56
Der Weihnachtsumzug war eine fantastische Sache.
Das hörte Christophers Mutter von allen Seiten. Es handelte sich um eine stolze Tradition zwischen dem Altenheim Shady Pines und der Grundschule Mill Grove, die viele Jahrzehnte zurückreichte und erst später aus rechtlichen Gründen in »Winterumzug« umbenannt worden war. Am letzten Freitag vor den Ferien schickte die Schule Kinder los, die für die Senioren »Winterlieder« (eigentlich also Weihnachtslieder) singen und Plätzchen backen sollten. Die Alten wiederum überreichten den Kindern die Preise für das Ballon-Derby. Die größte Auszeichnung erhielt der, dessen Ballon am weitesten geflogen war, und auch die anderen bekamen eine Kleinigkeit. Natürlich wussten alle, dass die Preise eigentlich Weihnachts- und Chanukkageschenke waren, und das Ballon-Derby war ein guter Vorwand, um die Trennung zwischen Kirche und Staat zu umgehen.
»Das ist wie gottverdammt ohne Gott!«, flachsten die Schwestern.
Egal auf welcher Seite des Gangs man stand, alle liebten den Umzug. Die Senioren, weil er eine willkommene Abwechslung zu Schach und Tagesfernsehen darstellte. Die Kinder, weil sie nicht zur Schule mussten. Und vor allem die Mitarbeiter, weil die alten Leute für ein paar glückliche Stunden zu jammern vergaßen.
Ein für alle Beteiligten zufriedenstellendes Arrangement.
Eine Dreifaltigkeit von Gewinnern.
»Haben Sie gehört Neuigkeit, Mrs. Reese?«, fragte eine Schwester in gebrochenem Akzent.
»Was denn?«
»Mrs. Collins … ist sie krank mit Grippe. Kommt nicht ganze Tag. Weihnachtswunder!«
Den ganzen Vormittag über warteten die Senioren im Shady Pines so aufgeregt auf den Umzug wie Kinder auf das Christkind. Christophers Mutter hätte sich gern von der festlichen Stimmung anstecken lassen. Da es der letzte Schultag vor den Ferien war, hatte sie vor, gleich nach dem Umzug mit ihrem Sohn ins Kino zu gehen. Er durfte sich den Film aussuchen, ohne Rücksicht auf ihren Geschmack. Danach würden sie übers Wochenende ihr eigenes Heim für Weihnachten schmücken.
Doch sie konnte es nicht abschütteln.
Dieses Unbehagen.
»Hi, Mrs. Reese.«
Christophers Mutter drehte sich um und sah Mary Katherine eintreten. Das Mädchen wirkte verängstigt. Das war im Prinzip nichts Neues. Die arme Mary Katherine war so scheu, schuldbewusst und unglaublich katholisch, dass sie manchmal vor dem Dessert noch ein Vaterunser sprach, weil sie fürchtete, dass das Tischgebet vielleicht nicht so weit reichte. Trotzdem war es jetzt anders. Das Mädchen war aschfahl.
»Alles in Ordnung bei dir, Schätzchen?«, fragte Christophers Mutter.
»Ja, ja. Mir geht’s gut.«
Das war offensichtlich gelogen. Die Ärmste wirkte, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen.
»Sicher? Du kannst jederzeit mit mir reden.«
»Ganz sicher. Mir ist bloß ein bisschen übel, das ist alles.«
»Dann fahr nach Hause. Du hast dir dein Zeugnis doch schon verdient. Du musst nicht mehr hier arbeiten. Niemand wird dich verurteilen, weißt du?«
»Doch, ich glaube schon.« Mit diesen Worten nickte Mary Katherine und schlüpfte schnell in Mrs. Keizers Zimmer, um ihre Schicht zu beginnen.
Christophers Mutter war drauf und dran, ihr zu folgen, aber sie wurde von lauten Stimmen im Aufenthaltsraum abgelenkt.
»Sie sind hier! Die Kinder sind hier!«
Die Aufregung brandete durch die Gänge, als die Schulbusse auf den Parkplatz bogen. Kurz darauf öffneten sich die Türen, und die Lehrer mühten sich, die Schüler in geordneten Reihen hineinzuführen. In dem Meer von Wollmützen und Steelers-Kappen dort draußen konnte Christophers Mutter zunächst keine bekannten Gesichter entdecken.
Dann kam Ms. Lasko als Erste durch die Tür. Christophers Mutter hatte sie nach der Rauferei zwischen Christopher und Brady Collins im Büro des Rektors gesehen. Das war nur wenige Tage her, und Ms. Lasko hatte einen gesunden, beschwingten Eindruck gemacht.
Der Unterschied zu jetzt war geradezu schockierend.
Ms. Lasko war blass und abgespannt. Ihre Tränensäcke waren schwarz wie von Schlägen. Sie wirkte erschöpft, als hätte sie seit der Besprechung im Zimmer des Rektors nicht mehr geschlafen. Sie sah so müde aus wie …
wie Christopher.
»Geht’s Ihnen gut, Ms. Lasko?«, fragte Christophers Mutter.
»Ja, bestens. Danke, Mrs. Reese. Bloß ein bisschen Kopfweh.«
Da fiel es Christophers Mutter auf. Ms. Lasko roch nach einer mit Pfefferminzspülung kaschierten Flasche Wodka. Diesen Geruch kannte Christophers Mutter nur zu gut. Sie war damit aufgewachsen. Dieser Geruch hatte ihr Gutenachtgeschichten vorgelesen. Und sie windelweich geprügelt, wenn sie etwas verschüttete.
Christophers Mutter hätte nicht gezögert, den anderen Lehrern zu erzählen, dass die Klassenlehrerin ihres Sohns sturzbesoffen war.
Bloß dass Ms. Lasko nicht betrunken war
.
Nicht einmal beschwipst.
Sie wirkte eher wie jemand auf Entzug.
Ms. Lasko wandte sich wieder den Kleinen zu, die jetzt hereinmarschierten. Sie klatschte in die Hände, um sie auf sich aufmerksam zu machen. »Also, Kinder. Wir gehen jetzt in den Aufenthaltsraum.«
Christophers Mutter beobachtete, wie sie durch den Korridor stapften. Endlich bemerkte sie zwischen all den Schneemützen Christopher und seine Freunde. Die Jungen benahmen sich wie Soldaten. Special Ed deckte Christophers Seite und sah sich argwöhnisch nach allen Seiten um. Mike blieb ein paar Schritte zurück und sorgte dafür, dass sich niemand von hinten anschlich. Matt trabte voraus wie ein Kundschafter. Soeben spähte er wachsam in den Aufenthaltsraum.
Anscheinend spielten sie Militär.
Und Christopher war ihr König.
Ein ähnliches Verhalten hatte sie bei ihrer ersten Verabredung mit dem Sheriff erlebt – das instinktive Bedürfnis eines Mannes, sich nach allen Seiten abzusichern. Aber noch nie bei Siebenjährigen.
Schließlich fand Mikes Blick den Feind. Auch Brady Collins und Jenny Hertzog hatten Christopher entdeckt und flüsterten mit ihren Freunden. Christophers Mutter hätte dieses Gehabe gern als skurril belächelt, aber der große Ernst, mit dem alle Kinder ihre Rolle ausfüllten, verunsicherte sie. Das Ganze wirkte nicht wie ein Spiel.
Es wirkte wie ein Krieg.
Im Aufenthaltsraum setzte sich Ms. Lasko an das alte Klavier und spielte Skalen zum Aufwärmen der Hände. Ab und zu hielt sie inne und kratzte sich am Arm. Zuerst glaubte Christophers Mutter, dass es vom Entzug kam.
Bis ihr auffiel, dass sich auch Special Ed am Arm kratzte.
Und Matt. Und Mike.
Nur Christopher nicht.
Christophers Mutter beobachtete, dass sich Brady und Jenny ebenfalls kratzten. Genau wie einige ihrer Freunde. Und zwei Lehrer. Sie hatte schon erlebt, wie sich Krankheiten und Ausschläge an einer Schule verbreiteten. Aber das hier war … grotesk.
Sie wandte sich an Christophers Gruppe. »Hallo, Jungs. Wie geht es euch?«
»Gut, Mrs. Reese. Sehr gut«, antwortete Mike.
»Bist du sicher? Du kratzt dich dauernd am Arm.«
»Stimmt. Ich glaube, Matt und ich, wir haben uns was geholt. Giftefeu oder so.« Er zuckte die Achseln.
Im Dezember
? Ohne den Gedanken auszusprechen, fasste sie ihm an die Stirn. »Du glühst ja. Soll ich vielleicht deine Moms anrufen?«
»Nein. Sie sind ziemlich krank. Es ist besser, wenn wir hier sind.«
»Meine Mom auch«, ergänzte Special Ed.
Normalerweise hätte Christophers Mutter eine Grippewelle vermutet. Die gleiche Grippe, die erst vor ein paar Tagen ihren Sohn mit Fieber heimgesucht hatte. Doch nichts an dieser Situation kam ihr normal vor. Es war fast mit Händen zu greifen, dass die Jungen nicht ganz auf dem Damm waren. Vor allem Christopher.
»Christopher, alles in Ordnung bei dir?«, fragte sie besorgt.
»Ja, mir geht’s gut, Mom.«
Instinktiv legte sie ihm die Hand auf die Stirn. Und war schockiert. Als sie ihn am Morgen berührt hatte, schien alles gut. Seine Stirn war sogar ein wenig kühl gewesen. Jetzt hingegen brannte er förmlich. Weil sie ihm nicht vor allen Schülern und Lehrern eine Szene machen wollte, hielt sie den Mund. Doch sie entschied sofort, dass das Kino ausfallen musste. Ab jetzt standen Bettruhe und Besuche bei jedem Arzt im Einzugsbereich von Pittsburgh auf dem Programm, bis ihr jemand erklären konnte, was ihren Sohn so krank machte.
»Na gut, Schatz. Dann geh mal wieder zu deinen Freunden.«
Christopher und seine Gruppe steuerten auf das Klavier zu, als Ms. Lasko zu spielen anfing. Es war eine lange Einleitung, die sie mit einigen Bemerkungen über die stolze Tradition des »Winterumzugs« (zwinker zwinker) begleitete.
»Meine Damen und Herren, liebe Jungen und Mädchen, es freut uns sehr, hier im Shady Pines zu sein. Ich bin die musikalische Leiterin, Ms. Lasko. Gleich werden wir die Preise für das Ballon-Derby verteilen, aber zuerst steigen wir rauf aufs Haus!«
Up on the house, no delay, no pause,
Clatter the steeds of Santa Claus,
Down thro’ the chimney with loads of toys
Ho for the little ones, Christmas joys.
Der Gesang der Kinder lockte die restlichen Senioren in den Aufenthaltsraum. Alle außer Ambrose Olson. Seit dem Besuch in seinem Elternhaus kurz nach Davids Begräbnis hatte er sein Zimmer kaum noch verlassen. Die Nachtschwester berichtete, dass Ambrose die ganze Nacht gelesen hatte und dann in tiefen Schlaf gesunken war. Er hatte ausdrücklich darum gebeten, zum Weihnachtsumzug geweckt zu werden, weil er die Kinder unter keinen Umständen verpassen wollte. Doch als es so weit war, gelang es keiner von den Schwestern, ihn zu wecken. Vermutlich war er nach der durchwachten Nacht einfach zu erschöpft.
Oder er hatte die Grippe.
Leave her a dolly that laughs and cries,
One that can open and shut its eyes.
Als Lachen und Singen das Zimmer erfüllten, bemerkte Christophers Mutter Mary Katherine, die Mrs. Keizer in ihrem Rollstuhl durch die Tür schob. Die alte Frau wirkte noch viel aufgeregter als sonst.
»Mit dir stimmt was nicht«, giftete sie ihre Betreuerin an.
»Bitte, Mrs. Keizer«, flehte Mary Katherine.
»Du riechst falsch. Du bist anders.«
»Da drüben steht Ihr Enkel Brady. Suchen wir Ihnen einen schönen Platz, damit Sie ihm beim Singen zuschauen können.«
»Du bist schmutzig. Dieses Mädchen ist schmutzig!«, schrie die Alte.
Christophers Mutter übernahm sofort den Rollstuhl und parkte ihn ein Stück entfernt im Korridor. »Mrs. Keizer, mir ist egal, ob Ihre Tochter die Besitzerin des Heims ist. So können Sie einfach nicht mit den Leuten sprechen. Vor allem nicht mit unseren ehrenamtlichen Kräften. Haben wir uns verstanden?«
Die alte Frau schwieg einen Moment, dann lächelte sie Christophers Mutter zu. »Alles ist falsch. Sie spüren es doch auch.«
Christophers Mutter starrte sie an und bekam Gänsehaut an den Armen.
O! O! O! Who wouldn’t go.
O! O! O! Who wouldn’t go,
Up on the housetop, click! click! click!
Down thro’ the chimney with good St. Nick.
Christophers Mutter schüttelte den Schauder ab. Nachdem sie den Rollstuhl verriegelt hatte, ging sie hinüber zu Mary Katherine, die am Tisch mit dem Punsch und den Plätzchen stand. »Sie hat Alzheimer, Mary Katherine. Sie weiß gar nicht, was sie sagt.«
»Doch, sie weiß es ganz genau.«
»Was ist denn mit dir, Schätzchen? Du kannst offen mit mir reden.«
Mary Katherine blieb stumm.
Christophers Mutter spürte, dass das Mädchen unter einem schrecklichen Geheimnis litt. Sie war selbst mit genügend solchen Geheimnissen aufgewachsen. Daher war sie drauf und dran, Mary Katherine in die Küche zu bitten, damit die Kleine ihr das Herz ausschütten konnte.
Doch da passierte es.
Christophers Mutter hatte keine Ahnung, wie es angefangen hatte. Jedenfalls standen Special Ed und Brady Collins auf einmal Nase an Nase im Aufenthaltsraum.
»Lass ihn in Ruhe, Brady!«
»Leck mich, Fettsack!« Ohne Vorwarnung holte Brady Collins aus und schlug Special Ed ins Gesicht.
Special Ed stürzte schwer zu Boden. Mike und Matt rannten zu ihm, als sich Jenny Hertzog auf ihn warf.
Special Ed schleuderte sie weg, sprang auf und ging auf Brady los. »Wenn du Christopher noch ein einziges Mal anrührst, bring ich dich um!«
Christophers Mutter ging dazwischen. »HÖRT SOFORT AUF! SCHLUSS!«
Sie schienen sie gar nicht zu hören. Immer wieder fielen sie übereinander her. Alle außer Christopher, der sich wie gelähmt hinsetzte.
»MS. LASKO … HELFEN SIE MIR!«, rief Christophers Mutter.
Sie versuchte, die Freunde ihres Sohns von Brady und Jenny wegzuzerren, doch sie rauften und bissen weiter wie Hunde.
Ms. Lasko saß bloß da und hielt sich den Kopf, als hätte sie einen Kater. »Schluss mit diesem Lärm! Mir platzt gleich der Schädel!«
Es ging so chaotisch zu, dass niemand die alte Frau bemerkte.
Außer Christopher.
Christopher hockte völlig erstarrt auf dem Boden. Das Jucken überstieg alles, was er bisher erlebt hatte. Die Gedanken schossen ihm so rasend schnell durch den Kopf, dass er nicht mehr Schritt halten konnte. Er hörte nur noch ein wirres Rauschen. Und darüber eine einzelne Stimme.
Hallo, kleiner Junge.
Christopher schaute hinaus in den Korridor. Mrs. Keizer starrte ihn von ihrem Rollstuhl aus an. Sie zog ihre falschen Zähne heraus und erhob sich auf ihre spindeldürren Beine. Sie machte einen Schritt und urinierte auf den Boden. Der Schrei erstickte in seiner Kehle, als er erneut die Stimme hörte.
Es gibt keine Verrückte
.
Die Alte hinkte auf Christopher zu. Ihr Lächeln wirkte falsch. Keine Zähne. Wie ein Baby. Christopher wollte aufspringen, doch die Stimme nagelte ihn fest.
Es gibt bloß eine Frau, die dich beobachtet.
In ihrem Auftrag.
Sie humpelte weiter. »Chrissstopher …«, zischte sie. Sie setzte das Gebiss falsch herum ein. Die oberen Zähne unten, die unteren oben.
Sie ist sehr böse auf dich.
Christopher brachte keinen Laut heraus. Da waren nur noch das Wispern, das Jucken und die alte Frau, die immer näher kam. Schließlich knickten ihr die Beine weg, und sie krabbelte auf allen vieren weiter. Wie ein Hund.
Du hast den netten Mann befreit.
Mit Fingern wie Klauen über den Boden kratzend, kroch die Frau auf ihn zu. Aus dem Augenwinkel bemerkte Christopher, wie Jenny Hertzog Matt die Nägel ins Gesicht bohrte und nach seinen Augen scharrte. Brady Collins und seine Freunde traten Special Ed in den Bauch. Mike warf Brady nieder.
Sie will ihn wiederhaben.
In den Augen der Alten loderte der Wahnsinn.
Sag uns, wo er ist.
Christopher konnte sich nicht bewegen. Er saß festgebannt am Boden. Das Jucken zerrte ihn aus sich heraus, bis er nicht mehr er selbst war. Er war all die alten Menschen im Zimmer. Ihre Schmerzen. Ihre Qualen. Ihr Krebs. Ihre Krankheiten. Alzheimer. Geistige Umnachtung.
Geifernd wie ein zahnloser Hund robbte die Alte heran. »Sag uns, wo er ist!« Mit ihren morschen Fingern packte sie seine Hände.
Christopher schaute ihr in die Augen. Er nahm eine alte Frau wahr, die sinnloses Zeug kreischte. Doch es war nicht sinnlos. Wie bei einem Neugeborenen, das weiß, was es meint, auch wenn niemand es versteht.
»Der Tod kommt! Der Tod ist hier. Wir sterben am Weihnachtstag!«
Christopher stieß das Jucken durch seine Hände in ihre Haut. Er sah sie in ihrem Zimmer, wie sie durchs Fenster auf die Wolken starrte. Jahrelang. Er nahm sie mit zurück in die Vergangenheit. Bis in die Zeit vor dem Nebel in ihrem Kopf. Bis zum letzten Tag, an dem sie noch über ihre vollen geistigen Fähigkeiten verfügt hatte.
Über ihre Züge legte sich plötzlich Erleichterung. Wie nach einem Eisbeutel auf einem geschwollenen Gelenk. Nur dass es hier um ihren Verstand ging. Der Nebel lichtete sich.
Sie schaute Christopher an. »Wo bin ich?«
»In einem Altenheim.«
»Heiße ich Keizer?«
»Ja, Ma’am.«
»Ist das da drüben mein Enkel Brady?«
»Ja, Ma’am.«
»Wie lange war ich krank?«
»Acht Jahre.«
»Tut mir leid, dass ich dir Angst gemacht habe.«
»Sie machen mir keine Angst.« Mit diesen Worten schob Christopher das Jucken tief in den Kopf der Frau. Aus seiner Nase quoll Blut.
Die Kinder hörten auf zu kämpfen, als sie bemerkten, dass die alte Frau halb auf Christopher lag. Im Aufenthaltsraum wurde es still.
Christophers Mutter stürzte zu ihnen. »Mrs. Keizer, lassen Sie meinen Sohn los!«
»Selbstverständlich, Mrs. Reese. Ich bitte um Verzeihung.« Sie zog sich von Christopher zurück.
Alle Betreuer gafften sie an. Die Frau hatte acht Jahre lang unter Alzheimer gelitten. Und jetzt war sie auf einmal bei wachem Verstand und glücklich.
Es war ein Wunder.
Christopher war von der Nase bis zum Hals mit Blut bedeckt. Er schaute seiner Mutter in die Augen. »Mommy, ich glaub, ich sterbe.«