Kapitel 65

Von jetzt an geht es bergab , dachte Hiker, als er mit Bell abhob und über das Saverus-Hauptquartier flog. Er war überrascht, wie schnell die Cyborgs in Aktion traten, was ihn nicht verwundern sollte, nachdem er sie in Gullington erlebt hatte. Jetzt waren sie zusätzlich motiviert und hungrig nach Rache.

Lunis, Coral und Simi hatten das Hauptquartier bereits umstellt, bevor Sophia die Nachricht schicken konnte. Sie hatten die unterirdischen Tunnel ausgekundschaftet, von denen Trin ihnen erzählt hatte und die Durchgänge für alle blockiert, die sie zur Flucht nutzen wollten. Mahkah und Hiker kreisten über dem Hauptquartier und sondierten die Lage aus der Luft.

Das war gut für Hiker, was die Führung anbelangte. Er traute der goldenen Harfe in seiner Tasche noch nicht vollständig. Ja, sie beruhigte ihn, aber im Kampf konnten seine Emotionen immer noch hochkochen. Hiker wusste nur zu gut, dass die Macht, die in seinen Adern floss, sowohl ausreichen konnte, um die Welt zu retten, als auch, um sie für alle Zeiten in die Hölle zu verdammen. Der Grat zwischen Gut und Böse war so schmal. Er musste an die Dracheneier denken, die in Gullington schlüpfen würden. Einige würden gut sein, andere böse. Im Ergebnis würden diese Schlüpflinge die Welt für eine sehr lange Zeit beeinflussen.

* * *

Trin Currante hatte zu lange auf diesen Moment gewartet, genau wie ihre Männer. Was auch immer als Nächstes geschah, sie konnte es akzeptieren, solange es bedeutete, Mika Lenna dafür bezahlen zu lassen. Ja, sie wollte ihr Leben und ihren menschlichen Körper zurück, aber vor allem wollte sie den Mann, der ihr alles genommen hatte, den Schmerz spüren lassen, den er anderen zugefügt hatte.

Mit dem Luftschiff, das sie bei ihrer Flucht vor Mika Lenna beschlagnahmt hatte, schwebte Trin über das Hauptquartier von Saverus, während die Reiter auf ihren Drachen sie flankierten.

Es hätte sonderbar sein sollen, von Feinden zu Verbündeten der Drachenelite zu werden, aber nichts war anscheinend natürlicher. Immerhin vertraten sie die Gerechtigkeit. Ihr wurde klar, dass sie von Anfang an zu ihnen hätte gehen und erklären müssen, was passiert war. Sie hätte um Hilfe bitten sollen, anstatt in Gullington einzufallen und Dracheneier zu stehlen, um sich selbst zu bereichern.

Als man ihr alles nahm, hatte sie vergessen, wie man vertraute. So eigenartig es auch klingen mag, die Drachenelite stellte ihren Glauben an die Menschheit wieder her, was sie nie für möglich gehalten hätte.

Sie war die erste, die das Luftschiff verließ und an einem Seil hinunterglitt, das zusammen mit anderen über die Seite baumelte. Mit einem lauten Aufprall landete sie auf dem Dach des Lagerhauses und hatte ein Déjà-vu-Erlebnis vom ersten Mal, als sie dies tat. Diesmal musste es anders laufen. Mika Lenna durfte nicht entkommen.

* * *

Als der Alarm im Labor ertönte, stand Wilder bereits an der Tür. Die meisten Wissenschaftler rissen alarmiert den Kopf hoch.

Die letzten Minuten hatten Wilder die Zeit gegeben, sich zu überlegen, was er tun sollte. Als der Alarm ertönte, war er der Erste, der aus der Tür stürmte. Er schnippte mit den Fingern vor den verschlossenen Käfigen an der Wand und ließ alle tollwütigen Tiere frei. Dann warf er die Tür zu und sperrte alle grausamen Wissenschaftler mit den von ihnen geschaffenen Tieren ein.

Was danach kam, wollte er nicht mehr sehen. Als er den Korridor hinunterrannte, hörte er die Schreie und wusste, dass die Rache im Gange war.

* * *

Sophia und Evan gönnten sich nur einen Moment, um durchzuatmen, nachdem Mika Lenna aus dem Büro gerannt war und sich in das schlimmste Monster verwandelt hatte, das sie sich vorstellen konnte.

Sie wusste, was Evan bei dieser Mission dachte. Wie sie wollte er nicht dem begegnen, was aus Mika Lenna geworden war. Sie waren nur zu froh, Trin Currante den Mord zu überlassen, nachdem sie nur ein paar Minuten in seiner Gegenwart verbracht hatten.

Als die Sirenen losheulten und sie sicher waren, dass Mika Lenna nicht mehr anwesend war, entfernten sie ihre Verkleidung und liefen den Gang entlang. Überall herrschte Chaos, weil die Wissenschaftler in Richtung der unterirdischen Gänge stürmten.

Sophia konnte wegen der Magitech in der Anlage nicht mit Lunis kommunizieren, aber sie wusste, dass die Drachen auf die Wissenschaftler warteten, sie stellten und in Gewahrsam nahmen. Wenn jemand versuchte zu fliehen, waren die Drachen nur zu gerne bereit, denjenigen in ein Barbecue zu verwandeln. Das war nicht die normale Vorgehensweise der Drachenelite, aber bei Saverus stand etwas anderes auf dem Spiel.

Sophia lief in die entgegengesetzte Richtung wie alle anderen und erntete seltsame Blicke, aber wahrscheinlich, weil sie nicht mehr verkleidet war und wie Victoria Clearbeam aussah. Sie wollte gerade in Richtung der unterirdischen Gänge eilen, als sie ein Gesicht entdeckte, das alles verbesserte.

»Wilder!«, rief Sophia und breitete ihre Arme für ihn aus.

Der Ausdruck blanken Entsetzens auf seinem Gesicht ließ sie innehalten und brachte Evan fast dazu, sie zu überrennen.

»Lauf!«, schrie Wilder, packte sie am Arm und zog sie in die entgegengesetzte Richtung.