Langes Schweigen am anderen Ende, als ich Chilman erneut anrief.
»Sir, wir brauchen einen fahrbaren Untersatz. Ich überlege, ob wir die Küstenwache noch mal einspannen können.«
»Was habt ihr vor?«
Ich erklärte ihm unsere Idee.
»Wird nicht funktionieren.«
»Wissen wir nicht, solange wir’s nicht versuchen. Villeich ham wir ja Glück. Ich bitt Sie, Ihren Einfluss, Ihre Kontakte oder was auch immer zu nutzen, um uns ein Boot der Küstenwache zu beschaffen. Wir brauchen das größte, das die haben. Sechs von uns werden mitfahren.«
»Irgendein anderes Boot tut’s nicht?«
»Wir haben keine Zeit nich, um uns ein anderes zu suchen.«
»Ich seh mal, was ich tun kann.«
»Sehn Sie nicht nur, Sir, tun Sie’s bitte. Wir verlassen uns auf Sie. Die sollen uns nicht später als um fünf heute Nachmittag in Leapers’ Bay abholen.«
Als wir in Leapers’ Bay ankamen, wurden die Spitzen des Saint Catherine Mountain gerade von den ersten Strahlen der Morgensonne getroffen. Caran ließ uns zusammengekauert unter einem Meertraubenbaum zurück, wo ein heftiger Wind an unseren Kleidern zerrte. Zwei Stunden später kehrte er mit einem Bündel wasserdichter Ponchos, einem großen Topf voll dampfendem Essen, vier Thermosflaschen mit heißer Schokolade, sechs Aluminiumbechern und zwei Laib Brot so groß wie Holzscheite zurück. Er sagte etwas zu seinem Team. Sie gingen mit ihm zu dem Jeep und halfen ihm, eine große Tasche herauszuhieven. Bildeten einen engen Kreis um ihn, als er sich in den Sand kniete und den Reißverschluss der Segeltuchtasche aufzog.
Waffen: AK-47er und ein weiteres gemein aussehendes Gewehr, das viermal so groß war wie die anderen und einen flachen, skelettartigen Schaft und eine lange Schnauze hatte.
»PKM«, sagte Caran, zu mir aufblickend. »Als die Amerikaner Camaho besetzt ham, ham sie die Regierung, die sie uns aufgezwungen ham, dazu gebracht, die Dinger abzuschaffen. Kommunistengewehre ham sie die genannt, weisde. Besser mit ’ner amerikanischen Waffe umgebracht werden, da haste wenigstens die Chance, innen Himmel zu kommen. Trifft dich aber ’ne Kommunistenkugel, fährste direkt zur Hölle. Nix gegen zu sagen!«
Ich platzte los, musste so sehr lachen, dass Miss Stanislaus mir auf den Rücken klopfte. Caran zwinkerte mir zu.
»Also, das hier sind echte Waffen, Digger! Männer wie mein Vater haben ein paar davon gerettet. Ham sie vergraben, weisde.« Er legte seine große braune Hand auf das PKM. »Gasdrucklader, Gurtzuführung, Open-Bolt-System. Zweihundertfünfzig Schuss pro Minute. Zielgenau bis zu achthundert Metern. Schießt bei jedem Wetter.«
»Was ist mit den Patrouillenknarren, die ihr alle habt?«
»Die sind nicht für ’n Krieg, Digger, die sind nur zum Vorzeigen in der Öffentlichkeit. Okay, ihr alle! Räumt auf und macht ein Nickerchen, der Sand is weich. Ich hab mit dem Laden an der Straße da drüben vereinbart, dass wir ihre Toilette benutzen dürfen.« Mit einem höflichen Lächeln wandte er sich an Miss Stanislaus. »Für die Lady hab ich einen Schlafsack mitgebracht.«
»Dankefehr«, sagte Miss Stanislaus. Ich warf ihr einen gespielt neidischen Blick zu, den sie ignorierte.
Mein Handy vibrierte.
»Halb sieben«, hustete Chilman. »Mehr konnt ich nich rausschlagen. Ich hab dem Einsatzleiter gesagt, dass er euch auf Gedeih und Verderb ausgeliefert is.« Der DS legte auf. Rief noch mal an. »Viel Glück euch allen, Digson.«
»Was hat er gesagt?«, fragte Miss Stanislaus.
»Woher wissen Sie, dass er’s war?«
»Verrät mir Ihr Gesicht, Missa Digger.«
»Viel Glück, hat er gesagt.«
»Ah-hah.«
Die letzte Chance … »Miss Stanislaus, ich lass Sie für ein paar Stunden hier bei Caran. Ich muss noch mal zurück nach San Andrews. Ist wichtig.«
»Woran denken Sie, Missa Digger?«
»An Sarona und Luther Caine.«
Ich sah auf die Uhr: 7.01. Rannte zu meinem Auto.
Ich fuhr stete siebzig. Mein Herzschlag beschleunigte sich.
Ich setzte mich an Pets Schreibtisch, schob meinen USB-Stick in ihren Computer und öffnete den Ordner mit meinen Dokumenten über Luther Caine. Ich druckte die aus, die ich von Dessie bekommen hatte, und brachte weitere zwanzig Minuten damit zu, Summen mit einem Filzmarker hervorzuheben. Anschließend steckte ich die Blätter in einen Umschlag.
Ich fuhr nach Süden zum Grand Beach. Dessie hatte mir mal erzählt, dass Luther immer früh dort unten war, um alles für seinen jungen Angestellten aufzubauen.
Diese Wasserskischule war natürlich eine Tarnung für das, was Luther Caine wirklich tat: die Kokainschieberei auf den Kleinen Antillen koordinieren sowie die Hochleistungsmotoren für die letzte entscheidende Etappe nach Norden tunen und reparieren. Sein Haus auf dem Lavender Hill war quasi ein Boxenstopp. Jeder Dummkopf sah, dass der Kerl seinen Lebensstil nicht damit finanzieren konnte, Leuten beizubringen, wie man übers Wasser glitt. Doch wir hatten uns angewöhnt, nicht hinzusehen. Geld gehörte so sehr zu ihm wie seine Klamotten, wie seine helle Haut, seine geraden Schultern und der zielgerichtete Blick. In den Augen der Camahoer musste Luther Caine nicht mal wirklich Geld haben, um vermögend zu sein. Er würde nie ins Gefängnis wandern, nie vor Gericht stehen, genauso wie sein Vater, der als Teenager ein Schulmädchen geschändet und ermordet hatte. Und was war mit ihm passiert? Er wurde nach Amerika geschickt und kam mit einem teuren Uni-Abschluss zurück, der ihn am Ende zum Generalgouverneur machte.
Ich fand das schwer zu schlucken. Noch schlimmer war, dass mein Vater auch zu denen gehörte.
Luthers weißes Sportboot mit dem blauen Delphin an der Seite schaukelte im flachen Wasser. Dahinter in der Ferne San-Andrews-Stadt, aufgetürmt an den Rändern einer Halbinsel. Es war, als würde ich auf eine andere Stadt in einem fremden Land blicken. Einzelne Gestalten fleckten den kilometerlangen Strand, joggten oder gingen am Wasser spazieren.
Es war 8.47 Uhr.
Luther beugte sich gerade über einen Wasserski. Ich fummelte an meinem Handy herum, tat, als wollte ich telefonieren. Offenbar spürte er meine Gegenwart, denn er blickte plötzlich von seiner Arbeit auf. Ich betätigte den Auslöser. Graugrüne Augen richteten sich auf mich. Ein Nest aus drahtigen Haaren bedeckte seine Brust bis zu den Schultern, Beine eines Schwarzen, muskulös mit ausgeprägten Waden und einem gewölbten Hintern wie der Kopf eines Fragezeichens. Die Narben an seinem Arm und der Schulter waren immer noch deutlich zu sehen.
Seine Feindseligkeit, die er auf seiner Cocktailparty so gut kaschiert hatte, drückte sich jetzt in jeder kleinsten Bewegung aus.
Luther erwartete, dass ich etwas sagte. Ich ließ ihn warten.
»Was willst du?«
»Dich.«
Er grinste. »Ich bin nicht so veranlagt.« Mit verschränkten Händen reckte er die Arme über den Kopf und beugte den Oberkörper von rechts nach links. »Bist du meiner Frau überdrüssig?«
Luther ließ die Arme fallen und lächelte breit. Ich lächelte zurück.
»Brauchst du ’nen Rat? Kommst nicht mit ihr klar?« Er nahm sich einen anderen Ski vor. »Dessima ist wie ’ne schöne Mango. Aber das weißt du wahrscheinlich inzwischen, Gigolo. Nur leider, wenn man reinbeißt, ist sie voller Würmer.«
»Das hast du nicht gewusst, bevor du sie geheiratet hast?«
»Einen Fehler dürfen wir alle machen. Trotzdem gehört sie nicht dir. Wird sie nie. Würde sich nicht mal von mir scheiden lassen, wenn ich sie darum anflehen würde.«
»Glaubt ihr immer noch, ihr könnt Menschen besitzen? Die Zeiten sind vorbei, Luther. Endgültig.«
»Ich sag dir, was dir fehlt.« Er zeigte auf seine Schläfe. »Das da!«
»Ein großer roter Negerkopf wie deiner?«
»Hirn«, blaffte er. Jetzt hatte ich ihn geärgert. »Detective, dass ich nicht lache!«
Er ließ den Ski in seiner Hand fallen. »Ich hab gehört, sie hat dich Raymond Manille vorgestellt? Wette, er konnte dich nicht ausstehen. Ich geb dir ’nen kostenlosen Tipp: Raymond beschützt nicht Dessima, er bewacht ihre Eierstöcke. Er weiß, wenn ’n Straßenköter ’nen Dobermann begattet, macht das weder den Straßenköter oder den Nachwuchs zu ’nem Rassetier.«
»Noch«, verbesserte ich ihn. »Weder noch, Luther, nicht weder oder. Lern mal Grammatik!«
Mit wutverzerrtem Gesicht richtete er sich gerade auf.
»Vor ein paar Tagen ist ein Typ namens Shadowman nachts aus dem Dunkeln aufgetaucht, hat mein Auto zertrümmert und Miss Stanislaus und mich beinahe umgebracht, bevor ich ihn erschossen hab. Das war ein Fehler, den du da gemacht hast.«
Er zuckte die Achseln. »Berufsrisiko, schätze ich.«
»Genauso wie Lazar Wilkinson? Die Narben da an deinem Arm, hat er dir die beigebracht? Starker Kerl, Lazar, nichwahr? Der aufgewühlte Boden an dem Strand, wo ihr ihn umgebracht habt, hat mir verraten, dass er euch höllisch zu schaffen gemacht hat! Und wenn deine Venezolanerin – wie heißt sie, Sarona? Sandra Fernandez? –, wenn die nicht dafür gesorgt hätte, dass er euch gegenüber im Nachteil war, hätt er euch den Arsch aufgerissen. Er wollte keine Abfindung, er wollte einen Anteil am Geschäft, sonst würde er euch an die Polizei liefern. Und Lazar meinte es ernst, nichwahr? Also hast du ihm eine Falle gestellt und ihn umgebracht. Du konntest dich nicht darauf verlassen, dass Shadowman es so macht, wie du es wolltest, also hast du’s selbst in die Hand genommen. Sag, wie ist es, einen Mann zu erwürgen und ihm nach Art kolumbianischer Gangster die Kehle durchzuschneiden? Als hättest du vergessen, dass wir hier nicht in den verdammten USA sind oder im Ghetto von Kingston! Das hier ist Camaho, und auf Camaho gibt’s so blöde Leute wie mich und Miss Kathleen Stanislaus.«
»Du halluzinierst doch.«
»Ich habe Hautfetzen unter Lazar Wilkinsons Fingernägeln gefunden. Die Proben liegen in meinem Kühlschrank. Ich hab ein Reagenzglas im Auto, komm mit und spuck da rein, damit ich einen Test machen und dich ausschließen kann. Oder wenn das zu unfein für dich ist, dann spuck auf mich, bitte sehr!«
Dessie hatte mir mal beschrieben, wie Luthers Zorn in ihm hochkochte, bis er schäumte. Wie er knallrot wurde und schließlich explodierte. Ich beobachtete die Verwandlung und sein Ringen darum, sich zu beherrschen.
»Und was ist mit Jonathon Rayburn? Denkst du, ich lass dir das durchgehen?«
»Ich hatte nichts mit all dem zu tun, wovon du redest. Ich weiß nicht mal, wovon du redest.«
»Du hattest auch nichts mit Juba Hurst zu tun?«
»Wer ist Juba Hurst?« Er warf den Kopf zurück und zeigte mir seine Zähne. »Soll das ein Versuch sein, mich zu überrumpeln? Ich kenne niemanden, der so heißt.«
»Wenn du meinst, Bossmann.«
Ich wog den dicken A4-Umschlag in meiner Hand und warf ihn ihm vor die Füße.
»Lies das, sobald du kannst, Luther. Das sind die Aufzeichnungen über all deine Kontobewegungen der letzten vierzehn Monate. Und ich meine alle: Überweisungen von Konten in Kolumbien, Bermuda und Venezuela. Überweisung auf Dora Wilkinsons Konto, um sie zum Schweigen zu bringen, nachdem du ihren Sohn ermordet hattest. Dann die letzten beiden Zahlungen direkt von einem Konto in Venezuela im Auftrag einer Sandra Fernandez alias Sarona.«
Das Nächste, was ich sagte, war gelogen. »Und ehe du in die Luft gehst, ich hab das nicht von Dessie, sondern von der US-Drogenüberwachung, dem Büro für internationale Betäubungsmittel- und Strafverfolgungsangelegenheiten in Florida. Die sind hinter dir her. Sie wollen dich hinter Gitter bringen.«
Er rührte den Umschlag nicht an. Doch er war recht wortkarg geworden, hatte vergessen, welchen Ski er gerade bearbeitete, nahm mal den einen, dann den anderen.
»Apropos Straßenköter, Luther, weißt du, was ein Atavismus ist? Das hast du mit Juba Hurst gemeinsam. Hast du dich mal gefragt, woher seine Riesenhaftigkeit kam?«
Ich lächelte ihn an. »Vor zweihundert Jahren hat man Kerle wie ihn gezüchtet, wegen ihrer Muskeln und Körpergröße. Wie Maultiere, um schwere Lasten zu schleppen. Wie ich höre, gibt’s in Kuba immer noch ein paar davon.«
Ich tippte mir an den Kopf. »Ach nee, dumm von mir! Du stammst ja von den Züchtern ab, schätze ich. Ich weiß, was du früher mit Dessie gemacht hast. Du hast die Grausamkeit deiner Vorfahren geerbt.«
Damit ließ ich ihn stehen und spazierte zum westlichen Ende des Strands. Im Schatten eines Meertraubenbaums hielt ich an. Luther Caine griff hastig nach dem Umschlag, riss ihn auf und wurde zu einem Abbild der Panik.
Lauf, Luther. Ich will, dass du wegläufst.
Ich hatte meine Gründe dafür, das Boot nicht zu erwähnen.
Straßenköter! Wen zum Deubel meinte der damit? Hm!
Ich wartete eine halbe Stunde, dann rief ich Dessie an. »Luther Caine hat sich bei dir gemeldet, nichwahr?«
»Und so früh! Ich ignorier ihn. Aber er gibt nicht auf!«
»Halt dich von ihm fern. Zumindest heute den ganzen Tag.«
»Was ist passiert?«
»Er hat schon früher versucht, dich umzubringen. Jetzt will er’s erst recht, da bin ich sicher.«
»Warum, Digger? Ich versteh gar nichts mehr.«
»Dessie, schwörst du, dass du nicht genau weißt, wann dieses Boot losfährt?«
»Ich weiß es nicht! Warum sagst du, dass Luther mich umbringen will?«
»Halt dich einfach von ihm fern. Unter welcher Nummer kann ich deinen Vater erreichen?«
»Wieso willst du das wissen?«
»Ich werd nicht in der Nähe sein, um dich zu beschützen. Jemand muss deinem Vater Bescheid sagen.«
»Nein!« Sie legte auf.
Eilig fuhr ich zurück zum Büro. Um 9.30 Uhr rief ich bei Manilles Haushaltswaren an und hinterließ eine Nachricht bei Raymond Manilles persönlicher Assistentin. Innerhalb weniger Minuten rief er zurück. Ich nahm den Anruf nicht an. Offensichtlich war er besorgt.
Die nächste halbe Stunde brachte ich damit zu, das Foto, das ich von Luther Caine gemacht hatte, zusammen mit einem Foto meines Ausweises an zwölf E-Mail-Adressen zu verschicken.
Dann rief ich Spiderface an. Weil er Sarona in letzter Zeit ständig herumfuhr, hatte er vielleicht eine Ahnung, wo sie sein könnte. »Ist Malans Freundin bei dir?«
»Naah, Missa Digger. Die Prinzessin is shoppen. Ich hab sie an der Carenage abgesetzt. Später soll ich sie wieder abholen.«
»Wann ist später?«
»Gegen eins, Missa Digger.« Er klang verlegen. »Ich, äh, kann ich Missa Malan sagen, dass Sie nach ihr gefragt ham?«
»’s ist nich, was du denkst, Spider. Hab nur ein paar Fragen an sie. Aber ich halt dich nicht davon ab, es Malan zu sagen.«
Ich drehte zu Fuß eine Runde durch die Stadt. Eine halbe Stunde später erspähte ich Sarona auf dem Markt. Sie beugte sich gerade über einen Berg von Zimtäpfeln, eine beige Stofftasche um die Schulter gehängt. Breitkrempiger Strohhut, ein weites, cremefarbenes Hemd, grüner Faltenrock, der ihr bis auf die Sandalen fiel.
»Hallo, Digger«, sagte sie, ohne den Kopf zu heben.
Sie ließ ein paar Münzen in die Hand der Verkäuferin fallen, richtete sich auf und lächelte – freimütig, unangestrengt, überzeugend. Dieses Lächeln hatte ich sie schon öfter an- und abschalten sehen, als würde sie einen Lichtschalter betätigen.
Dog Island fiel mir wieder ein, als Malan diesen Ziegenbock erschossen hatte. Noch Tage danach hatte ich Saronas Gesichtsausdruck vor mir gesehen, wie sie mich fixierte, neugierig darauf, schien es, welche Reaktion der Anblick eines ermordeten Tieres bei mir auslösen würde. Dessie hatte den Blick ebenfalls bemerkt und Saronas geweitete Pupillen, ihre geblähten Nasenflügel und den halb geöffneten Mund falsch ausgelegt. Es war keine Anziehung gewesen, sondern Erregung. Und ich machte mir nichts vor – dieser Blick hatte nichts mit mir als Person zu tun gehabt.
»Was hast du auf dem Herzen?«, schnurrte sie. »Denkst du dasselbe, was ich gerade denke?«
»Was denkst du denn, was ich denke?«, fragte ich zurück.
»Dass ich dich zuerst hätte kennenlernen sollen?«
»Ich bin schon vergeben. Ich war’s, als wir uns zum ersten Mal gesehen haben, und bin es immer noch.«
»Du weißt, dass das nicht stimmt«, sagte sie leise lachend.
Die Augen der Marktverkäuferin schnellten zwischen uns hin und her, sie wirkte gebannt. Dabei war ich sicher, dass sie uns nicht verstehen konnte.
»Malan ist es ernst mit dir, und bei Malan ist ernst gleich gefährlich«, sagte ich.
»Und dir wär’s nicht ernst mit mir gewesen?«
»Wann gehst du weg von hier?«
»Von hier?« Sie deutete auf den Marktplatz, ihre Mundwinkel jetzt leicht verkniffen. Steter, steter Blick.
»Verarsch mich nicht«, sagte ich. »Ich bin nicht Malan. Hast du ihm gesagt, dass du in Wirklichkeit Sandra Fernandez heißt? Dass du Geschäft und Bett mit Luther Caine teilst? Weiß er, dass Luther dich bei der Kriminalpolizei von Camaho eingeschmuggelt hat, um zu überwachen, was dort vor sich geht? Hast du ihn vorgewarnt, dass du ihn bald sitzen lässt und mit diesem Drogenboot abhaust, das ihr versteckt habt? Meinst du, die Leute hier auf der Insel sind blöd? Du hältst uns für Comicfiguren, nichwahr?«
Sie senkte den Blick auf ihre Tasche, sah dann stirnrunzelnd wieder auf. »So viele Fragen, und trotzdem sagen wir nicht viel.«
»Was ich zu sagen habe, wird einen Krieg zwischen Malan Greaves und mir auslösen. Er sieht dich mit andern Augen als ich.« Ein Lachen entfuhr ihr, sie hob ruckartig den Kopf. »Wollen wir uns irgendwo hinsetzen und reden?«
»Nein.«
Etwas an ihrer Haltung veränderte sich. Ich drehte mich um, und da stand Malan, den Mund zu einem hasserfüllten Grinsen verzogen. »Was hast du für ein Problem, Digger? Meinst du, du kannst mich über meine Freundin kleinkriegen? Scheiße, kannst du nich!«
»Es ist nicht, was du denkst, Malan, aber du kannst es nicht anders sehen. Frauen sind in deiner Vorstellung nur für eins da, du kennst nix anderes.«
»Wenn du sie nicht in Ruhe lässt …« Er griff nach hinten an seinen Gürtel. Saronas Ausdruck wurde interessiert und wachsam, genauso wie damals auf Dog Island.
»Vergiss es«, sagte ich, auf seine Schusshand zeigend. »Wenn du mit der Waffe auf mich zielst, gebrauchst du sie besser auch. So oder so bist du tot, bevor es Abend wird, das garantier ich dir.« Ich sah ihm in die Augen. »Nur damit du’s weißt, wir haben nach der falschen Frau gesucht.« Mit dem Kopf deutete ich auf Sarona. »Tamara hat nichts mit dem Fall zu tun.«
»Digger, verpiss dich.«
»Nicht, weil du es sagst, Malan, sondern weil ich ein Boot einzufangen hab. Mein Rat – behalt deine Freundin im Auge.«
Ich ließ die beiden stehen und ging zurück ins Büro.
Sarona sagte etwas zu Malan, dann hörte ich ihr samtiges Lachen.
Verdammte La Diablesse, murmelte ich. Wart’s nur ab!