Eigentumsrecht
Harris Greenwood hat seine Villa nie gemocht. Auch wenn sie aus einigen der prächtigsten Bäume gebaut ist, die sich je aus der Erde erhoben, durchkreuzt von aus Douglastanne, Mammutbaum und Bleistiftzeder gehauenen Balken – Bäumen, die schon mannshoch gewesen waren, als Napoleon den letzten Atemzug tat. Gebaut im Queen-Anne-Stil, mit fünfunddreißig Zimmern, vier Erkern, Parkettböden, zwei Balkonreihen, einer privaten Bowlingbahn, Rosetten und Friesen in Walnuss, Kirsche, Eiche und Ahorn, alle geschaffen von den besten schottischen Holzschnitzern, ist sie teuer in der Instandhaltung und zu groß für seine Bedürfnisse, so groß, dass man sich leicht darin verlaufen kann. Doch zum ersten Mal seit ihrem Bau ist Harris dankbar für die Riesenhaftigkeit. Weil sie so viele Angestellte erforderlich macht, wundert sich niemand darüber, dass sein Beschreiber nach ihrer Rückkehr aus Asien dort einzieht.
Doch Harris findet die Wiederaufnahme seiner Büroroutine merkwürdig quälend. Vielleicht ist er erschöpft von der Reise, oder vielleicht hat er sich auf dem Dampfer auch irgendeine exotische Krankheit eingefangen, aber die Morgenstunden schleppen sich dahin, während er unruhig in seinem Sessel hin und her rutscht und seine Gedanken umherstreunen wie ein ausgesetzter Hund. Sein Schreibtisch, einst ein robustes Rettungsboot in den Gewässern seiner täglichen Routine, steht jetzt unbeweglich und entmutigend wie ein Grabstein vor ihm.
Am Nachmittag kann Harris kaum Milners Lieferkettenberichten oder Baumgartners Abrissen über die Unruhen im Sägewerk von Chemainus folgen, die er auf brutale Weise beendet hat, indem er einige lokale Schläger angeheuert hat, um die unzufriedenen Arbeiter auseinanderzutreiben. Und bis zum Abendessen ist sein Schreibtisch mit unbeantworteten Briefen, ungelesenen Landpachten und zu unterzeichnenden Dokumenten übersät.
Die Wahrheit ist, dass er sich viel lieber auf dem Diwan in seinem Zimmer ausstrecken würde, während Feeney mit seiner Cellostimme Keats rezitiert, ehe sie gemeinsam auf der Veranda speisen und über irgendwelche abseitigen Nachrichten sprechen, die sie der Zeitung entnommen haben. Um Argwohn zu vermeiden, hat Harris Feeney angewiesen, anders als auf dem Schiff nicht der Versuchung zu erliegen, ihn nach Einbruch der Dunkelheit in seinem Zimmer aufzusuchen, und beschlossen, seine Anwesenheit im Büro der Greenwood Timber Company auf das Notwendigste zu beschränken.
Um sich die Fronarbeit zu erleichtern, organisiert Harris einen Besuch in einem seiner Sägewerke – natürlich mit seinem Beschreiber. Normalerweise würde Baumgartner Harris auf einen solchen Ausflug begleiten, aber Harris riskiert, ihn zu bitten, dass er in Vancouver bleibt und persönlich ihr Inventar für die Großbestellung aus Japan überprüft. Glücklicherweise willigt Baumgartner ohne Argwohn in der Stimme ein.
Harris und Feeney segeln mit dem Schoner nach Victoria, wo sie den Bentley abladen und in Richtung Norden fahren. Nach einer betäubend ereignislosen Fahrt über kilometerlange Bohlenwege zur Holzabfuhr erreichen sie kurz vor Sonnenuntergang das erste Sägewerk. Harris ist begeistert, wieder inmitten der hektischen Aktivität eines Holzeinschlagstützpunkts im Spätsommer mit all den Sägespänen, dem Harz und dem tschock-tschock
der Zimmermannsäxte zu sein. Er genießt die schrillen Schreie der Pfeifen, das Klirren der Hakenketten, die seine Stämme aus dem Wasser ziehen, die Dielenbretter, die von den Nagelstiefeln seiner Holzfäller zu Splittern verarbeitet werden, und das Kreischen der Gattersägen, das er bis in die Zahnwurzeln spürt. Sie schlagen in einem benachbarten Tal ihr Lager auf, und vor neugierigen Blicken geschützt, sucht Feeney Harris’ Zelt auf, wobei er stets darauf achtet, es vor Sonnenaufgang wieder zu verlassen.
Doch das ländliche Idyll der Reise endet, als ein Kreissägeblatt mit einem Durchmesser von drei Metern aus einer Gattersäge springt und einen Mann von der Stirn bis zu den lebenswichtigen Organen spaltet. Der Anblick ist so grausig, dass Feeney sich weigert, ihn zu beschreiben, aber später teilt einer der Mitarbeiter Harris mit, das blutige Sägeblatt sei hinterher wie eine Furie in den Wald gerast und habe sich in einen eineinhalb Kilometer entfernten Baum gebohrt. Angestellte von Harris sterben mit einer gewissen Regelmäßigkeit – er unterzeichnet die Papiere und zahlt den meist ohnehin nicht vorhandenen Familien eine dürftige Entschädigung. Doch diesem bestimmten Tod so nah gewesen zu sein, beunruhigt ihn. Mit Feeney an seiner Seite hat Harris eine neue Aufmerksamkeit für die Brutalität der Holzfällerei und die allgemeine Zerbrechlichkeit des Lebens entwickelt. Und nach einer improvisierten Messe bei den Holzschlitten sagt Harris einen letzten Abstecher ab, den er nutzen wollte, um seltene Vögel für seine Sammlung aufzuspüren, und beeilt sich, am nächsten Tag nach Vancouver zurückzukehren.
Als sie in der Greenwoodschen Villa eintreffen, beantragen Milner und Baumgartner sofort eine Krisensitzung.
»Wir haben Inventur gemacht, während Sie auf ihrer kleinen Vergnügungstour waren, Sir«, sagt Baumgartner. »Und es sieht nicht gut aus für das Geschäft mit Japan.«
»Ach, wir finden schon irgendwo Bäume; das tun wir doch immer«, sagt Harris zuversichtlich.
»Sie haben es doch bestimmt nicht vergessen, Mr. Greenwood, aber wir sind vertraglich verpflichtet, dem japanischen Militäroberkommando über einundzwanzigtausend Kilometer
Gleisschwellen aus Douglastanne zu liefern, allesamt mit Teeröl eingestrichen«, sagt Milner in lehrerhaftem Tonfall. »Und in Anbetracht der Tatsache, dass viele unserer Landpachten in naher Zukunft auslaufen, haben wir die notwendigen Bäume nicht einmal, wenn wir unsere gesamten Lagerbestände aufbrauchen.«
Harris begreift, dass sein Ausflug unbesonnen, vielleicht sogar leichtsinnig gewesen ist. Er kann nicht umhin, eine Veränderung im Tonfall seiner leitenden Angestellten zu bemerken, eine erhöhte Verschwiegenheit und Skepsis, so als würden sie ihn eher führen, als ihm zu folgen. Wieder kommen ihm die toten Hilfsarbeiter in den Sinn.
Ich unterschreibe hier immer noch die Schecks, ruft sich Harris in Erinnerung. Und wenn Milner oder Baumgartner ihn herausfordern wollen, jagt er sie aus der Provinz, ganz zu schweigen von seiner Firma. Andererseits kennen Sie sich in seinen Angelegenheiten besser aus als sonst irgendwer, und wenn dieser Japan-Handel platzt, ist er erledigt. Und, was vielleicht am wichtigsten ist, sein Arrangement mit Feeney ebenfalls.
Also braucht Harris Bäume. Er ist ja auch nicht zum ersten Mal in dieser Situation. Die Vorräte im Osten Kanadas sind längst erschöpft – weshalb er überhaupt erst nach Westen gegangen ist –, und so ist das Holz aus der Region seine einzige Hoffnung. Als er sich nach einigen Flurstücken von McMillan erkundigt, die ihnen zupasskommen würden, erinnert Milner ihn daran, dass sein Rivale ihnen, seit Harris ihn bei einem einträglichen Eisenbahnbrückengeschäft in British Columbia unterboten hat, keinen Hektar Holz mehr verkauft oder vermietet, und die Mitglieder seines Konsortiums ebenso wenig.
»Warum kaufen wir Rockefeller nicht das uneingeschränkte Eigentumsrecht an dem Flurstück bei Port Alberni ab?«, wirft Feeney von einer Ecke des Büros aus ein, nachdem die Diskussion zum Erliegen gekommen ist.
»Mr. Greenwood bezahlt dich dafür, dass du seine Augen bist, Freundchen, nicht sein Mund«, blafft Baumgartner.
»Das reicht, ihr beiden«, sagt Harris, der nicht den Anschein erwecken will, Feeney zu sehr in Schutz zu nehmen.
Vielleicht hat Liam nicht ganz unrecht, denkt Harris. Greenwood Timber bemüht sich nie um Eigentumsrechte. Stattdessen hat er es immer vorgezogen, eine Abholzgenehmigung einzuholen. Nachdem er das Land nach Herzenslaune abgeholzt hat, fallen die Rechte an dem hässlichen Schlagabraum und den Stümpfen dann an sie zurück. Doch nun, da der Vorrat an zugänglichem Altbestand schwindet, halten die Unternehmen an dem fest, was sie haben, und vergeben gar keine Abholzgenehmigungen mehr. Und nachdem sich McMillans Konsortium gegen ihn verschworen hat, könnte er ein so großes Gebiet, wie er es braucht, nur von einem ausländischen Konzern erwerben – wobei John D. Rockefellers Flurstück bei Port Alberni die beste Wahl wäre. Überdies, wird Harris bewusst, könnte das Gebiet die abgelegene kleine Insel enthalten, die er halb abgebrannt hat, einen Ort, an den er Feeney gern irgendwann mitnehmen würde, wo sie sich vielleicht eine Hütte als Zufluchtsort bauen könnten, wenn alles glattgeht.
Was also, wenn er das Land einfach kaufte? Schließlich hat Harris’ Unternehmen seinen Anfang genommen, als er das Waldstück, das Everett und er von Mrs. Craig geerbt hatten, gerodet und den Grund dann mit anständigem Profit verkauft hatte. Als Greenwood Timber noch in den Kinderschuhen steckte, hatte Harris oft als sein eigener Einkäufer agiert und selbst den bärbeißigsten Landeigentümern ihre Familiengrundstücke abgeschwatzt. Aber einen Kauf dieser Größenordnung kann er nicht per Telegramm tätigen. Nicht bei einem Mann wie Rockefeller. Und nach New York reisen kann er auch nicht – ein gebrechlicher, blinder Kanadier gibt in dieser Welt eine armselige Figur ab. Außerdem kann Harris weder Fasane schießen noch Bridge spielen, noch sich am Klatsch und Tratsch über die New Yorker Society beteiligen. Er würde nicht einmal einen Termin bekommen.
»Wenn wir nicht irgendwo Bäume herkriegen, sind wir erledigt«, sagt Harris später am Abend erschöpft in Feeneys Nacken hinein, nachdem sein Beschreiber frech ihre Regel bezüglich nächtlicher Besuche gebrochen hat und in sein Bett gekrochen ist.
»Ich habe eine Idee«, antwortet Feeney. »Aber sie wird dir gewiss nicht gefallen.«
»Nun komm schon«, sagt Harris und küsst seinen Nacken. »Raus damit.«
»Wie hältst du es noch gleich mit Partys?«