Kapitel 66

G ejagt von etwas, von dem sie nicht wusste, was es war, ließ sich Sophia von Wilder den Korridor entlang zerren.

Ein kurzer Blick über die Schulter verriet ihr, dass es wahrscheinlich besser war, nicht zu wissen, dass sie von geistesgestörten Waldbewohnern verfolgt wurden, die anscheinend nach Blut lechzten.

»Was sind sie denn?« Sophia nutzte ihre erhöhte Geschwindigkeit, um von den Kreaturen wegzukommen.

»Ich weiß es nicht«, gab Wilder zu und drängte Evan, vor ihnen, Gas zu geben. »Ich habe sie zu den Wissenschaftlern rausgelassen, aber irgendein Idiot hat die Tür geöffnet, wahrscheinlich um nicht gefressen zu werden.«

»Jetzt wird deine Heldentat zur Strafe«, erkannte Sophia und bog um eine Ecke. Am anderen Ende des Ganges standen die Wissenschaftler dicht gedrängt und versuchten verzweifelt, durch eine einzige Schiebetür zu kommen. Sie dachten, sie kämen davon, aber wenn alles nach Plan verlief, würde niemand ohne einen Prozess von hier verschwinden.

Sophia drehte sich um und hob ihre Hand. Sie konnte den Kreaturen, die aus Tierversuchen stammten, nichts anhaben, aber sie konnte auch nicht dastehen und von ihnen gefressen werden. Sie errichtete eine Barriere, die diese Wesen auf der anderen Seite einsperrte. Sie hätte Mitleid mit den Menschen gehabt, die hinter den Kreaturen herliefen und ebenfalls diesen Ausgang suchten, wenn sie nicht wüsste, dass das Karma immer wirkte.

Die tollwütigen Kreaturen drehten sich um, als sie bemerkten, dass sie aufgrund einer unsichtbaren Barriere in eine Sackgasse geraten waren und richteten ihre volle Aufmerksamkeit auf die Wissenschaftler, die nach einem Ausweg suchten. Mit entsetzten Mienen drehten sich die Wissenschaftler um und rannten in die entgegengesetzte Richtung davon. Sie wollten versuchen, durch die Vordertür zu entkommen – wo sie zweifellos von Cyborgs empfangen würden, die auf Vergeltung aus waren.

* * *

Die Szenerie am Boden zeigte ein heilloses Chaos, das Hiker vom Himmel aus beobachtete, als er mit Bell oben kreiste. Um das gesamte Gelände von Saverus herum standen Cyborgs, ihre bewaffneten Arme auf jeden Ausgang gerichtet und ihre stählernen Fäuste zum Kampf bereit.

Die ersten Wissenschaftler, die aus dem Gebäude rannten, gerieten bei diesem Anblick ins Wanken und mussten einsehen, dass es kein Entkommen gab.

Die Cyborgs waren angewiesen, die Wissenschaftler festzunehmen. Das Haus der Vierzehn sollte dann die Kontrolle übernehmen und sie alle einsperren. Von seiner Position aus sah Hiker, wie die Krieger des Hauses der Vierzehn von der Straße heranmarschierten, Liv Beaufont an der Spitze, flankiert von ihrem Mann Stefan Ludwig. Trudy DeVries war auf der anderen Seite von ihm. Viele mussten annehmen, dass nur drei Krieger nicht ausreichen konnten, um eine so große Säuberungsaktion durchzuführen, aber sie sollten sich irren. Hiker wusste, dass die Mitglieder der Drachenelite die besten waren, aber die Krieger des Hauses standen ihnen in nichts nach.

Er richtete seinen Blick auf das Dach des Saverus-Hauptquartiers. Trin war als Erste gelandet, gefolgt von vielen ihrer Männer. Sie hatte herausgefunden, wo die unterirdischen Tunnel waren und wie man vom Dach aus am schnellsten dorthin gelangte.

Ein Cyborg mit einer Säge als Hand schnitt eine Öffnung in das Metalldach und einer nach dem anderen verschwanden die Cyborgs. Trin zufolge würde sie weniger als eine Minute brauchen, um den Korridor direkt vor dem Tunnel zu erreichen. Dort würde sie Mika Lenna finden. So wollte er entkommen, denn alle anderen Wege waren versperrt. Dort wollte Trin Currante für Gerechtigkeit sorgen.

* * *

Nachdem Trin die letzte Anlage von Mika Lenna genau studiert hatte, konnte sie sich vorstellen, wie der Mann hier alles geplant hatte. Sie wettete darauf, dass er es bei dieser Anlage genauso gemacht hatte. Bisher hatte sie recht behalten. Sie ließ sich durch die verschiedenen Ebenen des Lagerhauses fallen, durchbrach Decken und stieg weiter hinab, bis sie die letzte Ebene erreichte, die zu den unterirdischen Tunneln führte.

Ungeduldig wartete sie darauf, dass der Schnitt gemacht wurde. Als der ausgesägte Kreis der Decke durchfiel, ließ Trin einen ihrer Männer nachsehen. Er blickte erleichtert auf.

»Mit deinen Freunden ist alles in Ordnung«, sagte er mit Hoffnung in seinem einen menschlichen Auge.

Freunde? , fragte sie sich. Das war ein Fremdwort. Trin hatte keine Freunde. Nicht einmal ihre Männer betrachtete sie als Freunde. Dann kletterte sie hindurch und wusste, was er meinte – die Drachenreiter standen auf der einen Seite des Korridors. Auf der anderen befand sich die Tür, die in den Untergrund und zu Mika Lenna führte.