Kapitel 8

D er goldene Boden in der Lobby blendete fast, weil die Sonne durch die Glaskuppel schien.

Das Innere des Gebäudes war sogar noch spektakulärer als das Äußere, was schon viel aussagte. Die Prismen, die durch das Sonnenlicht entstanden, das durch das Glas schien, ließen überall Regenbögen entstehen. Sophia war einen Moment lang ehrfürchtig, als sie sich umsah und den großen Raum überblickte.

»Willkommen bei Amazon«, grüßte eine Roboterstimme und erregte ihre Aufmerksamkeit.

Sophia hatte nicht gehört, dass sich das Ding näherte und war vorübergehend sprachlos, als sie den Roboter betrachtete. Er war nicht wie die Cyborgs, die noch aus Haut, Knochen und anderen Dingen bestanden, die sie teilweise menschlich machten. Die Gestalt vor ihr war ein Roboter mit einer ganz aus Metall bestehenden Gestalt und blau leuchtenden Augen. Es war offensichtlich, dass der Roboter unglaublich fortschrittlich war, wenn man sein aufpoliertes Äußeres und seine sehr menschenähnlichen Züge betrachtete. Sophia vermutete, dass bei seiner Erschaffung Magitech eingesetzt wurde.

»Hi«, quietschte Sophia.

»Wie kann ich helfen?«, fragte der Roboter.

Sophia räusperte sich. »Ich gehöre zur Drachenelite und würde gerne den CEO von Amazon sprechen.«

Ohne zu fragen, drehte sich der Roboter um und marschierte in die entgegengesetzte Richtung. »Folge mir, Drachenreiterin.«

Obwohl Sophia wusste, dass der Name Drachenelite ihr eine hochrangige Zugangsberechtigung verschaffte, war sie dennoch überrascht, dass sie so einfach eine Berechtigung zum Besuch des CEO dieses großen Unternehmens erhielt. Sie folgte dem Roboter durch die Lobby.

Der Raum wirkte leer, es gab weder einen Empfangsbereich noch Türen zu Büros. Sie hatte keine Ahnung, wohin er sie führen würde. Die beiden anderen Gebäude waren mit diesem verbunden und wirkten ebenso leer.

Sophia war überrascht, als der Roboter plötzlich anhielt und seine Hand hob, die plötzlich hell aufleuchtete. Wie aus dem Nichts erschien eine Wand, an der blaue Lichter aufblitzten, als sie sich materialisierte. Der Roboter berührte die Wand und bewies damit, dass sie real war. Eine Naht zu einer Tür erschien, bevor sie in Vertiefungen glitt und einen Raum auf der anderen Seite offenbarte.

Im Gegensatz zu dem offenen Atrium in Sophias Rücken sah der Raum vor ihr wie ein normales Büro aus. Nun, bis zu einem gewissen Grad normal. Jedes Detail war sowohl technisch als auch künstlerisch gestaltet, mit digitalen Gemälden an den Wänden und einem Boden aus rostfreiem Stahl.

Es gab nur einen einzigen Schreibtisch in der Mitte des überdimensionalen Büros. Zu Sophias Überraschung befand sich nichts auf dem Schreibtisch. Ähnlich wie ein Roboter saß eine Frau in einem schicken Anzug hinter dem Schreibtisch, die Hände lässig im Schoß abgelegt. Sie starrte geradeaus, als wäre sie in Gedanken versunken.

»Miss Jen Hendricks, Sie haben Besuch«, erklärte der Roboter förmlich. »Eine Reiterin der Drachenelite bittet um eine Audienz bei Ihnen.«

Die Frau hob ihre Hand zu ihrem Gesicht und zog etwas herunter. Erst als es aus ihrem Gesicht verschwunden war, erkannte Sophia, dass es eine Virtual-Reality-Brille war. Vorher war sie unsichtbar gewesen, so wie das Büro, in dem sie standen.

»Nun, hallo«, grüßte Jen und lächelte höflich, als sie vom Schreibtisch aufstand und Sophia die Hand reichte.

»Hi. Danke, dass Sie mich so kurzfristig empfangen. Ich bin Sophia Beaufont.«

Jen nickte. »Ich bin mit der Drachenelite und ihrer Aufgabe als Judikatoren gut vertraut. Ich wäre schlecht beraten, dir keine Audienz zu gewähren.«

Sophia sah sich um und fragte sich, was an dem Büro so seltsam war, abgesehen von der Tatsache, dass die Wände unsichtbar waren. »Ich weiß es zu schätzen.«

»Du fragst dich, wo die anderen sind, nicht wahr?«, fragte Jen.

Das war es, stellte Sophia alarmiert fest. Es gab keine Rezeptionisten oder Angestellten, was für ein Unternehmen dieser Größenordnung überraschend war. Sie hatte erwartet, Kollegen zu sehen, die vorne Kaffee tranken oder über Rechnungen oder Produkte plauderten. Der Ort war wie eine Geisterstadt. Natürlich , überlegte Sophia, könnten sie sich hinter unsichtbaren Mauern verstecken .

»Ja, genau das frage ich mich«, stimmte Sophia zu. »Sind sie in unsichtbaren Büros?«

Jen lächelte. Sie hatte lockiges, braunes Haar und eine Aufrichtigkeit an sich, die in ihren braunen Augen strahlte. »Das waren sie mal, aber ich bin sie losgeworden.«

Sophia blieb der Mund offen stehen. »Du hast alle deine Angestellten entlassen? Wie schaffst du das?«

Jen nickte. »Ja, seit diesem Jahr bin ich die einzige Angestellte von Amazon. Ich habe eine halbe Million Angestellte entlassen.«

Das war für Sophia verblüffend. Wenn es keine Angestellten gab, konnte sie sich nicht vorstellen, wer die Tardis und die Nachricht geschickt hatte. Sie hatte angenommen, dass es sich um einen Angestellten handelte, der sie auf ein mögliches Problem in der Firma oder einen Streitfall aufmerksam machen wollte, der gelöst werden musste. Aber wenn es keine Angestellten gab, wusste Sophia nicht, wo sie anfangen sollte.

»Wer leitet alles?«, fragte Sophia. »Wer führt die Bestellungen aus, liefert sie und kümmert sich, ich weiß nicht, um das Geschäft?«

Jen hob eine Hand, um Sophias Aufmerksamkeit auf den Roboter zu lenken. »Meine Bots natürlich.«

Die Überraschung musste auf ihrem Gesicht zu sehen gewesen sein. Jen lachte.

»Ich weiß«, lächelte sie verständnisvoll. »Es ist erstaunlich, wenn die Leute herausfinden, dass die gesamte Belegschaft durch Roboter ersetzt wurde. Man muss es mit eigenen Augen sehen, um zu erkennen, wie gut es funktioniert.«

»Das tue ich.« Sophia nickte eifrig.

»Hier entlang«, lud Jen ein und schritt zu einer scheinbar festen Wand hinüber. Sie legte ihre Hand darauf und wie zuvor erschien eine rechteckige Naht, bevor die Tür zurückgeschoben wurde.

Sophia erwartete, dass sie einen Durchgang betreten würden, der zu dem Lagerhaus hinter den Glaskugeln führte. Doch die Tür führte sie direkt in das riesige Lagerhaus. Sie befanden sich auf einem erhöhten Balkon und blickten auf den riesigen, offenen Raum vor ihnen, der sich wie ein Ozean in die Länge zog.

Es gab eine Reihe hoch aufragender Regalsysteme, die mit Produkten und Kartons gefüllt waren. Alles war in tadelloser Ordnung. Zwischen den Regalen oder an den Fließbändern arbeiteten Roboter wie der, der Sophia in der Lobby begrüßt hatte. Eine ganze Minute lang beobachtete sie, wie die Roboter nahtlos und geräuschlos arbeiteten, während sie Produkte griffen, verpackten und die Kartons versiegelten, bevor sie sie auf die Förderbänder legten, die sich über die gesamte Länge des Lagers erstreckten.

Als Sophia Jens Büro erstmals betrat, hatte sie den Eindruck, dass ihr etwas fehlte. Sie kratzte sich am Kopf und zog die Stirn in Falten.

»Ich verstehe das nicht«, murmelte sie schließlich. »Die machen hier die ganze Arbeit? Wie hast du eine solche Programmierleistung vollbracht?«

Jen grinste stolz. »Das war schon seit geraumer Zeit in Arbeit. Ich habe sie von den Mitarbeitern, die früher hier gearbeitet haben, programmieren lassen. Wir haben ein dreistufiges Programm durchlaufen, bei dem ich nach und nach die Mitarbeiter entlassen habe, bis keine mehr übrig waren.«

»Das ist unglaublich«, meinte Sophia ehrfürchtig. »Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Amazon sehr effizient bei der Erfüllung von Aufträgen ist, also leisten sie offensichtlich großartige Arbeit.«

Es war eigenartig, den Metallrobotern auf dem Boden unter ihr zuzusehen, die sich so sehr von den Cyborgs unterschieden, die sie kennengelernt hatte. Sie hatten Persönlichkeit und Gefühle, obwohl sie zum Teil Maschinen waren. Diese Roboter waren leere Hüllen, die eine Aufgabe zu erfüllen hatten.

»Sie sind also Magitech?«, fragte Sophia.

Jen nickte. »Warum? Ja. Du wirkst überrascht.«

»Es ist nur so, dass ich mich immer besser mit Magitech auskenne und gelernt habe, dass es eine viel organischere Form der Technologie ist«, erklärte Sophia.

»Du meinst, sie ist intuitiv«, bot Jen an.

»Das ist genau das, was ich meine«, stimmte Sophia zu und dachte über einige Ideen im Zusammenhang mit der Nachricht nach, die sie erhalten hatte und in der sie um Hilfe gebeten wurde.

»Ja, ein normaler Toaster muss manuell eingeschaltet werden und dann macht er seine Arbeit«, erklärte Jen. »Ein Magitech-Toaster hingegen kann die Bedürfnisse seines Benutzers vorhersehen, selbstständig arbeiten und braucht in manchen Fällen nicht einmal Brot, um perfekt knusprigen Toast zu machen.«

»Gut gesagt.« Sophia war immer noch verwirrt von dieser Situation. Irgendetwas stimmte hier nicht, aber sie konnte nicht genau sagen, was.

»Also, was führt dich hierher, Drachenreiterin? Ich weiß, dass du sehr beschäftigt und sehr gefragt sein musst.«

Sophia holte den Zettel hervor, den sie in der Miniatur-Tardis erhalten hatte. »Hast du irgendeinen Grund zu der Annahme, dass einer der Roboter … wie soll ich sagen … unglücklich ist?«

Jen runzelte die Stirn. »Bei allem Respekt, sie mögen Magitech sein, aber sie sind immer noch Roboter. Sie haben keine Gefühle, nur Intuition.«

Jetzt war Sophia an der Reihe, die Stirn zu runzeln. »Bei allem Respekt, aber ich glaube, Intuition ist ein Produkt von Gefühlen und der Verbindung zu den Dingen um uns herum. Magie ist in vielerlei Hinsicht eine lebende und atmende Sache. Sie ist kein greifbares Objekt. Sie ist selbst ein Gefühl. Sie ist so undurchdringlich wie eine Idee oder ein Gedanke. Mächtig, aber nicht greifbar.«

Der unzufriedene Gesichtsausdruck von Jen verriet ihren plötzlichen Stimmungsumschwung. »Ich muss wirklich einfordern, dass du mir den Grund für diesen Besuch nennst.«

Sophia entfaltete den Zettel und reichte ihn an die CEO weiter. »Ich habe diesen Zettel in einer Miniatur-Tardis erhalten, die aus diesem Lager stammt. Weißt du etwas darüber?«

Jen murmelte die getippten Worte auf dem Blatt Papier vor sich hin, Verwirrung stand auf ihrem Gesicht. Sie drehte es um, als ob sie erwartete, dass auf der anderen Seite etwas stehen würde. Sie war leer.

»Bist du sicher, dass das von hier stammt?«, fragte sie.

Sophia nickte. »Ich meine, ich hatte gehofft, du könntest mir das sagen. Vielleicht wurde die Bestellung ja von einem anderen Zentrum oder einem unabhängigen Anbieter ausgeführt.«

Jen schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe alle Verträge mit externen Anbietern gekündigt. Alles wird jetzt intern erledigt.«

»Alles wird von den Robotern verpackt«, vermutete Sophia.

»Auf jeden Fall«, bestätigte Jen. »Das muss ein Irrtum sein. Bist du sicher, dass das von Amazon stammt?«

»Ja und noch seltsamer war, dass es mir in eine Straße in West Hollywood geliefert wurde.«

Jen dachte einen Moment lang darüber nach. »Nun, ich denke, das ist nicht allzu seltsam. Wenn du dein Handy bei dir hast, könnte ein Bot dich ausfindig machen und das Paket liefern, aber ich bezweifle, dass sie das getan haben.«

»Warum?«, fragte Sophia.

»Nun, meine Roboter brauchen keine Hilfe«, erklärte Jen. »Ich meine, sie sind ja schließlich Roboter. Sie machen ihre Arbeit rund um die Uhr, ohne Fehler. Es gibt kein Drama, wie wenn ich menschliche Angestellte hätte.« Sie lachte. »Ich muss nicht einmal mehr eine Personalabteilung beschäftigen. Es ist herrlich.«

Sophia kniff spekulativ die Augen zusammen. Irgendetwas fehlte hier. So reibungslos konnte es nicht laufen. Technologie hatte ihre Macken. Magitech hatte Auswirkungen. Das war das Unvermeidliche bei beiden. Diese Roboter arbeiteten effizient, was sie vermuten ließ, dass etwas ganz und gar nicht stimmte.