KAT

AUGUST

Meg kommt wieder mal zu spät.

Ich stehe vor dem Le Jardin, wo ich mit ihr zum Mittagessen verabredet bin, und warte auf sie. Der Nachmittagsverkehr rollt an mir vorüber, und ich halte die Luft an, um die Abgase eines vorbeifahrenden Busses nicht einzuatmen. Als ich gerade beschließe, doch lieber im Restaurant zu warten, klingelt mein Handy. Eine unbekannte Nummer wird anzeigt.

»Spreche ich mit Kat Roberts?« Es ist die Stimme einer Frau mit einem leichten Akzent aus dem Mittleren Westen. Mein Herz rast. Renata.

Ich sehe mich um und versichere mich, dass Meg nicht im Anmarsch ist. »Am Apparat.«

»Guten Tag, Miss Roberts. Hier spricht Natalie vom Kundenservice der Citibank. Ich rufe Sie an, um Sie an Ihre überfällige Zahlung zu erinnern.«

Ich stecke mir einen Finger ins Ohr und wende mich von der stark befahrenen Straße ab. »Entschuldigen Sie bitte, was haben Sie gesagt?«

»Hier spricht Natalie von der Citibank«, wiederholt sie. »Wir haben seit zwei Monaten keine Zahlungen mehr von Ihnen erhalten. Wenn Sie diesen nicht bald nachkommen, müssen wir die Schulden eintreiben lassen.«

»Ich habe gar kein Konto bei der Citibank«, erkläre ich ihr. »Sie sprechen mit der falschen Person.«

»Würden Sie mir bitte die vier letzten Ziffern Ihrer Sozialversicherungsnummer nennen?«

Fast hätte ich gelacht. »Die werde ich Ihnen auf gar keinen Fall geben. Ich habe kein Konto bei Ihrer Bank.«

Aber so schnell lässt Natalie sich nicht abwimmeln. »Der Saldo beläuft sich derzeit auf 31.125 Dollar bei einer Mindestanzahlung von fünfhundert Dollar. Wenn Sie möchten, können Sie die sofort leisten.«

Panik steigt in mir auf, und meine Gedanken springen zurück zu Scotts Warnung vor ein paar Wochen. Sei vorsichtig, wenn du mit Meg zusammen bist. Lass deine Handtasche nie unbeaufsichtigt. Und lass sie nicht dein Handy benutzen.

Habe ich das auch Meg zu verdanken? Versucht sie immer noch, mich abzulenken? Vielleicht ist es eine ihrer Phishing-Expeditionen, um an Informationen zu gelangen, die sie gegen mich verwenden kann. Oder steckt mehr dahinter? Ich werfe einen suchenden Blick nach rechts die Straße entlang, dann nach links, aber da ist nichts. Womöglich parkt Meg in irgendeiner Tiefgarage hier in der Nähe und gibt sich als Natalie von der Citibank aus.

»Wie war Ihr Name noch gleich?«, frage ich und konzentriere mich auf ihre Antwort.

»Natalie«, antwortet die Frau. Aber bei dem Verkehrslärm kann ich unmöglich sagen, ob ihre Stimme vertraut klingt.

»Geben Sie mir die Kontonummer«, bitte ich sie, während ich in meiner Tasche nach einem Stift und einem Stück Papier krame. Ich lege das Blatt Papier gegen die grobe Backsteinmauer hinter mir und schreibe mit. Die Zahlen sind krakelig und unförmig. »Ich habe dieses Konto nicht eröffnet«, wiederhole ich, »und werde auch keine dreißigtausend Dollar bezahlen.«

Natalie lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. »Ich verstehe, Miss Roberts«, erklärt sie mir. »Ich werde das in Ihrer Akte notieren. Aber um die Sache zu klären, müssen Sie Anzeige bei der Polizei erstatten und diese dann an uns weiterleiten. Bis das geschehen ist, sind Sie für diese Schulden haftbar.«

Miss Roberts. Plötzlich wird mir bewusst, dass sie mich mit meinem richtigen Nachnamen angesprochen hat. Scott hatte die ganze Zeit recht. Auf diese Art macht Meg mir deutlich, dass sie alles weiß.

In diesem Moment spüre ich, dass jemand hinter mir steht. Als ich mich umdrehe, sieht Meg mich besorgt an. Mir rutscht der Magen in die Kniekehle. »Danke für Ihren Anruf«, sage ich schnell und lege auf.

»Alles in Ordnung?«, fragt Meg, während die Fußgänger auf dem Bürgersteig um uns herumgehen.

Als ich ihr keine Antwort gebe, nimmt sie meinen Ellbogen und führt mich von dem schicken Restaurant, in dem wir essen wollten, weg zu einem am Straßenrand geparkten Foodtruck. Sie bestellt zwei Tacos, dann gehen wir in einen nahe gelegenen Park und setzen uns auf eine Bank.

»Erzähl mir, was los ist«, sagt sie. »Geht es um Scott?«

Ich presse die Lippen aufeinander, während Wut und Scham in mir aufsteigen. Wie konnte ich glauben, mich mit Meg anfreunden zu können und ihre Verbündete zu werden? Wie konnte ich zulassen, dass sie mir so nahekam? Als ich endlich den Mund aufmache, klingen meine Worte steif und kalt. »Das war eine Frau, die behauptet hat, bei der Citibank zu arbeiten. Sie sagt, ich hätte dort Schulden in Höhe von dreißigtausend Dollar.« Obwohl ich nicht sie am Telefon hatte, bin ich sicher, dass Meg hinter dem Anruf steckt.

Sie lehnt sich zurück, geschockt. »O mein Gott.«

Was für eine Schauspielerin. Mal wieder die besorgte Freundin.

»Du musst Anzeige erstatten.« Ich starre sie an und versuche zu erkennen, worauf sie hinauswill. »Hör mal«, fährt sie fort. »Ich will nicht unnötig Staub aufwirbeln, aber das hier plus das gehackte Konto und die unbezahlten Rechnungen …« Sie verstummt.

Ich schüttle den Kopf, entsetzt über mich selbst, weil ich ihr von Scotts Spielsucht erzählt und mich ihr damit ausgeliefert habe. »Das war nicht Scott.«

Ich spüre, dass ich mir absolut sicher bin, und hülle mich in dieses Gefühl wie in einen schützenden Mantel. Ich bin nicht naiv. Ich kenne die Statistiken über Rückfälle. Aber in den zwei Wochen seit dem Konzert, nachdem Meg versucht hatte, sich in mein Bankkonto zu hacken, habe ich nachts immer wieder heimlich alle seine Geräte überprüft, und da war nichts. Auf seinen Arbeitscomputer habe ich zwar keinen Zugriff, aber es wäre der helle Wahnsinn, dort etwas zu versuchen. Jeder Tastenanschlag wird überwacht und aufgezeichnet.

»Ich weiß, dass du das glauben möchtest«, sagt Meg. »Und ich möchte es auch. Aber du musst dich schützen, auch wenn das bedeutet, dich einer schmerzlichen Wahrheit zu stellen.«

Wahrheit? Jedes Wort von ihr ist eine Lüge. »Ich glaube nicht, dass der Anruf echt war«, erkläre ich ihr. »Ich glaube, das war Phishing. Jemand hat versucht, an meine Sozialversicherungsnummer zu kommen. So etwas passiert andauernd.« Zuckt sie zusammen? Sieht sie zur Seite? Ich will sie auf die Probe stellen. Sie unter Druck setzen. Herausfinden, wie weit sie mit ihren Beschuldigungen gegenüber Scott geht.

Doch Meg zieht ihr Handy aus der Tasche, öffnet den Browser, und ich sehe zu, wie sie Citibank googelt. Sie ruft die Website der Bank auf und hält mir ihr Handy vor die Nase. »Da ist die Telefonnummer. Rufen wir an und überprüfen die Sache.«

Ist das eine Art Test? Glaubt sie, ich würde in ihrer Anwesenheit nicht dort anrufen? Ich wähle und muss mich durch mehrere automatische Ansagen klicken, bis ich schließlich aufgefordert werde, in der Leitung zu bleiben. Während ich warte, dringen schrille Schreie vom Spielplatz herüber und bohren sich in meine wachsende Panik.

Dieses Mal spreche ich mit einem Mann, der sich als Paul vorstellt. Ich lese ihm die Kontonummer vor, die Natalie mir gegeben hat, und entferne mich ein paar Schritte von Meg, um ihm die letzten vier Ziffern meiner Sozialversicherungsnummer zu geben. »Der Saldo beträgt 31.125 Dollar«, verkündet er.

Ich schließe die Augen, die Geräusche vom Spielplatz verschwimmen. Kein Phishing. Echte Schulden – die so hoch sind, dass ich sie niemals werde bezahlen können.

»Frag ihn nach aktuellen Kontobewegungen«, sagt Meg.

Meine Lider klappen nach oben. Ich will wissen, wie sie mich ansieht. Ihre Augen sind groß, voller Mitgefühl und Sorge. Warum möchte sie, dass ich das frage? Was soll ich zu hören bekommen?

Als ich ihm die Frage stelle, rattert Paul mehrere große Bargeldauszahlungen herunter, alle in unserer Gegend, und ein paar Supermarktabbuchungen. »Können Sie mir die Rechnungsadresse durchgeben?«, bitte ich ihn.

Er nennt mir ein Postfach in Brentwood. Ich weiß, wie einfach es ist, ein Postfach online zu eröffnen, und werfe Meg einen schnellen Blick zu.

Pauls Stimme unterbricht meine Gedanken. »Die Kontoauszüge gehen an eine E-Mail-Adresse.« Langsam liest er sie vor. »Calistasnichte@Yahoo.«

Ich starre Meg an, deren Haare vom Wind in ihr offenes, besorgtes Gesicht geblasen werden. Ich muss mich selbst daran erinnern, dass sie diesen Gesichtsausdruck jahrelang perfektioniert hat. »Danke«, sage ich zu Paul und beende das Gespräch. Meg legt mir die Hand auf den Arm, aber ich schüttle sie ab. Ich muss irgendwohin, wo ich nachdenken kann. Ich muss herausfinden, wie sie das geschafft haben könnte.

»Du solltest unbedingt Anzeige erstatten«, sagt sie noch einmal. »Ich kann mit dir kommen, wenn du möchtest.«

Ich sehe sie ungläubig an und stelle mir uns beide auf dem Polizeirevier vor, wo ich neben Meg sitzen würde, die mir bereitwillig hilft, meine Geschichte zu erzählen. Wann würde sie ganz beiläufig etwas über Scotts Spielsucht fallen lassen? Nur eine winzige, subtile Bemerkung, die die Ermittlungen von ihr ablenken würde.

Ich werde Scott davon erzählen müssen. Dreißigtausend Dollar Schulden kann ich nicht vor ihm verheimlichen. Tief in meinem Inneren meldet sich eine leise Stimme. Und wenn Meg recht hat? Wenn es doch Scott ist?

Nicht zum ersten Mal stelle ich mir vor, wie anders mein Leben aussähe, wenn Scott nicht spielsüchtig wäre. Oder wenn ich ihn verlassen hätte, anstatt bei ihm zu bleiben und diese Sache Schritt für Schritt mit ihm durchzustehen. Alles wäre so viel klarer, wenn ich nicht ständig mit diesen Zweifeln kämpfen müsste. Mit diesen Stimmen, die mich im Schlaf heimsuchen und alles infrage stellen, was er sagt, mir zuflüstern, dass es wieder geschehen kann, mich dazu treiben, nach Rissen in unserer Beziehung zu suchen und mich zu fragen, was daran noch echt ist.

In diesem Moment klingelt Megs Handy. Sie wirft einen Blick auf das Display. »Es sind die Käufer von Rons Haus. Da muss ich ran.«

Sie geht ein paar Schritte und dreht mir den Rücken zu.

Großer Gott, sie macht einfach immer weiter. Obwohl sie mir gerade dreißigtausend Dollar gestohlen hat, die ich nicht habe, gaukelt sie mir nebenbei auch noch weiter die Existenz ihrer mysteriösen Käufer vor. Ich frage mich, wer wirklich anruft. Veronica? Irgendjemand sonst? Ich lausche angestrengt, um mitzubekommen, was sie sagt, aber die Geräusche vom Spielplatz und der Wind tragen ihre Worte davon.

Schließlich legt sie auf und kommt zurück zur Parkbank. »Tut mir leid.«

Ich stehe auf und werfe meinen fast unberührten Taco in den Müll. »Ich muss los«, sage ich.

Sie umarmt mich, aber ich bleibe eingehüllt von ihrem teuren Parfüm steif stehen und lasse die Arme hängen. »Ruf mich an, wenn du etwas brauchst.«

Zu Hause warte ich, bis Scott kommt. Ich muss sein Gesicht sehen, wenn ich es ihm erzähle. Muss mich vergewissern, dass meine Loyalität nicht fehlgeleitet ist.

Auf der Fahrt zurück hatte ich den Autopiloten eingeschaltet, und als ich ankam, war das Körnchen Zweifel bereits zu einem kleinen Stein angewachsen, der mir schwer im Magen lag. Es besteht die Möglichkeit, dass er es getan hat. Nur weil ich keine Beweise dafür finde, heißt das noch lange nicht, dass er es nicht getan hat.

Als er endlich nach Hause kommt, genügt ihm ein kurzer Blick. »Was ist passiert?«, fragt er.

Er sieht mich unentwegt an, während ich ihm den Zettel vorlese, auf dem ich mir alle relevanten Informationen zu dem Konto notiert habe. Das Datum der Eröffnung, kurz nachdem ich das erste Mal mit Meg ausgegangen war. Die Höhe der Schulden. Die jüngsten Belastungen und abgehobenen Bargeldsummen und schließlich die hinterlegte E-Mail-Adresse.

»Dieses verdammte Miststück«, zischt er, als ich fertig bin.

Ich starre ihn an und warte auf ein Zeichen, dass er lügt. Auf ein kurzes Aufflackern von Schuldbewusstsein, bevor seine schäumende Wut alles überdeckt.

Aber mein Schweigen irritiert ihn, und er rudert zurück. »Moment mal. Du glaubst doch nicht etwa, dass ich das war?«

»Ich weiß nicht, was ich glauben soll.«

Er steht auf und fängt an, im Zimmer hin und her zu gehen. Seine Stimme wird lauter. »Was soll ich denn noch tun, Kat? Ich habe dir mein gesamtes Leben offengelegt. Du kannst darin herumstöbern, wann immer du willst. Mein Handy, mein Computer – selbst nach zwei Jahren überprüfst du ihn immer noch täglich.« Er sieht mich an. »Du hast dich mit einer verdammten Trickbetrügerin angefreundet, und ich bin derjenige, dem du misstraust? Diese Frau hat dein Leben infiltriert. Sie hat dich um den Finger gewickelt, geht mit dir auf Konzerte, zum Mittagessen, zum Yoga. Du bist ihre verdammte Assistentin«, faucht er. »Sie hat mehrfach versucht, an deine persönlichen Daten zu kommen – die gestohlenen Bankauszüge, die verschwundene Telefonrechnung –, und trotzdem hast du jedes Mal als Erstes mich im Verdacht, wenn wieder etwas vorgefallen ist.«

Er setzt sich neben mich und nimmt meine Hand. Seine Stimme ist kurz davor zu brechen. »Ich weiß nicht, was ich noch tun kann, um dir zu beweisen, dass ich es nicht war.« In seinen Augen stehen Tränen. »Langsam glaube ich, die Sache wird nie wieder in Ordnung kommen. Du wirst mir nie vertrauen.«

»Scott«, fange ich an.

Aber er hebt die Hand, und ich verstumme. »Ich werde nicht zulassen, dass sie uns das antut.« Er schnappt sich den Zettel mit meinen Notizen. »Jetzt übernehme ich. Morgen leite ich die Ermittlungen ein. Was auch immer Meg vorhat, jetzt ist Schluss damit.«

Der Schmerz in seinem Gesicht bricht mir das Herz. Er hat so hart an sich gearbeitet. Wie sehr muss er darunter leiden, dass ich ihm immer noch misstraue, ganz egal was er tut.

Ich will das nicht mehr.

»Okay«, flüstere ich.