm schon ein paarmal die Gelegenheit gegeben, mich zu küssen. Aber er hat es einfach nicht getan. Was soll ich denn von so etwas halten?“
„Wie gibt man jemandem die Gelegenheit, ihn zu küssen?“ Esra runzelte die Stirn.
„Na, man bereitet halt alles vor. Man teert die Einflugschneise, wenn du verstehst, was ich meine.“ Rosie sah Daria hilfesuchend an.
„Keine Ahnung, was du meinst.“ Daria zuckte nur ahnungslos mit den Schultern. Rosie versuchte immer ungewöhnliche Wortbilder zu finden, um ihre Situation zu beschreiben. Doch meistens verstand man sie dann noch weniger, als wenn sie direkt gesagt hätte, was mit ihr los war.
Rosie seufzte. „Na, stellt euch das mal so vor. Wir sitzen da gemütlich bei Kerzenschein in meinem Zimmer. Romantische Musik läuft im Hintergrund und anstatt mich endlich zu küssen, redet er davon, welche Muskelgruppen er diese Woche noch trainieren muss.“ Rosie atmete lautstark ein.
„Vielleicht ist er aufgeregt und traut sich nicht.“ Daria drehte eine Runde auf ihrem Bürostuhl und sah Rosie fragend an, als sie ihr wieder gegenübersaß.
„Kann sein. Aber wenn mir ein derart attraktiver Kerl wie dieser Cedric solche Komplimente machen und mich dann auch noch auf ein Glas Wein einladen würde, also beim besten Willen, da würde ich keine Sekunde darüber nachdenken, sondern sofort zugreifen. So eine Gelegenheit bekommt man nicht oft.“
„Das ist keine gute Idee.“ Esra schüttelte den Kopf. „Hast du mir nicht zugehört? Ich habe dir doch von meiner Vision erzählt.“
„Ich bin skeptisch, was deine Zukunftsvorhersagen angeht.“ Rosie sah Esra stirnrunzelnd an. „Ich habe da letztens ein Buch gelesen, wo jemand auch in die Zukunft sehen konnte, und da war es so, dass sich die Zukunft verändert hat und nicht festgeschrieben war.“
„Aber das hier ist mein Leben und kein verdammtes Buch.“ Esra war vom Boden aufgesprungen und funkelte Rosie wütend an.
Daria stand auf und strich Esra beruhigend über den Rücken. Es ging ihr nicht gut. Sie war angespannt. „Ich weiß, dass das alles total verwirrend ist.“
„Das ist es.“ Esra nickte. Sie schloss einen Moment die Augen und sah Rosie dann entschuldigend an. „Tut mir leid.“
„Kein Problem.“ Rosie nickte Esra aufmunternd zu. „Ich kann verstehen, wie es dir geht. Lass den Frust ruhig raus.“
„Das würde ich gern.“ Esra seufzte gequält und ließ sich wieder auf den Boden sinken. „Aber das hilft uns auch nicht weiter. Tut mir leid, dass ich dich da mit reingezogen habe.“
„Das muss es nicht. Es ist nun einmal passiert.“
„Passiert?“ Daria sah Esra fragend an, dann ließ sie sich wieder auf ihren Schreibtischstuhl sinken. „Wie kann so etwas einfach so passieren? Du hast doch gesagt, du hast Rosie eingeweiht, weil du die Meinung eines Außenstehenden brauchtest?“
Rosie schüttelte den Kopf. „Ich habe lediglich angerufen, um Esra etwas wegen Mathe zu fragen. Sie hat mich plötzlich mit dieser Zukunftsvisionen-Sache bombardiert.“ Rosie zuckte entschuldigend mit den Schultern.
Daria runzelte die Stirn und sah Esra fragend an. „Wie bitte?
„Das war ein Missverständnis.“ Esra sah zerknirscht zu Boden. „Ich war total verpennt und habe den Namen auf dem Display nicht richtig gelesen. Ich dachte, du bist es, und habe einfach drauflosgequatscht.“
„Ach, so ist das gewesen.“ Daria seufzte.
„Egal warum ich es weiß, ich weiß es jetzt eben und meiner Meinung nach solltest du zu Cedric gehen.“ Rosie nickte entschlossen.
„Sollte ich das wirklich?“ Daria sah Rosie fragend an.
„Auf jeden Fall.“ Rosie nickte eifrig. „So wie es klingt, steht er auf dich und er weiß etwas über den Ring. Er hat dir quasi einen Handel vorgeschlagen. Wenn du ihm nur Gesellschaft leisten musst, damit er dich anschmachten kann, dann hast du doch ein gutes Geschäft gemacht. Behalte Esras Vision im Hinterkopf, aber lass dich von ihr nicht total blockieren. Zumindest nicht, solange du nicht absolut sicher weißt, dass sie tatsächlich geschehen wird.“
„Ich könnte ja mitkommen“, schlug Esra vor. „Sozusagen als Anstandswauwau.“
„Häh?“ Rosie sah Esra entgeistert an. „Das lässt du mal schön bleiben. Sonst funktioniert das doch nicht. Daria wird sich schon zusammenreißen.“
„Keine Küsse“, sagte Esra mahnend. „Außerdem habe ich keine Zweifel, dass Daria sich im Griff hat. Aber Cedric führt bestimmt nichts Gutes im Schilde.“
„Ach was.“ Rosie winkte ab. „Das klingt doch alles ganz eindeutig nach Liebe auf den ersten Blick oder so etwas. Sag bloß, davon hast du noch nie etwas gelesen?“ Rosie sah Esra fragend an.
„Liebe auf den ersten Blick? Moment mal. Das führt jetzt wirklich zu weit“, unterbrach Daria die Diskussion. „Davon kann nun wirklich keine Rede sein.“
„Schon gut.“ Esra schob sich die Brille wieder auf die Nase. „Ich wollte euch nur warnen.“
„Ich werde vorsichtig sein“, versprach Daria.
„Dann sollten wir jetzt besprechen, wie du vorgehen musst.“ Esra setzte eine geschäftige Miene auf.
„Na, sie wird sich etwas mit einem tiefen Ausschnitt anziehen, sich schminken und dann wird Cedric derart im Liebestaumel sein, dass er ihr freiwillig alle Fragen beantwortet.“ Rosie kicherte, während sich das Entsetzen auf Esras Gesicht ausbreitete.
„Das ist doch kein Spaß.“ Esra funkelte Rosie wütend an. „Ihr solltet Cedric wirklich nicht unterschätzen.“
„Du erinnerst mich gerade voll an Henning.“ Rosie seufzte. „Beruhige dich, Esra. Das war doch nur ein Spaß, um diese gruselige Atmosphäre zwischen euch etwas aufzulockern. Ich möchte, dass ihr das alles etwas entspannter angeht. Ich weiß, dass Daria vorsichtig sein wird. Zweifelst du etwa an ihr?“
„Nein, natürlich nicht.“ Esra schüttelte den Kopf. „Ich mache mir nur Sorgen. Das ist alles.“
„Es ist besser, wenn sie sich ein bisschen locker macht, denn sonst wird sie nicht viel aus Cedric herausbekommen, sondern nur irgendwelchen Unsinn zusammenstammeln. So sehr ich ihr wünsche, dass ein Ausschnitt ausreicht, um ihn zum Reden zu bringen, so sehr befürchte ich, dass es nicht so einfach werden wird.“
„Das Gefühl habe ich auch.“ Daria nickte. „Cedric ist schwer einzuschätzen. Ich weiß, dass ich aufpassen muss.“
„Du wirst das schon schaffen.“ Esra seufzte und hielt sich die Schläfen.
„Alles okay?“ Daria sah sie besorgt an.
„Nein. Ich bin immer noch nicht ganz fit wegen letzter Nacht und dieses Durcheinander in meinem Kopf bringt mich noch um den Verstand. Ich kriege von den ganzen Bildern Kopfschmerzen.“
Rosie beugte sich vor und betrachtete Esra skeptisch. „Hast du es schon mal mit Musik oder Sport probiert?“
„Warum?“ Esra sah Rosie ungläubig an. „Wird das jetzt so ein Life-Balance-Ding? Ich bitte dich, das kannst du doch nicht ernst meinen? Ich habe Zukunftsvisionen und keine Sinnkrise.“
„Doch, das meine ich ernst. Vielleicht hilft dir das, die Bilder auszublenden oder zu sortieren. Wie wäre es mit Meditation?“ Rosie legte den Kopf schief und runzelte die Stirn.
Esra sah sie eine Weile nachdenklich an. Daria rechnete jeden Moment damit, dass Esra Rosie anfahren würde. Doch zu ihrer Überraschung protestierte sie nicht, sondern nickte schließlich bedächtig.
„Ich weiß, was du meinst“, sagte sie in versöhnlichem Ton. „Nein, das habe ich noch nicht probiert.“
„Dann versuche es doch mal. Schaden kann es bestimmt nicht.“ Rosie lächelte aufmunternd. Dann wurde sie wieder ernst. Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. „Da wäre noch etwas, was ich loswerden wollte.“
„Ja?“ Esra sah besorgt aus.
Rosie fixierte Esra mit einem Ernst, der Daria Sorgen machte. „Wenn du das nächste Mal vorhersiehst, dass ich in einen Unfall verwickelt werde, dann warne mich bitte rechtzeitig. Das hätte auch schiefgehen können. Ich habe mich zu Tode erschreckt. Lea und Caspar übrigens auch.“
„Ich verstehe.“ Esra schluckte. „Versprochen.“
„Und wenn du etwas anderes über mich siehst, dann sage es mir bitte auch.“ Rosie sah Esra bittend an. „Ich will selber entscheiden, was ich dann mit diesen Infos anfangen werde.“
„Kein Problem. Sobald ich etwas über dich sehe, bist du die Erste, die es erfährt.“ Esra nickte.
„Und da war wirklich nichts außer diesem Unfall?“ Rosie ließ die Sache noch immer keine Ruhe.
„Nein.“ Esra schüttelte den Kopf. „Nur ein paar Bildfetzen, auf denen ich dich auch erkenne, aber sie sind zu unklar, um irgendetwas daraus abzuleiten. Ich sehe weder wann noch wo das sein soll.“
Rosie nickte nachdenklich. „Mmh, vielleicht gibt es einen Weg, da etwas System hineinzubekommen.“
„Berühre sie doch mal“, schlug Daria vor. „Vielleicht löst das etwas aus?“
„Ja, genau.“ Rosies Gesicht leuchtete begeistert. „Das ist eine gute Idee.“
„Ich weiß nicht.“ Esra runzelte skeptisch die Stirn. „Ich habe heute schon viele Gegenstände berührt und es ist nichts passiert.“
„Vielleicht waren es nicht die richtigen.“ Rosie stand auf und setzte sich neben Esra. Ein Hoffnungsschimmer lag auf ihrem Gesicht.
„Meinetwegen. Einen Versuch ist es wert.“ Esra zuckte mit den Schultern und legte kurzerhand ihre Hand auf Rosies Unterarm.
Daria starrte die beiden an. Esras blasse Hand wirkte auf Rosies kräftigem und von Sommersprossen übersätem Unterarm winzig. Dann schloss Esra die Augen.
Daria hielt die Luft an und beugte sich nach vorn. Ob das funktionieren würde? Das wäre zumindest ein erster Fortschritt. Esra saß mit hochgezogenen Schultern vor Rosie und schien ganz in sich versunken zu sein. Daria glaubte schon, dass der Versuch nichts gebracht hatte, da zuckte Esra plötzlich zusammen, als ob sie ein Stromschlag getroffen hatte. Ihr entfuhr ein spitzer Schrei und sie öffnete wieder die Augen.
„Es hat funktioniert“, flüsterte sie mit geisterhafter Stimme. Das Erstaunen darüber stand ihr ins Gesicht geschrieben.
„Was hast du gesehen?“ Rosie riss die grünen Augen auf und sah Esra erwartungsvoll an.
Esra holte tief Luft.
„Nun sag schon.“
Esra sprach plötzlich ganz schnell. „Du hast Marcello geküsst.“
„Das kann nicht sein.“ Rosie wurde blass und zog hastig ihren Arm zurück. Ihre roten Haare schwangen hinter ihr her wie ein Umhang. „Bist du sicher, dass du das gesehen hast? Ich würde Marcello niemals im Leben küssen.“
„Doch, das habe ich gesehen.“ Esra nickte entschlossen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich habe nicht gesagt, dass dir gefallen wird, was ich sehe.“
„Marcello ist mit Elania zusammen.“ Rosie stand wieder auf. „Ich halte das für völlig ausgeschlossen. Die beiden kleben aneinander wie eine Tapete an einer Wand.“
„Ich kann dir nur sagen, was ich sehe.“ Esra zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Du wolltest, dass ich es versuche. Was du jetzt damit anfängst, ist deine Entscheidung.“
„Ja, das wollte ich, und es ist auch gut, dass wir das ausprobiert haben.“ Rosie straffte ihren Rücken und gab ein entschlossenes Schnaufen von sich. „Ich sehe es als Warnung, genauso wie Daria es tun sollte. Jetzt kann ich rechtzeitig eingreifen, um diese Tragödie noch zu verhindern, denn nichts anderes wäre es, wenn Marcello mich küssen würde. Wenigstens hast du nicht vorhergesehen, dass er in meinen Armen stirbt und ich auch noch seinen Tod beweine, denn das wird erst passieren, wenn es Kirschen regnet.“
„Wenn es Kirschen regnet?“ Esra grinste.
„Ja genau, und jetzt habe ich genug davon.“ Rosie wandte sich Daria zu. „Wir sollten dich jetzt auf dein Date vorbereiten. Viel Zeit bleibt uns nicht mehr.“
„Schon gut.“ Daria winkte ab. Sie wollte auf keinen Fall, dass Rosie sie dazu drängte, sich mehr als nötig in Schale zu werfen. „Das schaffe ich schon. Vielleicht ist es besser, wenn ihr mich jetzt allein lasst. Dann kann ich mich noch ein bisschen auf meine Mission konzentrieren. Hilf Esra doch dabei, etwas zu finden, womit sie ihre Visionen in den Griff bekommt. Das war doch heute schon ein guter Anfang.“
„Das ist eine gute Idee.“ Esra stand auf. Sie wusste, dass es nicht viel brachte, länger auf Daria einzureden. Sie würde ihre Meinung ohnehin nicht mehr ändern.
„Also gut.“ Rosie sah unschlüssig zwischen Esra und Daria hin und her. „Aber beherzige meine Worte. Wenn du etwas erreichen willst, solltest du einen tiefen Ausschnitt wählen.“ Rosie sah mit kritischem Blick an Darias Jeans und ihrem ausgewaschenen T-Shirt hinab. „Und spare nicht am Make-up. Das kann von vielen Schwachstellen ablenken.“
„Ja, ja, schon gut. Ich kriege das schon hin. Los jetzt. Wir sehen uns morgen früh in der Schule.“ Daria erhob sich.
Esra und Rosie nahmen das als Signal, endlich aufzubrechen, und verließen Darias Zimmer. Daria brachte ihre Freundinnen noch zur Tür. Dann ging sie nachdenklich wieder in ihr Zimmer zurück. Rosies Anwesenheit hatte ihr gutgetan, und ja, sie hatte recht. Wenn Cedric wirklich eine Schwäche für sie haben sollte, dann wäre es dumm von ihr, das nicht auszunutzen.
Daria nahm sich Zeit, ihren Kleiderschrank zu durchsuchen. Schließlich fand sie ein schlichtes, helles Kleid, das gut zu ihren schwarzen Locken passte. Sie kombinierte es mit Sneakern, damit es nicht zu festlich wirkte, und trug zur Feier des Tages sogar ein bisschen Lidschatten und Wimperntusche auf. Zufrieden musterte sie ihr Spiegelbild. Rosie wäre das zwar nicht genug, aber Esra würde meinen, dass sie etwas übertrieben hatte. Also war es genau richtig.
In diesem Moment klingelte es an der Tür und Daria schrak zusammen. War es wirklich schon acht Uhr? Sie warf einen schnellen Blick auf ihr Handy. Ja, es war acht Uhr. Hastig eilte Daria die Treppe hinab.
„Machst du auf, Schatz?“ Die Stimme ihrer Mutter kam aus dem Arbeitszimmer.
„Ja, das ist für mich. Ich muss noch einmal los“, rief Daria ihr zu.
„Aber bleib nicht so lang, morgen ist wieder Schule“, ermahnte sie ihre Mutter.
„In Ordnung. Bis später.“ Daria griff nach ihrer Jacke und beeilte sich, aus dem Haus zu kommen, bevor ihre Mutter auf die Idee kam, aufzustehen und sich persönlich von Daria zu verabschieden.
Irgendwie wollte Daria nicht, dass ihre Mutter wusste, dass sie mit Cedric ausgehen würde. Daria erwischte sich bei dem Gedanken, dass sie dieses Geheimnis ganz allein für sich behalten wollte.
Sie trat aus der Tür und warf sie gleichzeitig hinter sich ins Schloss. Dabei stolperte sie über ihre Füße und verlor das Gleichgewicht. Kräftige Hände packten sie an ihren Oberarmen und hielten sie fest. Daria entwich ein erschrockener Laut.
Cedric war ganz nah. Sie spürte die Wärme seines Körpers und sog tief diesen betörenden Geruch ein, der ihn umgab. Seine hellgrauen Augen leuchteten selbst im anbrechenden Abend noch immer geheimnisvoll und Daria spürte, dass da eine Spannung zwischen ihnen war, für die sie keine Worte fand. Sie wusste nur, dass sie wachsam sein musste, wenn sie die Kontrolle über ihr Schicksal behalten wollte. Und das würde nicht leicht werden.