Kapitel 54

U nsere Lebelei ist gerade noch interessanter geworden«, bemerkte Wilder und blickte skeptisch auf den goldenen Steinweg, der sie von Zac Efron trennte.

»Das ist kein richtiges Wort«, scherzte Sophia.

»Sicher ist es das«, entgegnete er, streckte seine Hand aus und dirigierte sie nach hinten. »Ich werde jetzt einen Schritt nach drüben machen. Du bleibst hier.«

»Den Teufel wirst du tun«, lehnte sie ab. »Das ist mein Auftrag. Wenn jemand testen wird, ob das eine Falle ist, dann bin ich das.«

Er warf ihr einen verärgerten Blick zu. »Willst du immer so eine Nervensäge sein und bei allem gegen mich antreten, nur um zu beweisen, dass du genauso mutig bist?«

Sophia warf ihm einen ungläubigen Blick zu. »Warum solltest du jemals etwas anderes von mir erwarten?«

Seine Grübchen kamen zum Vorschein, als er lächelte. »Ich hatte gehofft, dass du das sagen würdest. Sonst wäre die ganze Sache vom Tisch. Ich kann keine Freundin brauchen, die meine Geduld nicht auf die Probe stellt und mir unter die Haut geht …«

»Okay, ich habe verstanden«, lachte Sophia.

»Hey, Leute«, rief Zac, der immer noch auf seinem Glückskaugummi kaute. »Wollt ihr mir Gesellschaft leisten?«

Sophia nickte und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den goldenen Boden. »Ja, ich komme!«

»Wir tun das gemeinsam«, korrigierte Wilder und reichte ihr die Hand.

Sie tat so, als wäre sie beleidigt. »Im Ernst, jetzt kannst du nicht einmal rübergehen, ohne meine Hand zu halten? Wirst du das in Zukunft immer brauchen?«

Ohne mit der Wimper zu zucken, nickte er. »Ja, ohne Zweifel. Ich werde deine ständigen Bestätigungen und viel Händchenhalten brauchen. Ist das ein Problem?«

Sophia legte ihre Hand in seine und drückte sie. »Ganz und gar nicht. Ich denke, in der besten Beziehung dürfen wir abwechselnd so bedürftig sein.«

Er drückte seine Finger in ihre, als sie gemeinsam einen Schritt nach drüben machten. Als ihre Stiefel auf den goldenen Stein trafen, hielten die Drachenreiter inne und warteten auf eine Explosion. Weil diese ausblieb, atmete Sophia auf und machte neben Wilder einen weiteren Schritt und noch einen, bis sie ganz auf der anderen Seite angekommen waren bei Zac, der erleichtert aussah, dass sie sich ihm anschlossen.

Er holte den Kaugummi mit einer Grimasse aus dem Mund. »Muss ich den weiter kauen? Der Geschmack ist weg.«

Sophia schüttelte den Kopf. »Nein, aber nicht wegwerfen! Ich bin mir sicher, dass es eine Feuerwand gibt, wenn wir in einem alten, japanischen Tempel Müll hinterlassen.«

Er wickelte ihn in ein Stück Papier aus seiner Tasche, während Sophia ihre Aufmerksamkeit auf den Altar an der Wand richtete. Jetzt, wo sie direkt daneben standen, konnte sie sehen, dass in die Wand drei Nischen eingelassen waren, die von durchsichtigem Stoff bedeckt waren. Der Stoff versperrte die Sicht auf den Inhalt.

Sie trat näher heran, aber vorsichtig, um nichts zu berühren und erspähte, was sich in den Nischen befand. Alle drei waren gleich ausgestattet. Auf einem Ständer hinter dem Stoff lagen lange, glänzend gearbeitete Katanas. Sie waren bis ins Detail identisch, mit langen, rot umwickelten Griffen, einer gebogenen Klinge und einer Scheide auf der Fläche neben dem Ständer.

»Was hältst du davon?«, fragte Sophia Wilder.

Er blitzte sie mit seinem typischen Grinsen an. »Ich glaube, ich weiß, warum du für diese Mission einen Waffenexperten dabeihaben musstest.«

»Weil er der Einzige ist, der über meine Witze lacht?«, stichelte sie.

Er nickte. »Genau deswegen. Außerdem vermute ich, dass zwei dieser Schwerter Fälschungen sind. Nur ein wahrer Waffenexperte, der die Erinnerungen des Schwertes fühlen kann, wird wissen, welches echt ist.«

»Wenn wir das falsche wählen sollten«, begann Sophia langsam und überlegte, »dann könnte wahrscheinlich eine weitere Feuerwand oder etwas anderes Tödliches entstehen.«

»Das denke ich auch«, meinte Wilder plötzlich ernst.

»Kannst du herausfinden, welche das echte ist?« Sophia spürte, wie sich die Sorge in ihrer Brust zu sammeln begann. Sie waren schon so weit gekommen und durften nicht versagen. Noch wichtiger war, dass sie nicht wollte, dass Wilder etwas zustieß. Sie wollte nie, dass ihm etwas zustieß. Er war schnell zu ihrem Lieblingsmenschen geworden und das wollte viel heißen, denn es gab einige Menschen, die um diesen Platz in ihrem Leben konkurrierten.

»Ich kann«, bestätigte er, klang aber nicht sehr zuversichtlich.

»Welches?« Sie fühlte seine Beunruhigung.

»Es ist schwer, den Unterschied zu erkennen, ohne sie anzufassen«, antwortete er.

»Und du darfst es nicht, oder?«

Er schüttelte den Kopf. »Ich bin sicher, dass das einer Entscheidung gleichkommt, also kann ich es nicht anfassen, bevor ich es nicht weiß.«

»Kannst du die Erinnerungen aus der Ferne spüren?«, fragte Sophia.

Er neigte den Kopf hin und her, Unsicherheit in den Augen, während er sich dem nächstgelegenen Schwert widmete. »Das kann ich schon, aber die Energien der drei Schwerter sind durch die Nähe zueinander vermischt. Es ist schwer herauszufinden, welches das Signal des echten Schwertes aussendet.« Er deutete auf eines von ihnen. »Ich glaube nicht, dass es dieses ist, denn es fühlt sich neu an, als wäre es noch nie im Kampf gewesen oder hätte keine Erfahrungen gemacht. Das wäre nicht das richtige Schwert.«

Sophia ging zu dem Schwert in der Mitte und Wilder folgte ihr, bevor er zu der anderen Waffe ging.

»Es ist eines von diesen beiden, aber sie strahlen konkurrierende Energien aus«, erklärte er. »Das in der Mitte fühlt sich wirklich alt und mächtig an. Das auf der rechten Seite hat eine außergewöhnliche Geschichte. Die Frage ist: Welches ist deiner Meinung nach das magische Katana?«

»Nun«, begann Sophia, »das richtige Katana hat offenbar zehn verschiedene magische Eigenschaften und heilt die Person, die es führt.«

»Es ist also mächtig«, schlussfolgerte Wilder, trat nahe an das Schwert in der Mitte heran und griff danach, hielt aber inne.

»Allerdings«, warf Sophia ein, »liegt es nahe, dass das richtige Katana eine außergewöhnliche Geschichte hat. Vielleicht ist es deshalb so magisch geworden.«

Wilder nickte und kaute auf seiner Unterlippe. »Wir müssen eine Entscheidung zwischen Macht und Geschichte treffen. Das in der Mitte war noch nie in einer Schlacht. Das auf der rechten Seite hat über tausend erlebt. Es ist deine Entscheidung, Soph. Es tut mir leid, aber mehr kann ich dir nicht bieten. Was denkst du, welches ist es?«

So weit musste es also kommen , dachte Sophia, während sich in ihrem Kopf vor lauter Entscheidungsmüdigkeit Unruhe breit machte. Wilder hatte recht, ihr das aufzuerlegen. Es war ihr Auftrag und damit ihre Entscheidung. Er hatte ihr gegeben, was sie wissen musste, aber die Entscheidung lag bei ihr.

Sie klopfte ihm auf die Schulter, um ihn zu ermutigen. »Anders als vorher können wir uns nicht an der Hand halten. Ich werde das Schwert nehmen und das Risiko eingehen, das falsche zu wählen. Ich möchte, dass du Zac aus dem Tempel bringst, nur für den Fall, dass ich falsch liege.«

Er öffnete den Mund, um zu protestieren, aber Sophia schüttelte sofort den Kopf – mit einem unnachgiebigen Ausdruck in ihren Augen. »Bitte, Wild. Ich kann nicht garantieren, dass ich die richtige Entscheidung treffe und ich bin mir nicht sicher, welche Folgen das haben wird. Zac sollte nicht durch einen Fehler von mir in Gefahr gebracht werden. Du solltest das auch nicht.« Sie nickte in Richtung Ausgang. »Warte einfach draußen mit Lunis auf mich. Ich komme raus, sobald ich meine Entscheidung getroffen habe.«

»Oder eben nicht«, zischte er, weil ihm diese Entscheidung nicht gefiel. Doch so stur sie beide auch waren, er respektierte ihre Entscheidungen, wenn sie sie traf. Wilder trat zur Seite und winkte Zac. »Beeil dich.«

Sophia nickte. »Das werde ich.«

»Und«, forderte er, als sie den goldenen Pfad wieder überquert hatten, »wähle das richtige Schwert.«