E s ist alles ruhig«, flüsterte Wilder Sophia vor Hikers Büro zu. Er hatte sich bereit erklärt, Zac nach der Mission nach Hause zu bringen, während Sophia das Deko-Katana in der Bäckerei ablieferte. »Eine Zeit lang hat Hiker mit Sachen um sich geworfen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er alles demoliert hat, aber in den letzten zehn Minuten war es ruhig.«
Sophia nickte und fragte sich, ob dies darauf zurückzuführen war, dass Hiker den Token benutzt hatte. »Ich gehe rein und sehe nach ihm.«
Wilder warf ihr einen vorsichtigen Blick zu. »Scheinbar funktioniert die Harfe nicht. Vielleicht solltest du besser Mama Jamba da reinschicken.«
Sie dachte darüber nach, schüttelte aber den Kopf. »Nein. Ich komme schon klar. Ich muss wissen, ob er bei der Saverus-Mission dabei ist.«
Trin Currante hatte Sophia nach ihrer Rückkehr nach Gullington mitgeteilt, dass sie kurz davor war, den Aufenthaltsort von Mika Lenna aufzuspüren. In der Nachricht hieß es, sie solle sich bereithalten, da der Einsatz sehr bald erfolgen könnte. Sophia war nervös und aufgeregt zugleich. Die Dinge spitzten sich endlich zu. Ungerechtigkeiten würden bald aus der Welt geschafft.
»Okay, dann bleibe an der Tür, falls du seinem Zorn entkommen musst«, schlug Wilder vor.
Sophia drückte ihm einen schnellen Kuss auf die Wange, der ihn erröten ließ. »Ich komme schon klar, aber danke für die Sorge.«
* * *
Als Sophia das Büro von Hiker Wallace betrat, stellte sie fest, dass Wilder recht gehabt hatte und der Mann den Raum zerstört hatte. Er saß nun in seinem Schreibtischstuhl, den Unterarm über dem Gesicht und den Kopf nach hinten gelehnt.
»Sir?« Sophia klopfte an den Türrahmen.
»Was?«, knurrte er, ohne seinen Arm anzuheben.
»Geht es dir gut?«
»Warum fragst du?« In seiner Stimme lag ein Hauch von Belustigung.
»Ainsley behauptet, du wärst nicht zum Mittagessen erschienen«, log Sophia, um nicht auf das Offensichtliche hinzuweisen.
»Oh, sie hat es also bemerkt«, murmelte er.
Er hatte also das Mittagessen tatsächlich verpasst , wunderte sich Sophia. »Natürlich hat sie es bemerkt. Es wird viel geredet, seit du mit der Umgestaltung des Büros begonnen hast. Mir gefällt wirklich, was du aus dem Laden gemacht hast.« Wenn er sich darüber lustig machen wollte, konnte sie das auch tun.
Er nickte, sein Gesicht immer noch durch seinen Unterarm verdeckt. »Ich mochte das Sofa dort nicht.«
Sophia warf einen Blick auf das Ledersofa, auf dem Mama Jamba normalerweise saß. Sie war nicht mehr da, die Couch war umgekippt. »Mama Jamba war nicht darauf, als du es an seinen neuen Platz gestellt hast, richtig?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe sie seit meiner Rückkehr nicht mehr gesehen.«
Er hatte also den Speicherpunkt benutzt , erkannte Sophia. Ihre Augen entdeckten die goldene Harfe auf dem Boden zwischen einem Haufen herumliegender Papiere. »Es ist ziemlich verrückt in die Vergangenheit zurückzugehen, oder?«, fragte sie vorsichtig.
»Besonders, wenn es meine Geschichte ist«, antwortete er, ohne wütend zu klingen. Er musste alles herausbekommen haben.
Sophia wagte einen weiteren Schritt in das Büro und nahm die Harfe in die Hand.
»Ich habe den Token zerbrochen«, gab Hiker zu.
Sophia blieb stehen und sank in sich zusammen. Papa Creola würde sie umbringen. Oder – wie Liv gesagt hatte – er würde im Stillen grübeln und sie dazu bringen, etwas Gefährliches zu tun, um es wiedergutzumachen. Vielleicht waren er und Lee ein und dieselbe Person.
»Das ist schon in Ordnung«, log sie. »Ich bin sicher, es ist keine große Sache. Eigentlich …«
»Ich brauche deine Hilfe, Sophia«, unterbrach Hiker, der seinen Arm endlich von seinem Gesicht nahm und ihr einen ernüchternden Blick zuwarf.
»Natürlich, Sir«, erwiderte sie und stellte sich vor seinen Schreibtisch. »Was kann ich tun?«
Er schüttelte den Kopf. »Das ist das Problem. Ich weiß es nicht genau, aber du musst Ainsley helfen, ihre Erinnerungen an die Zeit vor dem Angriff zurückzubekommen. Sie … sie hat etwas verloren, das sie nie wieder zurückbekommen kann und sie muss sich daran erinnern, was es war. Ich glaube, das ist der einzige Weg, um sie zu heilen.«
»Weil sie ein gebrochenes Herz hat«, vermutete Sophia.
Er nickte. »Ja. Sie kann es nicht reparieren, solange sie nicht weiß, warum es kaputt ist. Sie muss sich erinnern. Dann brauche ich das Heilmittel. Erst danach kann sie hier weg.«
Sophia legte die Harfe auf den Schreibtisch. »Glaubst du nicht, dass es mehr bedeuten würde, wenn du ihr helfen würdest, die Erinnerungen wiederzuerlangen? Wenn du das Heilmittel für sie finden würdest?«
Bedauern stand auf dem Gesicht des Wikingers. »Ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass sie es von mir annehmen würde. Sobald sie ihre Erinnerungen zurück hat, wird sie wahrscheinlich nie wieder mit mir sprechen.«
Sophia erstarrte. Sie wusste, dass die Situation mit Hiker und Ainsley ernst war, aber das klang geradezu verheerend. »Was hast du getan?«
Er presste die Lippen aufeinander. »Ich habe mich geweigert, auf sie zu hören. Ich habe an ihr gezweifelt und sie hat all die Jahre den Preis für meine Dummheit bezahlt.« Er blickte auf und sein Blick traf endlich den ihren. »Ich könnte einen der anderen um Hilfe bitten, aber ehrlich gesagt, traue ich ihnen das nicht zu. Es ist eine heikle Sache und erfordert eine Strategie. Mehr als das, es wird Taktgefühl erfordern. Wenn du herausfindest, was passiert ist … was Ainsley verloren hat, versuchst du bitte trotzdem, mir gegenüber Respekt zu zeigen. I-I-I-ICH …«
»Sir, jeder macht Fehler«, mischte sich Sophia ein und versuchte zu helfen.
Er nickte. »Das ist wahr. Ich hoffe nur, dass ich das, was ich getan habe, wieder in Ordnung bringen kann.«
»Natürlich helfe ich«, betonte Sophia. Ihr Handy piepte in ihrer Tasche. Obwohl sie normalerweise keine Unterbrechung während eines so ernsten Gesprächs zulassen würde, wusste sie, dass dies wichtig war. Sie holte ihr Telefon hervor und prüfte die Nachricht. Ihre Vermutung über den Inhalt der SMS bestätigte sich. Sophia deutete auf die goldene Harfe. »Sir, ich würde empfehlen, dass du das zurücknimmst. Wir kennen den Standort der Saverus Corporation. Es ist an der Zeit, Mika Lenna ein für alle Mal zur Strecke zu bringen.«