D ie Zeit vergeht nicht langsam, wenn du es willst und wenn du willst, dass sie schneller vergeht, dann kriecht sie vor sich hin , dachte Wilder, als er mit Zac Efron und Lunis vor dem japanischen Tempel stand.
»Du hast sie einfach verlassen.« Lunis schüttelte den Kopf. »Du bist ein toller Freund.«
Wilder senkte das Kinn und wagte es, dem Drachen in die Augen zu starren, was ihm bei Simi niemals gelingen würde. Sie würde ihn abfackeln, aber Lunis mochte das spielerische Verhalten, weil er in der modernen Welt geboren wurde und auch, weil er Sophias Drache war.
»Ich glaube, wir wissen beide, dass man mit ihr nicht diskutieren kann, wenn sie sich entschieden hat«, sagte Wilder.
Lunis brummte. »Ich sehe auf jeden Fall, wer in eurer Beziehung die Hosen anhat.«
»Wir tragen beide Hosen«, scherzte Wilder. »Wir sind Drachenreiter. Kilts wären eine schlechte Wahl.«
Der Drache schloss die Augen und sah zweifellos, was Sophia tat. »Nimm die blaue Pille.«
Es überraschte Wilder immer wieder, dass der blaue Drache auch in den stressigsten und gefährlichsten Zeiten Witze machen konnte. In dieser Hinsicht war er Sophia sehr ähnlich.
»Alle Schwerter sehen identisch aus«, warf Wilder ein.
Lunis öffnete seine Augen und starrte den Drachenreiter an. »Das solltest du sein, da drinnen! Kurz davor, das falsche Schwert zu wählen und in die Luft gejagt zu werden.«
»Sie wird nicht das Falsche wählen«, brummte Wilder beleidigt. »Sophia wird die richtige Entscheidung treffen und selbst wenn sie es nicht tut, können wir nicht sagen, dass der Tod die unausweichliche Folge sein muss.«
»Oh, sicher«, spottete Lunis. »Ich bin sicher, dass die Götter, die diesen alten, japanischen Tempel beschützen, ihr einfach einen Klaps auf die Finger geben werden, wenn sie die letzte Aufgabe nicht besteht. Vielleicht überreichen sie ihr sogar einen Trostpreis wie eine Tasse oder ein T-Shirt.«
Wilder drehte sich zu dem Drachen um und seine Frustration darüber, diese Runde aussitzen zu müssen, wuchs in ihm. »Du musst das nicht so melodramatisch darstellen. Ich wollte sie nicht verlassen.«
»Leute«, meldete sich Zac zu Wort.
»Warte«, meinte Lunis zu dem Schauspieler und konzentrierte sich auf Wilder. »Ich bin nicht melodramatisch. Sophia ist mir wichtig und ich zeige das im Gegensatz zu dir, Mister Hohle Frucht.«
»Ich bin nicht hohl«, entgegnete Wilder. »Ich liebe sie und sie weiß es. Sie ist die wichtigste Person …«
»Leute«, mischte sich Zac erneut mit eindringlichem Tonfall ein.
»Im Ernst, Zac, nicht jetzt«, beschwerte sich Lunis. »Ich werde diesem Weichei erstmal die Ohren langziehen und dann kannst du mir zeigen, wie man steppt.«
Wilder schüttelte den Kopf. »Du würdest mir kein einziges Haar krümmen. Wenn doch, würde Sophia ein Jahrhundert lang nicht mehr mit dir reden.«
Lunis presste seinen Kopf dicht an Wilder und nahm ihm den größten Teil seiner Sicht. »Oder vielleicht würde sie mir danken. Sie hat versucht herauszufinden, wie sie dich loswerden kann, seit du sie einsperrst.«
»Das ist nicht wahr!« Wilder befürchtete sofort, dass der Drache die Wahrheit sagte. Es war noch frisch mit ihm und Sophia. Bei der Drachenelite und Hiker, die ständig anwesend waren, herrschte eine große Unsicherheit. Sie war so jung und unerfahren. Er machte sich oft Gedanken, dass sie es sich anders überlegen könnte, dass sie etwas oder jemanden anderes wollte. Oder vielleicht nur die Chance, ihre Möglichkeiten zu erkunden, bevor sie ›eingesperrt‹ wurde.
»Ähm«, schaltete sich Zac wieder ein, »wenn ihr beide fertig seid …«
»Das ist absolut wahr«, stieß Lunis hervor und ignorierte Zac. »Warum sollte Sophia mit dir zusammen sein wollen, wenn sie jeden auf der Welt haben kann?«
»Weil …«, brummte Wilder, aber ein Grund folgte nicht.
»Sie hat mich und ich bin mehr als genug«, fuhr Lunis fort, wobei Rauch aus seinen Nasenlöchern stieg und Wilder ins Gesicht wehte. Doch er wich nicht zurück. Das war es, was der Drache beabsichtigte.
»Du weißt, dass die Beziehung zwischen einem Drachen und einem Reiter für Magier nie genug ist«, antwortete Wilder, der seine Stimme wiedergefunden hatte, nachdem er das Gefühl verdrängen konnte, einen Schlag in die Kehle bekommen zu haben.
»Vielleicht für dich und Simi«, erwiderte Lunis zuversichtlich. »Es gibt Menschen, die haben erfülltere Beziehungen. Das würdest du nicht verstehen.«
»Leute!«, schrie Zac.
»Was?!«, maulten Wilder und Lunis unisono und drehten sich zu dem Kerl um.
Neben ihm stand Sophia, die ein Katana um ihre Schulter gehängt hatte und amüsiert lächelte.
»Soph!«, rief Lunis und seine Augen leuchteten vor Erleichterung.
Wilder verspürte den Drang, zu ihr zu eilen und sie in die Arme zu schließen. Stattdessen hielt er Abstand und sah sie nur an, um sicherzustellen, dass es ihr gut ging.
»Seid ihr fertig?«, fragte Sophia.
»Er hat damit angefangen.« Lunis nickte in Wilders Richtung.
»Das habe ich nicht«, protestierte Wilder. »Er hat gesagt … Ach, egal.« Wilder wollte nicht über die Dinge nachdenken, die Lunis gesagt hatte. Sie beruhten auf Eifersucht, redete er sich ein, aber das glaubte er nicht ganz. Er schüttelte die Sorge ab und lächelte sie an. »Du hast also das richtige Schwert gewählt. Welches war es, das mit der Macht oder das mit der Erfahrung?«
Sie schüttelte den Kopf, mit einem stolzen Ausdruck auf dem Gesicht. »Weder noch.«
»Was?«, fragte er sofort, da er diese Antwort nicht erwartet hatte.
»Ich habe mir überlegt, dass es keinen Sinn ergibt, dass das erste Schwert brandneu ist«, erklärte Sophia. »Ich meine, dieser Tempel ist uralt und wer weiß, wie lange die Schwerter schon dort sind? Es war logisch, dass das magische Katana alt und mächtig war. Es wäre unsinnig, dass daneben ein nagelneues Schwert lag, wie eines, das man im Supermarkt findet.«
»Man kann ein Katana im Walmart kaufen?«, erkundigte sich Zac.
Sophia nickte. »Dann habe ich mich gefragt, ob das erste Schwert verschleiert war und so seine Energie vor dir verborgen hat, Wild.«
Er lächelte sie an, unglaublich beeindruckt. »Du bist also das Risiko eingegangen und hast das erste Schwert genommen, obwohl ich dir gesagt habe, dass es nicht das Richtige ist.«
Sie hielt ihm das Schwert hin. »Ich habe den Schleier entfernt. Jetzt sagst du mir, ob es das richtige ist.«
Wilder nahm das Katana in die Hand und spürte das Gewicht seiner Macht, seiner Erfahrungen und seiner Magie, zusammen mit seinem tatsächlichen Gewicht. Das Schwert hatte etwas Einzigartiges an sich. Anders als er zuvor gedacht hatte, war es nicht brandneu. Es war uralt – älter als die anderen beiden im Tempel. In der Klinge befanden sich verschiedene magische Elementarkräfte. In den falschen Händen war dieses Schwert sehr gefährlich. Diese Person wäre nahezu unaufhaltsam.
Wilder öffnete die Augen und schüttelte den Kopf, überwältigt von dem, was er in der Waffe spürte.
»Das ist zweifellos das richtige Schwert«, bestätigte er ihr.
Sie lächelte ihn einfach nur voller Erleichterung an.
Das Schwert war anders als alles, was er bisher mit einer Waffe erlebt hatte und das hieß eine Menge. Noch beeindruckender als das Katana war die Frau vor ihm. Die meisten hätten sich zwischen den beiden anderen Schwertern entschieden, aber nicht Sophia Beaufont. Strategie stand bei ihr immer an erster Stelle. Sie wog ihre Optionen sorgfältig ab. Er hatte mehr Vertrauen in sie als Paar als noch kurz zuvor.
Sophia hatte ihre Möglichkeiten geprüft und sich für Wilder entschieden. Er respektierte ihre Entscheidung und war dankbar, dass sie auf ihn gefallen war.