Der Tod Juba Hursts habe so einiges »durcheinandergebracht«, sagte er. Juba habe eine Kokainverarbeitungsanlage auf dem Stück Land eingerichtet, für das er Koku Stanislaus getötet hatte, weil der alte Mann sich geweigert hatte, es ihm zu verkaufen.

Mibo bestätigte alles, was Benna mir erzählt hatte, und spuckte noch eine Menge mehr aus. Die Jungen, die Juba von Vincen Island als Hilfskräfte herübergebracht hatte, die Sprintboote, die spät nachts kamen, um das fertige Kokain abzuholen und nach Trinidad, Miami oder sonst wohin in Florida zu bringen. Bis die alten Frauen ihren Guerillakrieg gegen das Camp begonnen und Juba von Kara Island vertrieben hatten, weil es, in Mibos Worten, »all den Ärgerkram nich wert war«. Nein, das war es sicher nicht. Nach meiner Beobachtung hätte Kara Island die ganze Bande bei lebendigem Leib verbrannt, wenn Juba eine von diesen Alten auch nur angefasst hätte.

Jubas Tod hatte einiges durcheinandergebracht … Was zum Teufel war »einiges«? Der Verarbeitungsbetrieb? Beteiligte Leute? Beides? Und wer waren »diese Leute?«

Ich machte einen Vorstoß. »Was war Jubas Verbindung zu Shadowman?«

Er zuckte die Achseln. »Cousin«, brummte er.

»Damit ist er aber auch Ihr Cousin, nichwahr? Shadowman stammt von Kara Island?«

Er nickte.

»Wie heißt er richtig?«

Er murmelte etwas.

»Okay, ich frag Benna.«

»Ronald Hurst«, sagte er.

Ich stand auf. Mibo fuhr zusammen, als erwartete er, dass ich ihn schlagen würde, und ich musste wieder an Eric denken. »Okay, Juba hat sich also auf Camaho eingerichtet, nachdem Benna ihn verjagt hatte. Das da oben in den Beau Séjour Mountains war Jubas Anlage, nichwahr?«

Er antwortete nicht.

»Hören Sie, Sie stecken schon richtig tief in der Scheiße. Sie sind nachweislich als Polizist an Drogengeschäften beteiligt und Mittäter bei einem der grausamsten Morde, die je hier auf Kara Island passiert sind. Tiefer geht’s kaum. Es sei denn, ich sag Benna und ihren Leuten, dass Sie in den Mord an dem alten Mann verwickelt sind.«

Ich setzte mich wieder und beugte mich zu ihm vor. »Und falls Sie’s noch nicht kapiert haben, Sie sind an Machenschaften beteiligt, wegen denen drei Menschen umgekommen sind: Koku Stanislaus, Lazar Wilkinson und ein junger Mann, den ich kannte.«

Ich rückte so dicht an ihn heran, dass er gezwungen war, sich zurückzulehnen und nur noch auf den Hinterbeinen seines Stuhls balancierte. »Sie kannten Lazar Wilkinson, nichwahr?«

Er nickte steif.

»Wer hat ihn umgebracht?«

Er winkte ab, schien die Antwort verweigern zu wollen, überlegte es sich jedoch anders und fing sich gerade noch auf seinem kippeligen Stuhl.

»Ich hab nur gehört, dass er gierig geworden is. Hat gemeint, Beau Séjour wär sein Territorium. Und er wollt keine Bezahlung für die Weiterverarbeitung der Fracht, er wollt eine Beteiligung.« Mibo klang entrüstet. »Der Arsch hat den Bossmann, äh … ich mein Juba unter Druck gesetzt und gesagt, er würd zu euch gehen und die ganze Sache auffliegen lassen.«

Er wischte sich den Speichel mit dem Handrücken vom Mund ab. Ich schob meinen Stuhl ein Stück zurück. »Mit ›euch‹ meinen Sie die Polizei? Sind Sie nicht auch Polizist?«

Mibo starrte mich an.

Ich stand auf und entrollte meinen Gürtel. »Also, wenn Sie denken, ich hätt Skrupel, Ihnen hier auf der Stelle die Gräten zu brechen, weil Sie nich auspacken wollen, beweis ich Ihnen gern das Gegenteil.« Unwillkürlich hob er die Hände vors Gesicht.

»Wie heißt der Bossmann?«, fragte ich.

»Ich hab nix von ’nem Bossmann gesagt.«

»Haben Sie wohl. Sie haben gesagt, Lazar hätte den Bossmann unter Druck gesetzt. Ich hab zufällig mitbekommen, dass er ein hellhäutiger Typ ist – wie heißt er?«

Er leckte sich die Lippen. »Ich hab Juba gemeint mit dem Bossmann.«

»Mibo, Sie lügen. Ich will Folgendes wissen: Woher kam die Kokapaste? Wer hat sie hergebracht? Wer hat Juba, Lazar und Shadowman die Anweisungen gegeben? Denn es liegt auf der Hand, dass die ganze Operation nach Jubas Tod weitergegangen ist, als wär nix passiert. Und ich will was über das Boot hören, von dem in letzter Zeit so viel die Rede war. Was wissen Sie über dieses Boot?«, schnauzte ich ihn an.

Er leckte sich über die Lippen, nickte.

So genau wisse er nichts über ein Boot, aber er habe davon gehört, ein Speedboot. Es sei von Venezuela nach Camaho gekommen, ein paar Tage nachdem Miss Stanislaus Juba erschossen hatte. Er habe gehört, dass es Kokainbase geladen habe. Juba, glaubte er, habe das Ganze organisiert. Und weil Juba keine Probleme mit irgendwelchen alten Frauen auf Kara Island riskieren durfte, hätte er vor einer Weile den Befehl erhalten, alles nach Camaho zu verlegen. Und ja, nach dem, was er von Shadowman aufgeschnappt hätte, sei es zu einer längeren Verzögerung gekommen, wegen irgendeinem Problem mit dem Getriebe.

»Was ist das Ziel dieses Boots, wenn es wieder von Camaho ablegt?«

»Es hat geheißen, Europa«, sagte er, ohne mich anzusehen. Ich dachte an Erics Beschreibung des Wasserfahrzeugs, bei dessen Entladung er geholfen hatte. Klein genug, um in die schmale Bucht von Beau Séjour gesteuert zu werden, keine Kabine, nur ein Windschutz. Eine Atlantiküberquerung in so einem Boot war Unsinn, und doch hatte Jana Ray das Gleiche gesagt.

»Unmöglich«, sagte ich.

»Is, was ich gehört hab«, erwiderte er.

»Wer hat Juba den Befehl gegeben, nach Camaho umzuziehen?«, fragte ich.

»Weiß nich. Hab nix davon gesagt, dass irgendwer wem was befohlen hätt.«

»Sie haben gerade gesagt, Juba hätte den Befehl erhalten, alles nach Camaho zu verlegen. Jemand muss diesen Befehl gegeben haben, Mibo.«

»Ich hab von ’nem Bossmann und ’ner Bosslady reden gehört. Aber ich hab da nich drauf geachtet.«

»›’ner Bosslady‹?«

»Hab nix von Bosslady gesagt.« Er schüttelte den Kopf, hielt ihn gesenkt.

Ich bohrte nicht weiter nach, denn er hatte die Fäuste um beide Daumen geklemmt.

Am Hintereingang der Wache ließ ich ihn stehen, mit fest vor der Brust verschränkten Armen.

»Du bist tot und weißt es nich mal«, rief er mir nach.

Und du bist im Knast, dachte ich. Ich bin nämlich noch nicht mit dir fertig.

»Wird’s der Bossmann selbst tun?«, gab ich zurück.

Ich sah die Panik in seinen Augen und grinste.