I ch werde niemals loslassen , dachte Sophia, als sie sich an die Bohnenranke klammerte und die bösen Winde versuchten, sie herunterzuziehen.
Gerade als sie sich entschloss, die Bohnenranke, an die sie sich zum Trost geklammert hatte, nicht loszulassen, fehlte der nächste Halt. Sophia griff nach oben und suchte in der feuchten Luft nach etwas, an das sie sich klammern konnte, aber da waren keine Äste oder Ranken oder sonst etwas.
Seit ihrem Beinahe-Sturz hatte sie sich nicht mehr getraut, nach oben oder unten zu schauen. Jetzt wagte sie es, das Kinn zu heben und entdeckte einen dichten Wolkenring, der direkt über ihr schwebte. Sie waren so dicht, dass sie nicht sehen konnte, wie ihre Hand auf der anderen Seite hindurchreichte.
»Was ist denn?«, rief Hiker ihr zu, das erste, was einer von ihnen seit Beginn des Aufstiegs sagte.
»Ich glaube, wir sind oben«, bemerkte Sophia und musste schreien, um bei dem brausenden Wind und Regen gehört zu werden.
In der Ferne zuckten Blitze, die ein gleißendes Licht über die Stadt sandten und zeigten, wo sie waren. Die beiden Drachenreiter waren so weit oben wie viele Wolkenkratzer.
»Festhalten!«, befahl Hiker und eine Sekunde später erschütterte der Donner, der dem Blitz folgte, die Bohnenranke so heftig, dass sogar Sophias Zähne klapperten.
Zum Glück dauerte der Donner nicht lange, aber er erinnerte Sophia daran, dass sie sich an einem gefährlichen Ort befanden und an einer nassen Bohnenranke hingen, die so hoch war, wie jedes der Gebäude daneben.
Sie wagte es, ihre Hand wieder von der Bohnenranke zu nehmen, diesmal, um nach einer Kante zu tasten. Zuerst fand sie nichts, was verwirrend war. Die Bohnenranke musste doch ein ›Oben‹ haben. Als sie eine andere Richtung ausprobierte, stieß sie mit der Hand gegen etwas. Anstatt sofort zuzugreifen, tastete sie weiter und versuchte, die Form zu erkennen.
Es fühlte sich an wie ein großes Loch. Vielleicht ist das die Öffnung nach oben , dachte sie aufgeregt. Sie zügelte ihre Hoffnung. Sie durfte sich nicht der Illusion hingeben, dass die Gefahr vorüber war, nur weil sie es bis nach oben geschafft hatten. Wahrscheinlicher war, dass sie erst am Anfang standen.
Sophia hielt sich an der Kante fest, schaffte es, ihre andere Hand zu platzieren und zog ihre Beine hoch. Sie hatte recht, eine dünne Wolkendecke durchnässte sie, als sie sich durch die Öffnung zwängte. Sie war groß genug für sie, aber Hiker musste sich schon sehr anstrengen, um es zu schaffen.
Sophia war zum ersten Mal – gefühlt seit Stunden – erleichtert, als sie auf die andere Seite kletterte und einen weichen Fleck nasser Erde fand. Sie drehte sich um und sah, dass er sich über eine große Entfernung in beide Richtungen erstreckte. In der Ferne waren Strukturen zu erkennen, die sie nicht genau einschätzen konnte.
Als sie endlich in Sicherheit war, gönnte sie sich eine Pause. Ihre Arme schmerzten vom Klettern und ihre Haut brannte von den Schnitten. Ihre Beine zitterten vor Müdigkeit. Auf dem Rücken liegend, atmete Sophia mehrfach tief ein und wieder aus. Es regnete nicht mehr.
Als sich ihre Augen daran gewöhnt hatten, stellte sie fest, dass es um sie herum dunkel blieb, aber es gab Anzeichen von Sonnenlicht, das hinter einem der Gebäude in der Ferne eindrang. Sie hatte keine Zeit, dem nachzugehen, denn ein Grunzen raubte ihre Aufmerksamkeit.
Beim Anblick des massigen Wikingers, der versuchte, sich durch die Öffnung zu ziehen, musste Sophia fast lachen. Hiker sah aus wie ein fetter Wurm, der sich aus dem Boden schlängelte, während er versuchte, sich durchzukämpfen.
»Hilf mir!«, befahl er und fuchtelte wie wild mit den Armen herum.
Sophia stemmte sich auf die Beine, der Boden unter ihr war stabil. Ein kurzer Rundblick verriet ihr, dass sich der Boden ausbreitete, bis er auf Felsen und Mauern traf.
In diesem Moment wurde es ihr klar. Sie waren in einer Höhle.